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28 Rudolf Baron Potier des Echelles. Die bildende Kunft, indem fie die That felbft unmittelbar vor Augen fuhrt, wirkt ungleich mächtiger als des Sängers Lied oder des Hiftorikers Griffel. Sie erfetzt die formenwechfelnde Tradition; und von den Perfern an, deren Siege heute noc.i die Felfendenkmale von Perfepolis verkünden, bis auf die neuefte Zeit, lft es die bildende Kunft, welche, gleichviel ob in Marmor oder Erz, durch Pinfel oder Griffel kommenden Gefchlechtern die grofsen ruhmesvollen Thaten eines ganzen Volkes wie der Einzelnen erzählt, fie der fernften Nachwelt erhält und überliefert zu immerwährender Ehr’ und Beifpiel. Wirkt fo die b il d e n d e Ku nft in hohem Grade veredelnd und begeiitemd, fo erhält fie wieder ihre fchönften und beften Motive aus der zum höchften Effect gefteigerten Entwicklung menfchlicher Tugenden und Leidenfchaften, die nur dort durchbrechen können, wo eben oft um Höheres als das blofse Leben, um die Ehre und das Glück des Vaterlandes geftritten wird. — Und nicht nur der Sieg, auch das ehrenvoll erlittene Unglück findet gerade durch die bildende Kunft oft Troft, Hoffnung und Muth zu neuer Thätigkeit! Sie ehrt die kriegenfchen Tugenden ; und gewifs war jenes Bild in der franzöfifchen Abtheilung ion mächtigem Eindrücke, welches die „grofse Armee“ auf den Schneefeldern Rufs lands und einen Krieger von den Pyramiden zeigt, der, fymbolifch von den Genien der Pflicht und des Muthes verklärt, trotz fchweren, blutenden Wunden, doch noch in opferwilliger Hingebung feine verzagenden Kameraden ermuthigt. Nicht minder erhebend ift die Verewigung des denkwürdigen Momentes, m welchem Don Juan d’Auftria bei Lepanto das türkifche Admiralfchiff entert, und damit den Sieg entfcheidet, welcher den Türken 200 Galeeren und 30.000 Mann koftete und deren dominirende Seemacht für alle Zeiten brach; oder endlich jene Attaque der öfterreichifchen Küraffiere in der Schlacht von Würzburg, m welchem Gemälde das „Moriamur pro rege noftro“ charakteriftifchen Ausdruck fand. Tiefe Bewegung mochte auch jenes mit der nnnvollen Unterfchrift „in fanguinem martyris faemen vitae“ gezeichnete, und für die Kirche von Clermont beftimmte Glasgemälde her vorgerufen haben, welches den „Küraffier von Reichshofen“ darftellt, der, mit der Todeswunde im Herzen hinfmkend, noch die Fahne hoch hält. In Italien fand ein äufserft ftimmungsvoll gedachter undausgeführter Bajonettangriff der Berfaglieri, vor allem aber die grofse Statue der „Gefchichte“ viel Beifall; während die grofsen Modelle des Genfer Nationaldenkmales und des jenigen, mit welchem die Schweiz das Andenken der „Spartaner“ von St. Jakob ehrt, das allgemeine Intereffe feffelten. In Rufsland war es befonders das „Treffen von Karftula“ in Finn land 1809 deffen Darftellung neben einigen anderen Schlachtenbildern, wegen der lehr gefchickt wiedergegebenen eigenthümlichen Gegend und Nebenumftände befondere Beachtung fanden. Die belgifche Kunft verewigte die Harangue des Bürgermeifters von Antwerpen, der die Bürger zur wackeren Vertheidigung der Stadt auffordert, dann den Rückzug der Vogefen-Armee 1871 in die Schweiz, und eine Epifode von Sedan. Am reichften waren Bilder vom Kriege in Deutfchland ausgeftellt, und bildeten — wie natürlich — die letzten Riefenkämpfe den Vorwurf zu den gelun- genften Gemälden. Ernfte Kämpfe, das Marfch- und Lagerleben, treue Kamerad- fchaft, hingebende Liebe und Anhänglichkeit zu bewährten Führern, mit einem Worte alle Kriegertugenden fanden ihre bleibende Würdigung durch die Kunft, welche auch der aufopfernden Menfchenliebe in den „Weinbergen bei Wörth“ und „barmherzige Schwellern auf dem Schlachtfelde“ ein ehrendes Denkmal widmete. In das Gebiet des Genrebildes gehört zwar die Darftellung des „Eintreffens der Siegesnachricht von Sedan in einer Stadt“, doch, indem fie die Theilnahme des Volkes an den Gefchicken der Armee illuftrirt, verdient fie gewifs ebenfo Beachtung, als die „preufsifchen Werber“ den ungeheueren Unterfchied zwifchen geworbenem und dem aus der allgemeinen Wehrpflicht gebildeten Volksheer markiren.