IG Dr. Carl Thomas Richter. Europa nach Affen und Indien einzutreffen. Den Semmering, den Brenner hat man überfchritten, den Mont Cenis durchbohrt, den Gotthardt fucht man mit 185 Mil lionen Francs nun gleichfalls zu überfchreiten und man wird noch Milliarden aus geben um es an anderen Stellen noch zu verfuchen. Was wir früher fchon erwähnt haben’ wir fehen es in der Welt immer wiederkehren. Die Bewegung des Welten lebens’ ift durch Jahrtaufende gleich. Ja als die fcheinbar fo ftiefmütterhch behan delte atlantifche Küfte ein grofses, reiches Gegenland in Amerika findet und in den ausfchliefslichen Befitz eines neuen Weges nach Indien gelangt, ift die Form verfchoben, der Inhalt aber faft gleich für Jahrhunderte geblieben. Seit Jahrtaufenden hatten die Völker Europas dem Gedanken nachgehangen, dafs es aufser dem Wege über die weiten Landftrecken Afiens einen anderen Weg nach Indien geben müffe und feit die Pythagoräer die Kugelgeflalt der Erde gelehrt hatten, .war auch eine wiffenfchäftliche Grundlage gegeben, dafs man vom Wellen Europas nach Indien gelangen müffe. Den Portugiefen aber, die durch ihre günflige Lage au der See wie dafür beftimmt erfchienen, war es Vorbehalten, die fo lang ungelöfte geographifche Aufgabe zu löfen und den Seeweg nach Indien zu finden. Sie fanden kleine neue Infein und Länder, die in früheren Zeiten unbe kannt waren und einen neuen Welttheil „auf dem weltlichen Wege zum Lande der Specereien“. Damit waren die Bahnen des Welthandels für eine lange Zukunft verändert und an das atlantifche Ufer herangedrängt. Italien und die italienifchen Häfen vereinfamten und fein bares Geld verfchwand und ftrömte nach Portugal ab, an der Küfte Kleinafiens trat tiefe Stille ein und es erlahmte das Leben der Levante ehe die Gewalt der Türken die ökonomifche Blüthe jener Welten voll kommen zerftörte. Und fo kräftig wirkte die neue Handelsrichtung der europäi- fchen Welt, dafs Alles, was daran fich nichtbetheiligenkonnte,untergehenmufste. In erfter Richtung traf diefs die Hanfa und ihre Mitglieder. Die Holländer und Engländer verdrängten fie von allen Märkten und aus allen Häfen. ° Spanien und Portugal felbft ernteten nur kurze Zeit den reichen Segen der neuen Welt und des neuen Handelsweges. Mit der Vertreibung der Juden und Mauren hatten fich die Länder um Millionen gewerbfleifsiger Menfchen gebracht und durch die Ausbildung der Macht der Inquifition überdiefs jeden Zufiufs anderer Kräfte vernichtet. Indiens Produae kauften fie mit dem Gold und Silber, das fie aus dem neu entdeckten Welttheil ausgeprefst hatten. Ihre einft fo öewerbsfieifsigen und erfahrenen Bürger wurden Sklaventreiber und Unterdrücker der Colonien. Nur Portugal erhielt fich eine Zeit lang durch die kräftige Politik feiner Minifter und Regenten, die im Innern des Landes Gewerbe und Induftrie zu entwickeln fich bemühten. Die Schickfale der Induftrie und des Handels hängen im grofsen Ganzen immer von den politifchen und focialen Verhältniffen eines Landes ab. Wir fehen diefs in der Gefehichte von mehr als drei Jahrhunderten nach der Entdeckung Amerikas und des Seeweges um das Cap der guten Hoff nung Wir fehen diefs auf der einen Seite in dem tiefen Schatten, den die Politik auf das wirthfchaftliche Leben der einft fo reichen und mächtigen Halbinfeln wirft. Wir fehen es auf der anderen Seite in ganz anderer Geftaltung für die nörd lichen Länder, die der grofse Ocean befpült. Flandern hatte fchon zur Zeit der Entdeckung des neuen Welttlieiles eine grofse Gefehichte der Induftrie hinter fich. Ein lebhafter Verkehr von Stadt und Land zeichnete das Gebiet aus, oine bedeutende Viehzucht, ein entwickelter Flachs- und Hanfbau. Unterftützt durch die Zwifchenhändler der Hanfa und Hol lands hatte fich feine Wollmanufaaur fehr mächtig entwickelt und Brügge zum erften Markt des nördlichen Europa fich aufgefchwungen, bis Antwerpen ihm den Handel und Löwen ihm die Manufaanr ftreitig machte. Die Nachbarn hatten inzwifchen im ewigen Kampfe mit den Fluthen des Meeres als Schiffer und Fifcher fich mächtig emporgearbeitet und Fracht und Zwifchenhandel machte die hollan- difche Flagge weit bekannt. Ihre reichen Bedürfniffe, die Nähe der belgifchen Manufaclur und das fruchtbare und weinreiche Flufsgebiet des Rhems unterftutzte