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Dresdner Nachrichten : 10.03.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189803106
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18980310
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18980310
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-10
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 10.03.1898
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«enanntcn^BotschasterPosten bedorstehen. — Dieses Dementi ist nicht die Spur mehr werth, wie die gegentheilige Vermuthuna. Der klerikale „Balm. Cour." i» München schreibt: „Wir erhalten solarndc Mitthcilung: Das Gerücht, »ach dem Gras v Lerchensclb, der bäuerische Gesandte am Berliner Hofe, ab- dmiien werden sollte, siihrt sich auf dieselbe Gesinnung des Kaisers zurück, aus welcher cs zu keinem Gespräch zwischen dem Kaiser und dein Centriimsabgeordneten Baron v. Hertling kam. Graf v Lerchenfeld wollte gemeinsam mit dem Krirgsmimster v. Goßler aus dem Hosballc eine Unterredung Hcrtling's mit dem Kaiser zu Stande bringen, welche Versuche aber jedes Mal vom Kaiser ab- sricheren Bantdirektor August imte geschnitten wurden." In der Anklagcsache gegen den .. Sternbcrg und Genossen wegen Leitung verschiedener Inst hat die Staatsanwaltschaft die von ihr eingelegte Revision gegen daS srcisprccheirde Urtycil zurückgezogen. Ter Personenzug Lübeck-Errtin ist kurz hinter Lübeck entgleist. Zwei Personen wurden verletzt, der Postwagen ist zertrümmert. In Kladow an der Havel ist, wie die „Krcuz-Ztg." berichtet, einer Sckmhmachersamilie ein weibliches Kind ohne Arme und Beine geboren. Das Kind lebt. Oesterreich. Tic Zeitungen bezeichnen das Ministerin», Thun als die seltsamste Mischung verschiedenartiger Elemente, die den Widersprüchen zu vergleichen sei, die bei Thun selbst hcrvortrcten, nämlich einerseits sein Standcsvorurthcil, sein starker Klerikalismus, sein aristokratisches Bewusstsein, sein Eigenwille in seinen, politischen Vorgehen, andererseits sein gesundes Urthcil, seine Rechtlichkeit im Amte, seine schmiegsame Feinheit, gründliche Sachlichkeit und sein Sinn für bürgerliche Tüchtigkeit. Zufolge seines Kunststückes, den Dentschböhmen Bärnrcither und den Innig- riechen Kaizl in seinem Kabinct zu vereinigen, ist die Stimmung thcilweisc zu Gunsten Thun's iimgeschlagen. UcbrigenS gelten so wohl Bärnreithcr als Kaizl für Männer von hervorragender Tüchtigkeit. Der bisherige Ackerbaumiiiister und künftige Unter- richlsminisler Graf Bvlandt war noch vor drei Monaten zweiter SeklionSchcs in, Uiitcrrichtsministeriu», und gilt als weniger kleri kal und mehr rentralistisch wie Graf Latour. Betreffs des Postens des polnischen LandSinannininistcrS war lebhafter Kamps im Polen kl»b zwischen dem Obmann Iaworski und dem Professor Milemski, bis im letzten Augenblick der Großgrundbesitzer und Obmann- Stellvertreter des PolcnklubS Dr. Adam Ritter v. Icndrzcjowitz Minister wurde. In der dcntschliberalcn Partei dauern zwei Strömungen fort. Das „Neue Tageblatt" jagt, das Ministerium duffe nicht um jeden Preis bekämpft werden, die Mitarbeiterschaft Bärnreikhcr's biete eine Art Gewähr für eine günstige Erledigung auch der sprachlichen Hauptsorderungc» der Teiitiche». Nach einer Mitthcilung aus Prag wolle Thun die neuen Sprachenverord nungcu. und zwar abgeändert, dem ReichSrath als Gesetz vorlegcn. Tie „Neue Feie Prestc" und die „Bohemia" gebe» dem Groll der deutschen Parteileitung Ausdruck, das; der Eintritt Bärnrcither's i» das Kabinct die Selbstständigkeit des deutschen Großgrund- desitzes von vorherein verdächtige und den unvermittelten Abfall desselben von der deutschen Gcmcinbürgschast bezeichne. Im Wiener Gemeinderatb beantragte der Liberale Weihwasser, am st. November an der Stelle, wo vor 5>0 Jahren Robert Blum erschossen wurde, einen Gedenkstein zn errichten. Tic Mehrheit nahm den Antrag, der dem Stadtrath überwiesen wurde, mit Gelächter auf. Sodann fand eine bewegte Erörterung über die vom Stadtrath abgelehntc» Anträge ans feierliche Begehung des l3. März durch die Gemeinde statt. Bcmerkcnswerth ist, das, die Polizei sich gegen die vom Stadlrathe geplanten Beschränkungen wegen des Besuchs der Gräber der Märzgefallenen ausipräch. Die Anträge über die Märzfcier wurden abgeiehnt. Ter Gemeindcausschun von Eger nahm folgende Resolution an: „Ter Gemeindeausschus, der Ltadt Eger erblickt in den Ver ordnungen des Ministeriums Gautsch einen gänzlich verfehlten Versuch zur Losung der Sprachenverhältnisse in Böhmen und Mähren, well dieselben die durch die Badeni'schcn Verordnungen im deutsche» Volke hervorgerufene Erregung nicht beseitigen, und erwartet vertrauensvoll, dass alle deutschen Abgeordneten auch diesen das gute Recht unseres kulturell und wirthschastlich über ragenden Bölksstammes neuerdings verletzenden Verordnungen den zähesten Widerstand entgegensetzen und in schärfster Opposition gegen die Regierung verharren werden." Frankreich. Während die Pariser Journale vor einigen Tagen dchaupicte», der Kassatwiishos müsse über das Nichtigkeits- aesuch Zolas binnen 10 Tage», also noch vor dem 11. März, be finden, heißt cs nun. das Gesuch werde erst in " bis 1 Wochen erledigt werden. Das Gesuch stützt sich nach den Mittheilmigcn französischer Blätter ans folgende vier Punkte: 1. Ans das Ein greifen der Generale Boisdessre und Pellicur: 2. aus die That- sachc, das anS dem Briefe Zola'S „.l'accrwo" der in der Absicht seines Verfassers ein Ganzes bildete, nur einzelne Stellen beraus- gegriffcn worden sind: 3. aus zahlreiche Formfehler, die sich bei einer genauen Prüfung der Prozeszverhandliing Herausstellen wer den : 4. die ungenügende Motivirnng der Entscheidung des Schwur- gericht-ShofcS, der alle Schluszanträge der Bcrthcidignng grundsätz lich znrückwies- Bei Bcraihung ocs Finnn.zgcsctzes in der Teputirtentammcr verlas der Berichterstatter Kraiitz den Bericht, der die Annahme des Amendements Flenry-Ravariu betreffend die Reorganisation des Geldmarkts empfiehlt. Viviani befürwortete seinen Gegen antrag, wonach eine strengere Kontrole der Makler und der KulissicurS und erböhtc Garantien für das Publikum eingcführt werde» sollen. Finanzininister (Lochern gab eine Darstellung der Garantien, welche die Regierung in, Interesse des Publikums ein- zusührcn gedenke, und unterzog den Gogencintrag Viviani, der die Anerkemmng der Kulisse und die BeieiKgnng der Makler in sich schließe, einer Kritik. Der Antrag Viviani, erklärte der Muttster, würde den Markt nicht fraiizösisircn und jede Garantie aufhehen. Eochcrv trat für den Antrag Fleury-Ravarin ein. der der Regier ung gestatte, ein Reglement vorzuberciten, das in drei oder vier Monaten in Kraft treten solle, damit die lausenden Geschäfte nb- acwickelt werde» könne». Ter Gegenantrag Viviani wurde schließ lich mit N? gegen Mi Stimmen abgelehnt. Das Amendement Flcurn-Ravarin wurde mit!W gegen IN Stimmen angenommen. lAusführlicher wiederholt.) Die Zeugen Esterhazys haben von Oberst Picguart einen Brie! erhalte», worin dieser seine» Entschluß. keine Zeugen zu be zeichne». ausrecht erhält. Die Zeugen Eftcrhazh'S werden ein Ehrengericht Vorschlägen, »m über die Angelegenheit zu berathcn. T,e beiden Kartellträger Esterhazh'S haben den. Oberst Picauart ihre Zeugen geschickt. Gerüchtweise verlautet, die Bedingungen Esterhazys seien scbr strenge gewesen, und zwar sechsmaliger Kugelwechjel aus 20 Schrift mit Zielen und im Falle des rcsultät- losen Verlaufs Kampf ans Degen bis zur vollständigen Kamps- unsähigkeit. Eine Mitthcilung der Gesellschaft PariS-Lyon-Mvditcrranöe bestätigt, daß der Unfall des Schnellzuges ans ein Verbrechen zullickzusuhrcn ist. Die Untersuchung durch die Ingenieure hat er geben, daß eine 10 Meer lange Schiene gänzlich losgeschraubt und die Schwellen wcggcnonimcn worden sind. Ein Versuch, die Züge rum Entgleisen zu bringen, hat in derselben Gegend vor einigen Monaten stattgefundcn, mir war damals ein Stern ans die Schienen gelegt worden, den das Personal indcß rechtzeitig entdeckte. Türkei. Ein Gerücht gebt dal,in, der Sultan hätte durch de» KricgSmnnster allen Balis von Klcinasicn den Auftrag crthcilt. zweunalhundcrttauscnd Rcdiss zu sormircn und marschbereit zn holten. Amerika. Nach aus Ncw-Aork kommende» Meldungen soll dort die Lage sehr ernst aufgefaßt werden. Tie öffentliche Mein ung sei so erregt, daß der geringste Anlaß eine Explosion bewirken könne. Selbst wenn die augenblicklichen Reibungen »nt Spanien bcigelegt werden sollte», gilt eine schließliche Intervention Amerikas 'licklichen Absicl die augenblicklichen Absichten des Präsidenten Ungewißheit. Der ür sicher, lieber Me. .Kinley herrscht noch Ungewißheit. Der Staatssekretär der Marine sprach sich folgendermaßen auS: „Während keine Anzeigen dosür vorhanden sind, daß wir einem Kriege jetzt näher sind als vor einer Woche, gehen wir doch mit den Rüstungen vorwärts, um für jede Eventualität bereit zu sein. Wir haben den Eindruck, -IS ob sowohl die New-Uorker wie die Londoner Alarmirnng — die eine wegen Spanien, die andere wegen Ostasicn — wesentlich «ui Böffcnmanövem beruhte. vermischte». * Einen moralischen Gemeindcrath besitzt daü Dorf Diuxperl, in Holland. Dieser biedere Ortsvorstand hat nämlich das An hängen von Wäsche und Untcrzcng ans Hecken, die an Fußpfade grenzen, verboten, weil dies „zu unsittliche» Gedanken Anlaß gebe. * Wenig bekannt dürste es sein, daß jeder Japaner seinen Lebens- oder vielmehr HeirathSbaum besitzt An dem Tage nämlich, an dem im Lande der Chrysanthemen ein Baby zur Welt kommt, pflanzt der stolze Vater ein junges Bäumchen, das gleich dem zarten lebenden Wesen, dessen Namen es theilt. die sorgsamste Pflege genießt. Geht das Bäumchen trotz aller Sorg falt ein, was jedoch nur höchst selten passirt. dann setzt man wring Hoffnung auf das Gedeihen des KindeS. Gewöhnlich treibt der kleine Baum lustig empor und ist groß und kräftig, bevor der japanische Weltbürger lehr in Jahren vorgeschritten ist. Sobald nun der Tag naht, an dem der junge Man» oder die jugendliche Maid in das süße Ehejoch zu schlüpsen gedenken, wird der Hciraths bauni gefällt und aus seinem Holz ein Möbel gefertigt, das das junge Ehepaar als das schönste Stück im ganzen Haushalt be trachtet und mit größter Pietät behandelt. " Der Holzbildhauer Stehn aus Hamburg, ein sirbzchmähriger Bursche, versuchte Abends im Postamt am Matthrasplatz in Breslau einen Raub. Zwei Freimarken fordernd, ergriff Stehn zwei Gcidschwingen, die 8000 bezw. 200c) Mark enthielten, und entfloh. Im HanSslnr wurde ihm die erste Schwinge entrissen, die andere auf dem Matthiasvlnh, nachdem die Festnahme des Räubers gelungen war. '' Eine Mcisscnhochzcrt bat i» Quebec, Eanada, in der"Pfarr kirche Sancta-Maria stattgrinnden. Zwei Nachbarslenie Nainens Morin und Rbeaume, von sranzösischer Abstammung, inndcn sich in der „glücklichen" Lage, Vater von je 8 .Kindern zu sei», vier Söhnen und vier Töchtern. Und inerlwürdiger Weise hatten sich alle Söhne Morin s in die Töchter Rheauinc's und umgekehrt die Söhne Rhvaumc s in die Töchter Morin s verliebt. Die Folge war eine allgemeine Hochzeit, die an dcnffctben Tage in derselben Kirche unter Bctheiligung von zahlreiche» Freunden und Neugierigen strittig»!'. Nach der kirchlichen Feier vereinigte ein großes Banket die beiden Familien, die fti Verbciratbeten, ihre llj Braulinhrer und Brautjungfern. " Rezept zu einer guten Eheschließung für Musiksrcunde. Die Einleitung zur Bekanntschaft muß mit L i s; t geschehen. Man führt das Mädchen am Händel durch die Hand» und über den B a ch , und Prüienlirt endlich einen 2 t r n u ß , wen» man am Hanse antviinnt. Daraus wird man zum SnpYö eingeladcn. bringt Goldmark und Rubinftein mit, erklärt sich als kühner Wagner und de Lieb tDelibes» ist fertig. Ernst und Scherz. Ter Fremde, der zum ersten Male nach Dresden kommt, lenkt zuerst seine Schritte zum Mittelpunkt der Stadt, zum König! Schlosse, nir weltberühmten Brühlsche» Terrasse: dann nagt er nach den Sammlungen iür Kunst und Wissenschaft und bekommt, wenn er keine» Führer bei sich hat. von de» Eingeborenen bereit willig Auskunft --- denn die Dresdner sind betanittlich sehr höflich gegen Fremde. Bia» sagt ihm. daß sich im Museum am Theater platz die Gemäldegalerie und die .Kupferstiche besindcn. im Parterre des Kgi. Schlosses das Grüne Gewölbe nift seinen kostbaren .Kronschätzen. im Zwinger die nainrhrstorüchen Sannnlnngcn, im Ivhanneuni Waffen. Rüstungen und kostbares Porzellan, im Albertinum Tkulpinrcn und Gvvsabgüsie aus alter und neuer Zeit. Welch' eine unermeßliche Fülle von Werken der Kunst, des Knnstgewcrbes und der Natur dort ausbcwahrt werden, davon haben Viele, obichon sie Dresden ihre Heimat!» nennen, gar leine Ahnung, während sie anderwärts in Museen und Sammlungen viel besser Bescheid wisse», doch ist dies keine berechtigte Eigenthümlichkeii der Dresdner, sonder» sindct sich bei allen Großstädtern und läßt sich leicht erklären. Was man alle Tage haben kann, achtet man viel weniger als das, was inan mit großen Ovicrn an Zeit und Geld erringen muß: daheim sind die meisten Mensche» durch ihren Berns und häusliche Geschäfte in Ainvrnch genommen, und finde» sich doch einige Mußestunden, die man recht gut der Kims! widmen könnte, so heißt's: „Ach — heute nicht! DaS Museum läuft uns jg nicht davon!" Befindet man sich aber aus der Reffe, so giebt man sich, aller Bcrusspftichtc» ledig, nur dem Vergnügen hin und nutzt die Zeit nach Kräften aus. Wer in München einige Tage Raft macht, hält's für seine Schuldigkeit, die .Kunstichätzc der bäuerischen Hauptstadt zn besichtigen - - immer kann inan sä doch nicht im Hosbrän oder beim Ober-Pollinger sitze»' Wer »ach Paris kommt, geht in den Louvre,und wen» dic Zeil noch so kur; zngemesscn, um die Venus von Milo zu sehen, und wer sich eine Reise nach Italien leisten will, muß ans ein reichliches Maß von Knnil- versländniß geeicht sein, ehe er sich in das Vaterland von Michel Angelo und Raphael bcgicbt. Daß man bei einer flüchtigen Wandermnz durch die Dresdner Kunstsammlungen keinen nach haltigen Eindruck haben kann, versteht sich von selbst: wie die wechselnden Bilder eines Kaleidoskops ziehen die Gegenstände an nineren Augen vorüber. Erst wenn ma» oft dageweien, kann man Nutzen davon haben, man hat Lieblinge, zu denen man immer wieder znrückkclnt, man weiß, was man übersehen kann, ohne eine Einbuße z» erleiden. Ritt welcher fabelbasten Geschwindigkeit taufen zuweilen Fremde, den rotheingebundeuen Bädekcr in der Hand, durch die Säle, und sagen, wenn sic mit sämmtiichcn Sammlungen fertig sind, triumphirend: „So! Das wäre ab gemocht!" Es giebt aber auch Einzelne, die nur für ein be stimmtes Fach Interesse baben - Der will Schmetterlinge. Jener Vogelnester sehen, Der schwärmt für alte Waffen, lind seine Gemahlin schwelgt lieber im Anblick des Iuwelcnschatzcs im Grünen Gewölbe, aber die Gemäldegalerie ist und bleibt der Liebling aller Einheimischen und Fremden, und wird am meisten besticht, gehört doch keine besondere Gelehrsamkeit dazu, sich an einem schönen Gemälde zn erfreuen. Im Sommer, zur Reisezeit fluthet ein lebendiger Strom durch ibre Räume, der sich vor dem Kabinct. wo die Perle unserer Galerie, die Sixtinische Madonna in stiller Hoheit thront, zur bedenklichen Hochstuth staut. Im Winter läßt zwar der Zudrang nach, aber Soiliftags benutzen Hunderte, die Wochentags keine Zeit haben, die Gelegenheit, die alten Meisterwerke von Neuem zu bewundern und die neuen Erwerbungen kennen zu lernen und zu kritisiren. Merkwürdig, wie sich die Ansichten der Künstler im Laufe der Zeit geändert haben! Früher malten sic mit Vorliebe iungc, schöne Mädchen und Frauen, und jetzt sind die alten Weiber mit plumpen geistlosen Gesichtern in die Mode gekommen: früher zeigten sie ihre Kunst an Atlas und Brocat. jetzt an derben Schuhen, wollenen Röcken und sleffgestärklen blauen Leinwand- schürzcn: wer ehemals bei der Betrachtung einer schönen Land schaft den lebhaften Wunsch siegte, diesen bewaldeten Thalgrnnd einmal in der Wirklichkeit zn sehen, und das kleine Bäcsielchcn rauschen zn hören, der kann sich unmöglich sür ein Kartoffelfeld begeistern, das ein Moderner gepinselt hat. und in dem „Garten Eden", von welchem jetzt in den Zeitungen so viel gesprochen wurde, möchte wohl Niemand seine Sommersrische verleben, und noch weniger für immer in diesem sogenannten „Paradiese" weiten! Auch die braven Vaterlaiidsvcrthcidigcr kommen Sonntags, wenn sie dienstfrei sind, cnigcrückt, uni sich das Museum anzuscheii. Sie wissen nichts von de» neue» Schlagwörtern der Kunst, Götter mid Göttinnen und das lustige mythologische Völkchen der Faune und Nymphen intcressirt sie nicht im Mindesten, aber eine ihnen ver stündliche Scene ans der biblischen Geschichte, ein Vorgang auS dem Familienleben macht großen Eindruck aus die unbesangencn Gcmüthcr, und mit Kennerblicken betrachten sie die Gemälde, aus welchen Soldaten dargestcllt sind. „Also so sicht ein Gefecht aus. von welchem der Herr Leutnant in der InstriiktionSstunde immer so viel zu reden hat!" Daß die in der Residenz lebenden Familien Besuch von Freunden und Verwandte» aus der Provinz bekommen, ist nichts Seltenes, und selbstverständlich werden sie von ihren Gnstsrcnndcn in die Kunstsammlungen gcsührt. Bei dieser Gelegen heit entwickelt besonders die weibliche Linie eine ungeheure Gennß- sähigkcit und Ausdauer al-s Zeichen, daß man aus dem Lande oder in der kleinen Stadt kräftigere Nerven hat. als die vom ewigen Lärm umbraustcn Großstädter. Sic haben sich schon lange aus den Ausflug gefreut, müssen lange an dem gehabten Genüsse zehren und kommen mit der Absicht, Alles gründlich zn genießen n»d sich nichts entgehen zn lasten — daheim kann man sich dann wieder auSruhen! Ihre Lcistiingssähigkeit setzt vst die Gastsrcnndc in gerechtes «staunen! Wer hätte cS der Tante Bertha oder der Cousine Luise zugetrant, daß sic so viel cuishalten könnten? Sic sind ja einfach nicht „todt zu kriegen"! Jeden Morgen eischcinen sie beim FrühstückStisch mit der Frage: „Was nehmen wir heute vor ?' wenn sie nicht bereits selbst ein Programm entworfen haben. Sehr selten lassen sie sich etwas abhandrln. wollen auch den üeinsten Gegenstand genau besichtigen, und würden sich nicht ent schließen. die Gemäldegalerie zu verlasse», che sic nicht in säimnt- liohcn Räumen der drei «Stockwerke des mächtigen Gebäudes gewesen sind. Julius Stinde erzählt sehr ergötzlich von dem Besuche, den seine „BuchholzenS" von Verwandten aus der kleine» Stadt bekommen. Amt Tage bat sie der Onkel Fritz i» de» Berliner Museen hemmgeführt — dann sind seine Kräfte zu Ende — er kann nicht mehr! Aber die Gäste sind »och frisch und munter, besonders die Großmutter! Die ist gerader» unverwüstlich! Am nächsten Tage will sie durchaus das cgyptische Museum sehen, aber als geriebener Bcrtiner weiß sich der Onkel Fritz zu Helsen. „Thut mir leid, Großmutter! Das ist morgen nicht zn sehen. Freitags werden stets die Mumien gefüttert!" Daß die brave Iran die Ausrede sin Wahrheit genommen, und von Berlin abgereist ohne in Egypten gewesen zu sein, war sehr nett von ihr, aber eigentlich hätte sie antworten sollen : „Wir wollen's nur versuchen — vielleicht läßt man uns doch hinein! Eine Fütterung von Mumien habe ich mir ichon lange gewünscht Die Mumie einer egyptilchen Königstochter in seiner eigenen Be Hausung aufzubcwahrcn. wird sich wohl selten Jemand wünschen, aber andere Seltenheiten, die die Natur oder die i»ciiichliche Hand hervorgebracht haben, werden von Privatpersonen einig gesammelt. Scho» die Jugend besitzt eine» angeborenen Sannnelerfer, jeder Schuljunge hat in der unergründlichen Tiefe seiner Hoienlaichen eine» Schatz, der ihm augenblicklich iür keinen Preis seil ist vielleicht eine Muschel, ein Stückchen Feuerstein, eine alle Flinte» kugel. Mit Entzücken betrachtet er eine ausländische Briefmarke, sür welche er ans Geldmangel sein Taschenmesser gegeben ha!, nachdem sein Schulkamerad imd Geschäftsfreund das Schnuvitnch als Bezahlung abgelehnt halte. In den höhere» Klassen werden Siegclabdrückc »nd Aittographen gesammelt: man schreibt an be rühmte Leute und bittet sie um einige Zeile», ist bcgtückt, wenn sie so liebenswürdig sind, dem Wunsche nachzntoiiimen. und groll!, wenn sic keine Antwort geben. Tas weibliche Geschlecht ist weniger begierig aus das Sammeln: in der.Kindheit höchstens buntes Papier und icidene Fleckchen, später getrocknete Blumen: Evlicubläfter und Vergißmeinnicht und wenn die Backiffchzeit vo, - über ist: Häkelmnslcr und Kochrezepte. Vornehme, reiche Tann» sammeln wohl kostbare Fächer, alle Spitzen, tadellose Perlen und seltene Lchmnckiache», aber sie cntbebren den größten Reiz den das Sammeln eigentlich mit sich bringt: inan muß den Schätzen selbst nachipüren, ui» sie handeln und iciljchen, sie an einen Kon tnrrente» zu verlieren fürchte» und zum Schluß tnnmvhircnd nach Haust tragen. Männer in reiseren Jahren, die viel Zeit hoben, oder die sich bei einem sehr cinlönigeii Berufe ^nach Abwechselung sehnen, sind besonders sür den Berns eines Sammlers geeignet Mancher trägt Planlos Alles zusammen was iln» gefällt, Anden- haben ein bestimmtes Sicckcnvstrd. das sie mit Eisci tnnnncl». Ter Eine schwärmt iür alte Handichristcn und Bücher, der Zmciie für Ilrnen und Astheiitrüge a»s der Zeit der Sorben und Wenden, der Tritte iür chinesisches Porzellan und vcnelianiicbc Glast: linier gern geichener «statt am Residenzlhcalei, Herr Mattowskn. König!. Preußischer Hvffchauwicier, iannnelt z. B. mit Vorliebe alle historische .Kirchcnsenitcr. von weiche» er sich ein iörmliches Mnicnm angelegt Hai. Die Angehörigen des Sammlers sind off nicht recht mit dieicr etwas kosvvieligen Liebbaverei einverstanden und manche svariamc Hansiraii nutzt, wenn ihr Gatte wieder eine» neuen „Schatz" nach Haute bringt. Wenn aber das Familcen überhaupt eine reichhallige Sammlung von Fkaatsvaviercn, Aktien. Pfandbriefen und Hvvoihcteinchenieii nn sicheren Schrein verwahr» nnd dieselben alljährlich vermehrt, >o solle», wie man sagt, Frau und Kinder, Schwiegersöhne nnd Enkel noch nie gegen diele Dokumentensammlung eiwas cinznwcnden gehabt haben. Hunst und Wissenschaft. ck Das sechste Tinsonie Eonecrt der K ffnrg l. Kav eile stellte neben das Hanplstück des Abends , Beethoven's X-clnr-Sinfonie, zwei wettere große Werke von Bedeutung, beide von der König!. Kapelle zinir ersten Maie gespielt: eine Handn sche Zinwnie in Il-mall und T'cbaitowslh's Ouvertüre .-zylenella „1812", zu einander wobl von loial erlremem Charakter, beide aber reich an Inbali n»d groß in der kinistlcrnchen Gestaltung Die Hahdn'sche Simonie, zwciicllos eine der besten Schövstingcn des Meisters, mitericheidei sieb von andere» gieichwerthigeri Arbeiten in keiner Hinsicht. Wie bei allen Haydn scheu .Kompositionen, ist auch hier das volle Maß des Wohllautes ansgcgossen. in böchslcr Meisterschaft die technische Arbeit getban. Alles zu einein (stlanz- slück von edler Einfachheit nnd Fchlichtbeit gestaltet. Von durch aus heiterem, oft energischem Eharaktcr, liegt über dem ganzen' Werke kaum der Fchatten einer erlisten, dimeren Stimmung, die berechtigte, das Ilangschöne, von keinem Mstzlon getrüble Gebilde als „Tranersimonst" zn bezeichnen, man inicßte denn dos Adagio i» seinem lioheitsvollen, von tiefer Emvistidiing zeugenden Inhalt als de» Ausdruck schlichter Wehmuih hiniiehinen wollen. In die sem Sinne soll der Satz im Jahre 18«»!» zur Todtcnfeicr von Haydn gespielt »nd die Simonie insvlgcdessen „Tianersinfonic" benannt worden sein. Die Erinnerung an diele Todienscier mag die Benennung einigermaßen rechtfertigen, eine wirkliche Trauer wird ma» aber ans dem Einzelnen, sowie, aus dein Ganzen kaum hinein oder hcrausdemcn können. Im Gegcittheil waren es gerade das frischpulsirende Leben, die quellende Heiterkeit nnd Fröhlichkeit, die am meisten ansprachen, und um deren Schönheit, Grazie nnd Ingcndstnche willen man gern den letzten trait und encrcstevollen Satz wiederholt gehört hätte. Der stürmische Beifall zielte wenigstens ans diesen Wunsch hin. Teil direkten Gegeniak zn diesem Haydn stellte die Tschaikvwsty'sche Ouvertüre. In erweiterter Form ge arbeite!, ist ist als Erinnerung an Navolcon's Zug nach Rußland nnd seine Niederlage daielbst gedacht. Ein feierliches, gebctartiges Thema leitet das mächtige Werk ein, das zunächst friedliche, iänd lichc Vorgänge zeichnet, bis ein kriegerischer Marsch die Ereignisse anventet. Zuerst nur in schattenhaften Umrissen, dann aber stärker nnd eindrucksvoller tritt die Marseillaise hervor, die schließlich wst eine Verheerung anwächst nnd sich ausbreitet. Dazwischen Kriegs lärm, Weinen nnd Klage». Als Wnth und Verzweiflung, als das Kämme» und Ringen nach Befreiung nnd Erlösung scheinbar den Höhepunkt erreicht habe». Volt das Orchester zn einem neuen, mächtigen Anläufe aus, und eine»! riesenhaften Ungeheuer gleich erhcvt sich förmlich zermalmend die russische Nationalhymne, Alles niederichniefternd, was an die Marseillaise, was an Nnpolcon's Macht noch erinnern könnte. Unter Glockenläuten und Salut schüssen, unter denkbar höchster orchestraler Machtentfaltung ve hanytet der nationale Trstimvhgeiaiig den Sieg, in cincOocka ans tönend, die überwältigend wirft. Der Estidruck des von der Köiiigl. Kapelle mit Höchster Bravour auSgeführten »nd von Herrn Generalmusikdirektor Schuch mir hinreißendem Tcmverament g> spielten Werkes war derartig mächtig, daß nach dem letzten Akkord ein miiinteiilangcr Beifallssturm sich erhob, der Herrn Schuch vier Mal auf das Tirigcntenvodstlin zurnckries. Dem Coneert wohnten die König!. Hoheiten Prinz Georg und Prinzessin Mathilde bei. U. 8t. st Im König!. Hofvve r n h a n s e gelangt heule .. L o h c » grin" zur Auftührung. Ansana halb 7 Uhr. Das Königl. Hoi ichauipicl giebt »n Shakesvcare-Ehklus „D c r K a u s m ann v o n Venedig". Anfang 7 Uhr. 7 Im' Residenztheater werden heute die Vorstellungen des Schwankes „Di e Logenbrüder" mit Felix Schweig- Hofer a. G. wieder ausgenommen. Der vorgestrigen Aufführung des „Nullcr'l" wohnten die Hoheiten Frau Herzogin von Schles wig-Holstein, Herzog Günther von Schlcswig-Hviftein und Prin zessin von Eobnrg-Gotha bei. — Am Sonntag hat Herr Schweig Hofer in einer Soiree am Königl. Hofe mitziiwirten. Der Anicmg der Sonntag-Abendvorstellung tz.Die Logenbrüder") ist infolge dessen auf 7 Uhr angeictzt. 7 Im heutigen Novitäten-Concert gelangen zum ersten Male zur Auffahrung: Fcstktänge, grober Marich von R. Hosmann: Intermezzo von C. Biber : Erinnerung. Lied sür Tromba-Solo von A. Speyer. V Heute giebt Herr Engen Gura seinen letzten Pal la d e n a b e n d im Museiihaüse. 1' Tie Sonder und Kollektivausstellungen einzelner Künstler haben gegenüber den Bilderreviien an masso, die man sich ictzr ancrteinieiiswcrthcr Weise immer mehr sür die großen nationalen »nd internationalen Ausstellungen anshcbt. Vieles sür sich. Vor Allem können allein sie ein nach Möglichkeit vollständiges Bild von der Eigenart, von der besonderen Persönlichkeit des betreffen den Künstlers geben und zugleich sein Talent in größter Vielseitig keit zeigen Auch das spricht sür sie, daß dem Beschauer ein stärkeres Konzentrircn. ein besseres Vertiefen in die in Frage kom mende künstlerische Individualität möglich wird, wenn er nur Werke eines Meisters auf einmal in kritische Erwägung zn ziehen braucht. In lebhafte Erinnerung brachte diese Vorzüge die umfang reiche Kollektivausstellung des Malers Ernst O. Simons o n - Castelli, die seit wenigen Tagen in der Villa des Künstlers im nachbarlichen -Strehlen zResidcnzstraßc 22» in einem außer ordentlich wirksamen, um nicht zu sagen rassinirten Arrangement zu sehen ist, für das das fein abgrstimmle Interieur des Künstler- Heims außerdem noch einen Rahmen abgiebt, wie er passender und schöner nicht gedacht werden taiin. Siiiwnion war srüher. soweit wir unterrichtet sind, säst anSichließtich Genreinaler: mehrere Jahre ernitco Dresdner Nachrichten. Nr. «»H. Seite 3. »»» Tonncrslaa. iO. Marz
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