M A R I N E W E S E N. (Gruppe XVII, Seetion 1 bis 4.) Bericht von Alexander Friedmann, Civilingenieur in Wien. Vorbemerkung-- o Zunächft eine Erklärung über die Tendenz diefes Rapportes : In mehreren Continentalftaaten ift die Wichtigkeit des Seewefens nicht in dem vollen Mafse gewürdigt, und fleht der Seeverkehr nicht auf der hohen Stufe der Entwicklung, welche im Intereffe der Wohlfahrt des betreffenden Landes zu erreichen wäre. Bei uns in Oeflerreich ifl wohl die Kriegsmarine fehr tüchtig und fuhrt nicht nur Kriegspflichten, fondern auch Friedensaufgaben, wie die Novarareife und die oftafiatifche Expedition, feemännifch mit Vollkommenheit durch; die Donau-Dampffchifffahrts-Gefellfchaft ifl das gröfste derartige Inflitut Europas und gut geleitet; auch des öfterreichifch-ungarifchen Lloyd neuere Schiffe, in Oefler - reich gebaut, find vorzüglich entworfen und ausgeführt; die Küflenlänge ifl grofs, die Matrofen find gut, die Lage der Häfen, zumal feit Eröffnung des Suezcanales ifl günftig — nichtsdefloweniger hat das Seevvefen mit der rapiden Entfaltung der vielen anderen Thätigkeitsgebiete unferes Staates nicht gleichen Schritt gehalten. Eine gewichtige Urfache hierfür liegt in der unrichtigen Anfchauung vieler Kaufleute des Haupthafens Oeflerreichs, welche glauben, dafs die Spedition und 1 rieft um fo beffer gedeihe, je länger ein Schiff braucht und je mehr Boote und Laflträger nothwendig find, um die angelangten Waaren aus dem Schiffe in den Eifenbahn-Waggon und aus dem Eifenbahn-Waggon in den Schiffsraum zu bringen . in diefem Sinne wirkfame Verbefferungen hintanhalten oder verzögern und fo den Verkehr zum Theile auf andere Wege drängen, über Häfen, welche zwar weniger günftig gelegen, aber mit allen modernen Hilfsmitteln rafcher Umladung, billiger Waarenlagerung und leichter Inftandhaltung der Schiffe ausgeftattet find. Eine nicht minder wirkfame Urfache des Zurückbleibens unferes See verkehres liegt aber auch darin, dafs das Marinewefen von der Bevölkerung und fogar von den meiden unferer Ingenieure wie ein geheimnifsvolles Buch betrachtet wird, das dem „fern vom Strande Lebenden“ ewig verfchloffen bleibt.