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-1. Tahrgarrg. 1S7 Donnerstag, 2S. April 1S27 Gegründel 18SS Drabianickrü», Ota-betchte» Dee.de» Ferm I> recke» - Sammelnummer - 2S 241 Nur lür NacklgelvrLckei 20011 B-zugs-Gedühr N,!S«S.LLL Einzelnummer 10 <vi«anl» »i« Anielaea werden na» Go Id mar» derecknen die Anzeigen-Preise: M« » Bs^-. Kr äizewSri. « ^ia. ^amWenanzesaen^^SIeV ^aba» I» P>g »altiar » mm breii« .. ^ ^«n und Slellenaeiucke oyne ia.. ausiertialb S Pia., die SV mm breite Neklamezetle 2M Via., auderbalb -suBia. OfferlenaebübrNPia. Ausw.AuitrSae aeaen -Lorausbezakla. enaeiuche,b> »eile M -vil Schriitleitim» und .-auvigetckLitsIiell«! Martenitratz« ^42 Druck u. Verlag von vi«»»«y ck ykezickaedt w Dresden Poitickeck-Konio I0S8 Dresden Nackdruck MI, Mil dkuilicker Ouellenanaabk -.Dresdner Nackr.'' „llSllia. tlnverlanai» Lckriitftacke werben Nicki auibewabri Konclilvk-si uiicl ^si^bäckSs-si NtlßrSLl SsgSP 1» 7«I. 27»s» Lvon NM«« 8rir Lv vlülkner -klügel -kianos Prager Strsüe l2 kernruk 16378 Schwierige Ausgaben des Reichskabinetts. Die deutsche Aiiumungsaktion im Vordergründe. - Ein türkisch-serbisches Bündnis? Wie-erbeginnen-e KabineHsarbeil. lDradimeldung unserer Berliner Lchrtstleiiung.I Berlin, 27. April. Mit Beginn der nächsten Woche wird baS Reichskabiiictt, dessen Mitglieder dann wieder vollzählig in Berlin versammelt sein werden, seine Beratungen wieder ausnehmen. Schon in der ersten Kabinettssitznng, die wahr scheinlich am Mvntagnachmittag stattsindcn wird, dürsten die außenpolitischen Probleme, in erster Reihe die BesatzunaS- frage und das Scheitern der Genfer AbrtistnngSvcrhandlun- gen, auSgiebtg besprochen werden. Der in der Oessentlichkett lebhakt diskutierte Schritt DentschlandS zur Wiederbelebung der RSumnngSsrage wird gleichfalls Obiekt der Kabinettsbesprechnngen sein. Nach dem, was an den amtlichen Stellen darüber gesagt wird, scheint ein festumrissener Plan des NeichSaußenministcrs Strcscmann. »yaS die Ausführung dieses Schrittes betrisst, noch nicht zu be stehen, vielmehr scheint Dr. Stresemann Termin und Ar> diese- diplomatischen Schrittes erst im Kabinett auSaicbio zur Erörterung bringen zu wollen, ehe er nähere Einzel heiten zur Kenntnis der Oeffentlichkeit gelangen läßt. Die se» Verfahren ist zweifellos richtig, da die KabincttSmitglic- der, die alö Vertrauensleute ihrer Parteien der Regierung angchören. nicht vor fertige Tatsachen gestellt werden dürfen Bevor das Neichskabinett sich mit diesen Fragen beschäf tigt haben wird, wird man darum die Mitteilungen, die fein schon davon wissen wollen, daß der deutsche Botschafter in Paris, Herr «. Soesch. schon in allernächster Zeit am Onai d'Orsay vorstellig werden würde mit dem Verlangen, die Ne, satzung wenigstens aus die Stärke zu reduzieren, die als Voraussetzung der Nnterzcichnung der Locarnoverträae ver sprochen worden ist. lediglich als bloßes Gerücht zu bewerten haben. Um so mehr, als sich Deutschland jetzt mit einer Herabsetzung um wenige tausend Mann nicht begnügen kann. Was Deutschland nach dem Fricdcnsvertrag mit allem Recht verlangen kann, ist die völlige Zurückziehung der Besatiniigs- truvpcn, und zwar ohne jede erneute Gegenleistung. Deutsch land kann sich bei der diesmaligen, wie man erwarten kann, sehr hitzigen diplomatischen Debatte nicht wieder dazu bringen lassen, neue solgcnschwerc Borschustlei ftungen zu über nehme«. während die Gegenseite an eine Erfüllung cin- gegangener Verpflichtungen nicht denkt. Es Ist wohl sicher, daß gerade die Räumungsfrage, die zu den schwierigsten Problemen gehört. Gegenstand mehrerer Kabinetts- sttznngen sein wird, che ein fester Entschlnst acsasti wird. Neben dem negativen Anvgang der Abrüstungs konferenz, Uber deren Verlauf der deutsche Vertreter Gras Bcrnstorff da? Kabinett persönlich eingehend unterrichten wird, wird dieses sich auch noch mit der Finanz lage deS Reiches und dan« noch mit der Frage, waS anS dem DaweS»Plan werden soll, befassen. Gerade dieser letztere Punkt ist setzt schon Gegenstand von Rcssortbcsprechungen, den« eS unterliegt keinem Zweifel mehr, baß Deutschland schon i« nächste« Jahre sich, wenn keine Aendernng erfolgt, vor die Notwendigkeit gestellt sehe» wird, zu erklären, das, cS den übernommenen Verpflichtungen nicht Nachkommen kann, weil diese in ungeheuerlicher Weise seine Kräfte übersteigen. Neben die Besprechung dieser groben Lebensfrage der Nation tritt dann noch die Erörterung wichtiger innen- und kultur- politischer Vorlagen, wie beispielsweise des RctchS- schulgcsctzes, das die Negierung angesichts der auseinander- gehenden und widerstrebenden Auffassungen der Parteien vor schwierige Ausgaben stellt. Zusammenfasscnd kann man sagen, baß da» Kabinett mit der Wiederaufnahme seiner Sitzungen »inen arbeitsreichen Zeitabschnitt beginnt. Die..Sicherheit" die Aichlschnur Frankreichs. Frankreichs Stellung zur Nheinlandränmnng. Paris. 27. April. Tie von der deutschen Presse in der letz ten Zeit erneut und mit grober Lcidcnschast erörterte Frage der R h e i n l a » d r ä u m u n g wird von der französischen Ocsscntiichkeit und den amtlichen Kreisen mit verstärkter Aufmerksamkeit verfolgt, da man im allgemeinen der Anschauung ist. das, die R e i ch s r e g i e r u n g hinter den Ver öffentlichungen steht. In unterrichteten französischen Kreisen wird versichert, dab die französische Regierung ihre Stellungnahme zur Nheinland- räumung nicht geändert habe und das, auch keinerlei Ver anlassung zu der Annahme vorlira«, das, sie in einer näheren oder weiteren Zukunft ändern werde. Sie ist nach wie vor der Anschauung, das, die Frage der Rheinlandränmung nur im Einverständnis mit den anderen Alliierten gemeinsam gelöst werden könne und vor allem der Sicherheit Frankreichs an seinen Ostgrenzcn untergeordnet werden müsse. Die Frage der Mobilisierung der Eikcnbahnobligationc« oder anderer finanzieller Gegenleistungen spielt heute keine Rolle mehr. da die französischen Finanzen sich in überraschender Weise er holt haben und Frankreich heute über einen groben Vorrat an Devisen zur Stützung seiner Währung verfügt. Daher be trachtet die französisäni Negierung die Räumnngssrage säst ansschliestlsch vom Sicherhcitsstandpunkt ans und wird ihn als wichtigsten in den Vordergrund stellen, salls Deutschland die Frage der Rheinlandränmung anlchnciden sollte. Solange die Militärvorlage nicht Gesetz geworden ist und ihre Anwendung sindet. und solange nicht der Bertcidi- gungsgürtcl an der Ostgrcnzc geschaffen worden ist. ist Frankreich nach Aufsalsung der französischen Regierung nicht ausreichend geschützt. In welchem Umfange darüber hinaus die französische Ne gierung die Räumung des Rhcinlandcs von einem O st - Locarno-Pakt abhängig machen will, darüber gehe» die Ansichten in sonst gut unterrichteten Kreisen weit auseinander. Der revisionsreife Dawes-P!an. Zwei wichtige kritische Stimmen. Neuyork. 27. April. In einer Aussprache vor dem Neu- york-Bond-Club erklärte sich der bekannte englische National- ökvnom Sir George Paish für eine durchgreifende Reform des Dawesplanes. Die Erhebung der Reparationen von Deutschland sei ein großer Mißgriff, denn Deutschlands Kaufkraft werde dadurch verringert. DaS bedeute, daß die anderen Nationen ihre Waren nicht nach Deutschland absctzcn können. Die Desorganisation, die sich aus der Durchführung des DaweSplancs ergebe, könne gar nicht übertrieben genug geschildert werden. Was Dentschland bisher ans ReparationS- konto gezahlt habe, entstamme anSländi'chcn Anleihen. Ans seinen eigenen Einkünften habe Deutschland nicht einen Cent Reparationen bezahlt und werde eS auch nicht bezahlen können. Deutschland habe gegenwärtig mehr zu leiden als irgendein anderes Land, und die Lebenshaltung des deutschen Volkes sei ganz von ausländischen Krediten abhängig. Das Ncuyorker Journal of Eommcrce" äußert sich heute ebenfalls zur Durchführbarkeit des DaweSplaneS. Man müsse damit rechnen, daß Deutschland in Kürze wieder kredltsuchcnb auf dem internationalen Geldmarkt auftrcten werbe. ES müsse endlich zu einer Revision des DaweS- planes kommen, schreibt daö angesehene Neuyorker Han. delsblatt, und Deutschland werde dadurch in gewissem Um fange von dem Druck befreit werden, dem es jetzt unterliege, um für den Reparattonszweck Waren auszuführen. Deulschlands Arbell in Gens nlchl vergebens. Interessantes Urteil des VölkcrbnndSorganS zur Abrüstung. Gens. 27. Avril. In einem Schlußbericht über die gestern zu Ende gegangene Tagung der Abrüstungskommisston führt das Organ des Völkerbundes, das .Journal de Gcnöve", in einem Artikel anS. daß sich anS der ersten Lesung deS Kon- vcnttonsentwurfeS vor allem die Lehre ergebe, daß trotz der sahrelauge« Reden über die Abrüstung l« Wirklichkeit weder technisch noch moralisch irgend etwas sür die Abrüstung vor» bereitet sei. Die Mitarbeit deS G r a s e n B er n st o r s s in der Kommission des Völkerbundes sei keineswegs un nütz gewesen. Seine Reben hätten gezeigt, daß Deutschland ans dem Recht heraus, das ihm die Einleitung zum fünsten Teil deS FriedenSvcrtragcS gibt, nicht geneigt sei. das Ver, spreche« aus Abrüstnna auch der üdriaen Mächte vergesse« zu lassen. Der FrtcdcnSvertraa habe Deutschland soviel Lasten auserlegt, baß man seine Absicht verstehen könne, die mageren Recht« geltend zu machen, die man ihm gebe. Der Artikel spricht dann die Hoffnung aus. dab anaesichtS der Alternative entweder die anderen Staaten Europas abrüsten oder Deutsch, land wieder anfrüsten ,n sehen, die zweite vesnng im Novem, der zu einer wirkliche« AbrüstungSkonventio« gelangen wird. Die Schiekübrmgen dei Trier eingeskettk. Berlin, 27. April. Die »Tägl. Rundschau" meldet auS Koblenz zu den in Pelltngen bei Trier veranstalteten Schieß- Übungen, bei denen zwei Granaten in unmittelbarer Nähe auf dem Felde arbeitender Frauen krepierten, daß der Schritt der Regierung in Trier bei den Besatzungsbehörden die Wir kung gehabt hat, baß die Schießübungen eingestellt wurden. Die Genfer Einladung an Anhand. Moskau vor die Entscheidung gestellt. Gens, 27. April. Die Presscabteilung deS Bölkerbund- sekrctariats veröffentlicht eine auf die Frage der Teilnahme Rußlands an der Weltwirtschaftökonserenz bezügliche Mit» teilung. in welcher unter Hinweis auf die Erklärungen der Svwjctrcglerung vom 22. Dezember 1926 und vom 19. Januar 1927 folgendes auSgeführt wird: Es ist Sache der Sowjetunion, nunmehr darüber z« entscheide«, ob «och ein Hindernis sür die Entsendung russischer Delegierter besteht. Für den Völkerbund ist die Lage klar. Die Einladung zu der Konferenz ist ans einstimmige» Beschluß deö Völkcr- bundSratcs erfolgt. Sie bleibt unverändert bestehen. Des Kaiserreiches letzter Kanzler. Betrachtungen zu den „Erinnerungen" -eS Prinzen Max von Baden. Die Reihe der Memoiren, in denen unsere berufensten Staatsmänner und Heerführer über ihren Anteil an der Führung des Weltkrieges Rechenschaft abgelegt haben, ist nun gewissermaßen abgeschlossen durch das hier bereits mit- getcilte Erscheinen der „Erinnerungen und Dokumente" deS Prinzen Max von Baden.*» Aus dem Versuch einer Recht- sertigungüschrift ist mehr geworden, als dieser Zweck er- fordern würde, nämlich ein quellenmäßig begründeter Be richt Uber des Prinzen ganze Kriegstätigkeit und vor allem über seinen Anteil an der Liquidation des Krieges. Inso fern ist das Buch sür die Aufklärung der geschichtlichen Zu sammenhänge von größtem Wert, und dieser Wert wird er höht durch die unbedingte Wahrhaftigkeit, die Zuverlässigkeit und Gründlichkeit, mit der es in allen Teilen geschrieben ist, auch da, wo cs auf die Beurteilung des Prinzen selbst und seiner Taten ankommt. Die Lektüre wird so zu einem erschüttern den Erlebnis, das uns im Innersten aufwühlt, wenn wir von Sette zu Sette klarer erkennen müssen, wie verhängnisvoll die verschiedenen Kriegöregierungcn versagt haben, wie vielleicht da und dort unwiederbringliche Gelegenheiten versäumt, glänzende Möglichkeiten außer acht gelassen wurden, die zu einem erträglichen Frieden führen oder doch das schreckliche Ende verhindern konnten. Wenn auch die „Erinnerungen" des Prinzen Max seine große geschichtliche Schuld nicht tilgen können, die darin liegt, daß er klar und richtig erkannte Ziele aus mangelnder Tatkraft nicht eingchalten hat, sondern sich In den entscheidenden Stunden ebenso treiben lieb wie seine Vorgänger, denen er mit Recht die bittersten Vorwürfe macht, so leuchtet doch auö seinen Schilderungen eine edle Menschlichkeit heraus, die vieles bisher Unverstandene be greiflich. manches auch entschuldbar erscheinen läßt. Die ritterliche Denkweise dieses Fürsten, der ein idealer Kronen- träger gewesen märe, so wenig er handelnder Staatsmann sein konnte, zeigt sich am deutlichsten in der Beurteilung seiner Gegner, die er immer zu verstehen sucht, selbst da, wo sie seine eigenen Auffassungen zu Fall gebracht haben. Und auch da, wo er selbst geirrt und gefehlt hat, spricht aus den Motiven seines Denkens und Handelns das hohe vater ländische Ethos heraus, das seine ganze Persönlichkeit beseelt. Eines erscheint sicher: DaS Urteil derjenigen Zeitgenossen» die über ihn als den pazifistischen Schwärmer, ja sogar als den Verräter an Kaiser und Reich den Stab gebrochen haben, muß revidiert werden. Bestehen bleibt, daß der fürstliche Idealist trotz besten Wollcns Deutschlands Unglück mitver- schuldct hat, weil seine hochfliegenden Gedanken nicht tm Boden der Wirklichkeit wurzelten, und weil ihm selbst die Kraft und die Leidenschaft fehlte, sie zur rettenden Tat werden zu lassen. Die Tragik seines Schicksals liegt darin, daß eS vorgezeichnet und fast besiegelt war, als er den Leidensweg antrat, der auch zum Golgatha des deutschen Volkes führte. Die ersten Teile deS Buches berichten über des Prinzen Tätigkeit in der Krtegögesangenensürsorge und seine in offiziellen Bemühungen in den ersten KriegSjahrcn um Friedensvermittlung oder doch um Einleitung einer bahtn- zielenden politischen Offensive der Reichsleitung. Seinen persönlichen Schritten, die er, gestützt auf gute verwandt- schaftltche Beziehungen, vor allem nach der russischen Seite hin unternahm, blieb der Erfolg versagt. An der Spitze eines Kreises von Gesinnungsgenossen, zu dem Paul Rohr bach, die Professoren Delbrück, Harnack, Mctiiccke. Troeltsch und Oberstleutnant Haesten, der Leiter der Miltt.-Stelle des Auswärtigen Amtes, gehörten, suchte er dann anregend und fördernd ans die politische Leitung einzuwirken. Als Kern des strategisch-politischen Grundprvblems hatte dieser Kreis die These aufgcstellt: „Nach Osten schlagen, nach Westen sich verteidigen und den Angriffswillcn der Engländer durch eine politische Offensive lähmen!" Bor allem svllte Amerika aus dem Kriege hcrausgehalten werden jdahcr Kampf gegen den uneingeschränkten U-Bootkrieg), und die englische Heimatfront svllte durch eine klare Berzichterklärung ans Belgien erschüttert werden. Man kann dieser Auffassung durchaus bcipflichtcn, soweit sich ihre Kritik gegen die völlige Passivität der außenpolitijchen Führung richtet: starke Zweifel sind aber nach wie vor berechtigt an der hier ver tretenen Beurteilung der feindlichen, insbesondere der eng lischen Kriegspsyche. Die Aktion, die der Prinz befürwortete. *> Prinz Max von Baden, „Erinnerungen und Doku^ mente", Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart-Berltn-Lcipzig.