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Photographie. 35 Da in Oefterreich wie in allen übrigen Ländern Europas der Schwerpunkt des photographischen Betriebes zumeift in der Haupt- und Refidenzftadt liegt, fo hat auch auf der Ausftellung Wien weitaus dominirt, und die gröfsten Fortfehritte zur Schau gebracht; in Wien hat üch fchon, als die Photographie fo zu fagen noch auf den Kindesbeinen war, ein grofses Intereffe für diefelbe bethätigt, und manche bedeutende Förderer diefer Kunft, wie Profeffor Petzval, Voigtländer, Bibliothekar Martin, Pretfch u. A. find aus diefer Stadt hervorgegangen und haben in jeder Hinficht aufmunternd gewirkt. Von allen Gebieten der Photographie wurde in Wien von jeher das Porträtfach am eifrigften cultivirt, Publicum und Photographen haben Ach hierin löblich unterftützt; das grofsftädtifche, rege, gefellige und gefellfchaftliche Leben die anmuthigen, fchonen und ftets grofsen Gefchmack in der Toilette entwickeln den Damen, die intereffanten und allfeitig beliebten Schaufpielerinen und Schau- fpieler in meift fehr dankbaren Coftümen haben den Photographen grofsen Impuls zur fteten Vervollkommnung des Porträtfaches gegeben, wie der bald blühend in Schwung gekommene gegenfeitige Austaufch von Photographieporträts und der Sammlung derfelben in zierlichen Albums diefem Fache reichliche Befchäf tigung gab; anderfeits wurde diefe Vorliebe durch die eifrige und redliche Bemühung der Photographen, immer Neues und Vorzüglicheres zu bieten, auf die günftigfte Weife genährt. Da an der Spitze mancher Ateliers Männer von tüchtiger technifcher Bildung und künftlerifchem Wiffen flanden, bürgerte fich eine gefchmack- volle, malerifche Auffaffung ein, die Retouche wurde mit Verftändnifs benützt, und auf forgfaltige, gewiffenhafte Ausführung fowie elegante Ausftattung das gröfste Augenmerk gerichtet; fo hat fich, man könnte fagen, eine Wiener Schule gebildet, die durch manche ihrer Jünger auch nach Aufsen hin fördernd wirkte, und für Wien die Porträtphotographie zu einer Specialität erften Ranges empor hob; wo immer diefelbe auf den Aufteilungen erfchien, hat fie fich als folche hervor gethan, und allfeitige Anerkennung erworben. Die Wiener Porträtftudien find lo ein Handelsartikel geworden, der in alle Länder der Welt verfendet wird, und durch die Sammler, Künftler und felbft Photographen eifrige Abnehmer findet. Hof-Photograph Ludwig Angerer war der erfle, der ein grofses Atelier für Porträtphotographien in Wien eröffnete, und durch feine tüchtigen Leiftungen nicht nur die Aufmerkfamkeit des Wiener wie des auswärtigen Publicums auf fich zog, fondern auch vielen Fachmännern als Vorbild diente, welch’ letztere ihm bald mit Eifer und theilweifem Erfolge nachftrebten. Auf der Ausftellung waren Ludwig und Victor Angerer durch gute Porträts und Landfchaften, durch fehr gelungene Interieurs und durch eine Anzahl der bekannten Blätter mit Abbildungen von Gegenftänden alter Kunftinduftrie aus demMufeum vertreten. LudwigAngerer hatte auch verfchiedene fchone Lichtdrucke aus- geftellt, welche bedauern laffen, dafs er fich mit diefem Verfahren nicht mehr befchäftigt. Das Porträtfach wurde durch das fpätere Einwirken mehrerer anderer tüchtiger Photographen wie Jagemann', Rabending, Luckliardt, Dr. Szekely, Gertinger, Perlmutter (Adele), J. Löwy u. A. immer forgfältiger und künft- lerifcher cultivirt, und kam dadurch wie auch durch die Einführung der Negath ■ retouche zu fteigender Bedeutung und Beliebtheit. Was die einzelnen Ateliers betrifft, fo werden in denfelben in der Praxis verfchiedene Beftrebungen verfolgt, deren verfchiedene Erfolge man denn auch in der Ausftellung beachten konnte. Hof-Photograph Herr Fritz Luckhardt zeigte fich namentlich in Damenporträts in ganzer Figur als Meifter in feinem Fache. Die mife-en-fc£ne das Arrangement der Perfonen und ihrer Toiletten, die Wahl des Beiwerkes, in welchem er grofse Mannigfaltigkeit entfaltete, fowie die Wahl der Hintergründe verrietlien feines künftlerifches Verftändnifs und die technifche Durchführung war von einer