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Dresdner Nachrichten : 03.09.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192709033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270903
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270903
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-09
- Tag 1927-09-03
-
Monat
1927-09
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 03.09.1927
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Sonnabend. S. Sepkember 1«7 —^ — ^Dresdner Nachrichten" - Nr. 414 Leiter Tagung -es Aeichsverban-es -er Deutschen Industrie. Mtn-efie«» 4.» Milliarde« jährliche Ztnaverpflichlunge« Deutschland». — Der Reichswirlschaflsminisler über die Kandelspoltlik» QualUStsarbeU. tvla » » r Dradtbertcht de» „Dr « » d « « » Nachricht« N-.» y,«»kf«rt a. M„ 2. Sept. Die 8. ordentliche Hauptver- lummlung de» ReichSverbanbe- der Deutschen Industrie, die heute nachmittag tm Gchumann-Theater vom Präsidenten de» Reichsverbande», Gedeimrat Dr. Duivberg. ervssnet wurde, ergab schon in ihrem äußeren Rahmen ein imposantes Bild. In dem riesigen Saale hatten rund 3000 sührende Männer der deutschen Wirtschaft Platz genommen. Aus der mit Blumen reich geschmückten Bühne erblickte man neben dem Borstand de» ReichSverbandeS zahlreiche Vertreter der Reich»« und Staatsbehörden, von denen Gehetmrat Dulsberg mit besonderer Wärme den RetchswirtschastSmintster Dr. Lurttu» begrüßte, der schon »nm zweiten Male als Minister der ReichSverbandStagung beiwohnte. Geh. Rai Professor Dr. Duisberg erinnerte sodann an die Tagung deS ReichSverbandeS im vorigen Jahre in Dresden und führte au», daß die damals schon sestgestellte Belebung der Wirtschaft im wesentlichen bis heute angehalten hat. Aber diese Belebung erstreckte sich in der Hauptsache aus den Binnenmarkt. Die Ausfuhr deutscher Waren konnte kaum gesteigert werden. An den vorkriegswerten gemessen, liegt der deutsche Export noch immer etwa um ein Drittel unter der Ausfuhr von 1918. In den letz te« drei Jahre» sind 10 Milliarden ueuer Schulden aufgenom- «e« worden, von denen 8 Milliarden auf das Inland nnd vier Milliarden anf baS Ausland entsallen. Hinz« kommt noch die Verschuldung der Landwirtschast. die ans rund nenn Milliarde« angewachse« ist. Einschließlich der AuswertungSschulden ergibt sich eine Kapitalverschnldnng Deutschlands von 88.1 Milliarden. die «in« jährliche Zinsenlast von rund zwei Milliarden be. beutet. Rechnet man dazu die DaweSlasten. die vom nächsten Jahre an 3X Milliarden betragen, so dürften die jährlichen Ilnsoerpsltchlungen Deutschland» mindestens 4,S Milliarden betragen. Das ist mehr als das Doppelte der Vorkriegszeit. In diesen Zahlen aber ist noch nicht die kurzfristige Verschuldung einbegriffen, die namentlich gegenüber dem Ausland gefährlich ist. Auch die NentabilitLtsverhältnisse der dcntschen Wirtschaft find ««gesund. Im Jahre 1926 haben von den 869 an der Ber liner Börse notierten Aktiengesellschaften 869 überhaupt keine Dividende verteilt, das sind 86.4 Prozent. Die Durchschnitts- dividende aller dieser Aktiengesellschaften betrug nur 6,88 Pro- zent gegenüber 10,02 Prozent im Jahre 1913. Demgegenüber ist die Lohnhöhe der gelernten Arbeiter seit 1913 um 47 Pro zent, die der ungelernten Arbeiter um 81 Prozent gestiegen. AlS schwerste Feste! der deutschen Wirtschaft wirkt sich der DaweS-Plan ans. Die uns zugemutetcn Leistungen werden sich als untragbar Herausstellen. Eine Revision ist unvermeidlich. Es ist also unsere Pflicht, unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik der Not der Zeit anzupassen. ES ist ein Widersinn, daß ausgerechnet das znsammengebrochene Deutschland den höchsten Fnnktnrm, die längste Rennbahn nnd die größte überdeckte Tennishallc Europas habe« will. Wir bauen Wasserstraßen nnd Lager häuser, statt zunächst alles einmal für die Warenerzeugung ,« tu«. Wir müssen die Einfuhr ausländischer Waren beschrän- ken. Ferner wüsten wir weniger Nersammlungen mit den unvermeidlichen Festen abhalten. Der Reichsverband be absichtigt daher, seine Mitgliederversammlung nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lasten. Der Redner schloß mit einem Hinweis darauf, baß die diesjährige Tagung in erster Linie da» Problem der Qualitätsarbeit erörtern werbe. ES wurde beschlossen, folgendes Hnldignmgstclegramm an Hiubcnbnrg zu senden: „lieber MM Teilnehmer an der diesjährigen Mitgliederver sammlung de» ReichSverbandeS der Deutschen Industrie gedenken de» allverehrten Herrn Reichspräsidenten in Dankbarkeit und Treue. Ehrfurcht vor der Vergangenheit. Pflichterfüllung in der Gegenwart und Kraft für die Aufgaben der Zukunft sind die Eigenschaften, die die deutsche Industrie in der Person de» NeichS- rSstdenten verkörpert sieht. Die deutsche Industrie bringt auch eute wieder den aufrichtigen und ehrerbietigen Wunsch zum Aus druck. daß Ihnen, hochverehrter Nerr Reichspräsident, cS vergönnt sei, über da» achte LebenSiabrzehnt hinan» noch lange Jahre als Präsident des Deutschen Reiche» zum Wöhle des deutschen BolkeS zu wirken." Nach einer Ansprache des Vorsitzenden des Verbandes Mitteldeutscher Industrieller, e. V., Landrichter a. D. Dr. Vrann, begrüßte der Oberbürgermeister von Frankfurt a. M., Dr. Landmann, die Versammlung. Er führte unter anderem aus: Bei dem Aufbau der Wirtschaft haben die deutschen Städte nicht tatenlos bei- feite gestanden. Mit einer sparsamen Wirtschaft find aber nicht n«r oie zwangsläufigen soziale« Ausgaben durchaus zu ver einbare», darüber hinaus müssen die Städte für sich in An spruch nehmen, daß ihre Aufwendungen sür kulturelles Leben nnd sür die BolkSgcsunbheit nicht als Luxusausgaben gewertet werde«. Ich darf darauf Hinweisen, daß gerade die Städte für deutsche Qualitätsarbeit Leistungen vollbringen, die vielfach nicht genügend gewürdigt werden. Wenn die Städte sür Volksschulen, für die Berufs- und Fachschulen ihren Haus halt mit Lasten von vielen Millionen bebürben, so ist die be vorzugte Nutznießerin dieser Aufwendungen die Wirtschaft. In Erwiderung der Begrüßung des Vorsitzenden über brachte dann Reichswirlschaflsmknifler Dr Lurlius die Wünsche der Neichsregierung sowie der preußischen StaatSregieruna für den Verlauf der Tagung. In An knüpfung an baS zur Erörterung stehende Thema der Qualitätsarbeit führte der Minister u. a. aus: Der öffent- lichen Meinung hat sich letzthin in der Beurteilung der wirt schaftlichen Entwicklung eine gewisse Unsicherheit bemächtigt, wie sie sich erfahrungsgemäß jedesmal bei längerer Dauer eine» KoniunkturaufstiegeS etnzustellen pflegt. Ueberblickt man den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung seit etwa 1k Jahren, so zeigt sich ein rascher Aufstieg tn der Menge der in Deutschland erzeugten Güter. in der Zahl der beschäftigten Arbeiter, die sich ziemlich gleichmäßig aus Konsumgüter und Produktionsmittel verteilt. Diese Be- lebuna unserer Wirtschaft hat zu neuen Investitionen an geregt und gleichzeitig die Kaufkraft der wiederum in die produktive Tätigkeit etngetretenen Arbettslosenmasten neu erweckt. Da» verlangte naturgemäß eine erhebliche Bermehrung der Rohstosfeinsuhr. die noch zu der wegen der schlechten Ernte des Vorjahres notwendigen großen Nahrungsmitteletnfuhr htnzukam- Auf einzelnen Gebieten, z. B. in der Textilindustrie, auf denen der Bedarf besonder» bringend hervortrat, konnte auch di« ausländische Fcrttglndustrie, die verhältnismäßig wenig beschäftigt war. au» dem Aufstieg der deutschen Konjunktur Nutzen ziehen. Alle diese Momente erklären die tn den letzten Monaten wesentlich gesteigerte Einfuhr. Wen« bel dieser Lage die AnSsnhr sich annähernd aus der gleichen Höhe wie z«r Zeit der stärksten HeranSktrömung der War« in der Depression des JahreS 1986 halte« konnte, ko wird man sie. ohne optimistisch z« erscheinen, als gut be hauptet dezeichnen können. Diese Symptome Nnd daher nur natürlich und bieten keinen Anlaß ,« sonderlicher Beunruhigung. Für Deutschland bleibt ein« Reihe wirtschaftlicher Son-er- faktoren bestehen, der wichtigste Faktor liegt in derRepara. ttonSverpflichtung. Alljährlich werden von Deutsch, land große Teile seine» Volkseinkommen» aus Grund de» Dawe». Plane» an bi« reparationsberechtigten Staaten abaeführt. Im gleichen Umfange wirb die deutsche Kapital» btldnng vermindert, und zwar zweifellos unter das Maß hin unter. das notwendig ist. um di, drntsche Wirtschaft ans dem der Weltentwicklnng «nd dem Bevölkerungszuwachs entsprechen den Staude ,« halte». Die Entziehungen dieser Summe» zwingt Deutschland, wenn eS seinen Produkttonsapparat fach- gemäß erneuern und zur Erhaltung seiner Wettbewerbsfähig- keit verstärken will, große Summen aufzunehmen. Die Eigengesetzlichkeit deutscher Konjunkturen während der nächsten Jahre birgt gewisse Gefahren. Lernt die deutsche Wirtschaft sie als solche nicht erkennen, so kann Deutschland leicht den Anschluß an die Wirtschaft der übrigen Welt ver lieren. Durch Nehmen von draußen «nd Geben nach draußen den höchstmöglichen WirtschaftSgrad zu erzielen, muß aber der maßgebende Gesichtspunkt deutscher Handelspolitik sein. Die ses Ziel dars auch während einer Jnlandskonjunktur nicht and dem Auge verloren werden. Der Gedanke, daß die deutsche Wirtschaft vermöge ihrer Kapitalverflechtung mit dem Auslande in besonderem Maße daraus angewiesen ist. d i e Verbindung mit dem Weltmarkt zu suchen und sich von inneren und äußeren Hemmungen freizuhalten, die eine ungestörte Kommunikation wirtschaftlicher Güter behindern, lag der Wirtschaftspolitik zugrunde, die ich im Anschluß an die Ergebnisse der Weltwirtschastskonserenz in meiner Hamburger Rede skizziert habe und die von uns folgerichtig fortgeführt werden muß. Es ist nicht Dentschlands'Schuld, daß cs nicht gelang, mit allen sür Deutschland wichtigen Ländern z« Handels verträgen z« gelangen, daß infolgedessen ein erheblicher Teil der zn Verhandlungszwecken cingcsührten Zollsätze in ihrer autonomen Höhe längere Zeit in Geltung liegt und damit die deutschen Zollmauer« an einzelnen Stellen über das bei Verabschiedung der Zolltarisnovelle als dauernd gedachte Maß bestehen blieben. Inzwischen ist eS gelungen. durch den deutsch-französischen Handelsvertrag wieder einen Schritt in der Richtung verständiger europäischer Handelspolitik zu tun. Der Inhalt des Vertrages ist gewiß nicht tn allen seinen Teile» voll befriedigend, weder für uns, noch auch für Frankreich. Aber man darf feststellen, daß auf beiden Seiten die Genugtuung über die nach dreijährigen schweren und wechsclvollcn Verhandlungen erzielte Ver ständigung das Mißbehagen über nicht voll erfüllte Hoffnun gen wett überwtegt. Von den drei Anforderungen, welche an gesunde Handelsverträge gestellt werden müssen und die in dieser Weise von der Weltwirtschastskonserenz gestellt wurden, sind zwei erfüllt: Die allgemeine nnd be dingungslose Meistbegünstigung wird wechselseitig zu- gesagt: die dieser noch anhaftenden Schönheitsfehler werden nach einigen Monaten automatisch verschwinden. Ferner wird beiderseits aus breiter Front vertragsmäßig ge. bundene Herabsetzung der bislang tm wechselseitigen Verkehr erhobenen Zölle eingeräumt. Was die Dauer des Vertrages anlangt, so liegt ein wesentlicher Fortschritt darin, daß mit ihnen die Periode auf wenige Monate be schränkter Provisorien überwunden ist. Das HandelsvertragS- sqstem Europas ist noch nicht abgeschlossen, denn der dcntsch- sranzösischc Vertrag bedcntet auf dem Wege zum Ziele nur eine bedeutsame Etappe. ES werden, daran ist nicht zu zweifeln, weitere Verhandlun gen Frankreichs mit dritten Ländein folgen und auch für Deutschland bleibt noch vieles zu tun. Erst das Gesamtergeb nis wird über Erfolg ober Mißerfolg der von der Weltwirt, schaftskonferenz geförderten Bestrebungen zur Wirtschafts, soltdarität Europas entscheiden. Wir werden, dessen können Sie gewiß sein, uns nicht durch freudige Gefühle 'über erreichte Fortschritte in Sicherheit wiegen lassen. Wir werden die Augen nach allen Seiten offenhaltcn und entgegengesetzte Tendenzen, die hier und da wirksam sind, mit größter Aufmerksamkeit verfolgen und abzuwehren versuchen. Der fortschreitende Ausbau unseres HandelsvertragSsyftems wird dem Deutschc« im Ausland «nd dem Ausländer in Deutschland die Möglichkeiten friedlichen Wettbewerbs in ge steigertem Umfange erschließen. Aber nicht nur in der Wirtschaft selbst müssen die Vor aussetzungen gegeben sein, um ein Höchstprodukt deutscher Leistungsfähigkeit zu erzielen. Auch die großen, dem Reiche gehörenden Verkehrsanstalten der Bahn nnd der Post müssen bas ihrige beitragen, um den Absatz dieses Pro duktes zu erleichtern. Und schließlich muß auch in der Ver waltung des Reiches, der Länder und der Gemeinden, die sämtlich mit der Wirtschaft in engster Fühlung arbeiten, der Qualitätsgrundsatz verwirklicht werden. Dr. Curtius bat am Schlüsse seiner Rede um das Ver trauen der Industrie, das in seiner Erwiderung Geheimrat Duisberg dem Minister auch zusagte, wobei er gleichzeitig aber auch um das Vertrauen der Regie rung, vor allem auch dann bat, wenn die Industrie manchmal anderer Auffassung als die Negierung sei. In seinem Dank an den Oberbürgermeister Dr. Land mann brachte Geheimrat Duisberg zum Ausdruck, daß auch für die Industrie der Mensch als solcher das Wesentliche sei. Er erkenne das Entgegenkommen der Großstädte gegen über der Industrie an, gab aber trotzdem der Industrie den Rat, aufs Land zu gehen. lLebhafter Beifall.) DaS geschäftsführende Präsidialmttglied des Retchsver- bandes der Deutschen Industrie, Geheimrat Kastl, hielt darauf einen Bortrag über: „WirlschafispoMische Voraussetzungen für -eulfche QualilSlsarbett." Er führte u. a. aus: Deutschland gehört zu den Ländern, für die heute mehr denn je die Qualttätsleistung von ausschlag gebender Bedeutung ist. Der Redner ging in diesem Zu- sammenhang ausführlich auf unsere Anßenhandclsentwick- lung ein nnd beantwortete die Frage: „Export ober Binnen markt?" tn dem Sinne, baß nur die geeignete Verbtn. düng beider Ziele der richtige Weg ist. In diesem Zusammenhang müsse für den deutsche« Produktionsprozeß möglichst große Bewegungsfreiheit und für den Absatz alle aus dem Inlands- «nd Aus landsmarkt« mögltchen Erleichterungen «nd Sicherheiten gefordert werden. Massenproduktion stehe nicht im Gegensatz zur Qualität. Die geeignete Verbindung von Preis und Güte erfordere tn erster Linie niedrige Gestehungskosten. In dieser Hinsicht sei die Entwicklung der öffentlichen Finanzen in Deutschland eine Gefahr. Einschließlich der besonderen Reparationsbelastung der Wirtschaft und der Ausgaben von Ländern und Gemeinden könne man von einer Gesamtbelastnng »o» über 18)4 Milliarden ausgehen. Der Vortragende forderte darum eine BerwaltnngSresor«, die mit einer BersassungSreform in Verbindung stehen müsse, «nd zwar sa, daß unter Schonung der kulturelle« Selbständigkeit der große« «ub mittlere« Länder eine systematisch« «rweiteru«g -er Reichsgewalt erreicht wirb. Die allzu hohe Steuerbelastung zeig« sich z. v. darin, daß die industriellen Unternehmungen im Jahre 1085 dnrch- schnittltch etwa »» Prozent ihres gesamten besteuern««»» fähige« Einkommens und 108 Prozent ihre» Gewinnes t« Sinne deS Einkommen» und SörperschaftSstenergesctzeS an Steuer« abgesührt haben. — Im Anschluß hieran machte Ge hetmrat Kastl auf die Tatsache aufmerksam, daß die Gesamtbelastung durch die sozialen Versicherungen im Jahre 1986 48 Milliarden gegenüber 1,4 Milliarde im Jahre 1918 betrug, und daß man für 1927 die Sozialbelastung voraus, sichtlich auf mindestens 4,7 Milliarden schätzen müsse. Die finanziellen Auswirkungen des Arbeitöloscnverstche- rungsgcsetzes seien vorläufig noch abzuwartcn, notwendig seien vor allem organisatorische Maßnahmen sür eine Ver ringerung der Krtsenversorgten. — Das Arbeitszeit- Notgesetz wirke sich heute besonders erschwerend aus. Wie kann in einem Lande mit solcher Kapitalarmut und der artig hohen auswärtigen Verpflichtungen freiwillige Mehr arbeit bestraft werden? Besonders bedenklich sei der 26pro- zentige Lohuzuschlag für Ueberstunden. — Danach streifte der Vortragende die Tarifpolitik der Reichsbahn und IPost und wandte sich der deutschen Ksin-elspolilik der letzten Jahre zu. Die von Deutschland verlangte inter. nationale Senkung des Zollniveaus sei nur in unzureichen dem Ausmaße erreicht worden. Die Bereitwilligkeit Deutsch, lanbs, seine Zölle abzubauen, habe leider das Ausland nicht zu einem gleichen Entgegenkommen veranlaßt. Ein Beispiel sei tn dieser Beziehung der neue deutsch-französische Handels vertrag. dessen Bedeutung nicht verkleinert werden solle, denn er habe die Meistbegünstigung und die Bindung der Zölle der Waren unseres wichtigsten Exportinteresses ge bracht. Die deutsche Industrie sei bereit, an einer internatto- nalen Wtrtschaftsverständigung und einer Senkung des internationalen Zvllnivcaus mitzuarbeitcn, aber nur Schritt sür Schritt und Zug um Zug. Die heutige «artellpolitik gehe von veralteten Begriffen aus. Die Entwicklung im Kartellwcsen zeige deutlich ihre neuen Ausgaben. Die Ver hinderung der Prcisschlcuderci sei eine wichtige Voraus setzung sür die Erzeugung von Qualitätswaren. Die Kar- tclle gingen mehr und mehr dazu über, die Produktion der angeschlossenen Mitglieder zu beeinflussen; es sei auch bei ihnen üblich, veraltete Betriebe, die den Oualitäts- und NcntabilitätSansprüchcn nicht mehr genügen, stillzulegen. So verdrängt das Kalkulationskartell immer mehr das Preiskartell. Auch die weitgehende Anwendung der Ber- bandsmarke wirke qualitätsfördernb. Hand in Hand damit laufe die selbständige Forschungsarbeit oder ihre finanzielle Unterstützung. Um die falschen Meinungen über die Kartelle zu beseitigen, trat der Vortragende für weit gehende Publizität ein, verlangte aber Unterstützung und Förderung ber neuen Aufgaben der Kartelle durch die Re gierung. Der Redner betonte in diesem Zusammenhangs die Notwendigkeit eines hochwertigen gewerblichen Fach arbeiternachwuchses. Besonders erfreulich sei das neuerdings erzielte Zusammengehen des Handwerks mit ber Industri e. Die Förderung der Berufsausbildung zum hochqualifizierten Facharbeiter sei eine Lebensfrage für die Industrie. Sie müsse sich durchsetzen, trotz der Angriffe durch die Arbeiterorganisationen. Damit werbe auch eine Verbesserung der Lage aller Arbeiter erreicht, gleichgültig, ob sie organisiert sind oder nicht. Ein neuer Wohlstand des gesamten Volkes müsse nach ehernen ökonomischen Gesetzen von der Volksgesamtheit für die Volksgesamtheit erkämpft werden. Den Ausführungen des Geheimrats Kastl folgte leb- Hafter Beifall der Versammlung. — Den Abschluß der heutigen Tagung bildete ein Vortrag von Georg Müller, Oerlinghausen, Mitglied des Reichswirtschaftsrats, über das Thema: „Deulschland aus den WellmSrklen " Er führte u. a. aus: Die Vermutung besteht zu Recht, baß fast zwei bis drei Millionen deutscher Arbeiter und vier bis sechs Millionen Angehörige vor dem Kriege nur durch Ausfuhr unterhalten wurden. Der Export ist heute wett unter das Volumen ber Vorkriegszeit zusammengedrückt. Westeuropa mit England, das früher 46 Prozent unserer Ausfuhr aufnahm, nimmt jetzt nur noch 41 Prozent, die außer- europäischen Erdteile früher 22,8 Prozent, jetzt 28 Prozent, Nord- und Osteuropa mit Balkan früher 28,6 Prozent, jetzt ebenfalls 28,6 Prozent, wobei Norbcuropa allein den Aus» gleich hcrbeiführt. Amerikas seit 1918 mehr als verdoppelte Ausfuhr zeigt eine Verdreifachung an Fertigwaren. Welche Möglichkeiten bleiben uns für die Ausbreitung unserer Ausfuhr? Schon lange haben wir unseren früheren Ruf als Land der billigsten Erzeugung eingebüßt. Wir stehen sogar im Begriff, als teuer verschrien zu werden, und — gestehen wir es offen — die Verhältnisse zwingen un» dazu, teuer zu sein. Desto mehr haben wir uns aber zu bemühen, das denkbar Beste und Vollkommenste zu liefern. Wir können die Anforderungen an uns gar nicht hoch genug hinaufschrauben. Die Grenze der Qualttätsleistung ist aber der Preis, den die fremde Volksgemeinschaft für eine Ware zahlen will. Es ist ein großer Trugschluß, zn glauben, daß die Qualität allein für den Erfolg entscheidet. Ueber Sie Herstellbarkcit des Produktes zu einem angemessenen Preise entscheidet neben der Geschicklichkeit der Lohn, die An- sprüche an die Lebenshaltung in noch viel höherem Grade als bei der Massenware. Neben dem Wiederaufbau der deutschen Marktorganisation werden wir auch der Schaffung deutscher Kulturmittelpunkte draußen in der Welt erhöhte Kraft widmen müssen. Es ist von ausschlaggebender Be deutung für die Wirtschaft, daß wir unsere alte Anziehung», kraft alS Land des Fremdenverkehrs wieder gewinnen. Ein aufnahmefähiger Binnenmarkt ist die erste Vorbedingung für einen fruchtbaren Export überhaupt. Wenn cS dem deutschen Schaffen vergönnt ist, der entseelenden Idee deS mechanisierten BanbarbctterS mit Erfolg die lebendige Verbundenheit de» zur höchsten Leistung qualifizierten Arbeiters mit dem Ge- deihen des Werkes und ber Wirtschaft gegenüberzustcllcn, dann werden wir uns auch wieder frei arbeiten von Schulden, Knechtschaft und WtrtschaftSwibersinn. Vergessen wir nicht, daß wir Qualität nur von Menschen zu erwarten haben, bi« selber den Qualitätsbegriff in sich verkörpern. Am Abend vereinigten sich die Teilnehmer auf Einladung beS Verbandes Mitteldeutscher Industrieller zu einem Fest, abend im Hippodrom, bei dem Mitglieder ber Frankfurter Theater künstlerische Darbietungen gaben. Der Selamlaullaae vorlieaender Nummer lteal „Renner» Modeblall", die Kauszeilnna des Modehauses Renner. Allmarkk, bet. »
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