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4 Dr. Carl Thomas Richter. liier gefchehen ift. Die Summen jener materiellen Güter, welche lieh in der Weit als Welthandels-Güter bewegen und die Welt felbft in Bewegung fetzen, erfeneinen darin, der Materie vollkommen entkleidet, wie vergeiftigt und nur in ihren Auf gaben und Wirkungen betrachtet, in denen fie in der That einen mächtigen, ja fall den gröfsten Antheil nehmen an der Entwicklung und Förderung der Cultur der Menfcheit und an der Ausbildung einer gleichen, die Menfchheit immer mehr und mehr nach Völkerftämmen und Staaten verbindenden C i vi 1 ifa ti o n. Das find fürwahr nicht verfchiedene Worte für vielleicht diefelbe Sache. Für uns ift die eine immer die mehr äufsere Geftaltung, die ftaatliche und bürgerliche Form gebung, ich möchte fagen, das mehr materielle; die Andere die Vergeiftigung des in That’und Gedanken, im Thun und Lafien, im Schaden und Erzeugen zum Aus druck kommenden Lebens gewefen. Man kann diefe und jene befchreiben, von diefer und jener die Gefchichte darftellen nach einzelnen Gebieten und Theilen. für einzelne Völker und Staaten, und nach dem grofsen Ganzen für die Welt und für die Menfchheit. Man kann fie auf ein Jahrhundert einfehränken, und über Jahrhunderte ausdehnen. Aber wie immer man fie erkennt, betrachtet und befchreibt, man wird ficher für Beide verfchiedene Gefichtspunkte in den Vorder grund Hellen, für Beide von verfchiedenen Ausgangspunkten ausgehen müifen und, wie auch immer dabei das Gebiet des Einen jenes des Anderen berühren, ja oft vollftändig in die Betrachtung aufgenommen werden wird, gewifs doch zu anderen Zielen und Urtheilen gelangen. Kann man. um nur ein Beifpiel für das, was wir meinen, zu geben, kann man Kunft und Wiifenfchaft, ihre Geftaltung und Entwick lung aus einer Periode der Culturgefchichte, und wäre fie die kleinfte, ausfeheiden? Und doch! Wird die Civilifation und Macht eines Staates oder Volkes entfeheidend von ihr berührt und beeinflufst? Deutfchland ftand an der Spitze der Civilifation der Welt in jenen erften Jahrhunderten unferer modernen Gefchichte, als die Zweige alles höheren Wilfens kaum grünten und die erften Anfänge ihrer Blüthe im geheimnifsvollen Dunkel von einigen Wenigen feftgehalten wurden, und fein ganzes Kunftbedürfnifs durch die derbe Arbeit einiger lang unvollkommenen Gewerbe befriedigt wurde. Die Cultur Griechenlands erblühte noch, als feine civilifato- rifche Macht erbleichte und Rom erbeutete, was ihm Gröfse, Stolz undCivilifations- macht niemals geben konnten, Wilfen und Wiifenfchaft, Plaftik, Malerei und Dichtkunft. Und doch! Wie überzeugt wir von diefem Gedanken auch find, wie fordernd für die Klarheit der Gefchichte und ihrer Darftellung wir fie auch halten, wenn fie beachtet werden, für die Aufgabe, die wir mit der Darftellung des Welthandels zu erfüllen haben, mü.Ten wir ftets auf Beide in ihrem grofsen Ganzen als Refultate der Weltgefchichte, wie in ihren einzelnen Aeufserungen hinblicken. Der Welt handel ift ein Grundpfeiler „der raftlos fortfehreitenden Entwicklung des Cultur- zuftandes der verfchiedenen Staaten und Völkerfchaften“, wie das erwähnte Programm fagt. Aber er ift auch ein Theil der Civilifation der Staaten und der Macht derfelben, der, wie an derfelben erwähnten Stelle gefagt wird, „durch feine eigene Kraft immer neue Gebiete erfchliefst, unaufhaltfam hinwegfetzt über Berge und Meere, und für die Dauer keine politifchen Grenzen, fondern nur Produdlions- und Confumtionsgebiete kennt“, das heifst, der in der Ausgleichung aller Intereffen und darum Gemeinfamkeit derfelben die Menfchheit allmälig zu einer friedlichen Zufammengehörigkeit erhebt, trotzdem fie über verfchiedene Welttheile zerftreut, und durch feile und unwandelbare Grenzen von einander getrennt fcheint. Diefs in unferer Darftellung zum Ausdruck zu bringen, müfifen wir mit der Betrachtung des wirthfchaftlichen Lebens der Staaten, ihrer Cultur, oft das ganze ftaatliche Leben derfelben, ihre politifche Entwicklung und jene ihrer Gefetze und Rechte, ihre Civilifation, berühren. Diefs zu erfüllen, ganz und vollftändig zu fein und doch den Rahmen nicht all zu fehr erweiternd, wollen wir im erften Theile unferer Betrachtung, mehr zur Erinnerung, als um Neues zu fagen, „die Gefchichte des Welthandels“ ausführen,