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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 05.07.1926
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260705027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926070502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926070502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-07
- Tag 1926-07-05
-
Monat
1926-07
-
Jahr
1926
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Nr. 310 Seile 2 .Dresdner Nachrichten" Montag. S. In« isr« hem Gerichte! Aber, so sank man. zugegeben, daß Gerichte, besonders Strafgerichte, es nicht allen rechtmachen können, so muß man doch wenigstens verlangen. daß die Rechtspflege mit dem Rechtobeivniitseiii der „Mehrheit des Volkes" übereinstlmmt. Auch daran ist nnr soviel richtig daß die verfassungsmäßig sich kundgebende nnd in Erscheinung tretende Mehrheit, das, also ^das 2K'lk", so wie es nach der ReichSverfassiing Träger der L7laatS,ieivaIt ist. sich auch seine, das heibt. die ihm zusagenden Gesetze geben nnd ihre Durchführung vom Richter verlangen kann nnd soll. Aber im übrigen kommt eS auf zunächst nur stiiiunniigSinasiige, vielleicht wieder wechselnde, »»kontrollier» bare und im Gesetzgebungswege bisher nicht bewiesene Mehr heiten ganz nnd gar nicht an. Unter sie den Richter beugen wollen, beißt jede unabhängige und ttberzeugungSgerechte Rechtspflege einfach tvtschlagen, heißt, dem Richter befehlen, daß er schielen soll, worauf er nicht schielen darf. Gesetzgebung und, i» den Grenzen ihrer Bindung an daß Gesetz, auch Rechtsprechung ist Führeramt, Führerarbeit am Volk nnd mit dein Volk. Haben sie beide danach zn fragen, ob tagtäglich die Mehrheit, auch die Mehrheit einschließlich der Unbelehrbaren oder Wideri'vziale» ihnen Beisall zollt? 'Rein, daran haben sie allein z» denken, wie sie für Gegenwart nnd Zukunft wahre Wohlfahrt deS gesamten BvlkeS fördern. Wenn schon ans etwas Unwägbares, nicht sofort Kontrollierbares. !>' kommt eS für Richter nnd Gesetzgeber daraus an, wie er es den Beste», den Berständigsten in allen BvlkSkreisen recht macht, daiiernd recht macht, nicht aber den TageSmehrheiten, den TageSst römnngen. Darüber, was die dauernde, wirkliche Wohlfahrt des Ge- samtvolkcS verlangt, irren solche Strömlingen, auch wenn sie weite Kreise ergreifen, doch oft schwer. Bor etwa zwanzig Jahren war ein Teil der Nervenärzte in dem Sinne, daß ihnen säst jeder schwerere Gesetzesverletzer unverantwortlich und nur alS krank und zn bemitleidend erschien, in wissenschastliche» Irrtümeni befangen. Heute hat diele Spezialwissenschast schon langst wieder eine mittlere, der BolkSwohlsahrt besser dienende Linie gesunden. Bald nach KriegSauSgang nnd nach der Revolution nahm die Unredlichkeit im großen nnd kleinen, begünstigt durch die Berwirrnng im Geldwesen, so zn, daß man sagen muß, die Mehrheit des deutschen BolkeS in fast allen Standen hatte das gesunde Empfinden für Mein und Dein verloren. Heute iit's schon wieder etivaS besser damit. Die gegenwärtigen „volkstümlichen" Strömungen gehen in anderer Richtung. Abtreibung, Tötung nnheilbar Blöder und der gleichen. widernatürliche Unzucht unter Männern soll nicht mehr mit Strafe bedroht sein. Es liegt mir fern, alle diese großen Einzelproblemc, die jeder Strafrichter ja pflichtgemäß studieren muß, kurz nnd von oben her abzntnn. Aber eins hat ihre Behandlung von gewisser Seite gemeinsam. Die ernst warnende Stimme anS der menschlichen Natur, aus der Ge schichte der Völker, ans Jahrtausende alter und heute noch un ersetzlicher Ethik, sie soll nichts mehr gelten, denn die „Mehr heit des BolkeS" will diese Dinge zu erlaubten machen. Zur Frage -eS „wohltätigen TodeS" für Kretins usw. verweise ich aus eine sehr gute Schrift des Facharztes i» diesem Gebiet. Med.-Rat Meltzer jProblem der Abkürzung lcbensuniverten Mahnung zum Susann Eine Entschließung der Arbeitsgemeinschaft des preußischen Staalsrats. Berlin. 5. Juli. Die Fraktion der Preußischen Arbeits- g e in c i n s ch a s t im L t a a t S r a t. die aus Angehörigen der Deutschen Bolkspartci, der Teutschnatioualen Partei und anderer rechtsgerichteter Parteien besteht, hat in folgendem Schreiben an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Deut schen BolkSpartei und der Dculschuationaleu Partei folgende ernste Mahnung zur Verständigung gerichtet: Im Namen und im Auftrag der Fraktion „Preußische Arbeitsgemeinschaft im StaatSrat" haben die Unterzeichneten Vorsitzenden die Ehre, folgende einstimmige E n t s ch ii e ß u n g der Fraktion vom 29. Juni 1928 zu Ihrer Kenntnis zu bringen: „Aus der Einstellung heraus, daß die Not deS Vater landes eine Einschränkung der Zahl der Fraktionen in den an der Gesetzgebung teilnehmenden Körperschaften fordert, und daß eS möglich sein muß. unter Hintansetzung trennender Punkte eine Arbeitsgemeinschaft derjenigen Gruppen hcrbet- znführen, deren Mitglieder in den Grundlagen der Welt anschauung und der politischen Gesamtausiassung auf dem leichen Boden stehen, haben die der Deutschnationalen und er Deutschen Vvlkspartei angehörigen Mitglieder deS Preußischen StaatSratS in Gemeinschaft mit ihnen politisch nahestehenden, aber keiner Partei angehörigen Persönlich keiten im April 1921 die Preußische Arbeitsgemein schaft im Staatsrat nach ähnlichen Vorgängen in ver schiedenen Provtnziallandtagen gegründet, lieber die Er wartung der Gründer hinaus und zur Ueberraschung der jenigen. welche ein rasche? Auseinanderfallen der Gemeinschaft vorauösagten, hat sich der Zusammenschluß innerlich gleichgerichteter Gruppen z» einheitlicher und positiver politi scher Betätigung im Dienste des Vaterlandes bewährt. Mehr alS ein halbes Jahrzehnt haben wir mit Erfolg daS Einigende vorangesctzt und daß Trennende zurttckgestellt. Wir sind zu einer Einheit miteinander verschmolzen, die ihre Anziehungskraft auch auf Mitglieder deS StaatSratS ausgeübt hat, welche — ohne einer der beiden Gründervarteieu anzu gehören — sich innerlich zu unseren politischen Grund- anschanungen bekennen. Auf Grund dieser Erfahrung nnd geleitet von der An schauung, daß eine Einschränkung deS Partciunrvesens nur durch Zusammenschluß gleichgerichteter Gruppen unter Ver zicht auf oft nnr äußerliche Trennungsmerkmale erfolgen kann und zum Vesten unseres Volkes geschehen muß, halten wir beute den Zeitpunkt für gekommen, an die im tiefsten Sinne dcö Wortes staatserhaltendcn Parteien die Anssorderung zu richten, sich nach unserem erprobten, mehrjährigen Beispiel zu einer Arbcitögcmcin- schast znsammcnzuschließcn. Wir verkennen nicht, daß sehr erhebliche Schwierigkeiten der Verwirklichung dieses Gedankens heute entgegeustehen und daß sehr viel uneigennützige und sachliche Arbeit wird geleistet werden müssen, ehe dieses Ziel erreicht wird. Wir wissen auch, daß der Weg zur einheitlichen Vertretung des großen rechts gerichteten Teiles des deutschen Volkes nur schrittweise, be ginnend mit einer erst allmählich immer enger und fester wer denden Arbeitsgemeinschaft in den Parlamenten, zurückgelegt werden kann. Wir sind aber überzcu'si daß dieser Weg gegangen werden m u ß, wenn anders ein nationaler Rechtsstaat unserem Volke erhalten und ausgcbaut werden soll. Wir fühlen »ns bei unserem Vorschlag getragen von der Zustimmung gerade der Besten nnd Treuesten in unseren Lagern, und wir sind gewiß, daß wir bei diesem Schritt eins sind mit der Sehnsucht von Millionen deutscher Männer und Frauen, welche heut in banger Sorge um die Zukunft der Nation dem Ansturm der internationalen und ftaatszerlGrenden Kräfte äußerlich zersplittert gegenüber- ftchen. Wir glauben ferner, daß durch eine Gemeinschaft in unserem Sinne auch ein befriedigendes Verhältnis §u den übrigen bürgerlichen Parteien erleichtert und damit eine stetige Verwaltung aus dem Boden des christlich-nationalen VvlksstaateS ermöglicht wird. Durchdrungen von diesem Gedanken richten wir an die Herren Partei- und Fraktionösührer die dringende Bitte, die Stunde zu nutzen und im Sinne unserer Anregung unverzüg lich mit den einleitenden Schritten zu beginnen. Wir rufen zugleich unsere Freunde in den beteiligten Parteilagcrn auf, mit uns die Führer zu unterstützen und zu fördern ans dem Weae zur Geniel»^''?»aller Deutschen w'lche den Leben», 1S2K>, die dringend warnt. Zu den unnatürlichen Sexnaloergehungen nur da»: Unbedingt ist eS zurückznwetsen. daß etwa» bet un» erlaubt fein müsse, weil es in Italien oder Neid Müller» oder Schulze» berufe», der es nicht ertragen sonstwo nicht bestraft wird. Wollen wir wirklich »nö ans de« mag. daß Herr Neureich sich da» in Italien leisten darf? Wenn man de» Neid schon hente politisch überall vor den Wagen spannt, hier sollte man » doch bleiben lassenl Eine im A»S- lang begangene Handlung läßt uns im allgemeinen kalt, kümmert uns nicht. Für die Frage aber, wa» in Deutschland erlaubt und was verboten sein soll, kommen allein unseres Volkes höchste und größte Interessen, seine Gesamtwohlsahrt t» Frage. Nur nach einem mahrhasten, äußeren und inneren Höherschreiten möglichst aller unserer Volksgenossen schaue» wir an», unbeirrt von solchen Strömungen, die uns verderb lich erscheinen. Dabei hat jeder Richter, ob au» Laien» oder Iuristenstand. für Schuld, und Strassragc ganz gewiß alle ihm sicher bekannte» persönlichen Umstände deS Angeklagten zu würdigen, also seine Veranlagung. Erziehung. Umgebung, Motive der Not, Unersahrenheit oder was sonst irgend in Frage kommt, und tatsächlich tragen wir dem weitgehend Rech nung, wie sich ja säst alle Strafen dem gesetzlichen Mindestmaß, nnr ganz verschwindend wenige dem Höchstmaß nähern. Aber dieser Gesichtspunkt der individuelle» Behandlung ist immer hin nur einer, der andere darf auch nicht ganz in Vergessenheit geraten, der nämlich, daß da» öffentliche Interesse, die AU- gemeinwohlfahrt für gleiche Tat auch in gewissen Grenzen gleiche Sühne verlangt. Man frage einmal, wenn die gleich altrigen Lehrlinge A nnd B zusammen, vielleicht recht plan- mäßig und raffiniert, stehlen gingen, aber einer anS indivi duellen Gründen mit der Strafe viel milder wegkommt alS der andere, man frage einmal, ob solcher Richtersprnch nicht viel fach alS recht bedenklich empsnndcn wird. Mit den allerpersön lichsten Dingen, mit de» letzten Tatmotiven tappt der Richter ja am meisten im Dunklen, da kann nur große Menschen- kcnntnis und wärmsleo Mitempfinden, aber ohne Schwäche und ohne zu schnelles Hincinfallen ans jede AnSrede, wirklich hiiicinlenchte». Und so finden mir anch bei den besten Laien- ricbtern ost einen gesunden Zug, der vor allzu großer Milde warnt und gleiche Tat auch annähernd gleich sühnen möchte. Ich glaube, wir individualisiere» im allgemeinen schon ge- nngend. Der Richter, welcher de» Angeklagten „verachtet", tut schweres ethisches Unrecht und paßt mit solcher Einstellung überhaupt nicht für sei» Amt. aber etwas ganz anderes ist es, daß Um wohl eine gerechte und echte Entrüstung überkommen kann über einen besonders argen Schädling, etwa eine» die weibliche Natur lange Zeit gewissenlos answnchcrnden Heirats schwindler, und dann darf und soll er für ihn und solche, die auch dahin neigen, auch einmal ein Erempel statuieren. Er wird sich anch hier wieder im vollen Einvernehmen mit den nicht berufsmäßigen Richtern befinden. Man höre doch auch einmal die Stimmen der Verletzten in Fälle» schwerer Straf taten. Anch sie scheine» mir zur Volksstimme, an der der Richter nicht vorübergchcn soll, zu gehören. Ich habe schon vor zwanzig Jahren, damals entgegen der allgemeinen Praxis, gerade tüchtige Männer ans den Arbeiterkreisen zum Schösfe»- amt hcrangczogen und gute Erfahrungen damit gemacht. Es nenschluß der Rechten. nationalen deutschen Staat erhalten und ausbauen wollen zu einem unser Volk schützenden, stolzen und wohnlichen Hause." Indem die Unterzeichnete» dieses Ersuchen zu Ihrer Kenntnis bringen, erlauben sie sich, die sehr eraebene Bitte auSznsprechcn, Ihre Stellungnahme zu diesem Beschluß so bald als möglich mitzutcilen. Der Vorsitzende, Der stell». Vorsitzende, gez. Frbr. v. Gayl, gcz. Dr. Iarres, Bevollmächtigter zum ReichSrat. Oberbürgermeister. Neichsminister a. D. Eine Rede Slresemanns in Kannooer. Hannover, S. Juli. Aus einer Kundgebung der Deutschen Volkspartei Hannover-Ost aus dem Dobrock sprach der Ncichö- außcnministcr Dr. S t r e s e m a n n. der seine» Ausführungen die These der Konsolidierung der deutsche» Verhältnisse seit dem Umsturz der Staatssorm zugrunde legte und die Not wendigkeit der Mitarbeit am heutigen Staate als Pflicht für alle und als Auodruck wahrer nationaler Gesinnung hervor hob. Sowohl außen- wie innenpolitisch Hütten sich die Ver hältnisse tn Deutschland seit den Tagen des Jahres 1918 grundlegend geändert und gebessert. Trotz mancher Rückschläge werde das Volk in der Ausübung seiner ver fassungsmäßigen Rechte sich denjenigen Parteien zuwenden, die für eine Festigung des Staates eintreten. Dieselbe Konsolidierung gehe auf außenpolitischem Ge biete vor sich. Früher habe man sich Deutschland gegenüber stets nur ultimativer Drohungen bedient. Seine Teil nahme an den internationalen Verhandlungen habe fast nte unter dem Zeichen der Glcichbercchtignna gestanden. Heute lei diese Periode überwunden. Deutschlands gleichberechtigte Mitwirkung an den großen internationalen Fragen werde als selbstverständlich angesehen, und derselbe Völkerbund, der im Jahre 1919 Deutschlands Eintritt abaclehnt habe, habe selbst gewisse Schwierigkeiten mit großen, ihm angchörenden Nationen nicht gescheut, um sich die Mitarbeit Deutschlands zu sichern. Der Außenminister nahm dann Veranlagung, sich gegen schiefe Auffassungen zu wenden, die über das DaweS- Abkommen beständen, und betonte im Zusammenhang mit der Forderung nach Revision deS DaweS-GntachtenS, daß ein Volk. daS durch den verlorenen Krieg tatsächlich arm geworden sei. auch nicht einen falschen Eindruck erwecken dürfe, wie es heute durch jene Maßnahmen der deutschen Großstädte geschehe, die sich bei der Schaffung öffentlicher Ein richtungen keine Beschränkung auferlegten, obwohl unsere tat sächlichen Verhältnisse Zurückhaltuna erforderten und die steuerliche Belastung wett überspannt lei. Auf die innerpolitischen Verhältnisse übergebend betonte Dr Streicmann, daß die Deutsche Vvlkspartei ihren Eha- rakter als nationale und liberale Partei niemals ansgebcn würde. Sie sei Ihrem ganzen Charakter nach zum Ausgleich der Gegensätze bestimmt und werde dte tn ihrem Programm sestgelegten Gedanken der Ueberwindung der Partetgegen- sätze und der Zusammenfassung aller Kräfte trotz vieler Fehl- schläge grundsätzlich weiterhin vertreten. Der Wiederaufbau Deutschlands könne niemals das Werk einer einzelnen Partei sein, sondern werde sich nur aus der Zusammenfassung aller hierzu in Betracht kommenden Kräfte ergeben. sW.T. V.) Beratung der Wahl Dvrpmüllers. Berlin, 5. Juli. Der Reichskanzler empfing heute vormittag >1 Uhr den Vorstand der NetchSbahnver- mal tunn und dessen Vorsitzenden Geheimen Rat v. Stemc n S. Die Besprechungen dürste« der Wahl Dorp» mtillcrs zum Generaldirektor der Reichsbahn ««gölten haben. Das Ncichskabinctt tritt nachmittags zusammen, um wahr- scheinli chübcr den gleichen Gegenstand zu beschließen- Geheimral Dr. Otto Wie-fel-k 1-. Esten. 5. Juli. Heute vormittag verschied in Esten in seinem Privathanse nach langer, schwerer Krankheit Dr. h. c. Otto Wiedseldt, erster Direktor der Friedrich-Krupp- A.-G. „nd ehemaliger Bot schaster tn Washington. Dr. Mied- seldt lltt seit längerem an Blntzersetzmig. Er hatte sich in den letzten Wochen in St. Moritz zur Kur aiisgchalten. die zunächst auch das Befinden gebessert hatte. Jedoch stellte sich tn den lebten Wochen eine zunehmende Verschlechterung des Gesund heitszustandes ein, so -aß bereits mehrfach Blutübertragungen mußt«-». IT, U.i ist etnsach nicht wahr und ist bloß politische Mache, wenn ma» behaupte», zwischen ihrem RechtSempflnden «nd dem der turt» stischen Richter bestehe ein grundsätzlicher und tleser Unterschied. ES hat mir mancher Laienrichter aus einfachstem Stande schon gesagt: „Wenn wlr -n mild sind, zu lehr auf alle» etngehe». so machen wir die Verletzten schutzlos »nd zuletzt kommt sich deh welcher sich ehrlich plackt, wie ei» Narr vor, wenn dem Dteb und Gauner fast nichts geschieht." Sv wenig etwa dte Ab schreckung allein maßgebend sein kann, so wenig kann doch auch dte Strafe aushvren, ein Ucbel z» sein. DaS ist ätteS auch Meinung und Ueberzengung aller redlich und sozial denkenden VvlkSkreise. Aber davon reden große Parteien wohlweislich nicht, denn das paßt nicht zur politischen Ausnutzung, damit läßt sich keine SttmmungSmache treiben. Die großen, gnteingerichteten WohlsahrtSorganlsatlonen und geeignete Persönlichkeiten au» ihnen werden heute schon herangezogen und das kann ganz gewiß noch tn steigendem Maße geschehen. Aber die Technik und Methode dieser Heran ziehung bedarf großen Studiums und auch der Vorsicht. Mit bloßen aus ihren wirklichen Gehalt an Wahrheit nicht nach prüfbaren Berichte» einer Fürsorgeperson kann der Richter, auch wenn die Betreffenden eS noch so wvhlmetnen, wenig an sangen. er muß Zeugen »sw lebendig und unmittelbar vor sich haben, sonst entscheidet schließlich der Hausklatsch bet den Be teiligten über daS Schicksal eine- Menschen. Schon dte Frage, ob dte WohlsahrtSpslegerin dann auch vor Gericht über di« Quellen ihres Berichtes die nötige nähere Auskunft geben inüste, oder ob man ihr das ersparen soll, ist lehr schwer zu lösen. Darauf kann aber alles ankommcn. Der Grundsatz, daß der Beweis von Dingen, welche aus Wahrnehmung einer Person beruhen, durch deren persönliche Vernehmung In der Verhandlung geführt werden muß. dieser Grundsatz darf nicht verlasse» werden, sonst kommt man zum Schaden der Beteilig, ten nnd der ganzen Wohlfahrt völlig ins Dunkle. Daß tm allgemeinen irgendeine WvlilsahrtSocrlon nach Willen oder Fähigkeiten sich bester zur Aufklärung eigne, als wie die im Dienst erfahrenen und für ihr Amt streng verantwortlich ,g machenden Polizeiorgane, ist nicht richtig. Da« Publikum selbst, wenn man unter il»n nicht gerade nur den GesetzcSübertrcter und seinen Anhang versteht, hat durchaus Bertrauen zur Polizei. De» Richter aber muß Menschenkenntnis und eigene Erfahrung dazu befähigen, die Wahrheit vom bloßen Gerede, eS komwe von weicher Seite cv wolle, z» unterscheiden. Höher nnd wertvoller als Strafjustiz gilt mir daS Be, strebe», im Staat und Bolk durch wahrhafte, ethisch hohe Eharakterbildnng an der Jugend, durch verständige soziale Einrichtungen dem Unrecht vorzubeugen. Aber auch die besten G».-seNschaftSeiiirichtn>>aeii werden immer noch ans Tausende stoßen, welche unbelehrbar sind oder absolut unsozial empsin- den. Der Strafaedanke, Straszwcck muß sich eng verbinden mit einer Im böchsten Sinne gefaßten Gesamtwohlfahrt. Aus dem harten und drohenden Verbot des Strafgesetzes: „Du sollst nicht" muß daS tiefempfundene Gebot „Du sollst — nämlich nützen und dienen deinem Volk und Land!" — hervorleuchten. Denn a»S Pflichtbewusstsein vielmehr alS anS dem Nach, sinnen iiber seine Rechte steigt ein Volk, steigt echtes Menschen, tum empor. Aeue Urkunden über die russische Meerengenpolttik. Fälschungen des russischen Orangebuchs. Im Verlag für Kulturpolitik in Berlin ist unter dem Titel „DaS russische Orangebuch über den Kriegsausbruch mit der Türkei. Seine Fälschungen über das Garantieangebot der Ententemächte an die ottomanisch« Regierung.", ein inter essanter Beitrag zur Kriegsschuldforschung erschienen. Friedrich Stieve, bekannt durch die Herausgabe de» „Diplomatischen Schriftwechsels Iswolskis", ist nämlich de» Rechtfertigungsversuchen des durch die Veröffentlichungen der Sowjetregierung aus den Geheimarchiven mit am stärksten bk- lasteteten früheren russischen Außenministers Sasanow aus den Grund gegangen, der behauptet hat. Rußland habe keiner- weg» die Herrschaft über die Dardanellen angestrebt und damit zum Kriege bcigctragen, sondern habe vielmehr in Verbindung mit Frankreich und England der Türkei ein Angebot gemacht, da» eine Garantie der türkischen Grenze im Falle der tür kischen Neutralität im Kriege vorgesehen habe. Auf dies« Be hauptung wirst ein grelles Licht die durch den Verfasser vor, genommene Richtigstellung deS sogenannten zweiten russische» Orangcbuches, die außer den in der offiziellen Fassung wieder- gegebcncn Urkunden 33. die darin fehlen, vier enthält, bet denen wichtige Teile ausgelassen wurden. Gerade sie beweise» aber, daß eS sich bei dem ganzen Garantieangebot um einen groß angelegten Täuschungsversuch handelt. E» wurde zwar gemacht und ging sogar von Frankreich aus. wo man. wie t» England, durch einen Anschluß der Türkei an die Mittelmächte einmal eine unangenehme Stärkung dieser, dann aber nament lich eine icerbäng'nisvolle Rückwirkung auf die mohammeda nische Bevölkerung ihrer Kolonialreiche befürchtete. Um daher die Türkei, die ihrerseits tn Kenntnis der russischen Meer- engenpolitik und im Falle einer Niederlage der Mittelmächte um Ihren Bestand sorgte, zu „berulpgen", machte der damalige französische Außenminister Doumergue am 29. Iult/11. August 1914 dem russischen Botschafter in Paris, ISwolskt, den Vor- schlag, „ihr ider Türkei anzubicten, die Integrität ihres Terri toriums zu garantieren. waS nicht weiter hindern würde, bet Beendigung des Krieges die Meercngensrage in dem von Ruß land gewünschten Sinne zu lösen." DaS hierauf bezügliche Telegramm Iswolskis an Sasanow vom gleichen Tag« (Urkunde 28) wird natürlich verschwiegen. ES wird aber noch etwa» andere« verschwiegen: nämlich dte Verhandlungen, die Rußland gleichzeitig mitBulgarten führte, um diese«, wie e« in einem Schreiben Sasanow» an den russischen Gesandten in Bulgarien vom 28. Iult/10. August 1914 (Urkunde 19) heißt, zu bewegen, „dte Neutralität zu be wahren und sich zugleich zu verpflichten, die Handlungen der Türket zu stören." Einrrchtetgen artigerNeutrali- tät« begriff! Als Gegenleistung wurde Bulgarien ein« Gebietserweiterung auf Kosten Griechenlands angcboten. Go- lange man au» Bulgarien keinen Bescheid batte, wollt« ma» also, wie e» in einem Schreiben Sasanow» an den russischen Botschafter in Konstantinopel vom 28. Iult/10, August 1911 lUrkunde 24) heißt, „bei den Verhandlungen mit der Türket Zeit gewinnen". Wir sehen hier ein skrupelloses AuSspielen der eine« Balkanmacht gegen die andere, bet dem all die schönen und selbstlosen Grundsätze vom Schutz der kleine» Nationen. Sclbstbcsttmmungsrecht der Völker usw.. derent wegen man angeblich den Krcirzzug gegen die Mittelmächte unternommen hatte, ohne Federlesen über Bord geworfen wurden. Und als dann am 27. Oktober 1914 Grcy dem russischen volichaftcr in London gegenüber sich dahin ausgesprochen hatte, „daß die Frage d«S Schicksal« der Meerengen und Kon- stantinvpel» im Falle einer Niederlage Deutschlands nicht ander« al« tn Ueberetnstimmung mit den russischen Wünsche» gelvst werben könne", lag der Weg nach Konstantinopel frei. Rußland warf nunmehr die MaSke ab. indem el am 1. November der Türkei den Krieg erklärte. So steht e» t« Wirklichkeit um dte Beweiskraft des offiziellen russische» Qrangebuche» au», ES hat in seiner nunmehrigen Nervolb ständtgung die bisherige Auffassung über dte russische Meer« engenpolitik nicht nur widerlegt, sondern sie geradezu erhärtet Aufslandsbewegung ln Persien. Paris, 8. Juni. „Ehicago Tribüne" berichtet a»S Teheran über eine gegen den Schal, Pählävi gerichtete Auf stand S b e we g n n g türkischer Nomaden und Kurden in der Provinz Kerassan. Angeblich soll die Bewegung von Rußland begünstigt werden. Starke Triippenabtellnuacn wurden mit größter Beschleunigung ins Ausstaiidsgeblct befördert, (vtb.)
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