Volltext Seite (XML)
Der Blinden- und Taubftummen-Unterricht. 7 Für den Unterricht in der Phyfik fanden wir nur bei Dresden das Modell eines Saugwerkes, des Auges und des Ohres, eine Locomotive mit beweglichen Beftandtheilen. Für den Gefchichtsunterricht dienen Lehrbücher und für Taubflumme Abbildungen wichtiger Begebenheiten. Zum Unterrichte in der Geometrie fanden wir von S c h w a rz aus Brünn auf einem Brete die verfchiedenen geometrifchen Formen aus dünnen Blechftreifen ins Holz eingelaflen, fo wie in Druckfabriken oder zum Vordrucken für weibliche Handarbeiten, als: Schlingen, Sticken die Modelle hergerichtet werden. Geometrifche Körper aus Holz waren ausgeftellt vom Blind eninftitute in Brünn und Dresden. Von letzterer Anftalt lagen auch hölzerne Dreiecke zur Zufammenftellung verfchiedener geometrifcher Formen auf. Einfache, taftbar dargeftellte Zeichnungsvorlagen waren von Glötzl, Hauptlehrer des Wiener Blindeninftitutes, ausgeflellt. Blinde (teilen ihre Nach ahmungen geometrifcher oder anderer Zeichnungen mittelft Stecknadeln auf Kiffen oder auch dadurch her, dafs fie in Wachsflächen mit einem Stifte die Figuren einzeichnen. Auch benützen Blinde dünne Holzftäbchen zur Zufammen- fetzung geometrifcher Formen (Stäbchenlegen und Erbfenarbeiteni oder Streifen aus Papier oder Pappe, oder fie fchneiden Figuren aus Pappe u. f. w. Handarbeiten. Arbeit und Sparfamkeit führen zum Wohlfland und zur Zufriedenheit; Arbeit fchützt aber auch gegen Müffiggang und bewahrt vor einer Menge von Sünden und Laftern und ifl ein vortreffliches Mittel zur Erhaltung der Gefundheit ; Arbeit gibt reichen Stoff zur Geiftesthätigkeit und bietet reines, unverfälfehtes Vergnügen. Auch der Blinde fühlt in fich den natürlichen Trieb zu körperlicher und geiftiger Thätigkeit; wird diefer Trieb nicht befriedigt, fo verfällt er in Trübfinn, endlich in Stumpffinn und Lader. ' Der Unterricht in allen Blinden- und Taubftummen-Inftituten führt ftufen- weife auch zur nützlichen Befchäftigung, und fucht allmälig die Zöglinge dahin zu bringen,^ dafs fie in fpäteren Jahren als nützliche Glieder menfchlicher Gefell- fchaft dafte’nen, dafs fie nicht mehr ihren Mitmenfchen zur Laft fallen, fondern felbft für ihren Lebensunterhalt zu forgen im Stande find; ja, dafs fie eine gewiffe innere Ruhe des Gemüthes erlangen und fich mit innerer Selbftbefriedigung lagen können : „Auch ich bin kein dürrer Aff an dem unendlichen Baume der irdifchen Welt, auch ich trage nützliche Früchte !“ Wenn wir es dahin gebracht haben, dann erfl ifl unfer Werk gelungen und wir können fagen: „Wir haben dem Blinden das Auge, dem Taubflummen das Ohr und die Sprache gegeben, die ihnen die Natur vertagt hat!“ Schon während des eigentlichen Schulunterrichtes beginnen die Zöglinge irgend eine Arbeit zu lernen. Bei Taubflummen find die Schwierigkeiten viel geringer als bei den Blinden. Die Anfichten, welche Arbeiten die Blinden lernen follen, find verfchieden. So lernen die männlichen Zöglinge des Blindeninftitutes in Dresden nur Seilerei und Korbflechterei. Mit Schuhmacher-Arbeiten wurde der Verfuch gemacht, es wurde aber davon wieder abgegangen, während diefe Profeffion im Blinden- inftitute in Wien, Kopenhagen und anderen mit Vortheil betrieben wird. In fo manchen divergirenden Anfichten hat der von Dr. Frankl einberufene Blinden- lehrer-Congrefs eine Einigung erzielt oder w'enigftens angebahnt. Es fei uns hier geftattet, einige Grundfätze, die bei dem Erlernen von Handarbeiten leitend fein follen, und die theilweife auch beim Congrefle aus- gefprochen und angenommen wurden, aufzuftellen.