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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.06.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260616011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926061601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926061601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-06
- Tag 1926-06-16
-
Monat
1926-06
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.06.1926
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Sin Aahr deutschpolnlscher Zollkrieg. Unbelehrbare Gewallpvliliker. Berll«, IS. Junt. Im beutsch-polnlschen Zollkrieg, den die grob« Oefsentlichkrtt tnzwtschen fast vergessen hat, der aber trotz aller Versuche, ihn beizulegen, noch immer weitergefübrt wird, kann man jetzt in Polen aus da» Jubiläum eine» ein» jährige« Kampfes zurückblicken, der das polnische Wirtschaft», leben überaus schwer geschädigt hat. Am ls. Juni 1028 lies die von Deutschland aus Grund des deutsch.polnischen Abkommen- vom IS. Mai 1022, das wtedcrnm im Zusammenhang mit dem sogenannten Genfer Schiedsspruch über die Teilung Ober- schleslenS vom 20. Oktober l»2l steht, übernommene Äerpflich- tung ab, monatlich 500 000 Tonnen Kohlen im Werte von rund süns Millionen Goldmark aus dem polnisch gewordenen Teile OberschlesicnS abznnehmen. Schon während man vor dem Ab- laus dieser Verpflichtung verhandelte, war die Kohlen» srage an die erste Stelle des polnischen Interesse» gerückt worden. Polen bestand darauf, dab Deutschland diese Kohlenmenge auch fernerhin abnehme. Von deutscher Seite wurde jedoch die Bedingung gestellt, dab die Liquidation des deutschen Grundbesitze» in Polen eingestellt würde, woraus Polen jedoch nicht einging, vielmehr behauptete, das, in dieser Forderung eine Verquickung reiner Wirtschastdinteresse» mit politischen Interessen liege. Deutschland blieb auf seinem RechtSstandpunkt stehen. Ts nahm mit dem IS. Juni keine Kohle aus Ostobcrschlesien mehr ab, und Polen antwortete mit zollpolitischen Maßnahmen schwerster Art, die den Zollkrieg in allerschwerster Form bedeuteten. Im Laufe dieses ersten ZollkrtegSjahreS hat Polen dann seine wirtschaftlichen Maßnahmen nicht abgebaut, son. der» immer weiter verschärft. Die polnischen Kamps- maßnahmen bestanden in erster Linie in eiste», weitgehenden Einfuhrverbot, von dem man glaubte, daß es Deutschland be sonders schwer treffe» würde, und von dem man zugleich er wartete, daß eS die polnische Valuta stärken müßte, weil dann weniger Geld nach dem Ausland abströmcn würde. Schon die nackten wirtschaftlichen Tatsache» hätten Polen abhalten müssen, eine» solchen Zollkrieg einzuhaltcn und durchzuführen, denn die polnische Einfuhr aus Deutschland beträgt all jährlich etwa ein Drittel der gesamten polnischen Einfuhr, die Ausfuhr nach Deutschland dagegen säst die Hälfte der ganzen polnischen Ausfuhr. Polen schädigt sich also in erster Linie selbst. Umgekehrt spielt der Handel nach Polen für Deutschland eine erheblich geringere Nolle. So macht die Ausfuhr Deutschlands nach Polen nur etwa fünf Prozent der GesamtauSfnhr Deutschlands aus. Die von Deutschland ge troffenen A b w c h r m a ß n a h m e n, die nach Ansicht weiter SSirtschastSkreise viel zu spät einsetzten, waren von vornherein viel wirksamer als die polnischen. Nicht nur auf dem Gebiete der Kohle stockte der Produktionsabsatz, sondern auch bei der «nssnH, de» polnischen Getretde-Uederschnffe». Polen mutzte sich erst neue Absatzgebiete suchen, und der polnische Handelsverkehr erlitt schwerste Schädigungen. Auch beim Absatz der dte»jährtgrn Ernte wird Polen wiederum größt« Schwierigkeiten haben. Polen hat in dem verflossenen Jahre de» Zollkrieges bet den mehrfach ausaenommenen Verhandlungen gezeigt, daß »S für dt» eigenen WirtschaftStnteressen nicht das rechte Verstäub- niS hat. Obwohl die eigene Volkswirtschaft in rasendem Tempo rückwärts ging, konnte man sich nie zu den Konzessionen ver stehen, die eine Beendigung des Wirtschaftskrieges hätte herbei- führen müssen Es ist auch «och nicht abzusehe«. wie im »wette« Jahre des deutsch-poluische« Zollkrieges «ine Beendigung des Kampfes erreicht werbe« kann, de« die erneut einsetzende Deutschseindlichkei« i« Polen behindert natürlich auch etwaige Bersnche. den Zollkrieg zunächst einzuschränke« «nd bann ab zubrechen. aus das allerschwerste. Kampfansage -er polnischen Sozialisten an Pilsudski. Marschau, IS. Juni. Der „Kurier Poranny" veröffentlicht Erklärungen des sozialistischen Abgeordneten Ltberman über das Verhältnis der Sozialistischen Partei - u Pilsudski. In dieser Erklärung heißt es, die Goziali stischc Partei könne die Anssassnng Pilsudskis. baß er die Ne- vokution völlig ohne revolntionäre Konsequenzen unter nommen habe, nicht teilen «nd fühle sich nicht dadurch ge bunden. Die Mai-Ncvolutivn müsse vielmehr eine Reihe von Konsequenzen nach sich ziehen,' vor allem müsse auch der Sejm entfernt werden, der die NevolutionSstimmung geschaffen habe. Die Sozialisten würden nur für kurz, s r t st i g e V u d g c t v o l l m a ch t e n bis zum Zusammentritt des neuen Seims stimmen,' Vollmacht für VerfassungSände rung'und Acuderung der Wahlordnung dagegen könnten sie nicht geben. Wenn der Sejm sich nicht selbst auslöse, werde man alles versuchen, um ihn znr Rnslösung zu bringen. Liber man äußerte sich weiter Über das Verhältnis z» Pilsudski. Die Sozialisten und Pilsudski stimmten überein in der Losung der moralischen Sanierung und der Reinigung des polnischen Ver maltiingsapparatcs, aber ihre grundsätzlichen Partetziele, ihre politischen Traditionen, ihr soziales Programm ließen die Sozialisten trotzdem nicht an zweite Stelle rücken. (W.T. B.) Duell zwischen Skrzynski und Szeplyckt. Warschau. IS. Junt. Zwischen dem früheren polnischen Außenminister Grasen Skrzynski und General Szeptycki fand heule früh ein Duell statt. Nach den von dem Ehrengericht festgeleglen Ncdingungen sollte einmaliger Kugelwechsel statt- siiide». Zunächst gab Szeptycki einen Schuß ab, der fehl ging. Hierauf lehnte cs Skrzynski ab, selbst einen Schuß abzugeben. Das Duell fand damit seinen Abschluß. Der Bergbaustreik vor dem Unterhaus. Eine Erklärung Daidwms. London, 15. Juni. Im Nnterhause gab Baldwi» zum Kohlcnstreik eine Erklärung ab, in der er u. a. aussührtc: Die Regierung sei verpflichtet, Kohlcnbcstellungcn im Aus lande zu machen, «m die nnnmgänglich notwendige Ver sorgung des Landes mit Kohle ausrechlznerhalten. Er fügte, öfter von Zwischenrufen der Opposition unterbrochen, hinzu, daß eine Verlängerung der Arbeitszeit uner- läßlich sei. Die Regierung habe von den Grubenbesitzern die bestimmte Versicherung erhalten, daß auf der Grundlage dcS Achtstundentages in einigen Kohlenbecken der Betrieb mährend der Monate Juli, August und September zu den augenblicklichen Löhnen fvrtgcführt werden könne, während in anderen Becken eine Herabsetzung der Löhne um weniger als 111 Prozent, wie bereits vorgcschlngcn, notwendig sei. Die Regierung habe nicht die Absicht, das den siebenstün- digcn Arbeitstag vorsehende Gesetz abzuändern. Sic beab sichtige aber, einen Entwurf einzubrtngcn, der gestatten würde, während einer gewissen Periode eine Neberstu » dc zu leisten. Diese gesetzgeberische Maßnahme würde erlauben, Verhandlungen ans einer Grundlage anzubahnen, die Aus sichten auf eine Besserung der Löhne znlteßen. Nach drei Monaten würden die Löhne wieder angcpaßt werden können. Ans keinen Fall würden sic niedriger werden als im Jahre 1021. Unterdessen werde die Regierung die Annahme neuer Gesetze beschleunigen, um die Vorschläge der Kohlcnkvmmts- sion dnrchznsühren. Wenn ein Einvernehmen auf dieser Grundlage erzielt werde, so werbe die Regierungsunter- stütznng von 8 Millionen Psund nicht mehr notwendig sein, um die Löhne zu erhöhen, sondern sic werde vielmehr zur Verfügung stehen, um den arbeitslosen Bergarbeitern zu helfen. Was die Verschmelzung der Betriebe anlange, so bestimme die G-'setzcSvorlage,daß zwei oder mehr Betriebe die sich zur völligen Verschmelzung oder zu einer teilweisen für bestimmte Zwecke geeinigt haben, ihren Plan dem Berg- bauamt, der Eisenbahn- und Kanalkommission zur Geneh migung unterbreiten können. Eine derartige Genehmigung werde ihnen einen Schutz gegen jede dritte Partei bieten und in jeder Hinsicht die Durchführung der Verschmelzung er leichtern. Baldwin schloß, die Verantwortlichkeit für eine Regelung liege nach wie vor bei beiden interessierten Parteien. Er hoffe, daß sie in Anerkennung ihrer ernsten Verantwortlich keit nunmehr zusammenkommcn, um über eine Verein barung zu verhandeln und nicht bis zum bitteren Ende weiterkämvscn würden. Nach Valdwin führte Wartsho«, der Führer der Berg leute, u. a. aus, die ernste Lage sei durch die Rede des Ministerpräsidenten noch ernster gemacht worden. Nach dieser Rede halte er die Lage für hoffnungslos. Er ersuche die Negierung, die Lage nochmals zu prüfen. Durch direkte Ver handlungen zwischen den Bergwerksbesitzern und den Berg leuten werde keine Verständigung erzielt werden. DaS Parla ment .müsse den Streit regeln. Der Redner schlug vor. daß die Vertreter der Bergleute und der Bcrgwerksbesitzer, die Mit glieder des Unterhauses sind, mit Hilfe der Regierung Be ratungen ausnchmen sollten. Sir Robert Harne und Sir Alfred Mond tKons.) schlossen sich den Ausführungen des Premierministers an. — Sir John Simon sLib.) bedauerte, daß die Vorschläge der Regierung so spät gekommen seien. Er betonte, daß eine Aenberung der Arbeitszeit der Ansicht der Kohlenkommission nicht entspreche, erklärte es aber für bedeutungsvoll, baß die Regierung end lich ihre Untätigkeit anfgegcbcn habe. Die englische Note in Moskau. Mp»!««, IS. Juni. In der heute dem britischen Geschäft», träger in Moskau überreichten Antwort a«s da» druisch« Memarandnm weist die Sowjetregierung daraus hin, daß t« Rußland kein allgemeines Valuta-AuSfuhroerbot bestehe, son der» lediglich eine Ausfuhrregelung, durch die in jedem einzelnen Kalle Bewilligungen zur Ausfuhr von Valuten er- teilt werden. Gleichzeitig lenkt die Svwjetregierung die Auf. merkfamkett der britischen Regierung auf die den Tatsachen widersprechenden Erklärungen einiger ihrer Mitglieder, al» ob die dem Generalrat der Gewerkschaften überwiesenen Summen von der Sowjetregierung stammen, während sie in Wirklichkeit durch den Zentralrat der Gewerkschaften der Sowjetunion gesandt wurden. <W. T. V.j „JSwestija" nimmt zu der Angelegenheit ausführlich Stellung und erwartet, daß die Sowjetregierung die völlige Haltlosigkeit der gegen sie von England erhobenen Beschul digungen anfklärcn werde. Die englische Negierung habe allerdings die Behauptungen, die ein Teil der englischen Presse und einige Negicrungsmitglieder ausgestellt hätten, daß die Sowjetregierung selbst den Streikenden Gelb üben» wiesen habe, nicht in das Memorandum ausgenommen. Dem Hinweis des Memorandums gegenüber, daß da» russische Kommissariat die Ueberweisung von Unterstiitznngs» geldern nach England gestattet habe, muß scstgestellt werden, daß durch die russischen Gesetze die Ausfuhr von Geld nicht verboten wird. Das Blatt gibt der Vermutung Ausdruck, daß die englische Note auf die Bestrebungen ge wisser englischer Kreise zurückzusühren sei, die die Lösung de» englisch-russische« Handelsvertrages wünschten. Man nehme die Streikhtlfe der russischen Arbeiter für ihre englische« Kollegen zum Anlaß eines wirtschaftlichen und politischen Druckes ans die russische Regierung, jedoch hat sich bisher gezeigt, daß aus diese Weise die Sowjetunion sich nicht be einflussen lasse. Kundgebungen für Beihlen in Budapest. Ludapest. 15. Juni. Tic Regierungspartei und die be freundeten Gruppen beabsichtigten, bei Eintreffen des Mi nisterpräsidenten Graf Vcthlen einen Empfang - - Siahnhof zu veranstalten. Vcthlen entzog sich aber dieser Kundgebung dadurch, daß er über Italien hier cintras, ohne daß die Zeit seiner Ankunft bekanntgeworden wäre. Die Parlaments mehrheit ließ es sich jedoch nicht nehmen, den Grafen Vcthlen zu begrüßen und ihre Entrüstung wegen -cs Genfer Angriffs zum Ausdruck zu bringen. Bethlcn dankte in längerer Rede und sagte, die Negierung werde mit ihren Fre""-en daran arbeiten, das Land Schritt für Schritt vorwärts zu bringen, damit es tn der Völkcrfamilie den Platz einnehmen könne, den es in der Vergangenheit gehabt habe und der ibm airch für die Zukunst gebühre. Aus allen Teilen des Landes trafen Sympathiekundgebungen sür Vcthlen ein. Denefch' Rücktritt gefordert. Ein Opfer dcS Kampfes der Nationaldcmokraten gegen daS Kabinett. Prag, 15. Junt. Der tschechische Außenminister Dr. Bcnesch wurde heute auf Grund eines Beschlusses des Voll- zugsausschusscs der Nationaldemokratischcn Partei ausgesor- dert, ans dem Bcamtenkabinett Czerny auszutreten, da die Partei gegen das Bcamtenkabinett eine scharfe Opposi- tionsstcllung einzunchmcn entschlossen sei. Der tschechische Außenminister Dr. Benesch gehört dem Beamtenkabinett CzernnS an, obwohl er Parlamentarier ist. Dadurch, daß seine Partei gegen die Zölle stimmte, geriet Benesch als Mitglied der Beamtenrcgicrnng in eine schwierige Situation und die nationaldenwkratische Presse verlangte schon ost, daß Benesch die Konscguenzcn ziehe und demissioniere. Es ist anzunehmen, daß Benesch dem Wunsche der Partei Folge leisten wird. Ra-au im Prager Senat. Prag, 15. Juni. Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung des Senats rief der kommunistische Senator Tougilr Heute wurde wieder auf dem Wenzclsplatzc auf Arbeiter ge- schossen. Arbcitcrblut ist geflossen, Schande! Heute wurde auf tschecho - slowakische Arbeiter geschossen. — Der Kommunist Hampc rief: Schande dem blutigen Ccrny! Er soll zur Sitzung erscheinen. Der Vorsitzende Klo fee' sNat.-Soz.) läutete fortgesetzt und ersuchte um Ruhe. In dem ohren betäubenden Lärm hörte man Rufe wie: Das ist eine Schande für die Demokraten! Nachdem sich der Lärm gelegt hatte, wurde der Antrag des Senators Donat sAgr.s betr. abgekürzte Beratung des Agrarzollantragcs beraten. <W. T. B.) tterrsn-Vbeckemäen uns 8poi-tkemüei, bunt -on in. S.7S t« 10.25 »n At»II»1raK» 6 l.slnsnßsus k?. USekll Tagore in Asm. Rom, Anfang Juni. Nabindranath Tagore wird in wenigen Wochen in Deutschland sein: vorläufig nur aus der Durchreise, aber wir hoffen, unser Land, das eben für die amerikanischen Hoteliers daS Gelb nicht angesehen hat. wird sür den Weisen Indiens, der es kennt und liebt, noch etwas Zeit haben, wenn eS daö kleine Norwegen hat, das ihn zu Vorträgen eingeladen hat. Augenblicklich ist Tagore der Gast deö sascht- sttschenJtalien in Nom, mit Sühnen, Schwiegertöchtern, Enkeln. Sekretären und Dienern, eine stattliche Gesellschaft von gut zwanzig Personen. Er war bei Mussolini sich glaube, -er König und der Papst interessieren ihn beide nicht!) und man sieht den schönen Greis mit dem Kopf, der dem MvseS des Michelangelo gehören könnte, bald aus dem Gianicolo, bald auf dem Palatin oder in den Caracallathermcn oder ans dem Kapitol als Gast des Gouverneurs von Nom. Die Photo graphen haben zu tun. Er hat auch eine öffentliche Vorlesung gehalten, die einen tiefen Eindruck gemacht hat, obwohl das Eollegto Romano vielleicht ein würdigerer Nahmen gewesen wäre als LaS Teatro Ouirtno, wo man sonst leichte Lustspiele steht. Jedenfalls war daS HauS voll und die Gassen umher waren alle von ziemlich wild anSsehenden Schwarzhcmdcn mit dem Karabiner im Arm besetzt, weniger für Tagore als für Musso- lini, der lm Hintergrund einer Settenloge der Vorlesung bei wohnte. lknb nun erlebten alle, die da waren, wieder eine Probe vor der, sagen wir „Regte", ohne die eS In diesem Lande nun einmal nicht geht Ein italienischer SanSkrit-Pro- scffor, der TagoreS Gast an seiner indischen WciSheitsschule ge wesen war, diente als Dolmetscher für diesentgen, die den englischen Vortrag dcS Dichters nicht verstanden hatten: aber ihm war eS offenbar an diesem Tage weniger darum zu tun, den Geist des Osten» zu vermitteln als — von Mussolini be merkt zu werden. So laS er denn, che Tagore überhaupt ge- sprachen hatte, in mörderischer Geschwindigkeit einen AnSzug ans dessen Bortrag aus Italienisch vor. aber mttZusätzen, die — wie nachher jeder dcS Englischen Kundige leicht fest stellen konnte — im Original gar nicht oder wett kürzer vor- kamen: aus einer böslichen Geste wurde plötzlich eine Apo- theose des Imperium Nomanum und dcS Duce, der sich auS seinem Versteck mit scner abwinkenben Bewegung dankend er- hob, die man jetzt häufig an ihm sicht: „Nich so doll, Kinder, «ich so doll!" Dafür gab'S unten ein hübsches Bild zu schauen: ln der großen Prvszcniiimölogc saß zunächst ein riesiger Hind» In einem dunkelblauen englischen Diencrrock, aber einen turni-i hohen hellgrünen Turban auf dem Kopf. Neben ihm ein reizendes Bübchen von vier Jahren tn braun und gelb ge würscltem Gewand und Turban, das dem Riesen von Zeit zu Zeit freundschaftlich auf die Wange patschte: ferner ein paar jüngere Frauen mit dunklen, aber sehr edlen Zügen in reichen Seidengemändcrn und im Hintergrund einige europäisch ge» kleide junge Männer. Tagore selbst trug einen matt-orange farbenen wetten Setdenmantel, der den herrlichen Kopf und die feinen, ausdrucksvollen Hände sehr zur Geltung brachte; sein Gruß an die ihn lebhaft begrüßende Versammlung war ein Neigen ans die über der Brust gefalteten Hände, etwa wie es unsere Geistlichen vor Beginn der Predigt tun. Es gelang mir, mich später mit seinem Sohne etwas ein gehender zu unterhalten: der sympathische, ernste Jüngling hat in Amerika studiert und spricht natürlich fließend englisch. Sein Vater, sagt er, gebt ganz tn dem Gedanken an seine Schule auf, diese „Visva-Bharati" in dem kleinen bengalischen Ort Santinikctan: er vermeidet daS Wort „Universität" als irreführend. Jeder junge Mensch ohne Rücksicht ans Ge schlecht, Rasse. Religion und Vorbildung ist dort willkommen, wenn er den Drang verspürt, sich im Sinne de» Meister» zu vervollkommnen: er lebt nicht in klösterlicher Abgeschlossenheit, sondern unter und mit dem indischen Volke. DaS Ziel ist: die GeifteSkultnr de» Ostens und de» Westen» ein- ander zu nähern und damit die Grundlagen de» Welt- frtedenS zu verstärken: mein Erklärer bemerkte hier, baß damit der Gegensatz zu der anderen großen indischen Geistev- bewcgung, zu der G h a n d i S. ausgesprochen ist. der n u r den Osten im Auge hat und somit den großen Kontrast zum Westen als etwas unveränderlich Gegebenes betrachtet, während Tagore ihn aiisznschaltcn sucht. Wir kommen dann aus Deutschland zu sprechen. „Mein Vater liebt die deutsche GeisteSkultnr und glaubt, daß seine Grundsätze vielleicht nirgends im Westen so viel Verständnis gefunden haben wie bei Ihnen. Er erinnert sich noch heute der starken Ncwegung in der deutschen akademischen Jugend, die er El auf seiner Reise durch Deutschland wahrgenommen hat, die trotz dem materiellen Ruin am Idealismus fest zuhalten gewillt war, und ist sehr begierig, zu sehen, ob sich dieser Zug erhallen hat." ES scheint, daß diesmal von deut- scher Seite noch keine besondere Einladung an Tagore er gangen ist wie von norwegischer »nd von Italienischer Seite; Ich habe daS Gefühl, daß der Dichter und sein Krei» eine leise Enttäuschung dgrttbcr empfinden, wenn auch natürlich kein Wort davon über die Lippen des zurückhaltenden Orientalen kommt. Mag sein, daß die Kreise be> un«, die Tagore ans sein«? ersten Reise empfingen, diesmal anderen den Vortritt lassen wollen; für die von Jahr zu Jahr stärker werdenden Beziehungen zwischen uns und -er „Heimat der Völker" wäre eö ein harter Schlag, wollte man die Besucher mit dem Gefühl entlassen, unser Interesse sür Tagore und das indische Geistesleben sei heute geringer geworden, während andere sund kleinere) Völker des Abendlandes ihm ihre Freundschaft kunbtun. Daß unsere Verarmung ein Hauptgrund sür den zurückgegangenen Absatz der Werke dcS Dichters ist, schien ihnen nicht genügend bekannt zu sein. Wir sollten den indischen Besuchern, die gerade für unsere kleineren Universitäten ein lebhaftes Interesse haben, zeigen, daß auch bei uns das Gefühl der indogermanischenGe» me in schaft lebendig ist, dessen Vorkämpfer tn feiner fernen Heimat der ebrwürdigc Greis mit dem jungen Herzen ist: der Dieter beS „Gaertner". U vr. Kunst un- Wissenschaft. s Dresdner Theater-Gpiclpla« für heute. Opernhaus: „DoriS Godunow" s7). Schauspielhaus: „Zweimal Oliver" sA8). Albe rt-The ater: „Antonia" <A8j. Rest- denz-Thcater: „Die Förstcrchristcl" s8). Neues Theater: Geschlossene Vorstellung. Ccntral-Thcater: „Die Fra» ohne Kuß" s8). ß AeneS LHeater. Morgen Donnerstag, 17. Juni, abends A« Uhr. findet die erste Aufführung der Komödie „FigaroS Hochzeit" von Beaumarchais statt. Die zur Komödie gehörende Musik Ist zeit genössischen Kompositionen von Ramcau und Eouperln entnommen. Ende All Ubr. s Der MSnnergesangoerela Germania veranstaltet nächsten Sonn abend flS.l auf der Waldschlöbchen-rerraye sein Sommer-Sonzerk Beginn Ä8 Uhr ß Die Hcqcrsche Mnsikinstrnnientcnsammlnng. Der Leipziger Bürger, der für die Heyersche Musikinstrumenten- ämmlnng 200 000 M. z» spenden beabsichtigt, ist der Geheime Kommerzienrat Henry Hinrtchscn, Inhaber dcS Musik- Verlage» E. F- PcterS. Die Transportkosten für die Ueber- ührung von Köln nach Leipzig in Höhe von 15 000 M. sind >urch eine Spende der VcrlagSlnichhändlcr Geheimer Hofrat Edgar Herfurth und Konsul Paul Hcrfurth in Leipzig ichergcstcllt. s* Fsinsziq Jahre Altonaer Stadttheatrr. Da» Alion-aer Stadttheater feiert am 20. September das Jubiläum seine» >Osährigcn Bestehens im jetzigen Hause. Aus diesem Anlaß beabsichtigt die Stadt, eine Festschrift heraus,»geben deren redaktionelle Ausgestaltung in der Han- von Dr. Hoffman«, i>cm Letter de» Stadtarchiv», liegt.
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