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Landwirthfchaftliche Lehre und Forfchung. 5 halten ganz freien Unterricht und. wenn fie unbemittelt find, Unterftützungen von der Centralftelle, auch von den betreffenden Gemeinden und Vereinen Seit dem Winter 1869 bis 1870 beftehen in Württemberg auch landwirth- f c ha ft liehe Winter fchulen und wie die rafche Vermehruni; (i8öq bis 1870 Ravensburg, 1870 bis 1871 Reutlingen, 1871 bis t8 7 2 Heilbronn, t8 7 2 bis 1873 Hall und Ulm) beweift, mit gutem Erfolge. Der Lehrplan ift auf zwei Winter berechnet; der Unterricht wird in wöchentlich 36 Stunden ertheilt, und zwar in der deutfehen Sprache, Rechnen, Geographie, Geometrie, Chemie, Phyfik und Mecha nik, Thierkunde, Landwirthfchaft, Zeichnen. Die landwirthfehaftlichen Winter- fchulen haben neben den übrigen landwirthfehaftlichen Bildungsanftalten ihre felbftftandige Bedeutung. Sie haben mit den Acker- und Weinbau-Schulen gemein den methodifchen Unterricht, ertheilt von berufsmäfsigon Sachverftändigen durch welch’ letzteren Umftand in Verbindung mit der Ausdehnung der Lehr’ aufgabe und der ihr gewidmeten Zeit. üe f.ch von den Fortbildungsfchulen unterfcheiden. Sie befchränken f i ch auf t heore tifche Bi I dung mi t Ausfchlufs des praktifchen Betriebes. Als Ziel der landwirthfchaft- lichen Winterfchulen wird bezeichnet: Anregung und Anleitung zum felbftftändi- gen Nachdenken, Fortbildung in den der Volksfchule angehörigen Fächern msbefondere Fertigung von Auffätzen, Rechnen, Erlangung der Kenntnifs des Wefentlichen aus der Naturkunde, Hauptgrundfätze der Landwirthfchaft der Thier- beziehungsweife Thierheilkunde. Zugleich wird auch Veredlung der Sitten namentlich des gefelligen Verkehrs angeftrebt und Gelegenheit zu einer felbftftandigen angemeffenen Bewegung aufserhalb der Heimat oder dem Betriebe eines landwirthfehaftlichen Gutes und damit ein Beitrag zur Bildung des Cha rakters geboten. Alle diefe Schulen ftehen unter der nächften Aufficht der Centralftelle für die Landwirthfchaft, welche den aus S t a a t s m i 11 e 1 n zu befoldenden Vorftand und jeweiligen Landwirthfchaftslehrer beruft. Ackerbaufchulen befitzt Württemberg vier : die fchon im Jahre 1818 gegründete in Hohenheim für den Neckarkreis, Ellwangen (1843) für den Jaxtkreis, Ochfenhaufen (1843) für den Donaukreis, Kirchberg (1851) für den Schwarzwald- kreis. Alle diefe Schulen gehören zu den fogenannten praktifch-theoretifchen das helfet, die Zöglinge werden neben dem theoretifchen Unterrichte praktifch in dem mit der Schule verbundenen Gutsbetriebe verwendet. Der Vorfteher der Schule der zugleich Pächter der mit der Anftalt verbundenen Staatsdomäne ift und als folcher diefes Gut für eigene Rechnung bewirthfehaftet, wird auf Vorfchlag des Cultus- mimfteriums durch den König, der Lehrer von der Centralftelle auf den Vorfchlag des Vorftehers ernannt. Die Dienft- und Penfionsverhältniffe der Lehrer an den Ackerbaufchulen find denjenigen eines Volksfchul-Lehrers gleich. Der von dem Vorfteher anzuftellende Wirthfchaftsauffeher bedarf der Approbation der Cen tralftelle. Wöchentlich in zwei Stunden ertheilt auch ein Thierarzt Unterricht. Die Unterrichtsfächer find: Pflanzenbau, Thierzucht, Lehre von den landwirthfehaft lichen Gewerben, Einrichtung und Betrieb kleiner Wirthfchaften, deutfehe Sprache, Arithmetik, Geometrie nebll Feldmeffen, Thierheilkunde, das Nöthige aus der allgemeinen Naturlehre mit Rücklicht auf Landwirthfchaft. Der Curfus ift ein dreijähriger und nur bei Kirchberg wurde feit Herbft 1872 ein Verfuch mit einer blos zweijährigen Lehrzeit eingeleitet. Den Zöglingen hat wöchentlich der Vorfteher im Winter vom I. November bis zur Beftellung der Sommerfaat wenigftens 7, im Sommer mindeftens 6 Stunden, der Lehrer im Winter mindeftens 10, im Sommer mindeftens 6 Stunden regel- mafsigen Unterricht nach den aufgeftellten Lehrplänen zu geben. Die Dauer der bei der Wirthfchaft zu leidenden Arbeit ift während des Frühjahres, Sommers und Herbftes täglich auf 10 Stunden feftgefetzt und. vermindert fich im Winter mit der Abnahme des Tages bis auf 8 Stunden.