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Der Unterricht in der Gefchichtc. 9 angewandten Lehr behelfe der verfchiedenen zum deutfehen Reiche gehörigen Länder zu liefern, zumal aufser Sachfen kein anderer deutfeher Staat einen detaillirten Katalog der ausgeftellten Gegenftände beigegeben hat. Doch wird die Schwierigkeit theilweife dadurch gemindert, dafs die deutfeh-öfter* reichifche Lehrerwelt, für die doch zunächft der Bericht berechnet ift, mit dem Unterrichtswefen diefes Reiches gerade am vertrauteften ift, indem Lehrmethoden, Lehrmittel und Lehrbehelfe in den deutfehen Ländern Oefterreichs entweder aus Deutfchland unmittelbar entlehnt oder doch den deutfehen nach* gebildet find. V olksfchule. Zuerft (im Jahre 1835) hat Sachfen, diefem folgend haben aber auch die übrigen Staaten „die Gefchichte“ unter die Gegenftände der Volksfchule aufgenommen. Der Standpunkt, welcher bei der Aufnahme diefer Disciplin mafsgebend war, war jedoch urfprünglich ein fehr engherziger. Die Gefchichte follte im Anfchlufle an,die Bibel gelehrt und auf die fpecielle Gefchichte des Heimatslandes befchränkt werden. Es follte demnach diefer Zweig des Unterrichtes lediglich kirchlichen und den mit diefen zufammenhängenden dynaftifchen Zwecken dienen. Die freiheitliche Bewegung der Jahre 1848 und 1849, welche das Streben hatte, die confeffionelle Schule zu befeitigen und zur Staatsanftalt umzugeftalten (VI. Art. der Grundrechte des deutfehen Volkes §. 23) verfchaffte der Gefchichte keine würdigere Stellung; denn bald trat die ReadHon ein, die in richtiger Erkennlnifs der Bedeutfamkeit diefes Unterrichts* zweiges ihn zu ihren Zwecken auszubeuten wufste. Vor Allem kennzeichnend für die in ganz Deutfchland herrfchende Strömung find die berüchtigten preufsifchen Regulative vom Jahre 1854, welche den Lehrer in der Volksfchule beauftragen, die Kinder einzuführen „in die Kenntnifs der Gefchichte der preufsifchen Herrfcher und des p r e u fs i f c h e n V 0 1 k e s, wie der göttlichen Liebe, die fich in derfelben offenbart“. Befonderen Stunden wurde diefer Unterrichtszweig zugewiefen, vaterländifche Gedenktage namhaft gemacht, in denen hauptfächlich die Erinnerung an wichtige Momente aus der Landes-, aber auch der evangelifchen Kirchengefchichte gepflegt werden follte, und patriotifche Lieder zur Erwärmung des jugendlichen Herzens, für Kirche und König anempfohlen. Die preufsifchen Regulative fanden in den übrigen deutfehen, namentlich den proteftantifchen Ländern bereitwillige Nach ahmung. Die Gefchichte gelangte auf diefe Weife allerdings in eine ihr würdige Stellung unter den Disciplinen der Volksfchule; aber fie follte nur belchränkten Zwecken der herrfchenden Kirche und der herrfehenden Dynaftien dienen. Indelfen überfchritt fie bald diefe enggezogene Grenze. Es war unmöglich, preufsifche, würtembergifche, fächflfche etc. Gefchichte zu lehren, ohne auf die Gefchichte des Gefammtvaterlandes einzugehen, die Jugend für einen Particular- herrfcher zu begeiftern, ohne der Heldenthaten des ganzen grofsen deutfehen Volkes zu gedenken. Darum hatte die Aufnahme der Landesgefchichte in die deutfehe Volksfchule nur für kurze Zeit dem Localpatriotismus und dem Abfolutismus in Kirche und Staat Früchte getragen Bald machte fich der mächtige Einflufs diefer Disciplin in .anderen, den früheren geradezu ent- gegengefetzten Richtungen geltend. Die Gefchichte des engbegrenzten kleinen Vaterlandes und Volksftammes weckte die Liebe zu dem grofsen deutfehen Vaterlande, zu dem ganzen deutfehen Volke. Der durch die Gefchichte erzogene Volksgeift begann die FelTeln zu fühlen, welche die Kirche ihm angelegt hatte. Das Streben nach nationaler Einheit einer-, nach Emancipation von der Kirche anderfeits, das waren die nicht gewünfehten und nicht erwarteten Refultate von der durch die Reaclion in ihrer Weife begünftigten Pflege des Gefchichtsunterrichtes in der Volksfchule. Wenn die letzte Parifer Weltausftellung fchon ein bedeutendes Stadium d,es Weges zur nationalen Einheit