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7». Jahrgang. AL 21« Montag, 1«. Mat 192« Gegründet ISS« K.6. «mdlaalcheM» NaN^c,»»«, «r«»«». S-rnIpr-char-Samm-inummar- Sv 241. Lu» ft» vachlg-iprLch»! 20 011. Bezugs. S-b!chr »kl. ^K»upla»lchllft,9»>> ^ca«, SS,42. >Vlch » «a««»»d« l» Dewd«. r^oolo 1OSS Lr»»d«. riachdru» nur mti »»ulllcher QueUenanaad« > »Dresdner Aachr." »uläft«. Unvrrlang» Schriliftüi», werden nicht aulbewahrt. Hlndenburg will die binhettssiagge. Initiative -es Reichspräsidenten zur Gesamlregelung -er Flaggenfrage. Zunahme -er Slreilmnruhen in England. - Skrahenkämpfe zwischen Aalionalislen und Polizeimannschasken in Paris» Die Verhandlungen am Sonnlag. Berlin, 9. Mai. Wie von parlamentarischer Seite mit» ««teilt wird, stehen die Verhandlungen in der Flaggcnsrage vor eine« entscheidenden Wendepunkt. Roch heute oder morgen vormittag will der Reichspräsident in einem Erlast die Negierung aussordcrn, eine Gcsamtlöfung des Flaggeuproblems dnrch Gesetz vorznbereiten. Es handle sich dabet «m die Schaffung einer (kinheitsflagge. Heute vormittag empsiug der Reichspräsident den Reichs kanzler Dr. Luther, den Neichsinnenminister Dr. Külz, der die Verhandlungen am Freitag, und den ArbcitSminister Dr. Brauns, der die Verhandlungen mit den Parteisiihrer« am Sonnabend geführt hatte, zu einem einstündigcn Bortrag über die politische Lage. Der Reichspräsident nahm wieder holt dabei Gelegenheit, zu betonen, dast er selbstverständlich die ganze Flaggenfrage nur auf der verfassungs» mSstig gegebenen Grundlage behandelt habe und weiter behandeln werde. In der an die Besprechung beim Reichspräsidenten sich anschliestendeu KabinettSsttzuug wurde erneut hervorgehoben, dast die Ncichsregieruug aus dem Standpuukt stehe, der Zweck der Flaggenverordnung, die in de« Kreise« der Ausländsdeutschen aus dem Gebiete d-S Klaggenwcsens aufgetretcue« Unzulänglichkeiten auSzu» gleichen, «erde erreicht werde«. Fast stündlich ein» lausende ZustimmungSkuudgebunge« bestärkten die Regierung in dieser Auffassung. Auf der anberu Seite verkenne die Ncichsregierung nicht, das, ihr Vorgehen im In länder starke Mißverständnisse hervorgerufc« habe. Selbstverständlich läge auch hier jeder verfassungswidrige Eingriff fern. An der heutigen interfraktionellen Besprechung der Re gierungsparteien nahmen folgende Abgeordnete teil: Vom Zentrum die Abgg v. Guerard und Stegerwald von der Deutschen Bolkspartet die Abgg. Dr. Scholz und BrüninghauS. von den Demokraten der Abg. Koch und von der Bayrischen Volkspartet der Abg. Leicht. Bon der Ncichsregierung war NeichSarbeitsministcr Dr. Brauns erschienen, der die Führer über den Inhalt der Mintsterbesprechungen unterrichtete. Beschlüsse wurden nicht gefacht. Das Zentrum und die Demokraten halten nach wie vor daran fest, das» der Flaggenerlab „unzeitgemäß" sei, und wollen dies auch bei der Debatte, die sich am Dienstag an die sozialdemokratische Interpellation knüpfen wird, zum Ausdruck bringe«. Die endgültige Stellungnahme dieser beiden Parteien wird, wie schon gemeldet, von der am Montag nachmittag stattfindcnden Sitzung der Partcivorstände dieser Parteien abhängig sein. Nach dem Abschluß der Sitzungen der Partcivorstände, werden die beiden Fraktionen zusannmen- tretcn. Voraussichtlich wird am Dienstag, sofort nach Be gründung der sozialdemokratischen Interpellation, der Reichs kanzler Dr. Luther das Wort ergreifen. Nach ihm wird Neichsinnenminister Dr. Külz sprechen, während NeichS- austcnminister Dr. Stresemann erst später in die Debatte etngrciscn dürfte. Demokralen und Flaggenkonflikk. Der Standpunkt des Fraktionövorsttzende« Koch. Berlin, 9. Mai. Der Vorsitzende der Demokratischen Neichstagssraktion, Koch, hat in einer Unterredung mit dem Vertreter des „Demokratischen Zcitungsdicnstes" u. a. lolg.nd« Erklärungen zum Flaggen st reit abgegeben: „Ich habe den Reichskanzler am Abend vor dem Erlaß der Klaggenverordnung darauf ausmerksam gemacht, -aß sie für uns völlig untragbar scl. Ich habe ihn erneut am Freitag darauf hingcwicsen, daß die Demokratische ReichS- tagssraktion, wenn die Sache aus sich beruhen bleibt, sich zur Mißbilligung der Regierung entschließen müßte. Es ivar ver geblich. Sachlich bestehen gegen die Flaggenvcrvrdnunq die allcrschwersten Bedenken. Die Demokraten haben immer Len Wunsch nach einer Einigung ln der Flaggenfrage gehabt und trauten dem Reichspräsidenten bei seiner großen Autorität die straft für die Lösung dieser Frage zu, ebenso wie der ver storbene Reichspräsident Ebcrt die Kraft zur Lösung der Frage der Nationalhymne hatte. Aber Stresemann geht völlig irre, wenn er bas jetzige Vorgehen der Regierung mit dem Vorgehen EbertS vergleicht. Bald wird das Vorgehen als eine reine Verwaltungsmaßnahme bezeichnet, bald als ein großer Vcrsöhnungsakt. Im erstercn Falle hätte es Strcse- mann überlassen bleiben können, im zweiten Falle konnte, da inan den Reichspräsidenten engagierte, Parlament und Volk nicht »»gehört bleiben. Man hat den Reichspräsidenten zu früh und in einer zu kleinen Frage engagiert. Die Lösung, wie sie setzt getroffen ist, ist zmcispültig. Wenn in London und Washington die alte und die neue NcichSfahne nebeneinander wehen, werden wir erneut ein Janus-Gesicht zeigen und derselben Unzuverlässigkeit geziehen werden, deren man nnS mit Unrecht wegen des Russenvertragcs zeiht. Die ganze Klaggenvcrordnung ließe sich mir verstehen, wen» man sie als U c b c r g a n g S z n st a n d zur schwarz- weiß roten Flagge annchmen wollte. Auch wer von «ns zu» nächst der Einführung der schwarz-rot-goldenen Fahne Be» denken entgcgcngebracht hat, Ist heute dnrch einen sechsjährigen Kamps mit ihr verbunden. Er hat auch Verpflichtungen gegen alle diejenigen, die sür die schwarz-rot-goldene Flagge ge- kämpft haben, nicht nur tm Jnlande. sondern auch tm Aus» land, und dazu gehören auch Gesandt«. Alle diese kampflos lm Stich zv lasten, ist für die Demokraten unerträglich. Wenn wir unsererseits die Konsequenzen aus der Sach lage noch nicht gezogen haben, so geschieht das deswegen, weil wir eS nicht als unsere Arfgabe anseheu. allein Vorzü ge h e n. Die Sozialdemokraten müssen das Bewußtsein habe», daß jeder, der jetzt den Kampf ansnimmt und eine Regierungs krise herbeiführt, auch die Verpflichtung hat, z« der Lösung dieser Krise positiv beizutrage«. Nur wenn die Sozial- demokraten diese Verpflichtung voll anerkennen, kann diese Krise ohne Schaden für dt« Republik vorübergehen." „Sine kluge und muttge Tal." Berlin, 9. Mai. In einem Artikel der „D. A. Z." unter der Ucberschrist „Für die Flaggcnverordnung" beschäftigt sich Prof. Hanö Delbrück mit der Flaggenverordnung des Reichs präsidenten. Delbrück führt u. a. aus. daß die Aenderung der Landcsfarben tm Augenblick des nationalen Zusammen bruchs ein ungeheurer Fehler war. Das 'ei wohl ziemlich allgemein anerkannt. Aber, so höre man vielfach sagen, nachdem es einmal geschehen, müsse es durchgeführt werden. Daö sei wohl leider richtig, aber müsse man nicht wenigstens suchen, den Schaden, den der Fehler des Flaggen wechsel» angerichtet habe, nach Möalickkett ab- zumildern? Schon die Weimarer Verfassung versuche eS. indem sie neben den NeichSfarben noch andere Flaggen einführe. Das Ideal, das ganze deutsche Volk mit Herz und Verstand unter einer Flagge zu vereinigen, sei ««erreichbar. Aus verschiedenen Gründen könne er der neuen Verordnung des Reichspräsidenten seinen Beifall nicht versagen. ES sei durchaus richtig, daß das Neichskabinett den Entschluß gefaßt habe, ohne erst mit den Fraktionen Ftthluna z« nehmen. Es würde die reine Karikatur des Parlamentarismus lein, wenn in solchen Fragen die Fraktionen mitsprechen wollte«. Es wäre eine vollständige Bankrottcrklärnna des Parlamentarismus, wenn der Reichstag diese Flaggenverordnung zum Anlaß nehmen wollte, die Negierung zu stürzen. In seinen Augen, so schließt Prof. Delbrück, sei die Flaggenverordnung eine ebenso kluge wie mutige Tat. lW. T. B.i Die Zustimmung -er Auslandsdeulscheu zur Flaggenverordnung. Berlin, 9. Mai. AuS Kreisen des Auslan-S-eutsch» tums sowie der Interessenten des deutschen UcberseehandelS sind außer den bereits veröffentlichten noch weitere -usttm- mende Aeußerungen über die Flaggenverordnung bet den NeichSbehörden eingegangen. U. a. haben auch nach- stehende Organisationen ihre Genugtuung zum Ausdruck ge bracht: Der Verband deutscher Frauen in Mexiko, die Arbeitsgemeinschaft der Kolontsten-Verbände, die Gesellschaft ür Exportverbindungen, der Afrika-Klub, -er Deutsche Sund Mexiko, der Deutsche Krieger-Verein Buenos Aires, die Verbände ehemaliger Deutschasrikaner in Ham burg. die Bremer Handelskammer, der Verein Bremer Exporteure und andere Wirtschastsvcrbände in Bremen, Wandsbek usw. Ferner begrüßen die Ausländsdeutschen in Singapore telegraphisch den Flaggcnerlah, ebenso die deutschen Wirt schaftsvereinigung Tokios und Yokohamas, die deutsche Handelskammer Manila und der Ostastatische Verein in Hamburg und Bremen. Als Generalvertreter der deutschen Handelskammern, der deutschen Vereinigungen und sonstige» Deutschtumsorganisationen in China, Mandschurei, Japan, in den Philippinen, in Siam, Sing», pore und Niederländisch-Indien. Dr. Lulher beim RelchsprSsioenlen. Berlin, 9. Mai. Der Reichskanzler suchte heute vormittag den Herrn Reichspräsidenten auf und hielt danach mit Mit» gliedern des Rcichskabinetts eine Besprechung über die poli tische Lage ab. Auch ein völkisches Mttzlrauensvokum? Berlin, 8. Mat. Wie der „Lokal-Anzeiger" aus parl»> mentarischen Kreisen hört, beabsichtigen die Völkischen nicht, sich bet der Neichstagsabsttmmung am Dienstag für daS sozialdemokratische Mißtrauensvotum einzusetzcn. Vielmehr würden sie wahrscheinlich einen eigenen Mitzbilli- gungSantrag einbringen. Aatskommisfton und Russenverlrag. Ein Dorsloh -er Weslmachle in Gens? Rene Treibereien Mussolinis. Paris. 9. Mai. Die englischen VölkerbundSbeleglerten Lord Cecil und der juristische Sachverständige Cectl Hurst sind am Sonntag nachmittag im Flugzeug in Paris eingetroffen und werden die Weiterreise nach Genf antreten. Die Vertreter Frankreichs in Genf, Paul Boncour, und der juristische Berater des Quai d'Orsay, Fromageot, wer den ebenfalls am Sonntag nach Gens abretsen. Die sranzö- sischcn Delegierten sollen vor allem, wie es heißt, die Ausgabe haben, sich mit dem deutschen juristischen Sachverständigen Dr. Gauß über die verschiedenen Modalitäten des kürzlich Unter zeichneten dentsch-rnssischen Vertrags zn unter» halten. Frankreich hat bekanntlich aus den von seiner Presse seinerzeit angekündigtcn diplomatischen Schrtttbet der deutschen Regierung verzichtet, der Erklärungen über den Ber liner Vertrag fordern sollte. Wie es setzt heißt, soll damals Mussolini die übrigen Alliierten dazu zu überreden ver- sucht haben. Deutschland die ultimative Forderung zu stellen, entweder die dem deutsch»russische« Vertrag an» gehängten Noten zu annullieren oder aus seinem Ein tritt in den Völkerbund zu verzichten. Daraufhin habe der Onat d'Orsay London und Brüssel vor geschlagen, der Berliner Regierung einekollektiveNote zuzustellen. Die Anregung sei jedoch von Chamberlain und van der Velde sehr kühl au,genommen worden, die beide erklärten, daß nach ihrer Ansicht kein ausreichen der Grund vorliegc, der einen solchen Schritt rechtfertige. Die Außenminister Englands und Belgiens machten jedoch dem Onai d'Orsay insofern ein Zugeständnis, alS sie sich damit einverstanden erklärten, daß die alliierten Delegierte« vor Eintritts« die Beratungen überbieNcorgani- sation deS Völkcrbundsratcs mit dem dcntschen Sachverständige« Dr. Ganß alle in Znknnst möglichen Fälle besprechen sollten, die sich einerseits ans der Zugehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund und anderseits a«S den im Ber liner Vertraa übernommenen Bcrpsllchtnngen ergeben könn ten. Dieser Vorschlag sei dann von Frankreich angenommen werben und Mussolini soll dann anf seine ursprüngliche Forderung verzichtet haben. Die deuttche Delegatton in Senf eingelroffen. Genf, 8. Mai. Botschafter von Hoesch und Ministers«!- dtrektor Gauß sind heute abend 8 Uhr 40 Minuten in Gens cingetrofsen und im Hotel Metropol abgestiegen. (T. U.) Sin Beobachter der Svwjeiregierung anf der Kerdittagung des Völkerbundes. Moskau, 8. Mai. Wie mitgeteilt wird, hat die Sowset- rcgierung den Botschafter in Paris. Rakowskt. beauftragt, beim Ministerpräsidenten Brian- anzufragen, ob ei« Beob» achter der Sowietregiernng z« der Vollversammlung beS Völkerbundes i«, September zngelassc« werde« könnte. Diese Frage soll jetzt von den Großmächten beraten werden. In Sowjctkreisen wird der Besorgnis Ausdruck gegeben, daß anf der Völkerbnndstagung Maßnahmen gegen Sow- jetrußland beschlossen werden könnten. Wie verlautet, wird die Zulassung eines Beobachters der Sowietregiernng vor allem davon abhängig sein, ob die Schweiz das Einreise visum erteilt. Als Kandidat hierfür ist der Botschaftsrat in Nom, Awilow, in Aussicht genommen. Foch verlanql neue Rüstungen. Paris, 9. Mai. Marschall Foch hat tm Laufe einer Wohl- tättgkcttsvcranstaltnng in Straßburg eine Rede gehalten, in der er sich mit der Frage der Sicherheit beschäftigte. Solange die Franzosen noch im Nhetnlande und bei Mainz stän den, so führte er aus, sei ihre Sicherhett durch den Wert der Hindernisse und durch die Tatsache garantiert, daß im Kon fliktssalle der Kampf auf deutschem Boden etngelettet und daS Werk der Verwüstungen in das Herz Deutschland- htneingetragcn wird. Aber das sei nur eine Sicherung von be grenzter Zeitdauer. Frankreich müsse den Augenblick vor» avssehen nnd ihn vorbercitcn. in dem der Rhein geräumt werde. Um zn diesem Zeitpunkte die ziffernmäßige Unter legenheit der französischen Bevölkerung auSznglcichen, brauch« Frankreich eine solide Grenze nnd müsse, da natürliche Hindernisse nicht vorhanden seien, eine starke Berteidi» gnngslinic organisieren. DaS seien langwierige «nd kost spielige Arbeiten, die «nverzttglich in Angriss genommen wer de« mttßten. lW. T B.l Schwere Zufammenslöhe in Paris. Paris, 9. Mai. Anläßlich der Feier des NationalfesteS der Jcannc d'Arr kam eS beute in Paris zu Zusammen stößen von Anhängern der Actton Francwtse mit Polizei. Ans der Place des Poramides nnd den umNcaendcn Straße« und Plätzen und dem Tivoliplatz kam es zu einem reaclrechtcn Gefecht. Im Verlause der Zusammenstöße wurden zahlreiche Polizisten zum Teil schwer verletzt, ebenso viele Anbänger der nationalistischen Verbände. Wie halbamtlich mitgrtcilt wird, sind insaelamt 118 Poli zisten verwundet worden. Insgesamt wurden LSI Ver haftungen vorgenommen. IW.T.B.i Rücktritt des belgilchen Kabinetts. Berlin, 9. Mat. Die Morgenblätter melden aus Brüssel: Ministerpräsident Poullet erstattete dem Könia Bericht über seine Besprechungen. Darauf wurde Vanderveldc vom König empfangen. In politischen Kreisen verlautet, daß Poullet das Rücktrittsgefuch des Ministeriums überreicht hat. Gegen Abend hat der König den Vorsitzenden der Kammer, Brunet, zu sich gerufen. ES wird vermutet, daß Bruuet den Auftrag zur Bildung beS neuen Kabinett- «rbalten Hab«.