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Dresdner Nachrichten : 11.12.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189812119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18981211
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18981211
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-12
- Tag 1898-12-11
-
Monat
1898-12
-
Jahr
1898
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 11.12.1898
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Seite 428. Belletristische Sonntags-Beilage zu de» »Dresdner Nachrichten", Merksvruch: Den Spruch, dcn mich ezzz weiser Manu Gelebrr. vergas; ich nimmer : Sei selber am — Du findest dann Ruch gute Menschen immer. NugusePohI. Tderrie und Praxis. <Fo«'etzi«ng.> Ist es schon für eine Köchin eine:r»nck:che Laigade. mit dem Sengen, Putzen und Auseinanderiiehmen Gers m einer oder anderthalb Stunden iectig zu werden, wie viel mehr -Tr das unzeübke Gretchen'. Warum hatte sie nur nicht gestern Abend schon e ex-Sangen l Aber nein, da '.nnßte in der Zeit, wo sie allein war. an dem rar Grn»de recht übernwnzen Tadlertdeckchcn gehäkelt werden. Franz machte »ich ans solchen Kinkerlitzchen. wcc er es »nullte, durchaus nichts, aber GrrrLeu harre sich in den Koos gesetzt, ein solches zu brancyen und, da gerade Wrchnrchten war. es ihrem Gatten mit zu bescheren. Als dann Franz nach Hanse grtonunen war. darre sie erst recht keine Zeit sür die Gans gehabt. Mn Ach uns Krach, mit einem tiesen Schnitt im Finger, mit zerriisencr Galle und verdorbener lieber war endlich halb zwölf das schwere Wert vollbracht, tonnte das Klein angesetzt werden. Zaghaft berechnete Gretchen die Kochzeit. Um 1 Uhr kam ihr Gatte heim. Uz- Staude war offenbar zu wenig. Doch wozu hatte sie Küchenchemie stndirt? Toppelttohleniaures Natron war ihr als das beste Mittel bekannt, auch das zäheste Fleisch und das härteste Gemüse weich zu bekommen. Doch wieviel? Das war die Frage. Jevensalls nicht zu wenig in Anbetracht der kurzen Zeit I Ein kleiner Eßlöffel voll würde wobt gerade das richtige Quantum sein. — Der Herd glüht, es danwst und zischt auf den Platten. Die kleine Aufwärterin. welche Gretchen einstweilen genommen, bis sie ein Dienstmädchen nach ihrem Sinne gesunden, hat dcn Feuerungsraum bis oben voll gelegt und ist dann nach Hause gegangen. Die Küche ist erfüllt mit brenzlich riechendem Fleischdniist; denn übcrichießend ent ledigte sich die Fleuch brühe der freigewvrdcnen Kohlensäure bei Ausnahme des Natrons. In den brenzlichen Geruch mischt sich aber auch so etwas wie Seifengernch, und die Brühe schmeckt so sonderbar, io ganz ungewöhnlich! Vielleicht hatte Gretchen Salz vergessen oder Wnrzelwerk oder Gewürz? Sie ist sich im Augenblick nicht klar darüber, was das Kochbuch angiebt, und znm Nachlehen hat sie beim besten Willen keine Zeit. Es muß noch der Ne iS ge brüht. die Morcheln gewaschen und die Butter zu den Kloschen gerührt werden. Schnell noch ein gutes Theil von jedem in die Brüne! — Gott iei Taut! Ter Magen rfl schon weich, beinahe zu weich! Fröhlich und guter Dinge kam Franz nach Hause. Wie hatte er sich den ganzen Morgen schon aus das Mittagessen gefreut! Er hatte sogar sein Frubstucksbrot dem Anf- wätter gegeben, um sich den vollen Appetit zu ivaren. Nicht ganz so leicht war es Gretchen zu Muthe. ihr lag es wie Gewitterschwüle in den Gliedern, obgleich vor den Fenstern ein lustiges Schneetreiben herrschte. Mit süßsaurer Miene trug sie das Esten auf. „Du wirst entschuldigen, lieber Franz, das Fleuch ist etwas zu weich geworden, ich habe es wahrscheinlich etwas zu früh angesetzt. Weißt Du. ich habe noch nicht die richtige Uedung. „Ach. mein gutes Gretchen," erwiderte heiter ihr Mann, ..das ist beim Gauicklein lein Fehler, im Gegentheil! Dasselbe muß lehr weich sein, um Gottes willen nicht hart, denn dann hätte man ja kein Vertranen zur gebratenen Gans, und die Borireude wäre Einem verdorben, wie meine gute Mutter immer behauptete. — Das soll mir heute aber schmecken! — Das sieht ia äußerst apprtlttich aus!" Und er nahm sich seine Lieblingsstückc auf de» Teller und reichlich Gemüse hinzu. »Aber, mein Himmel was ist denn daS?" Mit Mühe schluckte er den ersten Bissen hinab. »Das ist ja unmöglich zu essen! Han Du Lauge oder Seife mitgekocht?" Mit Vehemenz schob er den Teller r»rück> daß das saubere Tischtuch überschüttet wurde. Seine sonst I» ianst blickenden Augen schossen Blitze, und mit e-ner Stimme, wie sie Gretchen tbm nicht zngeicaut hätte, fuhr er sie an: Was hast Du mit dem Gämeklein gemacht?' „Nichts!" stammelte sie. Thronen in der Stimme. „Von nichts wünrde das Essen, aus das ich mich schon so lange gefreut. auf das ich stundenlang schon gehungert habe, nicht wie ein HöllenvlSu schmecken, und das Fleuch zerfährt ja, als wenn" — die Wulh erstickte serae übrigen Worte. »Noch einmal: »Was hast Dn gemacht?" »Gar nichts, nur ern bischen Natron habe ich daran gethan, damit das Esten rechtzeitig fertig würde." erwiderte setzt Gretchen zuversichtlicher, in dem Gefühl gekränkter Unschuld. »So — ein kuschen Natron! Wie groß war denn dieies Bischen?" fragte etwas besänftigt Franz. Gretchen holte statt oller Antwort den Löffel, mir dem sie gemessen hatte. „So, nun wollen wir zusammen einmal im Kochbuche suchen, wieviel mau bei ähnlichen Gelegen heiten von dem gewiß sehr nützlichen Stoffe zu nehmen pflegt," sagte der so schmäblich um sein Mittagessen gekommene Asiejior. »Laß sehen. — »Um Fleisch schnell weich zu bekommen, genügt eine kleine Messerspitze voll doppell- kohlensaures Natron. — Bei dem Kochen von Hülseilsrüchken setzt man hartem Wasser etwa eine Bohne groß auf das Liter zu." — Ich will nicht weiter nach Beweisen suchen, ich denke, das genügt. Du wirst selbst eiusehen, welch kolossale Dummheit Du gemacht hast, zu unserem ohnehin schon weichen Wasser einen Eßlöffel voll zu nehmen, wo eine Messerspitze voll genügt hätte. Daher das zerfahrene Fleisch, daher der abscheuliche Laugengeschmack. Uebrigens mochte ich Dir bemerken, daß nach meiner unmaßgeblichen Ansicht nicht echt mit dem Zurichten begonnen wird, wenn das Gericht bereits ans dem Herde stehen solb — Doch nun laß gut sein! Versprich mir. Dir morgen mehr Mühe zu geben. Gieb mir einen BersohnungStuß. und dann brate mir schnell die Leber." Beschämt mußte Gretchen eiugcsrehen, daß sie auch diese in der Este ungenießbar gemacht habe. „Nun, dann lann's nichts helfen, dann müsse» wir eben im Restaurant essen," meinte Franz verdrießlich. Tie Stimmung blieb den ganren Tag gedrückt, sie wurde auch nicht bester durch den Aufenthalt im Hause der Schwester. Frau Martha Löschte war zehn Jahre älter als Gretchen und von ihrer vortrefflichen Mutter in die Geheimnis» der Wirthschastsführung frühzeitig eingcweiht worden. In sehr jungen Jahren schon halte sie dem Gpinnasiaiiehrer Löschte ihre Hand gereicht und war nach der Residenz gezogen, als Gretchen noch zur Schule ging. Bald daraus war die Mutter gestorben, und der Vater batte das jüngste Tochtercheu einein wohlreuommirten Erziebnngsinstitnt übergeben. Gern hätte allerdings Martya die Schwester zu sich genommen, doch das ging nicht. Ihr Manu hatte, um sein nicht übermäßig großes Einkommen zu vermehren, eine Anzahl Schüler, mein Ausländer, in Pension genommen. Was würde wohl die Welt dazu gesagt haben, wenn ei» junges und noch dazu sehr hübicheS Mädchen zugleich mit wenig älteren Knaben zusammen in einer Pension gewesen wäre. Dieses Ovser mußte der Konvenienz gebracht werden. So hatte Gretchen wohl eine treffliche Schulbildung genossen, ihre Erwin ungen ans wirchschastlichcm Gebiete waren aber gleich Nnll, als sie Frau Assessor wurde Frau Martha dagegen war ein Muster Lir Fleiß und Wirth- ichaftlichicit, Sic sorgte nicht nur für ihre „kleine Schaar", wie sie ihre t niedlichen Blondtopfche» zu nennen liebte, als die beste aufopferndste Mutter, sie ersetzte auch dieselbe, so gut es ängstig, ihres Mannes Zöglingen, ilnen Pensionären. Obgleich sie tapfer und unverdrossen Kochlöffel und Staubtuch chwang, blieb sie immer die liebenswürdige, anmuthige Dame, von Allen geliebt und gelobt. Nur das gute Gretchen war ihr, trotz schwesterlicher Zärt lichkeit, etwas oppositionell gesinnt. (F»rri>x>mg LuMrag.z Kochkäse. Saure Milch wird abgerahmt und sehr warm gestellt, so lange, bis das Dicke nach oben kommt. Da selbe thut man in einen Preß beutel und legt dreien unter die Preise; ist die Masse trocken, wird sie in einer Schüssel zerkleinert und io lange mit dcn Händen geknetet, bis keine Stückchen mehr daran sind. Mit Salz und Kümmel nach Geschmack ver mengt. setzt man die Masse, 3 bis 4 Tage zngedeckt, warm, so lange, bis der Kaie sich lang zieht. Dann wird er in einen Schmortopf mir so viel irischer Butter beigeietzt, wie man ungefähr an Wasserreis khun würde. Nachdem der Kcste unter Umrühren nur ausgekocht, ist er fertig und am anderen Tage eßbar. Leicht zu vertragen! Fein schmeckend! Die v turne. Es welkt gar bald die Blume, Wenn ihr der Thau gebricht, Wenn ihrem kurzen Leben Versagt das Himmelslicht! D'rum. willst Du Dich erfreuen An ihrem flücht'gen Sein. So gönn' ihr Thau und Warme Und Licht und Sonnenschein! — Hcdwig Matthe; Geographisches Vnchstabcn-Näthsel. Eine Halbinsel in^ Osten. Ei» europäischer Staat. Eine überseeische Republik. Ein europäischer Staat. Eine Republik. Eine Stadt in Indien. Eine Insel im Osten. Eine deutsche Festung. Ein Gewässer. Ein Tbeil von Preußen. Ei» Berg in Nordamerika. Küste von Asrila. 123456123478 7 6 9 10 ll 7 12 5 13 5 9 5 11 14 15 16 8 8 10 II 8 12 7 3 5 11 12 17 13 10 II 4 17 13 7 2 II 3 4 11 10 16 8 16 8 14 17 10 2 1 19 12 1 8 17 13 12 2 7 7 2 3 4 7 2 16 7 8 7 10 16 II 2 10 7 17 8 7 Die Anfangsbuchstaben von oben nach unten gelesen ergeben den Namen von einer jetzt weltbekannten, europäischen ausländischen Besitzung. Silben-Näthsel. a, bi. bi, ckor. o, si, ei, en, er, kesl, Ile, xa, xcck. gen, xorn, xlns, Ham, Han, lcö, lcn, Inub, le, le, Is, leib, U, lüt, wn, mul, wer, wer, wnus, nix, uv, no, o, o, per», ru, rub, rr, rr. 8el>utt, soo, Lee, tan, ts, ts, tred, ur, u8, ra, vs, vor, rvl. Aus vorstehenden Silben sind 20 Wörter mit folgenver Bedeutung zu bilden: 1. Afrikanisches Hufthier. 2. Jüdischer Schristgelehrter. 3. Asiatisches Land. 4. Säugethier. 5. Stadt in Norwegen. 6. Baum. Früheres Königreich. Weiblicher Vorname. 7. Veraltete menschliche Einrichtung. 6- Römischer Feldherr. 9. Militärische Einrichtung. 10. Bekanntes oberbayrnches Dorf. Die Anfangsbuchstaben von oben nach nuten gelesen geben einen be rühmten Militär, die Endbuchstaben deuten an, wonach sein höchstes Streben gerichtet war. 11. 12. 13. Soinitagsname. 14. Flußarm in Deutschland. 15. Zierpflanze. 16. Gebrauchsgegenstand Stadt in Belgien. Weibliche Verwandte. Bäurischer See. Kücheiigerüth. 17. 18. 19. 20. AMMsche Sonntags-Anlage M den „Ärrs-ner Nachrichten". tTo. Sonntag, den I I. Dezember. L8S8. Vom alten Schlage. Roman von Ernst Wichert. „Meine Photographie?" fragte Bernhard sehr erstaunt. Er nahm die Papicrbülle mit dem darin befindlichen Gegenstände nur zögernd an. „Nicht wahr, das giebl schon ei» wenig zu denken," meinte Greenffsh. „Ich glanve ia gern, daß Sie nur im Sinne hatten, sich bei der verehrte» lungen Dame ein freundschaftliches Andenken zu stiften i aber wie leicht da ein Mißverständniß —" „aaerr Kommeczienratb," fiel ihn, Bernhard, der mit zitternder Hand das Blättchen hcransgezogen und cs schnell überblickt hatte, ungednldig in s Wort, „ich versichere Sie hoch und thener. diese Photographie kann nur meine Mutter oder meuie Schweiler verichenkt haben." Greenfisti mckre, anscheinend befriedigt. „Ich will das nicht weiter unter suchen," sagte er sreundtich „Um so besser, wenn Sie da ganz unschuldig sind. Die Hauptsache bleibt, Ellen vor einer gefährlichen Spielerei zu be wahren. Dazu werben Sie mir czewiß gern helfen. Ich könnte ja auch un möglich nach Knnjch etwas für Sie ihn», wenn ich nicht vor falscher Aus legung sicher wäre. Nicht wahr? Also in aller Freundictmsl. lieber Weber — teure Thortterten! Und nun adren. Empfehlen Sie mich Ihrer verehrten Frau Mutter." Er wünschte das Gespräch damit Offenbar beendigt zu sehen. „Adieu!" Er setzte sich ivgleich wieder an den Schreibtisch und nahm die Feder auf. Bernhard innige wohl ciihehen, daß er abgesectigt sei» solle. Blitzschnell schvi; ihm auch der Gedanke durch den Kopf, daß er sich nicht verantworten könne, ohne Ellen bloßzuslelleii. Das durfte nie und nimmer geschehen! Er verneigte sich und ging. Ww beraubt kam er vor das Thor und auf die Straße. Im Dorfe warteie er nicht auf den Abgang des Pferdebahnwagens, sondern eilte ans dein Ktinkersteige zu Fuß nach der Stadt, die er rn der Tliat früher crrcichre. Was er gehört halle, wirbelte in seinem Kops umher: Mlllweida und — ja. Ellen harte doch unzweifelhaft feine Photographie gehabt! Zn Hanse durfte er fernen Gefühlen Luft machen. „Denkt Euch." rief er, kaum ei,»getreten. Mutter und Schwester zu. »ich gehe nächsten Herbst nach Mikliveiba ans das Technikum drei, vielleicht vier Semester." „Wie — was?" „Ter Kommerzienrath schickt mich hin — ganz aut seine Kosten. Er hat mir's joeveii nngcvvlen. Ich möchte vor Freude deckenhoch ipcuigcn, wenn nichr . . . Aber das ist ia Unsinn." Er nmarmle seine Mutter, die chm ent gegen gegangen mar. und schwenkte sie in der Stube umher. „Nur ruhig, ruhig." bat sie. „und erzähle vernünftig." „Ja. vernünftig läßt sich'S gar nicht erzählen. Aber richtig ist's so weit." „Er belohnt Deine Ärveil, nicht wahr ? Junge, ich bin ganz stolz auf Dich. Gmtulrre. gracuiire." Bernhard drückte, halb abgewandt, ihre beiße Hand. Er schic» plötzlich seines Glückes nicht mehr recht froh werden zu können. „Hm. bin —" machte er, »es tu eur Halen dabei. Er bildet sich ein, dag ich und Ellen . . ." Die JnflizuUhin richtete überrascht den Kops ans. „Du und Ellen —?" „Es Ol >a Unsinn, Muttchen. AVer er bildet sich, wie ich ans^ seinen wunderlichen Reden entnehmen muß, wirklich ein, daß ich mit seiner Trichter zo etwas wie ern geheimes Berhältniß habe." „Bernhard!" rres sie erschreckt, „das vlldct er sich am Ende nicht nur ein." „Ader gewiß! Tu weiß >a doch —" „Und deshalb schickt er Dich nach Mitiwcida?" Die Rathin flog in ilner lebhafte» Weise mit ihren Geoanlen gleich weit voraus. „Wohl um Dir hutterher eine Stellung geben zu können ?" „Ja — als Konmulieur in seinem Geschäft." Frau Weder schlug die Hände zmammen. „Kinder, was da gespielt hat —! Ra — ich hätte ja auch so blind sein müssen, wie Du . . . Ellen ist eine energische ilerne Person, das muß man sagen. Bernhard, lieber Junge, wenn Du am Ende das Glück . . Er schüttelte unwillig den Kopf. „Aber was phantasirst Du Dir da zusammen ? Der Herr Konmierzienratl) (siebt sich jetzt viel närrische Mühe, uns auseinander zu bringen Ich fürchte, die arme Elken hat schwer zu leide» gehabt. Mir gegenüber möchte er sich freilich den Anschein geben, als ob ihm die ganze Geichsihle »ur Spaß gemnchl hat." „Und darum schickt ec Dich auf das Technikum?" fragte die Mutter halb uncsianblg, halb kleinlaut. „Ja, ich weiß nicht. Vielleicht um mich von hier fort zu haben. Viel leicht ... Ja! So ein Ko»»rukkcur ist noch nicht alle Welt und sür seine Tochter — gar nichts. Aber was frage ich danach? Ich soll nach Mrttweida aus die Schule — wll Gelegenheit erhallen, etwas Tüchtiges zu lernen, ohne Dir zur La» sollen zu dürfen. — Das ist eines herzlichen Danles wertb und soll mich srvh stlmmeir trotz alledem." Er schwenkte mit der Hand durch die Lust, ließ sie aber gleich wieder znrücksinken »nd griff dann in die Taiche. «Das eine möchte ich mir wissen." nes Bernhard, „von wem Ellen meine Photographie erhalten hat Diese da!" Er sah dadei forschend seine Mutter an, von deren Gesicht aber die Ant wort nicht nbzuleseii war, und daraus Rulb. die merklick, verlegen ans ihre Stickerei niederdsickte. „Kannst Dn nsir'S sagen, Schwester?" fragte er. „Ellen hat sie aus meinem Album entwendet," gestand sie. „Man muß doch schon die Wahrheit sagen." Er stutzte. „Entwendet?" „Ja. heimlich und ohne mein Wissen fortgenommen. Ich hab's hinterher erst entdeckt." „Das hätte Ellen ..." Er strich mit der Hand über die Stirn, legte dann die Fingerspitzen auf den Mund und starrte eine Weile in's Weite. „Das hätte Ellen . . „Und gestern war Ellen bei mir," fuhr Ruth fort, „und benahm sich so sonderbar. Das darf ich mm auch nicht verschweigen Sie sagte sie wäre znm letzten Male gekommen, und es wäre auch besser, wenn ich »e nicht mehr bcsiichle. Aber deshalb möchte ich doch an ihrer Freundschaft nicht zweifeln. Die sei ganz unzerreißbar. Und es handle sich auch nur um ein paar Jahre. Das sei nur eine kurze Zeit, wenn schließlich Alles doch gut werde. Sie müßte denn inzwischen sterben. Darüber lachte sie aber selbst. Sie war wirk lich sehr sonderbar. Dann küßte sie mich viel und weinte und lachte und liej fort. Ich konnte unmöglich klug aus ihr werden. Jetzt freilich . . ." „Die arme Ellen." sagte die Rcithin mitleidig und vielleicht auch ein wenig verdrießlich über den schnellen Abfall ihrer allzu hoch fliegenden Hoffnungen» Bernhard begab sich in seine Stube. Er steckte die Eigarre an. die er nach den langen Arbeitsstunden auf der Werft gern zu Hause zu rauchen pflegte, nachdem er sich von dem Kohlenstaub gereinigt. Sie schmeckte ihm diesmal nicht, ging wiederholt aus und wurde bei Seite gelegt. Er letzte sich mit einem wissenschaftlichen Buche rücklings gegen das Fenster, durch daS für seine guten Augen noch genügendes Tageslicht einfiel. Aber er warf es bald wieder fort, da er nach der echten durchgeguälten Seite merkte, daß er heute ..ganz dumm" sei. Dann ging er mit langen Schritten auf und ab. die kalten Hände in den Taschen seines Jackets. Er sah recht finster aus. ats hätte er über schweren Entschlüssen zu brüten. Von dem dichten, dunkelbraunen Haar war ihm ein B'üchet auf die Stirn gefallen, und erdachte nicht damn. es mit gespreizten Fingern zurückzustreichen, wie sonst seine Gewohnheit war. Die starken Brauen vereinter, sich über der sanstgebogeneii, kräftigen Nase. Die Unterlippe suchte das Bärtchen zu erfasse« und zwischen die Zähne zu schieben. Mitunter blitzte in seinen Augen ein loderndes Feuer aus. als ob ihm etwas Heiteres in den Sinn käme. Aber der trotzige Zug wich auch dann nicht von seinem Gesicht. Und trotzig waren auch wirklich seine Gedanken. Er halte sich seinen Lebensweg selbst bestimmt, nicht ohne schmerzliche Abkehr von dem zuerst gewiesenen, unv tapfer fern« Kraft daran geietzl. die sandigen und steinigen Strecken zu überwinden und sich eine freiere Aussicht zu erringen. Er war stolz darauf, Niemand gedrarrcht zu babe», der ihn durch leine Gunst. forderte. Wurde er auf der Werst mit Arbeiten betraut, die besondere zreimtnisse und größeres Geschick voraus,etztcn, so durste er sich ohne Unbescheidenheit gestehen, dag er dies lernen Leistuugen zu verdanken hatte. Auch daS Versprechen des Kommerzienratbs. ihn nach Mittweida schicken und die Kosten seiner Ausbildung übernehmen zu wollen» hätte er sich ganz ehrlich verdient haben können. Da spielte aber schon etwas UnllareS hinein. ES war ihm gleichsam eine Bedingung gestellt. Recht über flüssig. glanvte er sich sagen zu tonnen. Aber es schien doch durch sie das Moiw gegeben, aus weichem der Kommerzienrath handelte. Das stimmte ihn herunter. Und da stand nun Ellen! Er hatte sich so lange gegen die Versuchung der Eitelkeit gewehrt, ihrem hochherzigen Entgegenkommen geheime Wünsche unlerzulege». die 'eine Person betrafen: er hatte sie in allen semen Gedanken ans eine Hohe gestellt, die eigenen vermessenen Wünschen gar nicht erreichbar gewesen wäre. Jnimer barte er auch für das Auffälligste, das sie that. eia« Auslegung gesunde», die ihm erlaubte, von der bedenklichen Frage adzuschcn. Nun ließ sich doch der Schluß nicht mehr cibweisen. daß sie von einer Neigung beherrscht wurde, die ihr Unheil verwirrte und sie zu sonst unbegreiflichen Thorhcitcu verleitete. Er krampfte in den Taschen die Hände zusammen. Wie war er denn dazu gekommen — er? Ja. wenn er io ein tollköpsiger junger Mensch gewesen wäre, der sich zu- gerusen hätte: „Dein Herz will da hinauf, und D» mußt nach, cs koste da- Leben —!" Wenn er, ein anncr Tagelöhner, eine Prinzessin liebte und Tag und Nacht arbeitete, ein reicher Mann zu werden. Remter und Würden zn erlangen, um vor sic hintreten und sprechen zu können: „Ich dachte immer nur an Dich!" Und wenn er nicht ablicß, sie zu bestürmen, der Wahrheit die Ebrc zu geben und sich für besiegt zu erklären, bis sic, Alles um sich vergessend, in seine Arme siel und jauchzte: „Sei mein!" . . . Ader so war's nick». Nicht um Ellen zu kämpfe» war er ausgezogen, und weil, weit ent fernt sah er sich von der Höhe, aus der er hätte mfen können: „Jetzt srehe tch Dir gleich!" Sie aber, in der Ungeduld ihres Herzens, wollte ihn fassen nud zu sich emporzichcn und ihm lhre Hingebung entgegenbringen. Er brauchte sie nur zu verliehen, nur gewahren z» lassen — nur anzunehmen. Sie warb um ihn. Ihr zu Liebe sollte er Thorbeiten begehen, sich ans aben teuerliche Heimlichkeiten einlassen. Famckienzerwürfnisse berbeisühren — sich unter Umständen sehr lächerlich mache». Erschien er nicht schon jetzt dem Herrn Papa lächerlich? Wie der die ganze Sache als eine Kinderei behandelt hatte ... Ach. sein männlicher Stolz sträubte sich dagegen, sich so ins Schlepptau nehmen und beglücken zn lallen Er kragte gar nicht mehr, was Ellen unter
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