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70. Jahrgang. Zh 824 Sonnabend. 7. November 1S28 2V 241. «u» stk «ach»,«spr»ch,! 20011. B-zugs-Debühr l Di» vnz»il>»>> ««»«, nach Doldinar» d. Anz-ig-n-Pretle: K/ ' auh»rdolb SouPsg Vfterlenkieduiir 10 Psg. Au««. Aufträge g«g»n Vorau»d«z> Aochdruch nur mft deuNicher Suellenangad» «„Dresdner Aachr."> »uläMg. Unoerlan,«» SchriftstÜche werden ntchl ausdewadrt. Schrifstestung und chaupigeschäft^l«»»: «artensteaft, SS/42 Dr»ch ». Vertag von Meplch ch VeichardI « Dre»de». Poftschech-ÄonI» 1OSS Dre»de». l">o1sl Vellevue HI»stimt1t»g-1'»» mit ^orirvl-t. mittag- unct -Vbarict-Tskst irn Dsi-vssssn-Saal »r> etsr LIba. Sskemnt« vovnsttrrisst'sfslrnusll«. kv»r»SIv m Xon»«rennlminvr. l^ittwock /^bsn6 I^SUIIjOII Iie Reichstagsauslösung kaum vermeidbar! Die sozial-emokratifche Aeichslagsfrakllon billigt -en Entschluß -es Fraktionsoorstandes. Neuer Notenwechsel zur Kölner Frage. — Zollkrieg zwischen Deutschland und Spanien. — Das Münchner Gutachlen Oberst Jochims. Das Ergebnis der Fraktionssitzung. Berlin, «. Nov. Die sozialbemokratischeRetchö- tagösraktton hat am Frettagnachmittag in dreieinhalb, stündiger Sitzung den Bericht de- Vorstandes über die politische Lage entgegengenommen und ist zu dem Beschluß ge- kommen, daß sie die Haltung dcS Fraktionsvorstandes billigt. In bezug auf die Einberufung des Reichstags wird sich die Fraktion mit dem RetchStagSpräsidenten Löbein Verbindung sehen, von dem erwartet wird, daß er schon morgen, Sonn» abend, zurückkehren könnte. Der Beschluß dcS Fraktionsvorstandes vom 38. Oktober ging bekanntlich dahin, daß sich durch den Austritt der deutsch, nationalen Minister aus dem Kabinett an der scharfen Oppo- sitlonSstellung der Sozialdemokraten gegen die Regierung Luther nichts geändert hat. Die Sozialdemokratie, so hieß cs in dem Beschluß weiter, kann nicht daran denken, die Deutsch- nationalen aus der Verantwortung zu entlassen, und in diesem Reichstag den Vertrag von Locarno, in dem sie den großen Erfolg ihrer außenpolitischen Richtlinien erblickt, gegen die Stimmen der Deutschnationalen zu ratifizieren. Sie steht de» geeigneten Weg zur Lösung der Krise in der Befragung des Volkes vermittels der Auflösung des Reichstags. Gegenüber anderslautenden Meldungen bestreiten die Sozialdemokraten, baß am Freitag Verhandlungen zwischen Vertretern der sozialdemokratischen RctchstagS- fraktion und der Reichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei stattgefunden haben. « Mit dem sozialdemokratischen Beschluß, der nunmehr kaum noch überraschen konnte, ist die Reichstagsauflösung fast unvermeidlich geworden. Wieder einmal hat engstirnige Parteipoltttk über die Forderungen der politischen Vernunft und des VcrantwortungSbewußtseinS gesiegt, wieder einmal soll das deutsche Volk in Wahlkämpfe gestürzt werden, deren letzter Sinn nach der Auffassung der Sozialisten keineswegs in einem Votum des Volkes über Locarno liegt, sondern die nur dazu dienen sollen, die sachlichen MetnungSverschieden. heilen »wischen den bisherigen Regierungsparteien zu ver tiefen nnd eine retnbürgerliche RcichSregierung auf lange Aeit unmöglich zu machen. Darum, nicht um die Annahme oder Ablehnung von Locarno, wird es gehen, wenn es der Sozialdemokratie gelingt, mit Hilfe der von ihnen hartnäckig bekämpften Kommunisten die RetchötagSauslösung durch, zudrückcn. Es wird gut sein, aus diese Tatsache von vorn- herein das Hauptgewicht zu legen. Im Hinblick auf die Hoff nungen der Sozialisten ergibt sich die Parole, mit der die bürgerlichen Parteien in den Kampf ziehen werden, falls er unvermeidbar ist, ganz von selbst, sie kann nur heißen: Ge meinsame Front gegen diejenigen unserer Kriegsgegner, die den wirklichen Frieden nicht wollen, — gemeinsame Front aber ebenso gegen diejenigen im Lande, die den Frieden mit Vorbedacht stören. Daß eine Partei die Auflösung deS Parla ments fordert, obwohl dieses Parlament die Mehrheit für den von den Sozialisten sehnsüchtig erhofften Locarno-Pakt stellen könnte, zeigt die ganze hinterhältige Taktik der Sozialisten im hellsten Lichte. Es ist sehr zu wünschen, daß da« Volk auf dieses Spiel, das mit ihm getrieben wird, eine Antwort geben wird, die Hörner und Zähne hat. Der votttsparlelttche Slan-pnnkt in der gsra>e der AablneNsumbUdung. Berlin, S. Okt. In den Kreisen der VolkSvartei hält man an der Ansicht fest, daß die Frage der Kabinetts- Umbildung erst nach dem 1. Dezember behandelt werden könne. Dr. Wirih znriiekgekehrl. Breme«, 0. Nov. Der frühere Reichskanzler Dr. Wirth ist heute mittag auf dem Llvyddampfer „Columbus" von seiner achtwüchigen Amertkarctse nach Deutschland zurück- gekehrt. Mit ihm kamen von den 29 deutschen Delegierten, die an der 2S. Tagung der Interparlamentarischen Union in Washington tcilgenommen hatten, zehn Damen und Herren zurück, darunter der frühere Retchsjustizmtnistcr Dr. Em mi n g e r. Ein zweiter Teil der deutschen Delegation unter Führung des RetchStagSpräsidenten Löbe kommt auf dem Hapagdampfer „Deutschland" zurück, während ein dritter Teil unter Führung von Professor Schücktng auf dem Dampfer München" bereits hetmgekehrt ist. Eine Rechlferligung Dr. Skresemanns. Berlin, 6. Nov. Vom Reichsanßcnministcr Dr. Strese- mann geht uns folgende Erklärung zu: Anläßlich eines Vortrags bei einem Prefseempfang in Dresden sind in der „Berliner Börsenzeitung" Veröffent lichungen erschienen, denen gegenüber ich folgendes fest- zustcllcn habe: Nach der „Berl. Börsenztg." hätte ich bei diesem Prefseempfang über Aeußerungen gesprochen, die der frühere Reichsminister Schiele in einer Sitzung des Kabinetts ge macht hätte, sowie über Vorgänge, die sich an seine Ver abschiedung vom Kabinett-geknüpft hätten. Tatsächlich habe ich in meinem Vortrag bei der Presse nnd in der anschließenden Diskussion, in der ich auf Anfrage aus Kreisen der Presse vertreter antwortete, den Namen des Herrn ReichSministers Schiele überhaupt nicht genannt und mich mit irgendwelchen Vorgängen in einer Kabinetts sitzung überhaupt nicht befaßt. Ueber meine Aus führungen sind zwei stenographische Niederschriften vorhanden, deren Wortlaut dies klar erweist. Im übrige» hat der Ver- fasser des in der „Berl. Börsenztg." abgedruckten vertraulichen Berichts von sich aus einem Beamten der Presseabtcilung der RcichSregierung die Erklärung abgegeben, daß ich die Aeußerungen, die sich in seinem Bericht befanden, nicht getan hätte. Die gegenteiligen Behauptungen sind sonach als vollkommen unwahr und erfunden zu be- zeichnen. Wenn Veröffentlichungen in einem Hamburger und einem Berliner Blatte mit mir in Zusammenhang gebracht werde», so darf ich darauf Hinweisen, daß die Veröffent lichungen des Hamburger Blattes sich im Wortlaut an die Veröffentlichungen der „Verl. Börsenztg." anschließt, also auS derselben Quelle stammen dürften. Ich stehe den Ver öffentlichungen der beiden Blätter vollkommen fern und habe von ihnen überhaupt erst nach dem Erscheinen Kenntnis er halten. Erst heute habe ich davon erfahren, daß die Veröffent lichung eines dieser Blätter, die sich auf eine Erklärung des Reichsministers Schiele in einer KabinettSfitzuNg bezieht, von dem Verfasser dieser Zuschrift an das betreffende Blatt auf eine mit mir gehabte Unterredung zurückgeführt wird. Da mir der Name des Verfassers nicht bekanntgegeben wurde, kann ich darüber eigene Feststellungen nicht machen. Wenn ich in einer privaten Aeußerung davon ge sprochen haben sollte, daß die deutschnationalen Minister ihre Zustimmung zu der Arbeit der Delegierten in Locarno aus gesprochen hätten, so ist diese Aeußerung wahrscheinlich her vorgerufen durch die Polemik, die sich an die Erklärung rechts stehender Blätter über den scinerzeitigen Zwischenruf des Reichskanzlers im Auswärtigen Ausschuß knüpfte und die eine Zustimmung der deutschnationalen Mitglieder des Kabinetts zu dem gefaßten KabtnettSbcschluß in Abrede stellte oder diesen selbst nur als einen formellen Be- schluß über die Berichterstattung des Außenministers aus- gefaßt wissen wollte. Eine derartige private Aufklärung über be» tatsächliche» Sachstand konnte übrigens von dentschnatioualer Seite »m so weniger angegriffen werden, als die „Dcntschnattonale Kor respondenz" selbst die Veröffentlichung der Protokolle der Kammersitznnge« gefordert hat. Ich muß mich aber entschieden dagegen verwahren, daß eine derartige private Aeußerung an die Presse, noch dazu in einer den Tatbestand nicht entsprechenden Form weiter- gegeben wird. Zu Angriffen gegen den Minister Schiele boten im übrigen irgendwelche Mitteilungen über seine Stellungnahme überhaupt keinen Anlaß. » Herr Sydow, der bisherige Dresdner Korrespondent der „Berliner Börsenzcitung", legt auf die Feststellung Wert, daß er unmittelbar nach Bekanntgabe seines vertraulichen Berichtes in der „Börsenzcitung" und nicht erst nach Veröffentlichung der amtlichen Erklärung» seine Be ziehungen zur „Börsenzcitung" gelöst hat. Kin-enburg — Deutschlands beste Propa ganda. Prag, 6. Nov. Das dem Außenministerium nahestehende Lcginärorgan befaßt sich heute ausführlich mit der Stellung HindertburgS als Präsident des Deutschen Reiches. Htndenburg, so schreibt das Blatt, dient, unbekümmert darum, daß auS dem Deutschen Reiche eine Republik geworden ist, seinem Baterlanbe so treu, wie er dem Kaiser Wilhelm ge- dient hat. Der alte Feldmarschall ist ein warmer nnd ent schiedener Patriot. In seiner Seele ist er sicher Monarchist, aber er hat schon einmal bet der Abdankung Kaiser Wilhelms bewiesen, daß er den Staat über den Kaiser stellt. Htndenburg ist ein Instrument zur Festigung der Republik geworden. Wie anberS sah der Popanz au», be« un» die Demokraten a» die »and «alte». Die Regle ln -er Kölner Frage. Einer der vielen hellhörigen demokratischen Acrzte der Politik hat jetzt in der „Franks. Ztg." sestaestcllt, baß iu Locarno daS Herz des Weltfriedens zu schlagen begonnen habe. Er ist damit weit zurückhaltender als alle seine Kol legen, die diesen Herzschlag schon in Cannes in Genua und vor allen Dingen bei der Tawes-Konferenz in London wahr- nahmen. Damals führte der Reichskanzler Marr den Neigen der Vertrauensvollen, indem er die Hoffnung aussprach, daß „mit der Londoner Konferenz eine neue Epoche cingeleitet sei. in der die «roßen internationalen Probleme nicht mehr durch einseitige ultimative Entscheidungen und nickt mehr durch Mittel der Machtpolitik, sondern auf dem Wcae des friedlichen Ausgleichs der Interessen gelöst werden würden". Die ver nichtende Antwort der Entente kam mit dem schnöben Ver tragsbruch der Nickträumung Kölns, der großzügigen Kon- trollspionage. der allgemein als Hohn einvfundenen Ent- wasfnnnasnote und dem Anschlag gegen unsere Handelslust fahrt. Mit dem Frtcdcnsgcist war es also damals nichts. In den Weihnachtstagen des vorigen IakireS. als sich der Kölner Vertragsbruch bereits deutlich abzetckmete. ließ sich Dr. Marr denn auch also vernehmen: ,An Deutschland würde daS Vertrauen auf die lovale Vertragserfüllung der Alliierten eine schwere Erschütterung erfahren und der Befürchtung Platz machen, daß der große Preis, den wir mit der Ueber- nahme der Lasten aus dem DaweS-Gntachten gezahlt haben, vergeblich gezahlt worden sei." Nun, was ein echter Pazifist ist. läßt sich nickt enttäuschen Aber eS ist doch nickt ohne Wert, sich die damaligen Hoffnungen zu vergegenwärtigen, um die geschickte Regie der Entente zu erkennen, mit der eine Frage, die nichts ist als die Beseitigung eines BertranensbruSs. die eine „logische AnSwirkung" der Dawes-Konferenz und seit Jahresfrist bereits hätte erledigt sein müssen, zn der Hauptattraktion der „Auswirkungen von Locarno" acstempelt werden soll. Und wenn setzt vielleicht von deutscher Seite versucht wird, nack den ersten cmbrnonalen Herzschlägen des Weltfriedens ln einer Räumung Kölns feine Geburtsstunde festzustcllen, so wird man nickt umhin können. Schein und Wirklichkeit in der Weise von einander zu trennen, wie es eine reale politische Einstellung erfordert. Der Orakelsprnch Ser Botsckasterkonferenz am Freitag bringt zunächst durch den nochmaligen Notenwechsel eine neue unerhörte Verschleppung. Im übrigen kann man nicht daran zweifeln, daß ihr endgültiger Spruch in der Richtung gehen wirb, wie ihn die französische und englische Presse schon klar genug angedeutet hat. Man wird nach weiterem end losen Hin und Her einen Termin sür den Beginn einer sechr langsamen Räumungsaktion ansetzen, an den Kontrollmaßnahmcn aber sestbalten, bis die letzten Punkte der Entwaffnungsnote erfüllt sind. An sich besteht natürlich zwischen Köln und Locarno keinerlei Zusammen hang. Dr. Luther und Dr. Stresemann haben eS stets in Ihren Aeußerungen mit aller Deutlichkeit betont, daß wir ein Recht auf die Räumung Kölns haben, nnd daß die Räumung der ersten Zone niemals zu irgendeiner Art Tauschgeschäft oder Rückwirkung gemacht werden könne. Wenn trotzdem die Kölner Frage immer in einem Atem mit den sogenannten „Rückwirkungen" von Locarno genannt wird, so wird daS dadurch erklärlich, daß ihre befriedigende Lösung natürlich die Voraussetzung Irgendeiner deutschen Unterschritt sein muß, obwohl auch nicht verkannt werden kann, daß dadurch die Arbeit Ser Ententcregie beträchtlich erleichtert wirb. Denn auch England und Frankreich haben eS in der ganze» Sicher- heitsdisknssivn stets abgelehnt, Köln und den Westpakt mit einander in Beziehung zu bringen, da die Räumung Kölns lediglich von der Erfüllung des rigorosen Enttvafsnnngs- diktatS abhänge. Trotzdem soll uns jetzt die Räumung Kölns qlS Rückwirkung präsentiert werden, als eine große, versöhn liche Geste Briands! Darauf zielt inan in Paris ganz un verkennbar ab. Und ivas in all den Erörterungen über Köln vollständig untergeht, ist die Tatsache, daß wir, ganz ab gesehen von den Lasten, die wir mit dem Dawcs-Plan auf uns genommen haben, einen grotesken Kaufpreis für die Räumung im voraus bereits bar entrichtet haben. Die sinnlosesten Forderungen der Entwafsnungsnote auf Niesen- zerstörungen deutscher Wirlschaftswerte sind erfüllt. Tie großen kostbaren Drehbänke nnd Maschinen bet Krupp, die, völlig auf Friedensproduktion umgcstellt, der deutschen ver- arbeitenden Industrie wertvollstes Material geliefert habe«, ^nd vernichtet, Himderte von Maschinen in allen größere»