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Graveur, und Guillochirarbeiten. arbeiten und werden nach der älteften Methode, nämlich in der Tiefe gravirt, in den feltenften Fäden auf Stahl erhabengefchnitten. Es ift fomit nachgewiefen, dafi fich die Arbeiten der .Wiener Schule noch immer als Kunftwerke beurtheilen laffen können, während die Arbeiten des Auslandes, fo vorzüglich fie auch fein mögen, nicht mehr als Gravirungen, fondern als Modellirungen beurtheilt werden müflen. Man wird hier einwenden, dafs, wenn die Modellirung eine rein künftlerifche Arbeit, die mit der Mafchine gefertigte Gravirung doch auch denfelben künftlerifchen Mafsftab verlange, da bis heute die Erlernung der Gravirungstechnik eine bedeu tende Zeit und Uebung in Anfpruch nahm, und man neben Modellirung allerwärts dem Schüler immer die einzige claffifche Methode in der Tiefe zu graviren, bei zubringen trachtete. Wenn die Mafchine auch diefe Technik , den letzten Reft von künftlerifcher Kraft, den Graveur zu verdrängen im Stande ift und die Mechanik an die Stelle diefer Technik tritt, fo ift der Medailleur von heute fehr zu beklagen, da es fich dann nimmer um die Begabung , fondern mehr um den Befitz der Mafchine handelt. Es wird die Einführung und Anwendung der Mafchine wohl noch lange in Oefterreich auf fich warten laflen und bis diefs gefchieht, erfreuen wir uns an den Refultaten unferer Kunftfchule und an den hervorragenden Arbeiten unferer Wiener Künftler, welche bis heute die claffifche Gravirung gepflegt und vertreten haben , und welche fich auch auf der Wiener Ausftellung gegenüber den aus- ländifchen Arbeiten eine hohe Anerkennung zu verfchaffen wufsten. Siegel-, Wappen- und Schriftgravirung. Die Gravirung von Siegeln und Schriften war bis zum XVIII. Jahr hunderte noch ein Privilegium der Goldfehmiede und es lind uns Hunderte der vorzüglichften Arbeiten im Siegelfache vom XIV. bis zum XVIII. Jahrhunderte erhalten worden, welche Zeugnifs geben von dem gediegenften Gefchmacke und der vollendetften Durchführung. Viele diefer Meifter find bekannt, und es ift nicht Aufgabe diefer Zeilen, ihre Namen aufzuzählen, aber dem Freunde der modernen Siegel-Stechkunft mufs es auffallen, dafs feit der letzten Ausftellung in Paris fich eine auffallende Lücke in der Siegelgravirung zeigt. Die Siegespalme im Siegel fache wurde auf der Ausftellung in Paris dem nunmehr verftorbenen Graveur Birnböck in München ertheilt, welcher nicht nur die heften heraldifchen Arbeiten ausftellte, fondern auch in der Ausführung der kleinften Details eine unerreichbar gefcliienene Technik zeigte. Befondere Aufmerkfamkeit erregte er durch die kaiferlich ruffifchen Staatsfiegel, und mit Birnböck dürfte wohl der genialfte Graveur im Wappenfache zu Grabe gegangen fein. Es fehlte wohl auf der Ausftellung in Wien nicht an Vertretern der Siegel- Stechkunft, diefelben reichen jedoch weder im Gefchmack noch in der Technik an Birnböck hinan. Diefs hat feine eigenen Urfachen. Das Siegeln der Briefe mit Lack kommt mehr und mehr aufser Gebrauch, und die Sucht, dem l’ublicum jede mögliche Bequemlichkeit zu bieten, hat zum Schaden der eigentlichen Siegel- Stechkunft eine Menge Surrogate erfunden, welche, da diefelben als Modeartikel angefehen werden, vom Publicum mit befonderer Vorliebe gebraucht werden. Als im Jahre 1840 durch ausländifche Luxus-Papierfabricanten die kleinen Papieroblaten mit Anfangsbuchftaben, Devifen etc. zu Markte gebracht wurden, da waren die erften Anfänge diefer Gattung Briefverfchliefser von Gelatine mit Gold bedruckt. Die Papierfabrication hat fich diefes Gedankens bemächtigt und Stahlftempel mit Wappen , Buchftaben, Namen, Devifen, kleine Papier oblaten geprägt, diefe in Verkauf bei den Papierhändlern gebracht und fomit den Grundftein dazu gelegt, dafs heute in jedem Papiergefchäfte Graveurarbeit angenommen und beforgt wird zum Schaden diefes Gefchäftszweiges und zum Ruin der eigentlichen Siegelgravirung. Man darf nicht einwenden, dafs durch