Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.04.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050401021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-04
- Tag 1905-04-01
-
Monat
1905-04
-
Jahr
1905
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite 2. «r. 167. «9. Jahr«. Leipziger Tageblatt. Sonnabend, 1. April 1908. Seite verlautet, daß der Kaiserbesuch direkt auf den Vortrag des Herrn o. Rollrnburg beim Grasen Bülow und Freihrn. v. Rlchlhofen cingeleitrt worden sei. vir wirk in vurrlanü. Der Zar und die katholische Aircl)«. Die ..Gazeta Narodolva" erfäbrt aus Nom: Die vatrkanijcben Kreise sind benachrichtigt worden, daß der Zar vor nicht langer Zeit sämtliche katholischen Bischöfe Rußlands in einer gemeinsamen Audienz aufgetordert habe, ihm ihre Resornivorschläge für die Sicherstellung einer größeren Freiheit der katholischen Kirche in Russisch-Polen und Ruß land zu unterbreiten. Tie Bischöfe nahmen niit Dank den kaiserlichen Vorschlag an und stellten >n einer zu Petersburg abgehaltenen Sitzung den Wortlaut einer Denkschrift fest, welche dem Zaren überreicht wurde. Die russische Regierung zieht fetzt dieses Memorial in Er- wägung. Ter Metropolit und Mohileiver Erzbischof. Graf Szembek. wird demnächst in Rom mit der päpstlichen Kurie inbetresf des gedachten Rctormproiekts konferieren. Inr flutschen Senat wurde, nach einem Telegramm aus Helsingsors, ein Manifest verlesen, nach dem die Aus schrei- bung der Wehrpflichtigen eingestellt wird. Nach allerhöchster Verordnung soll die fi nische Landeskasse jährlich 10 Millionen Mark an die Reichskasse zu Kriegszwecken zahlen. Di« Stimmung -er russischen Bauern schildert ein vom „Syn Otsestscbeswo" veröffentlichter Brief eines Steuerinspektors. Es hecht darin: „Der Krieg hat buchstäblich dem Bauer die Augen geöffnet. Er hat sich endlich besonnen, das; er weder vom Adel, noch vom Beamtentum Hülfe zu erwarten hat. Beide sind auf gleiche Weise Gegenstand seines Hasses, und er rüstet sich vor allem, die Macht des Adels zu schwächen. Der Zustand der Landbevölkerung erinnert an denjenigen zur Zeit Pugatschows. Tie Erregung ist so groß, der Rachedurst gegenüber dem Adel und der Bureaukratie so stark, daß das glimmende Feuer jeden Augenblick zu einer verheerenden Flamme emporlodern kann. Wer heute von Ruhe im Torfe spricht, bat keine Ahnung, wie tief das Prestige der Bezirksvor- st eh er gesunken ist und wie machtlos die Polizei da- steht. Der Bauer ist fest entschlossen, sich selbst Berechtig- keit zu verschaffen. Er stürzt sich mit Heißhunger auf jede Zeitung und bezahlt gern für eine solche 15 bis 20 Kopeken. Nicht die Meldungen von Sieg und Nieder- läge, nicht die Zahl der Toten und Verwunde, n inter essieren ihn aber die Frage beschäftigt ihn, warum sind unsere Soldaten abgerissen und ausaehunoert? Warum werden v e r fa u l t e S t i e f e l für sie gekauft? Warum verschwinden ganze Waggons mit Munition? ver furrirA-lapankcbe Krieg. Mobilisierung ber2. Gar-einfanterie-vivifisn Ein Telegramm aus Petersburg meldet: In militärischen Kreisen der Hauptstadt gilt, wie „Rußkoje Slowo" meldet, die Mobilisierung der -weiten Garde- Infanterie-Division als b e s ch l o s s e n e S ach e. Sie werde wahrscheinlich zusammen mit der Garde- Artillerie-Brigade ins Feld rücken. Ueber die zweite Kavallerie-Division sei noch nichts be kannt. Von« Ariegsschauplatz. Nach Petersburger Depeschen hat General Nader off die weitere Auswanderung aus Charbin verboten, weil sich bereits Mangel an Arbeitern und Arbeiterinnen geltend macht. Ter General Mischtschenko hat am 29. März eine Rekognoszierung der Japaner, welche, init starker Artillerie versehen, die Vorposten der russischen Südfront angriffen, vereitelt. Die Japaner wurden in die Flucht geschlagen, wobei mehrere Ge- fangens gemacht worden sind. pslitirche Lagerredau. Leipzig, t. April. Falsche Humanität. In der „Täglichen Rundschau" erhebt einer unserer er fahrensten und verdientesten Kolonialpolitiker die Forderung, man möge, wenn man in Kamerun die bewaffnete Macht ver mehren wolle, zwei neue Kompagnien der Polizeitruvpe bilden und dadurch die entsprechenden Formationen der Schutztruppe -u anderweitigen Zwecken freimachen. Wir haben an sich aeaen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß nch die Älarmnachricht der „Notionalzeituna" nicht doch in kurzem noch bestätigt. Für normale Verhältnisse wird die Ver stärkung der Polizeitruppe gewiß das Richtige sein, nur geaen die Begründung, die in dem Artikel an die Hand gegeben wird, müssen wir protestieren. Es wird nämlich dort an geführt, der Weiße dürfe nicht seine eigenen Anschauungen über den Begriff des Eigentums und den Wert des Lebens und der Freiheit zum Maßstobe machen. Es sei verkehrt, wenn ein Weißer bestohlen und beraubt werde, sofort an dem Missetäter oder seinem ganzen Dorfe eine abschreckende Strafe zu vollziehen, und wenn ein Weißer an Leib und Leben ge schädigt sei, so müsse keineswegs ein vernichtender Rachekrieg geführt werden. Stellt man sich richtigerweise, so führt die Zuschrift aus, aus den Standpunkt des Schwarzen, so er scheinen solche Vorkommnisse lediglich als Unordnungen, die bei uns in das Bereich polizeilicher Gewalt gehören würden. Wo solche Rechtswidrigkeiten vorgekommen seien, müsse die Polizeitruppe versuchen, möglichst auf friedlichem Wege einen Ausgleich herbcizusübren und die Missetäter den An schauungen entsprechend zu bestrafen. Wir geben zu, daß diese Anschauungen human sind, aber wir müssen sie unter den Be griff der falschen Humanität subsummieren. Unserer Ansicht nach muß bei einem Angriff auf einen Weißen die Strafe einen abschreckenden Charakter tragen. Sie muß erfolgen, nicht um das Verbrechen zu sühnen, sondern um dem Ver brechen vorzubeugen. In Anbetracht der Tatsache, daß die Weitzen die Minorität sind, daß gerade jetzt das schwarze Element zum Bewußtsein der Lage erwacht und sich nach dem Urteil von Kennern in ganz Airika zum Widerstande rüstet, ist es um so notwendiger, die Autorität der weißen Rasse wie einen rncssu-i- cts bronce zu stabilieren. Selbstverständlich soll mit dieser Forderung nicht den Ausschreitungen des Tropen kollers das Wort geredet werden, aber der zivilisatorische Standpunkt soll zunächst einem Gesichtspunkte der Selbst behauptung weichen. Ist unsere Herrschaft erst gegen jede Möglichkeit der Erhebung gesichert, so mag das erzieherische Moment, das ja erst recht eigentlich die Berechtigung jeder Kolonisation dartut, zu voller Geltung gelangen. Die unbelehrbare Demokratie. Der württembcrgische Vertreter des Landesbundes, Ab geordneter Wolff, hat im Reichstage die Erklärung abgegeben, baß seine Gesinnungsgenossen sich nicht entschließen könnten, die Heeresvermehrung zu bewilligen, wenn ihnen nicht Aus sicht auf eine befriedigende Lösung der Deckungsfrage geboten werde. Selbstverständlich ist diele Begründung nur eine Aus flucht. Die Württemberger stehen eben im Bann jenes Doktrinarismus, der sich grundmtzlich gegen jede Heeresver mehrung widerspenstig zeigt. Jener Doktrinarismus hat im norddeutschen Parteileben geradezu verheerende Folgen ge zeitigt. Er ist nicht zum mindesten daran schuld, daß die liberalen Parteien heute zersplittert sind und daher fast völlig ohnmächtig zusehen müssen, wie das Zentrum die Tages geschichte nach römischen Direktiven macht. Leider scheint der Süden von unseren Erfahrungen nicht lernen zu wollen. Die Abneigung gegen das straffe militärische Element verquickt sich mit dem anti-preußischen Partiknlarismus und so entstehen dann solche Beschlüsse, die geradezu beschämend sind, wenn man bedenkt, wie niedrig die Forderung der Negierung be messen war. Hoffentlich aelinat es. diesem in den enasten Anschauungen befangenen Demokratismus im Süden wirksam entgegen-utreten. Es ist aber wirklich erstaunlich, wie völlig unbelehrbar unsere Demokratie ist, und mit wie starrer Nn- entwegtbeit sie in allen Gauen des deutschen Vaterlandes den Lehren der Geschichte gegenüberfteht. Herr vou Bcthmann-Hollwcg. Aus Berlin wird uns geschrieben: Ter neue Minister des Innern, Herr von Belhmann-Holl- weg, Hal an die Aeltejten der Kaufmannschaft ein Schreiben gerichtet, oas mit den Worten schließt: „Möge der Weltruf des Berliner Kaufmannes weiterhin unter der Aegide der Aellesten der Kauimannjchast wachten und der Berliner Kaufmannssland sich unter weiser und fester Leitung zu immer höherer Blüte entfalten." Wenn Herr von Bethmann den Weltruf des Berliner Kaufmanns preist, fo läßt sich hoffen, daß er im Staatsmini- slerium, das ja neuerdings die Gewohnheit angenommen hat, sich bei allen einigermaßen wichtigen Entscheidungen durch einen gemeinsamen Beschluß zu decken, seine Stimme zu Gunsten des Handels erheben wird. Das wäre immerhin ein Novum, denn bisher neigten die Vorgänger des Herrn von Bethmann zu einer anderen Auffassung. Den Kreisen, aus denen sie entstammen, gilt ja der Handeltreibende doch schließ lich nur als Parasit, den man nun einmal leider Gottes nicht ausrotten kann. Werte schasst eigentlich nur die Landwirt schaft. Wenn übrigens Herr von Bethmann wünscht, daß der Weltruf des Berliner Kaufmanns wäcyst, so jetzt er sich eigent lich damit in Gegensatz zu der Gesamlrichtung unserer Wirt schaftspolitik: denn daß die neuen Handelsverträge geeignet sind, den Weltruf der Deutschen und also auch der Berliner Kaufleute zu heben, das wird niemand behaupten wollen. In dessen haben wir es in diesem Schreiben natürlich nur mit Wendungen zu tun, die ebenso verbindlich wie unverbindlich sind, und wir wollen nicht so boshaft sein, aus ihnen Schlüsse auf das uns noch verborgene Innenleben des neuen Herrn zu ziehen. Herr von Bethmann hat im Herrenhause übrigens noch eine andere Gelegenheit ergriffen, sich als moderner Mensch vorzustellen, indem er erklärte, „Belästigungen des Publikums seien ihm vom Grunde aus zuwider". Em Herr von Zitzewitz hatte nämlich wieder einen neuen Bevormun dungsmodus entdeckt, indem Schankwirten und Kaufleuten verboten werden solle, an Kinder unter vierzehn Jahren Spirituosen irgend weicher Art zu verabfolgen. Nach dieser Verordnung könnte sich ein kleiner Beamter z. B. nicht des Abends von seinem zwölfjährigen Sohne eine Flasche Bier holen lassen. Ter Minister trat diesem antialkoholischen Ex zeß energisch entgegen. Leider ließ er diese Energie vermissen, als bald darauf Graf von Mirbach ihn bat, dem Scherlschen Sparsystem dasselbe Wohlwollen zu bewahren, wie sein Amts vorgänger. Gras Mirbach wies ausdrücklich daraus hin, daß Herr Scherl einen hervorragenden Einfluß auf die Presse habe und in der Tat ist es ja auch nicht zu leugnen, daß er sich um die Ertötung des politischen Sinnes und die Unter- grabung jeder Ueberzeugung hervorragende Verdienste er worben hat. Der Minister antwortete: Vorläufig sei die Angelegenheit abgeschlossen: wenn nicht etwa neue Anträge von den Sparkassen an die Regierung gestellt würden. Er eröffnet also da eine Perspektive, mit der man immerhin rech nen muß, denn Graf Mirbach hat ganz recht: Herr Scherl hat nicht nur in der Presse, sondern auch an anderen Stellen einen hervorragenden Einfluß. Primrose-League, «m System der koloniale radezu getadelt hat. Sein Sohn, Lord H mit El " ' Hill, eh Greenwich, a« .. rechnet. Er sagte, die Meinungen vollkommen bekannt gewesen: „Ganz unfraglich waren sie all denen, die Lord Salisbury wahrend der drei letzten Monate seines Lebens sahen oder sich mit ihm über politische Gegen stände unterhielten. Jedes Familienmitglied kannte sie. Jeder Gentleman, der Gelegenheit hatte, ihm zu be gegnen, kannte sie sehr wohl. Es war überhaupt kein Zweifel daran verstauet." Am Mittwoch hat sich im Unter haus eine Szene abgespielt, über die sämtliche Gläubigen des englischen Parlamentarismus fassungslos sind. Der junge Herr Winston Churchill suchte Balfour zu pro vozieren und fragte ihn, ob er denn nach der berühmten Re solution des Hauses gegen die Jiskalpolitik der Negierung im Amte bleiben wolle, ob er denn, so lange der Tert der Re solution im Journal des Parlaments stehe, nach Pflicht und Ehre Ministerpräsident sein könne. Herr Balfour liest gar keine Zeitungen. Niit.eisiger Kälte erwiderte er, er wisse ja nicht, was los sei, forderte das Protokoll ein, las es phlegmatisch durch und legte es aus der Hand, als habe er irgend einen Sportbericht gelesen. Tie Opposition wütete. Selbst Campbell-Bannerman, der dreist aus Bal four zielte, raubte ihm nicht die Besonnenheit. Die „Daily Mail verlangt die Auflösung des Parlaments und kann die Katastrophe des Unionismus nicht erwarten. Balfours AbsentiSmuS. Aus London, vom 30. März, schreibt unser -u-Korre- spondent: In seinem Streit um den toten Salisbury und dessen Anschauungen über die Tarifresorm scheint Herr Cham berlain die Zeche zahlen zu müssen. ES ist Faktum, daß der verstorbene konservative Premier im Mai 1902, vor der Primrose-League, em System der kolonialen Vorzugszölle ae- .. .. . S S-h.., 2... Hugh Cecil, hat hamberlain und dessen Brief an Mr. G. Rowland hemals Vorsitzenden der Kon ervativen Gesellschaft in ' H an Ort und.Stelle, in der Borough Hall, abge- i seines Vaters seien immer Deutsches Keich. Leipzig, 1. April. * Zum Dresdener Delegiertentag. Die Vorbereitungen für den im Mai d. I. in D r e s d e n in Aussicht genommenen Allgemeinen Bertretertag der National liberalen Partei sind nunmehr dahin sestgestellt, daß der Zentralvorstand der Partei am Freitag, den 19. Mai, mittags 12 Uhr, zu einer Sitzung im Vereinshause (Zinzendorf- straßO Zusammentritt, um die letzten abschließenden Vorbe reitungen zu treffen. Für die Miiglieder des Zentralvorstan des und für die im Laufe des Freitag Abend von auswärts eintrefsenden Vertreter findet in den unteren Räumen des Belvedere, abends 8 Uhr, eine zwanglose gesellige Zusammen kunft mit den Dresdener Parteifreunden statt. Der erste Be ratungstag am Sonnabend, den 20. Akai, beginnt vormittags 11 Uhr im großen Saale des Vereinshaufes. Auf der Tages ordnung steht die Wahl des Bureaus, Begrüßungsansprachen, Durchberatung und Verabschiedung des Organisations statuts. Der im Konzertsaale des städtischen Ausstellungs palastes vom Nationalliberalen Neichsverein vorgesehene Festkommcrs ist auf 8 Uhr abends angesetzt. Der zweite Ver- yandlungstag gilt der politischen Seite der Tagung. Die Ver handlungen beginnen Sonntag, vormittags 11 Uhr. Auf der Tagesordnung stehl nur das Referat über die politische Lage, welches der Abg. Bassermann übernommen hat. Daran schließt sich die Diskussion. Das gemeinsame Festessen findet im großen Saale des Vereinshauses statt. Für Mon tag, den 22. Mai, ist sodann von Seiten des Nationalliberaien Neichsvereins in Dresden ein gemeinsamer Ausslug der Dele gierten nach der Bastei vorgesehen. * Neuer Gouverneur für Samoa? Wie der ,,Disch. Tgsztg." von glaubwürdiger Seite mitaeteilt wird, wird der Lcganonsrat Dr. Schnee, der zur Zeit in der Kolonial abteilung des Auswärtigen Amtes tätig ist, in kurzer Zeit die Ausreise nach Samoa antreten Er soll dazu berufen sein, den bisherigen Gouverneur von Samoa Dr. Sols zu er setzen. Von einem Rücktritt Dr. Solss ist schon früher in der Presse die Rede gewesen, und cs wurde als Veranlassung an gegeben, daß sich Dr. Sols durch sein Auftreten bei den An siedlern nicht gerade Sympathien erworben habe und daß man von seiner Tüchtigkeit als Verwaltungsbeamter nicht sehr überzeugt sei. Dem können wir entgegenhalten, daß uns von Leuten, die längere Zeit ^draußen" gewesen und vielfach dienst- lich wie privatim mit Dr. Solf zusammenaewesen sijid, das gerade Gegenteil versichert wird. Dr. Solf sei ein hervor ragend tüchtiger Beamter und sein Rücktritt von diesem ver antwortungsvollen Posten würde im Interesse des Deutschen Reiches nur zu bedauern sein. * Politische Naivetät. Tie „Sächf. Pol. Nachr.", da konservative Korrespondenzorgan, schreiben in ihrer jüngsten Nummer unter der Marke „Der unparteiische Syn dikus": Wir anerkennen unbedingt das Streben des Vorstandes des Verbandes sächsischer Industrieller, die Versuche, diesen Verband zu einem Tummelplätze für linksliberale Agita toren auszugestalten und damit die Geschäfte der liberalen Partei zu versorgen, zurückzuweiscn, möchten aber doch darauf Hinweisen, baß das Auftreten des in Brot und Lohn des Verbands stehenden Syndikus in Vereinen liberaler Richtung immer von neuem zu Mißdeutungen Ver- anlassung geben und konservativ gerichteten Industriellen zur Beschwerde gereichen muß. So z. B. hat Herr Dr. Stresemann nach einer Zeitungsnotiz der „Deutschen Wacht" im nationalliberalen Verein zu Meißen über wirtschaftliche und politische Zeitfragen ge sprochen. . . . Uns liegt heute nur daran, yervorzuheben, daß das Auftreten des Sekretärs des Verbandes in einem politischen Vereine, in dem er auch über politische Fragen spricht, naturgemäß die neutrale Stellung, welche der Verband cinnchmen soll und will, nicht unbedenklich zu beeinträchtigen in der Lage ist." Hierzu sei nur die Bemerkung gemacht: Wenn die Führer des „neutralen" Bundes der Landwirte der konservativen Partei angehören und sich konservativen Fraktionen an schließen, so ist das doch wohl durchaus zulässig? * Berlin, 1. April. * De» Kaisers Mittelmeersahrt. Wie auS Gibraltar gemeldet wird, mußte der Kaiser nach dem Diner beim Gouverneur wegen der Kürze der Zeit von einem Besuche der Stadt absehen. Der Kreuzer „Friedrich Karl" kollidierte beim Anlegen mit dem Schlachtschiff „Prinz Georg", doch wurden beide Schiffe nur leicht beschädigt. * DaS dilatorische Verhalten des ReichSjuftizsekreiärS gibt der „K. Ztg." Veranlassung zu einer bitteren, aber nicht un berechtigten Klage. Tas Blatt schreibt: Zweierlei hat der Staatssekretär des Reichsjustizamtes am Donnerstag über die beiden großen Aufgaben, die sein Ressort beschäftigen, ge äußert, zweierlei und beides war gleich bedauerlich. Die eine Äeutzeruna war — Schweigen, das um so lauter redete, als vorher die Worte des Abgeordneten Bassermann über den Gang der Strafprozehreform eine gute Veranlassung zur Darlegung des Standesder Arbeiten gegeben batten. Aber der Staatssekretär schwieg darüber und erklärte durch dieses Schweigen laut und deutlich, daß — soweit er und sein Ressort in Frage kommen — diese dringendste und elementarste Re form des deutschen Rechtslebens auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist. Die zweite Aeußerung über die Reform des Strafrechts, die der Staatssekretär dem voll Er wartung aus ein entscheidendes Wort horchenden Volke nicht vorentbalten zu dürfen glaubte, war in ihrem mystischen Dunkel nichts mehr als eine Variation der vom Staatssekre tär schon bis zum Ueberdruß gespielten Melodie: Die Reform wird kommen, wir geben uns auch Mühe, aber es dauert länger, als Sie erwarten. Wir warten nun schon mehr als ein Lustrum, wir würden mit Geduld auch noch ein Lustrum warten, wenn wir dann die Gewißheit hätten, daß wirklich nach der Strafprozeßreform auch die Strafrechtsreform erledigt wäre. Aber das Volk und der Juristenstand verlangen end lich Brot statt der so oft gebotenen Steine der Vertröstung, und wer mit so geringem Interesse von dem Fortschritt dieser drängenden Forderung elementarster Gerechtigkeit spricht, der muß allmählich den Argwohn wecken, daß auch die Sache selbst ihm nicht sonderlich am Herzen liegt. * Justizpersvnalien. Die heute fällige Nummer des „Justiz-Min.-Bl.", in dem die Veröffentlichung zahl reicher Personalveränderungen in den höheren und höchsten Richter st eilen zu erwarten steht, ist ausgeblieben und soll erst heute nachmittag ausgegeben wer den. In diesem Zusammenhänge sei mitgeteilt, daß als Kan- didat für den Posten des Kölner Oberlandesgerichtspräsi denten jetzt auch der Landgerichtspräsident Heinrath rn Göttingen genannt wird. * Ueber Goidsunde in Deutsch-Ostasrika sind wieder ver schiedene Meldungen verbreitet worden, die aber sämtlich mit Vorsicht auszunehmeu sind. So hieß es in einer dieser Mel- düngen, daß im Usinja-Gebiet und vor allem bei Msalala, süd lich des Viktoria-Nyansa, Funde gemacht worden seien, die einen ergiebigen Goldbergbau erwarten ließen. Zugleich wurde angekündigt, daß Gouverneur Gras Götzen gleich nach seiner Rückkehr in diesem Frühjahr sich nach Muansa am Viktoria-Tee begeben werde, um dort eine Bergbehörde ein- zusetzen. Auch hier aber handelt es sich um unbegründete Mutmaßungen, denen gegenüber die „Teutsch-Ostafr. Ztg." mitteilt, daß in der Kolonie selbst nichts von dielen neuenFunden bekannt sei. Tas Blatt sührt die Mel dung auf den einfachen Tatbestand zurück, daß Hauptmann a. T. Weither in dem in seine Hände übergegangenen Gebiet das Usindja-Syndikat weiterprosperieren laßt. Mit der Reise des Grafen Götzen haben diese neuen Goldfelder aber nichts zu tun. Graf Götzen wird Ende Mai wahrscheinlich eine längere Reise nach dem Kilimandscharo und Viktoria-See unternehmen. * Konflikt Nohrbach/Auswärtigcs Amt. Ein Dis ziplinarverfahren mit dem Ziel der Dienstentlassung ist gegen den Lizentiaten Dr. Rohrdach, der im Auf trage des Reiches als Vorsitzender der Entschädigungs- koinmission nach Tcutsch-Südwestafrika entsandt wurde, eingeleitet woroen. Rohrbach werden bewußte Durch kreuzung der Absichten seiner Dienstbehörde, Verleumdung hoher Neichsboamten und ähnliche Dinge zum Vorwurf ge macht. Die Einleitung des Verfahrens ist erfolgt, nachdem das Protokoll über die verantwortliche Vernehmung des Be schuldigten in Berlin einaetroffen ist. Die Disziplinierung Rohrbachs an Stelle der Entlassung kurzerhand ist notwendig, da ihm in seinem Anstellungsvertrag die Eigenschaft als Neichsbeamter verliehen worden ist. Wie die „Pr. Korr." hört, spielen in dem Konflikt zwei an den bekannten Boden reformer Professor Förster gerichtete Briese Rohrdachs als Belastungsmaterial die Hauptrolle. Professor Förster hat die betreffenden Briefe im Zusammenhang mit Angriffen, die er in der Kolonialpresse gegen den bekannten Konsul Vohsen gerichtet hat, als Beweismittel verwendet. Ihr Inhalt ist so zunächst dem zur Schlichtung des Streites von den Parteien angerufenen Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und weiterhin dem Konsul Vobsen bekannt geworden. Letzterer hat der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes von dem Sachverhalt Anzeige gemacht. * Kamerun. Wie offiziös mitgetcilt wird, geben auch die mit der gestrigen Post m Berlin eingetrofsencn Nachrichten aus Kamerun zur Beunruhigung keinen Anlaß; insbesondere wird auch in Privalbriefen das Vorhandensein von Unruhen in Abrede gestellt. In einem dieser Briefe heißt es bezeich- nend: „Der wieder einmal angekündigte Buliaufstano ist Ouatsch." Für die Haltlosigkeit der verbreiteten alarmieren den Nachrichten spricht nach der amtlichen Annahme auch die Tatsache, daß der Äezirksamtmann von Kribi sich in der ersten Hälfte des März zu einer längeren Dienstreise in das Hinterland begeben hat. — Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten am Freitag eine Sitzung. * * Hannover, 1. April. sEigene Meldung.) Ter national- liberale Reichstags- und Landtagsabgeordnete Baurat Ein kleiner schmieriger Zigarrenhändler, der sein Ge schäftszimmer in einem der Höfe zwischen der Hainstraßc und der Großen Fleischergasse hatte, behandelte ihn besonders abweisend und erklärte hochtrabend, er könne in seinem bedeutenden Dersandgeschäft nur erstklassige und völlig auSgelernte Kräfte einstellen, nicht aber irgend einen hergelaufenen Anfänger. Ewald hatte sich gegen alle derartigen bisweilen bis zur Beleidigung gehenden Aeußerungen der Nichtachtung schon mit allem Gleichmut gewappnet, dessen er fähig war. Aber diesem dürftigen, unsauberen Männlein gegenüber, daS sich so anmaßend auf den Großunter nehmer und so herablassend auf den mächtigen Kapita- listen aufspielte, glaubte er doch seine Würde etwas deutlicher verteidigen zu müssen. „Ich habe in höherem Maße ausgelernt", sagte er, „als Sie denken. Ich spreche fertig Französisch und Englisch. DaS ist doch für einen Reisenden " „Was nützt mir das, junger Herr? Ich verlange ja nicht, daß Sie meine Cigarren in Frankreich und England verkaufen sollen. Verkaufen Sie, wo Sie wollen. Uebrigens ist es ja möglich, daß Sie ein ganz brauchbarer Verkäufer werden. Ich will einen Versuch mit Ihnen machen, damit Sie meine Menschenfreund lichkeit sehen. Aber mein Geld will ich dabei nicht riskieren. Sie sollen für mich reisen dürfen. Sie sollen eine hübsche Musterkollektion erhalten, für die Sie wohl eine kleine Kaution stellen können, und Sie sollen für jeden Abschluß eine Provision, eine anständige Provision erhalten, sagen wir: ein Prozent der Ver- kaufSsumme, fällig allemal nach Eingang der Zahlungen von den Kunden. Aber Gehalt und Spesen kann ich Ihnen, als vollkommenem Anfänger, zunächst nicht be willigen. Ich muß ja gewärtig sein, daß Sie zurück- kommen, ohne mir eine einzige Zigarre verkauft zu haben. Dann habe ich mein schönes Geld zum Fenster hinausgeworfen. Wenn Sie aber die Zuversicht in sich fühlen, ein tüchtiger Verkäufer zu sein, dann können Sie ja ohne Sorgen meinen Vorschlag annehmen. Denken Sie nicht, daß Sie anderswo bessere Be dingungen finden. Ueberhaupt werden Sie selten eine erstklassige Firma finden, die so menschenfreundlich und vertrauensselig ist, sich mit einem Anfänger einzu lassen." Ewald hatte keine Erfahrung, ob eine Provision von einem Prozent hoch oder niedrig sei. Aber er hatte Ueberlegung genug, um einen Blick in das ihm vorgelegte Preisverzeichnis zu werfen und sich zu be rechnen, daß er täglich viele Tausende Cigarren ver- kaufen mußte, ehe er auch nur die Unkosten seiner Reisen verdiente. Eine Möglichkeit, die nötigen Ueber- schlisse für Mutter und Schwestern zu erzielen, schien dabei vollkommen ausgeschlossen zu sein. So lehnte er das menschenfreundliche Anerbieten des kleinen, schmierigen ManneS ab. Auch die Buchhandlung, die einen Reisenden für den Vertrieb eines patriotischen Prachtwerkes suchte, machte ihm keine glänzenden pekuniären Aussichten, und als er hier ebenfalls auf seine tüchtigen Sprach, kenntnisse hiuwics und mit diesen Kenntnissen eine höhere Gehaltsforderung begründen wollte, wurde ihm die höhnische Erwiderung: „Wenn Sie durchaus Französisch und Englisch sprechen wollen, so werden Sie doch Hotelportier oder Oberkellner am Wiener Caf6." Ein paar Minuten überlegte Ewald, ob in dieser demütigenden Beleidigung nicht doch der Kern eines vernünftigen Vorschlages enthalten sei. Er hatte oft gehört, daß besonders die Nacht-Zahlkellner in den großen Kaffeehäusern sich in wenigen Jahren ein kleines Vermögen von ihren Trinkgeldern zusammensparen, hinreichend, um sich mit einem eigenen Geschäft selbst- ständig zu machen. Auch war er weit entfernt, diese Leute wegen der Art, wie sie ihr Geld verdienten, etwa zu verachten. Aber doch erfüllte ihn der Gedanke, jetzt selbst Trinkgelder annehmen zu sollen, sich von seinen bisherigen Freunden und Bekannten demütig mit fünf oder zehn Pfennigen beschenken zu lassen, mit unüber, windlichem Widerwillen. Er war bereit, seinen Beruf und sein« bisherige Lebensweise für seine Familie zu opfern, nicht aber auch seine bisherigen Begriffe von Ehre und Selbst achtung. Solchen Wandlungen unterzieht man sich vielleicht in Amerika, wo die vollkommen neue Um- gebung zu keinerlei Rücksichten und Erinnerungen zwingt, nicht aber in der Heimat, wo man sich täglich von neuem mit tausend Fäden an das Bestehende fest gebunden fühlt. Es mußte sich ja noch eine Stellung finden, die es ihm ermöglichte, in vornehmerer oder doch weniger öffentlicher Weis« sich sein tägliches Brot zu erarbeiten, und so wandte er sich an die nächste der in seiner Brief tasche verzeichneten Adressen, immer mit derselben neuen Hoffnung und immer mit derselben raschen Ent- täuschung. Allmählich freilich nahm seine Hoffnung in demselben Maße ab, als die Enttäuschungen sich häuften. Mehrere Stunden war er schon erfolglos umhergelaufen, hatte sämtliche Adressen der inneren Stadt erschöpft und auch die nicht zu weit vom äußeren Rande der Promenaden entfernten vergeblich besucht. Jetzt kam eine an die Reihe, die ihm bei dem Aus schreiben am Vormittag besonders aussichtsvoll vorge kommen war. Weit draußen in Sellerhausen, noch über die Gasanstalt hinaus auf der Eisenbahnstraße. Von dem vielen Treppensteigen und dem erfolglosen Hin- und Herlaufen waren ihm die Beine müde und der Kopf wirklich geworden. Dennoch schwankte er, ob er als stellungsloser armer Teufel berechtigt sei, die Straßenbahn zu benutzen. Zum ersten Mal in seinem Leben machte er sich über die Ausgabe von zehn Pfennigen ernste Gedanken. Sicher war es seiner Armut angemessener, zu Fuße zu gehen. Aber als er auf dem Augustusplah den blauen Wagen mit dem dunkelgrünen 8 in der weißen Scheibe vorüberfahren sah, sprang er kurz entschlossen auf und rechtfertigte seine Bequemlichkeit mit der vernünftigen Erwägung, daß er zur raschen Erlangung einer einträglichen Stellung auch kleine Unkosten nicht scheuen dürfe. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)