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HimristW MW lir. 4« (zu Nr. 273). Aus der Vrautscl'au. »Ja, stehst Du, mein Junge," sagte Gnkel Christian, „die Ehe ist ein gefährliches Ding, vn ?n,fst Dir ein Hans ans ein Jahr und wenn es Dir nach einem Jahre nicht gefällt, dann gibst Du es weg und kaufst vir ei» anderes. Du kaufst Di, ein Pferd »nd wenn Du es nicht mehr haben willst, schickst Du er zur Auktion und läßt es ver rufen. Bei einer Frau aber geht die Zache nicht leicht, die kannst Du weder verkaufen noch um- l iilfchen, an die bist Du Dein Leben lang gebunden." „Aber, Vnkel Lkristian," sagte der Neffe »nd 'er zukünftige Erbe des Sprechenden, „betrachten wir die Sache von einem anderen Gesichtspunkt. Angenommen, sie ist nun ganz reizend, liebens würdig »nd begehrenswert?" Vnkel Christian fuhr sich mit ironischem Lächeln durch die Haare. „Paul," saate er, „auf diese Deise kommen wir zu keinem Resultat. Ein ver- bter ist immer ein bißchen verrückt. wenn Du D>r vorgenommen hast zn heiraten, so werden alle iignmente der Weltweisheit nichts dagegen ver mögen. Aber sorge auch dafür, daß Du eine richtige !vabl triffst; denke, wie viel davon abhängt." Paul Martens brach in ein lustiaes Lachen aus. Mie alle jungen Leute, hielt auch er diese Ermahnung nir vollständig überflüssig. „Diese kmdemanns sind also zwei Schwestern?" fragte Vnkel Christian nachdenklich und putzte sein Pinccnez. „Jawobl, Vnkel, Emilie und Klara." „Sind sie beide hübsch?" „wie zwei Rosen an einem Strauch." „Bitte, bleibe auf der Erde," versetzte der Vnkel. „Aber, Vnkel, ist cs den» nicht ganz natürlich, ein hübsches Mädchen mit einer Blume z» ver- ieichen? wenn ich nur einen andere» vergleich wüßte . . ." „Bitte, stürze Dich nicht in Unkosten." unterbrach der Vnkel. „Aebneln sich die beiden Schwestern?" „Klara ist schlank und strahlend, Emilie ist sanft »nd fein. Klara ist eine Brünette und hat das bwärzeste Haar, das ich je gesehen. Emilie hat blonde Locken und blaue Augen und eine schlanke, geschmeidige Gestalt." „Schön, und welche gefällt vir am besten, Paul?" „Sie sind beide entzückend," versetzte der junge Mann. „Manchmal, Vnkel, wünschte ich walsr- mftig, wir lebten in der Türkei und ich könnte sie eide heiraten." „Du kannst Dich also nicht entscheiden, welche die reizendste ist?" fragte der Vnkel. „Aber die Hanpt- ichc ist, mein Junge, welche kann am besten waschen und kochen?" „Ja, diese wichtige Frage kann ich Dir nicht beantworten, darüber muß die Ankunft entscheiden." „So flehen also die Sachen!" sagte der Gnkel. „Nun will ich Dir einmal etwas sagen, Paul. Du bast die Mädchen bisher nur durch die blaue Brille 0er Bälle und Gesellschaften gesehen, was würdest Du nun dafür geben, wenn ich sie vir so zeigte, wie sie wirklich sind?" „Mein halbes vermögen, Vnkel," rief der Neffe. „Das wäre nicht besonders viel," warf der andere ein. „Nun, dann mein ganzes," fuhr Paul fort, „sei es auch nur, um vir zu beweise», wie rein, edel und hochherzig sie sind. Aber leider ist ja das alles unmögiich." Sonnabend, den S. Oktober „Duräiaus nicht so unmöglich, wie Du glaubst," sagte Viikel Christian. „Die Damen kenucn mich nicht persönlich und wissen noch weniger, daß ich als früherer Polizeiarzt Mitglied der Gesundheits- kommijsion bin. Ich gehe, wenn ich es will, un gehindert in der Leute Häuser »nd untersuche, wen» es mir gefällt, ihre Küchen und Keller. Nun, junger Mann, was sagst D» dazu?" „Ja, ich versiebe nicht," stammelte Paul. „Nun, Du wirst mich schon verstehe», wenn ich Dir sage, daß das Haus der Llndemanus z» mciuem Bezirk gehört und daß ich mich entschlossen habe, Neie gcharniscbte Sonetten in meglichster Gemietllchkeet gedichtet von» jetzige» ^eiiiidier Aleisgen in Dräsen. 1265. Kevi'Itlchdirnrnttttg. Die Wäenweiber-Sommerlääen rieb», kr naht äer herbst mit seinen wellten llläääern, Mit langen sibenäen unä Zchäurm unä lllcääern, wenn ooch im garsten noch äie Koren blieh»! kr naht äer herbst, äie leträen Sänger llieh», flec» kinke» mehr hart man im TIaläe rchmeääern; 2ur Kirmes rieb» äie Haren unä äie lleääern llnä von äem Moste viele llaren glieknl In ihre Kechäe tritt äie 2inäkolrrchäeier, - Drei Steinige körtet äann äie Schachäel Schweäcn, - Tier roocht unä trinkt, reitrt ooch in Schäciernöäen, kr naht äer herbst, äer Oken wirst uns äeier, llnä äraursen sehn äen Loologschen üaräen Mir mit krgebung »rin Seschick erwaräen! morgen dorthin zu gehen, um mich zu überzeugen, ob alle, in der wohnnng in Vrdnung ist. Iven» Du mir bei der Sache ein wenig zur Hand gehen willst, so werde ich Dich als einen von meinen Leuten einkleidcn und . . ." „Aber von ganzem Herzen," rief der junge Mann mtt freudigen, glänzende» Augen: „ich bin meiner Sache sicher und flüchte für Klara «nd Emilie IN«». keinerlei Prüfung. Glaube mir, das sind echte Edelsteine." - „Nun, wir werden ja sehen," sagte der Vnkel, „inzwischen wollen wir unsern Tee trinken." „Betty, Betty, es hat geklingelt, öffne doch'mall Mein Gott, schon wieder einer von der Gesundhcits- komniission? Die Leute kommen auch öfter als es nötig ist." Die Familie kindemann lebte auf großem Fuße und hatte eine schön eingerichtete ivohnung inne. Der Empfangssalon und die ivohnräume waren mit Eleganz möbliert, aber dafür war die Küche ein finsterer, dumpfer Raum, der keinen allzu ein ladende» Eindruck machte. Trotz ihres ansä,einenden Glanzes hatten die Lindemanus nur ein bescheidenes Einkommen und Betty, das kleine Hausmädchen in dem abgeschabten Kattunkleidchcn und de» dicken Filzschuhen, war der einzige vienstbote, den sic hielten. „Gräßlich, in was alles diese Leute ihre Nase hincinzustecke» haben!" rief Klara entrüstet. „Bitte, mein Herr, hier geht's in den Keller," sagte Betty und öffnete eine Tür, welche mit dumpfem Geräusch hinter den beiden Männer» wieder zufiel. Aber diesen hatte ein Blick in die Küche genügt. Du einem schmutzigen, abgetragene» rosa Kleide jaß Klara, die Haare mit Papillote» umwickelt, vor dem Küchcntisch und aß ibr F>üh- stück, während ihre kleinen Füße, deren Strümpfe verschiedene Löcher anfwiescn, in abgetragene» Filzschuhe» steckten und ein um de» Hals gebundenes Taschentuch die Stelle eines Kragens vertrete» mußte. Am Küchenherd stand Frau kindemann und bereitete das Mittagessen vor, während Emilie, die Aermel bis zum Ellenbogen aufgcschlagen, an einem ivaschsaß stand und mehrere Damenkragen mit der Energie einer berufsmäßige» iväicherin bearbeitete. Gnkel Christian, der sich eben anjchickte, seinem Neffen zn folgen, hörte noch die letzten Ivorte Klaras, deren Stimme schrill und kreischend zu seinen Ghren drang. „Nein, das ist wirklich zu arg, Mama, die Brötchen sind nicht z» esse» und auch den Kaffee kann man nicht trinken, ich muß sofort frische» haben." „Aber Klärchen," beruhigte Emilie, „Mama ist so müde und hat noch so viel z» tun. willst Du nicht lieber ein Glas Milch trinken?" „Nein, ich will keine Milch, Kaffee will ich und zwar guten Kaffee," rief die Brünette und stampfte zornig mit dem Fuße auf die Erde. „Gut, dann will ich Dir Kaffee machen," sagte Emilie, „wenn Du so lange warten willst, bis ich die Kragen gewaschen habe." „Ich winde mich schämen, mich zur Waschfrau zu erniedrigen," murmelte Klärchen. „warum sollte ich mich denn schäme», etwas zn tun, was nützlich ist?" fragte Emilie lachend zurück. „Papa muß ja hart arbeiten und die Wäscher« chiittngen sind teuer. Da muß schon eines von uns mit angreisen und Mama spare» helfen, so gut es geht." „Ach hör' auf mit Deinen Moralpredigten und mach' mir Kaffee," grollte Klara, die sich augen scheinlich in recht schlechter Laune befand. In diesem Augenblick traten Gnkel Christian und sei» Neffe, die genug gehört und auch keinen Grund zn weiterem verweilen hatten, aus > dem Keller »nd verabschiedeten sich.