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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270713016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927071301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-07
- Tag 1927-07-13
-
Monat
1927-07
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1927
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Vandervelde über Belgiens Außenpolitik. Verleumdungen Deutschlands durch den belgischen Völkerbundsverlreler. Brüssel, 12. Kult, «ei de» StatSberatunge« für da» »ußenmintstertum kam «» heut« in der belgische» Kammer au einer großen außenpolitischen Debatte. In dieser bemerkt« der liberale Abgeordnete Jans»«, der Belgien im Völkerbund vertritt, daß nach seiner Ansicht tu Deutsch, land der Revanchekrteg vorbereitet werde. Die» dürfe aber Belgien an der Fortsetzung der BölkerbundSpolittk nicht hindern. Banbervelde venutzte verschieben« Anfragen »« einer grobangelegte« Er- klärung über die belgische Außenpolitik. Im Rahmen einer Kritik der Genfer Weltwirtschaftskonferenz be. tonte er. daß die Annahme de» neuen französische« Zolltarifs die belgische« Industriellen zwinge« müßte, sich neue Absatz» Märkte z« snche«. Die Unterbrechung der französisch-belgischen Wirtschaftsverhandlungen sei vor allem auf den Wunsch der französischen Regierung zurückzuführen, vorläufig erst die deutsch < französischen Wtrtschaftsverhandlungen zum Abschluß zu bringen. Die Genfer Abritftungsverhandlnngcn hätten keine Abrüstung, sondern eine mehr oder weniger versteckte Ausrüstung gebracht. Belgien sei für eine aktive Friedens politik. die nur durch ehrliche Abrüstung, wenn auch in ver- schiedener Gestalt, erfolgreich werden könne. Die belgisch« Regierung sehe in dem französisch-belgischen Milttärabkommen nichts weiter als eine Bertetdignngsmaßnahme. Banbervelde ging nunmehr zur Locarno.Politik über und erklärte, daß er sich über Stresemann» Er. klärungen in Oslo, daß kein verantwortlicher Deutscher an einen Revanchekrieg denke, gefreut habe. Mit Nachdruck be tonte der Minister, daß die noch bestehenden Schwierigkeiten zwischen den Locarno-Mächten von dem Geist ihres Friedens paktes überwunden werben würden. Zwischen Poincars und Stresemann bestehe der Unterschied, daß der deutsche Außen minister von unerläßlicher Wiedergutmachung und der fran zösische Ministerpräsident von übermäßigen und verfrühten Konzessionen spreche. Im weiteren Verlaufe seiner Rede erklärte Banbervelde zur Zurücknahme der Markbeträge, Belgien werde nicht aufhören, diese Frage gegenüber Deutschland auf- zuwerfen. In der allerjüngsten Zeit habe er persönlich die Aufmerksamkeit der ReichSbehürden auf diese Angelegenheit gelenkt. Deutschland hat im Prinzip die ihm aus dieser An gelegenheit erwachsende Verpflichtung anerkannt. Belgien hat den Wunsch, gegenüber Deutschland eine Politik der Gerechtig keit und Versöhnlichkeit durchgcführt zu sehen. Es ist über dies überzeugt, daß es keinen wirklichen Friede« in Europa geben wird bis z« dem Tage, wo nach den notwendigen Wiedergutmachungen die Unterscheidung zwischen siegreiche« «nd besiegten Völkern endgültig ansgegebe« sein wird. Aber bas ist auch der Grund dafür, daß man auf der anderen Seite Belgien Gerechtigkeit widerfahren läßt «nt daß «ine Schuld, die im Grundsatz weder bestritten «och bestreitbar ist, nicht angefvchte» wird. Deutschland sollte auch für da» AufhÜren der endlosen Kriegsschuldprotest« sorge«. St» neuer deutscher Schritt tu Bkttsse^ Brüssel. 12. Füll. (Meldung der Belgischen Telegraphen- Agentnr.» Der bentsche Gesandte ». Keller hat bei« bel, gische« auswärtige« Ministerin« neue Schritte unter»»««««, um Niuzelheite« über die Aeußeruuae« des belgische« Kriegs» «iuifterS Broqueville zu erhalte«. (W. T. B.) Der Saarbahuschutz endgütttg ausgestellt. Saarbrücke«. 11. Juli. Der nach dem Septemberbeschlnß de» BülkerbundSrates an di« Stell« der bisherigen franzvst. lchen Besatzungstruppen tretende Saarbahnschutz ist nunmehr vollständig organisiert. Die letzten englischen Mit- glieder des Saarbahnschutzes sind heute in Saarbrücken ein. getroffen. iW. T. B.) Samoas Klage gegen -ie Mmr-als- verwaltung. Ancklanb (Neuseeland), 12. Juli. Minister Nelson, Mitglied des gesetzgebenden Rates von Samoa, der hierher gekommen ist, um die Aufmerksamkeit des Premierministers auf die Beschwerde der Samoaner über die Mandats- Verwaltung zu lenken, sagte, ein Gerichtshof, der die Sach lage prüfen würde, würde zweifellos ein Urteil finden, das die Opposition gegen die bestehende militaristische Verwaltung rechtfertigen würde. Der neuseeländische Außenminister habe keine sorgfältige Untersuchung vorgenommen. I« Samoa sei ei« Feldzug der Einschüchterung «nd des Zwanges unternom men worden, «m jede Kritik an der Verwaltung zu ersticken. Nelson stellte in Aussicht, daß er nach England gehen und sich an den Völkerbund wenden werbe» wenn keine britischen Staatsmänner eingretfen würden. Nach einer weiteren Meldung ist in Verfolg der bi», herigen Maßnahmen ein Häuptling der Samoaner von einem bestimmten Gebietsteil in Samoa verbannt worben. Da er sich geweigert habe, dieser Ausweisung stattzugeben, sei er auf vier Monate etngekerkert worden. Deulschlands koloniale Fähigkeiten. Sine Anerkennnng des „Manchester Guardian*. London, 12. Juli. In einem Leitartikel sagt „Manchester Guardian*: Im großen und ganzen ist Deutschlands administrative Leistung auf kolonialem Gebiet be- sonders in Ostafrika eindrucksvoll gewesen, zumal im Zu sammenhang mit wissenschaftlichen Forschungen. Namen, wie Koch und Ztemann, werden im vormaligen Deutsch-Ostafrika und in Kamerun von den Eingeborenen in dankbarem Ge dächtnis bewahrt. Es wäre absurd, eine Nation, die solche Männer hervorgebracht hat. dauernd von der Mandats- kommisston auszuschlietzen. (W. T.B.) Die Beisetzung des Prinzen Friedrich Sigismund. Die Feier in -er Kapelle von Nikolskoe. Berlin, 12. Juli. Heute nachmittag fand die Beisetzung des Prinzen Friedrich Sigismund statt. Der Sarg war in der Kapelle von Nikolskoe aufgebahrt, zu Füßen der letzte Siegesprets des verstorbenen Prinzen aus Luzern. Hinter dem Kruzifix auf dem Altar stand ein großes Kreuz aus weißen Lilien, das die Prinzessin-Mutter dem verstorbenen Sohn als letzte Gabe gebracht hatte. Gegen 2 Uhr trafen die ersten Ver bände und Abordnungen ein, der Krtegerverein Klein-Glienicke, der Gauvei ein des St a h l h e l m s, der Ortsverein des Stahl helms Neubabelsberg, der Vertreter der Marinevereine, Vize admiral Rogge.der Verein ehemaliger Leibhusaren und viele ehemalige Angehörige des 1. GarderegimentS zu Fuß. Neben dem Kronprinzen, der in Husarenunisorm erschiene« war, und der Kronprinzessin waren anwesend die Prinzen Eitel Friedrich «nd August Wilhelm, ferner Prinz Christian von Schaumburg-Lippe, dann Reichspräsident «»« Hi«de«burg «nd Generalsclbmarschall von Mackensen. Während der Andacht umkreisten drei Flieger die Kapelle. Der ehemalige Hauslehrer des Prinzen, Pfarrer Noell» hielt die Trauerrede, in der er u. a. sagte, das deutsche Volk verliere einen Mann, der im schönsten Sinne volkstümlich war, der dem deutschen Namen und dem Hohenzollernhause überall Ehre gemacht habe. Nach Gebet und Gesang wurde der Sarg von acht der bekanntesten Turnterstreitcr unter den Klängen der Kavallerie-Retratte durch ein Spalter von Ab ordnungen zu dem vierspännigen Leichenwagen des ehe maligen Königshauses getragen. Unter Borantritt von Stahl helmmusik, einer Stahlhclmabteilung und der Abordnungen der Kriegervereine setzte sich der Trauerkondukt in Bewegung. Hinter dem Leichenwagen führte man den „Heiligen Speer*, das Pferd, mit dem der Prinz in Luzern seinen letzten großen Erfolg gegen internationale Konkurrenz er rungen hatte. Dann folgten die Angehörigen, der Reichs präsident und die übrigen Traucrgäste zu Fuß. Länger als eine Stunde bewegte sich der Trauerzng im allen Gltenicker Park zum Parkeingang, um beim Passieren von HauS Glienicke, dem Wohnsitz des Prinzen, einige Augen blicke zum letzten Gruß anzuhalten. Im Park wurde der Sarg vom Wagen gehoben und unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden zur Gruft getragen. Als Abschiedsgrutz der Flieger kreisten über der Trauergesellschaft zwei Doppel- decker mit Trauerwimpelu. Der deutsche Ftottenbefuch in Danzig. (Durch Fuukspruch.) Danzig, 12. Juli. Anläßlich der Anwesenheit der deutschen Kriegsschiffe veranstaltete der Danziger Senat zu Ehren der deutschen Offiziere im Rathaus ein Festesten, an dem zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten des diplomatischen Lebens teilnahmen. Senatsprästdent Dr. Sahm sprach in seiner Begrüßungsrede der Reichsregierung für den Flotten- besuch seinen Dank aus. Er betonte die innigen Beziehungen zwischen der Freien Stadt Danzig zum Deutschen Reiche. Das köstlichste Gut, was Danzig besäße, sei sei« Deut sch tun». Er schloß mit einem Hoch auf das Reich und den Reichs präsidenten. — Der Kommandant der „Hessen* betonte in seiner Erwiderung, baß bas ganze Reich niemals bas Gefühl der Zusammengehörigkeit mit all den abgetrennten deutschen Brüdern verloren habe. Die deutschen Kriegsschiffe seien ge kommen, «m zu zeigen, daß Deutschland nach wie vor mit de« Deutschen Danzigs fühle. (W. T. B.) Die Tagung -es KyMuser-Dun-es. K»l«, 12. Juli. Die Verhandlungen de, 40. Haupt versammlung der Dentschen Kriegerwohlfahrtsgemeinschaft im Kysshäuserbund, der SH Millionen ehemaliger Krieger in rund S2000 Vereinen zusammenschließt, nahmen in Köln unter Vorsitz de» General» der Artillerie a. D. v. Horn tu Anwesenheit von etwa 800 Delegierten aus dem ganzen Reich« einen von bestem Einverständnis im Bunde zeugenden Ver lauf. Außer Vertretern der Staats- und Kommunalbehörbeu sowie deS Kardinal-Erzbischofs von Köln waren u. a. an wesend der 2. Präsident der Deutschen Kriegerwohlfahrt»- gemetnschaft Generalmajor a. D. v. Enckevort, der 8. Präst- dent Geheimer Hofrat Nitz und auch der 2. Präsident de» Kyffhäuserbunbes und Präsident des Bayrischen Krteger- bundeS Generalleutnant a. D. Reuter (München). In der Ansprache de» 1. Präsidenten, Generals o. Hör«, kam erneut bas Bekenntnis der deutschen Krieger im Kuss. Häuserbund zur Kameradschaft der Tat, zu streng unkonfessio- neller und überparteilicher Einstellung zum deutschen Ge danken und dem in schwerer Zeit sich neu bewährten Kyfs- häusergetst zum Ausdruck. Er stellte fest, daß das Kricger» vereinSwesen dank seiner strikten Neutralität und der hingebenden Opserfreudigkeit seiner Mitglieder in steter Aufwärtsbewegung begriffen ist. — Ein ähnliches er freuliches Bild zeigten die bereits am Vortage stattgesundenen Verhandlungen der Landesgruppe Preußen der Organi sation der Kriegsbeschädigten und Kriegcrhinterbliebeneu im Deutschen Reichskriegerbund Kyffhäuser und der Dentschen Krtegerfechtanstalt, der es obliegt, die Mittel für die vier Kriegerwatsenhäuser aufzubringen. Rückzug Tschangkaischeks. Tientsin, 12. Juli. Die Offensive Tschangkaischeks ist z«» Stillstand gekommen. Tschangkaischek bat das gesamte Schantung-Gcbiet geräumt «nd seine Truppe hinter Hsntscha« zurückgezogen- Das Vordringen -er Nordtruppen bis gogeu Hsutschau wird als grober Erfolg betrachtet. Loro-ins Abzug aus Sankau. Erregte Szene« mit den Geväckknlis. Hanka«, 12. Juli. In der Amtswohnung des russischen „Ratgebers" Borodin in Hankau haben sich erregte Szenen abgespielt. Eine Anzahl Kults weigerte sich, das Gepäck Borodins zur Bahn zu tragen. Zwischen diesen Kulis und der Umgebung Borodins kam es zu Auseinander setzungen. Die Kulis versuchten trotz des Widerstandes der Polizei in das Gebäude einzudringen. Die Lage war schon äußerst gespannt geworden, als die Wache Borodins den Kulis über Len Kopf feuerte. Diese machten halt, blieben aber vor dem Hause versammelt. Sie zerstreuten sich erst, als -ie Wächter ihnen mit Pistolen ernstlich drohten. lW. L- B.) Ausbreikmlg -er frem-en Besatzung in China. Tie«tstn, 12. Juli. Auf einer Konferenz der Komman danten der fremden Besatzungstruppen wurde der Plan einer Ausdehnung der Besatzungszone der Mächte auf 10 Kilometer in chinesisches Gebiet hinein ausgearbeitet. Die Besetzung des neue« chinesischen Gebietes soll erfolge«, sobald den Chinesen die Errichtung der neutrale« 10-Silo» meter-Zone mitgeteilt ist. Der Oberkommandant der fremden Truppen tu Tientsin befürwortete schnellste Maßnahmen, da er die Dauerhaftigkeit der letzten Erfolge der Nord truppen bezweifelt. Die amerikanischen Truppen wurden bereits heute früh in der früheren deutschen Kon zession, also auf chinesischem Gebiet, kaserniert. Die Er-bebenkalaslrophe in Trarrsjor-auleu. sog Todesopfer. Kairo, 12. Juli. Wie von Augenzeuge« berichtet nckrst, wird die Zahl der durch das Erdbeben i« TranSjordantmz getötete« Personen aus 396 geschätzt. Schwerer Wlrbelslurm über Südruhlaub. 89 Todesopfer. Wie ans MoSka« gemeldet wird, ist die südr«sskfche Stadt Noworossijsk ,o« einem schweren Wirbelstnrm heimgesucht worden, der zahlreiche Opfer au Menschenleben forderte. Rach de« bisherige« Meldungen find 80 Persone« getötet «nd 29 verwundet worden. I« Sertsch hat der Wirbelstnrm ebenfalls große Berwiistnnge« angerichtet. »iii«- Ov. 1888 r Sedakkalatrall« 21 Clara Schumann un- Johannes Brahms. Bon Dr. HetnrichStürenbnrg. Auf die Freundschaft dieser beiden hervorragenden Künstler und vornehmen Menschen ist in der letzten Zeit Licht und Schatten geworfen worden. Ein geradezu unheimlicher Schatten in einer Schmähschrift, die sicherem Vernehmen nach ein Enkel Robert und Clara Schumanns geschrieben und an eine Anzahl von Zeitungen versendet hat. Da sie weder buch- händlerisch noch in den größten Bibliotheken zu erlangen ist, kenn« ich sie nur aus dem allgemeinen Echo der Entrüstung, die sie erregt hat. Ich laste sie also in dem Dunkel, in dem sie offenbar bleiben will, und wende mich ganz dem Lichte zu, das die im Alter von 87 Jahren noch lebende Tochter Clara Schu manns vielleicht in bewußtem Gegensatz zu der Auffassung dieser Schmähschrift durch Veröffentlichung des Briefwechsels, soweit er erhalten, auf dieses Freundschaftsverhältnis hat fallen lasten. „Clara Schumann, Johannes BrahmS. Briefe au» den Jahren 1883,06. Im Aufträge von Marie Schumann heraus, gegeben von Berthold Lttzmann (Leipzig 1027s.* So betitelt sich die Sammlung. Im Sinne von BrahmS ist diese Veröffent lichung allerdings nicht. Er hat eS einmal in einem Briefe an Marie LipstuS — La Mara scharf ausgesprochen, man täte ihm keinen schlechteren Gefallen, als mit Drucklegung von Briefe« von ihm, da er nie anders als unlustig und flüchtig geschrieben habe. So hatte er auch 1886 mit Clara den Austausch ihrer Briefe verabredet und in den Rhein geworfen, was er darauf von den seinen zurttckerhalten hatte. Bon einer großen An zahl von diesen hatte sich aber die Freundin nicht trennen können, und so enthält diese Sammlung gerade eine reiche Folge BrahmSscher Briefe anS den Jahren 1854/56. — Die Nachwelt bars sich auch gewiß baS Recht nehmen» zur besseren Beleuchtung von Leben und Wirken bedeutender Menschen Licht von allen Seiten einfallen zu lasten, und daS gilt gegen- über einem der ersten Tonschöpfer aller Zetten, wie BrahmS, in besonderem Grade. Auch steht in den etwa 750 Briefen dieser Sammlung keine Zeile, die das Licht der Oeffentlichkeit zu scheuen hätte, so edel erweist sich die Art der beiden und auch da. wo einmal ein Mißverständnis den sonst so voll kommenen Einklang der Freundschast stört. Restlose Offenheit führt immer wieder zum Ausgleich. Wer noch die künstlerische Laufbahn der beiden al» Mit- lebender durch Jahrzehnte hat verfolgen können, wirb diese« Briefen gesteigerte Aufmerksamkeit znwenden. Mir ist schon al» Knaben von Clara Schnmann» ebenso schwerem Geschick wie hoher Künstlerschaft erzählt worden. Al» ich bann 1866 dl» Bonner Gtndent erfuhr, daß sie »« Pfingsten t« Düsiel- bors auf einem der hochberühmten Niederrheintschen Musik feste spielen und Jenny Lind singen würde, fuhr ich erwar- tungSvoll hinüber und erlebte noch mehr als ich erwartet hatte. Frau Schumann, damals mit 47 Jahren auch in der äußeren Erscheinung noch unverblüht, spielte daS A-Moll-Konzert ihres Mannes mit größter Wirkung. Dieses selbe, von ihr zeitlebens mit Vorliebe vorgetragene Werk habe ich dann später noch mehrmals von ihr gehört, als sie äußerlich gealtert war. Aber ihr Spiel wuchs auch im Alter noch an innerer Reife, wie sie auch selbst in diesen Briefen wiederholt sagt, sie glaube noch nie so gut gespielt zu haben. Denn sie lieb sich immer wieder selbst ergreifen von dem Kunstwerk, das sie zu vermitteln hatte. — In jenen Jugenbjahren hatte mich et« großer Musikkenner aber auch schon auf das prophetische Ur teil Robert Schumanns vom Jahre 1868 über Johannes BrahmS aufmerksam aemacht. Ich verschaffte mir daher in Leipzig, wo ich nun studierte, mit einiger Mühe Zutritt zur ersten vollständigen Aufführung des Deutschen Requiems im Gewandhauskonzert vom 18. Februar 1869. AVer die allzu vornehme Zuhörerschaft teilte nur zu einem kleinen Teil meine Ergriffenheit über daS herrliche Werk, und ich mutzte sogar mit anhören, wie ein reglmäßiger Besucher dieser Konzerte, ein mir bekannter UniversitätSvrofestor, hinter mir äußerte, dieses Werk sei bester ungeschrieben geblieben. Man denke sich, das Brahmsschc Requiem! Danach habe ich allerdings auch noch erlebt, wie BrahmS im selben Saale Genugtuung wurde. So ln den siebziger Jahren mit dem Bortrag keiner Händel- Bariationen für Klavier, so 1884 mit eigner erster Bor- führung seiner F-Dur- und ebenso dann im neuen Gewand haus seiner vierten Sinfonie. Für Clara Schumann ergibt diese vollständig« BerSffent- lichnng ihrer erhaltenen Briese nur eine Nachlese zu LttzmannS dreibändigem Werk über sie. Denn dieser hatte alle Brief« schon für besten Ausarbeitung zu seiner Verfügung und hat viel auS ihnen mitgeteilt. Wir bewundern die männliche Kraft, mit der sie ihr schwere» Schicksal meistert. Der von ihr vergöttert« Mann verfällt in Geisteskrankheit «nd htnterläßt sie als Witwe mit sieben Kindern «nd der Pflicht, sich und diese auS eigner Kraft zu versorgen. Bier von ihnen muß sie bahtnsiechen «nd vorzeitig sterben sehen. Sie selbst wirb immer wieder von körperlichem Ungemach «nd schließlich sogar einem für sie als Künstlerin doppelt peinlichem Gehörletden vesalle«. Aber sie wahrt trotz der Notwendigkeit, mit der Kunst zu verdienen, ihre künstlerisch« Bedeutung «nd äußert immer wieder da» Hohe Glück, baS sie empfindet, diese noch steigern zu können. Wie köstlich fchreibt sie einmal 1859, wie sie in Köln Beethovens G-Dur-Konz«rt gespielt Hab«: „DaS Publikum war entzückt, ich aber doch am meiste»; daS ist doch ei« göttliches Konzert, und ich spiele eS mit jedem Maße schöner, das fühle ich.* Die Freundschaft mit BrahmS empfindet sie durch ihre ganze dreiundvierzigjährige Dauer trotz mancher Herbheit im Wesen des Freundes als ein Hohes Lebensglück. Sie ist stolz darauf, seine große, ihm von ihrem Mann verheißene Lauf bahn gewissermaßen als nächst ihm Meistbeteiligte verfolge» zu können. Denn sie gehört immer zu den ersten, denen er seine Neuschöpfungen zur Kenntnis bringt und über die er ihr Urteil erwartet. Sie hält dabei auch mit Bedenken nicht zurück. So ist mir fast ergötzlich, wie sie ihm zum »weiten Motiv deS ersten Satzes seiner vierten Sinfonie schreibt, e» sei eigensinnig, so gar nicht sich anschmiegend an das Vorher gehende: „ES ist, als ob Du plötzlich bereutest, so liebens würdig gewesen zu sein.* Wie sie auch in ihrem Tagebuch zu einigen Stellen in Brahmsens Doppelkonzert für Geige und Cello sagt: „ES ist manchmal, als ob es ihm Vergnügen mache, dem Hörer eS nicht zu wohl werden zu lasten." — Weil aber ihr persönliches Verhältnis verdächtigt worben ist, so muß auch hier «ine Stelle Erwähnung finden, was sie darüber im Tage buch wie ein Vermächtnis an ihreKinder gesagt hat: »Johannes BrahmS kam, um als treuer Freund alles Leib mit mir zu tragen,' er kräftigte das Herz, das zu brechen drohte, er erhob meinen Geist, erheiterte, wo er nur konnte, mein Gemüt, kurz, er war mein Freund im vollsten Sinne des Wortes.* — — „Vergebt, das, liebe Kinder, nie und bewahrt dem Freunde, der es gewiß auch Euch immer sein wirb, ein dauk- bares Herz: glaubt Eurer Mutter, was sie Euch gesagt, «nd habt nicht kleinlich« und neidische Seelen, die ihm meine Lieb« «nd Freundschaft nicht gönnen.* Bon diesem Bekenntnis aus gewinnt mau auch bas rechte Verständnis für die Briefe, -ie der junge Brahms an Clara tu de« Jahren geschrieben hat, in denen er mit ihr um die Gesundheit ihres Mannes bangte und dann um seinen Heim gang trauerte: Briefe, die uns in dieser vollständigen Samm lung »um ersten Male bekannt werden. Es klingt ja aus ihnen wie Töne verlangender Liebe, wenn die Anrede sich von geehrte Fra« allmählich zu verehrte, teuere Frau, geliebte, innig geliebte, herzliebste Freundin steigert, wenn er ihr schreibt: „Meine geliebte Clara, ich möchte, ich könnte Dir so zärtlich schreiben, wie ich Dich liebe, und so viel Liebes Gutes tun, wie tch Dtr'S wünsche. Du bist mir so unendlich lieb, daß ich e» gar nicht sage« kann.* Und doch ist es eine andere Liebe» al» die Goethes zu Charlotte von Stein, die ja auch eine Spanne von Jahren älter war und ihrem Gatten sieben Kinder geboren hatte, als der jüngere Freund ihr nähertrat. SS tft die schwärmerische Freundschaft eines jugendliche« Gemütes M «t«ee Kea«, Ge er als aroche Künstle rin eb«ch»
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