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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 18.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030418014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903041801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903041801
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Unvollständig: S. 14-15 fehlen.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-04
- Tag 1903-04-18
-
Monat
1903-04
-
Jahr
1903
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 18.04.1903
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runge» der Leipziger Bank an ihn, den Beklagten, dis zur Höhe von 60000 Mark schriftlich als Selbstschuldner verbürgt. Sem Schwiegervater habe gleichfalls mit der Leipziger Bank m Gc- jchostsverbindung gestanden und zur Zeit der Konkurseröffnung bei der Bank ein Guthaben von 72937 Mark gehabt. Es habe somit der jetzt gegen ihn geltend gemachten Hauptforderung von 78 OSb Mark eine Forderung des Bürgen an die Bank in Höhe Durch Schreiben vom : der Bank angezcigt, das, ^ „ die Forderung der Dank oufrechne. 'Hierdurch sei die Klageforderung mindestens am 1. Juli 1801 nach Hohe von 60000 Mark erloschen. Der Anspruch sei aber auch noch weiter nach Höhe eines Betrages von 10000 Mark er- loschen. Seine Ehefrau habe nämlich em auf ihren Namen aus gestelltes Sparkassenbuch der 4lucr Sparkasse mit einer Einlage von 10000 Mark besessen und ihm in die Ehe eingebracht. Im Monat September 1900 habe er dieses Sparkassenbuch der Leip ziger Bank zur Sicherstellung für deren Ansprüche aus der gegen- seitigen Geschäftsverbindung ausgchändigt. Aus Veranlassung des Leiters der Auer Filiale der Leipziger Bank sei die Spareinlage gekündigt und im Dezember 1900 abgehoben worden. Ter ab gehobene Betrag sei dann aber nicht auf sein Konto verrechnet, sondern in seinem Einverständnisse an die Bank auf ein von ihr aus den Namen seiner Ehefrau ausgestelltes Einlagebuch eingezahtl worden. Aus der Anlegung dieses Buches ergebe sich eine For derung an die Bank aus Rückgcwährung der Einlage von 10000 Mark nebst 4 Prozent Zinsen seit dem I. Januar 1901. Mil dem Betrage von 10000 Mark nebst Zinsen rechne er gegen den Rest der Klagforderung auf. Hierzu sei er befugt, da ihm seine Ehefrau nicht allein das Sparkassenbuch eingebracht, sondern auch ausdrücklich genehmigt habe, daß er das Buch zur Sicher- stellung für die Forderungen der Bank aus dem Geschäftsverkehr mit ihm verwende. Die Bank ist dagegen der Meinung, daß die AufrcchnungSerklärung GantcnbergS, welche sie übrigens bereits im August 1901 zurückgewiescn hak, der Klagefordcrung nicht ent- gegenstehe. Das Landgericht Leipzig hat de» Beklagten verurteilt, der Bank 19035 Mark nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 30. Juni IM und 45 Mark Provision zu bezahlen, die Klage im übrigen aber, d. h. wegen des Teilbetrages von 60000 Mark insoweit dem Angeklagten beitretcnd. abgewiesen und der Klägerin dem Beklagten V«» der Kosten auferlegt. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat darauf durch Teilurteil unter Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten die Berufung der Bank zurückgcwiesen. Die hiergegen von letzterer eingelegte Revision ist vom Reichsgericht verworfen und somit das Urteil der Vorinstanz bestätigt worden. Das Reichsgericht sagt in seiner Begründung, daß, wenn auch von einer analogen Anwendung der 268, Abs. 2, 1142, 1224 und 1249 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf die Bürgschaft nicht die Rede sein könne, so doch aus diesen Gesetzesbestimmungen auf eine zu ver mutende Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden müsse, einen ähnlichen Vorteil, wie er dem Real-Jnterccdcnten in Gestalt einer Art von Ablösungsbefugnis gewährt ist, auch dem persönlich inter- cedierenden Bürgen, wenn auch auf anderem Wege, zukommen zu lassen. Mit diesem Erkenntnis des Reichsgerichts >var aber nur ein Teil deS Prozesses, der sich auf die Forderung auf 60000 Mark bezieht, beendet, nicht entschieden aber damit die Klage der Leip ziger Bank gegen Grunert auf Zahlung der 18035 Mark, die dieser mit dem Sparkassenbuche ausgerechnet haben wollte. Die erste Instanz hatte in diesem Falle zu gunslen der Klägerin entschiede». Diese Klage bezüglich der Restsumme von 18035 Mark steht jetzt zur Verhandlung, in der die beiden gegnerischen Rechtsanwälte Hänichen und Klöppel jedoch nur Bericht erstatteten über de» gegenwärtigen Stand des Prozesses. Die Urtcilsfällung wird >n Kürze erfolgen. — Landgericht.' In dem Prozesse gegen Rechtsanwalt Dr. Bernhardt wurde gestern mittag die Zeuaenveruebmuug beendet. Aus der Beweismittelliste stellt nur noch ein Protokoll über die kommissarische Vernehmung des Advokaten Fobre in Montreux, welches telegraphisch elngciordcrt worden ist. Der Gerichtshof hoffte, dassekbc bis nachm ttags 4 llhr zu erlangen. Nach Verlesung des Aktenstückes sollen die Maidoyers ihren An fang nehmen. DaS Schriftstück ist jedoch nicht eingeaangen, »nd da weder Staatsanwalt noch Verteidiger auf das Beweismittel Verzichten, wird laut Gerichtsbeschluß die Verhandlung a»s Montag mittag >2 Ubr vertagt. — Die 3. Strafkammer verurteilt 3t Milsttirdienstostichtiae. welche ohne Erlaubnis anSgcwandert sind und sich so dem Dienste im Heere odei in der Marine ent zogen haben, zu je 300 Mk. Geldstrafe oder 30 Taaeu Gefängnis. Keiner der Angeklagten ist zur Vcrkandlnng erschienen. — Der Kutscher Emil Max Freitag, der Schlosser Otto Oskar Franz Lenz und der Arbeiter Friedrich Max Oelschncr prügelte» sich zur Nachtreit auf dem Zeugbansvlatze herum und verübten rilhestören- den Lärm. F. erkält W Mk. Geldstrafe oder 5 Dage Gefängnis, während L. und O. mit je 10 Mk. Geldstrafe oder 2 Taoen Ge fängnis davonkommen. Alle drei werden zudem beschuldigt, in Gemeinschaft mit einem Vierten einen hiesige» Händler um 30 Zentner Kartoffeln und 112 Mk Bargeld geschädigt zu habe». Dieser Teil der Anklage muß jedoch für später obgetrennt werden. — Der Kutscher Bernhard Hartmaiin fuhr ans der Marschallstraße mit seinem Lastgeschirr ans Unachtsamkeit in einen Straßenbahn wagen hinein. Er bat 30 Mk. Geldstraic zu zahlen oder 0 Tage Geiängnis zu verbüßen. — Der noch jugendliche Handarbeiter Arthur Ernst Heine benahm sich im Gasthose zu Birkigt ungehörig und mußte blnansgesteckt werden, leistete aber Widerstand. Außer dem stahl er einem hiesigen Faßsabrikanten eine eichene Bohle. Er erhält 5 Monate 1 Woche Gefängnis und 2 Wochen Halt. — DaS Urteil gegen die Hausbesitzerin Franziska Nickel geb. Haback aus Metntk lautet ans 3 Wochen, nicht, wie irrtümlich angegeben, auf 3 Monate Gefängnis. — Fm SescbSftSbereichedes Ministeriums deS Kultus und öffentlichen Unterrichts sind zu besetzen: Demnächst die Kirchschulftelle zu Quesitz bei Markranstädt. Koll.: die oberste Schulbebörde. Außer Amtswohnung 708,08 M. vom Kirchen-, 1200 M. vom Schuldienste. NO M. für den Unterricht in der Fortbildungsschule. 55 M. für Turn unterricht. Für den Unterricht in weiblichen .Landarbeiten, den event. die Krau des Lehrers übernehmen kann, 80 M. Gesuche bis 6. Mai au Bczirksschulinspektor für Leinzia II Schulrat Zimmler: — die Sckmlsielle zu Naundorf. Koll.: die oberste Schulbehörde. Außer freier Kobnuua im SchulbauS und Gartengenuß 1204,78 M. Grundgehalt, 165 Nt. für Fort bildungsschul- und Turnunterricht, bez. 45 M. der Frau für vandarbeits- unterricht. Bewerbungsgesuche bi« 30. April an Bezirkskchnliuspektor Schulrat Schütze, Bautzen: — die mit zu erhoffender ministerieller Ge nehmigung neu errichtete k. ständige Lchrerstelle an der 7ftnsigen Schule zu Zschortau. Erzgeb. Koll.: die oberste Schulbehörde. Eiusibl. Wobnungv- geld 1500 N. AnfangSgebalt und 110 M. für 2stünd. FortbkldungSsclnil- unterncht. Bewerbungsgesuche bis 3. Mai an BezirkSschuliiispÄltor Dr. Förster, Schwarzenberg. TaueSgeschlchte. Deutsches Reich. Von verschiedenen Seiten ist mehr oder weniger scharf kritisiert worden, daß die Regie- rung gar nicht einmal versuche, einen Einfluß auf die Wahlbewegung und das Resultat zu gewinnen, daß sie nebenbei stehe, als ginge sie die Sache eigentlich gar nichts an, daß sie ihre nächsten und wichtigsten Ziele, ihr Pro gramm — wenn sie einS hat — möglichst verhülle. Freilich auf der oppositionellen Linken, in freisinnigen und sozialdemokratischen Blättern, spottet man über dieses Bedürfnis, von der Regierung eine Richtschnur und Hilfe zu erhalten. Bezeichnend ist, wie das führend« demokratische Organ sogar dem Grafen Bülow insinuierte, er habe „scchr geschickt" alsbald mit der Jesuitenstage einen Zank- opfel in die Zolltarifsmehrhcit geworfen, also er habe statt zu sammeln, nur weiter verwirren und spalten wollen. Aber selbst ein Blatt wie die Münchener „Allg. Ztg.", die von dein Verdacht, allzu oppositionslustig zu sein und an der Politik des Reichs kanzlers nörgeln zu wollen, sicherlich nicht getroffen werden kann, stimmt in die Klage mit ein und schreibt: „Durch fast alle nationalen Blätter geht gegenwärtigdas Verlangen, daß die Regierung beim Herannahen der neuen Wahlen ihre Stellung zu den wichtigsten Fragen, die in de- nächsten Legislaturperiode zu lösen sein werden, io weit präzisieren mochte, daß daraus einigermaßen der zu neuernde Kurs erkennbar werde. Man wünscht allgemein eine Orientierung der Wähler, was sie von der Regierung zu erwarten haben, um welches Programm sie sich scharen sollen. Man will doch wenigstens einen Ersah haben für das, was man gemeinhin eine ^Wahlparole" nennt. Eine wirkliche Wahlparole, d. h. eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung und größerer Tragweite, deren Lösung in einer bestimmtm gesetzgeberischen Arbeit zu- sammengcsaßi erscheint — so etwas, wie eS seinerzeit in der Flotten vorlage oder in einer umfassenden Militärvorlage gegeben war —. daS werden wir jetzt natürlich vergebens suche». Aber die Wähler wollen doch gegenüber einer Verfassung und Tradition, die so stark die Initiative der Regierung betont, nicht ganz und gar sich selbst überlassen sein. Diese Forderung ist um so mehr gerechtfertigt, als die Parteien, die für eine ersprießliche nationale Entwicklung das stärkste Hindernis und die größte Gefahr bilden, den größten Bor teil aus dem Fehlen einer Wahlparole ziehen." ^ .. Der Verband der Gast- und Schankwirte für Berlin und Umgegend erläßt einen Wahlaufruf an die deutschen Gast wirte. Es werde sich im neuen Reichstage um eine wesentliche Erhöhung der Biersteuer und auf der anderen Seite um die noch rückständige Ausführung der Douglasbeschlüsse des Abgeordneten hauses handeln. Eine Schutzkommijsion lei von den Gastwirten geschaffen worden zur Abwehr der dem Gastwirtsstande hieraus drohenden Gefahre». Deren Aufgabe werde cs lein, mit de» ver schiedene» Parteivorständen Fühlung zu nehmen. Die vom Reichskanzler veranlaßlen Erhebungen über eine etwaige Herabsetzung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeite rinnen sind nunmehr abgeschlossen Die Arbeitgeber haben sich nahezu ausnahmslos, darunter auch diejenigen, die bereits von ihren Arbeiterinnen nur eine zehnstündige Arbeitszeit bei einer Mittagspause von l'/z Stunden verlangen, entschieden gegen eine gesetzmäßige Festlegung solcher Arbeitszeit erklärt. Hauptsächlich wird geltend gemacht, daß ein gewisser Spielraum bestehe» müsse, schon damit manche Betriebe, die, wie beispielsweise Färbereien, im Winter das knappe Tageslicht ausziinntzen hätte», in der Lage seien, die Mittagspause nur auf eine Stunde scstzufctzcn oder im Sommer elf Stunden arbeiten zu lassen, wenn besonders zahlreiche Aufträge Vorlagen, Würde man ihnen dies durch die vom Reichs- kanzlci ins Auge gefaßte Abänderung des 8 137 der Gcwerbeord- nung unmöglich machen, so würde die Folge sein, daß sie Arbeiterinnen überhaupt nicht mehr oder nur in beschränkter Anzahl einstellen würden. Es ist demnach anzuinchmcn, daß von der ge planten Acnderung des 8 137 der Gewerbeordnung Abstand ge nommen werden wird. In einem Artikel des jüngsten Heftes des „Grenzbotcn" . Deu t s ch - v r e u ß i s ch e K i r ct> e nP o I i t i k" finden sich n. a. solgcnde Ausführungen: „Will und muß das Deutsche Reich im Interesse des niodcrncn Staates und des konfestioneücn Friedens den UttrainontaiiiSmiis bekämpfen, io muß es ibm auch im Zen trum der römischen Küche, in Rom. enigeaentrctcn: es muß do>t dem deutiche» Geiste de» Einfluß vcrichgssen. der ihm gebührt, aber bis jetzt fehlt. Dazu gibt es. wie Ludwig Wahrmund ans- il'ibrt, zwei beivuders wiiksnme Mittel: die Verstärkung des dent- schen Elements im Kaibtnalkollegium. wo letzt unter 59 Mit gliedern — 12 Hüte sind augenblicktich erledigt — 36 Italiener und 7 Franzosen sitzen, nlw des deutschen Einflusses ans die Regierung der Kirche. lind sür den Fall einer neuen Pnpstwabl die Erneuerung des alte» Rechis der Exklusion eines nicht geneh men Kandidaten für den heiligen Stuhl, des Rechts, dns bis 1806 vom römisch-deutsche» Kaiser anstnndslos ausgeübt worden nnd dann stillschweigend aus den Kaiier von Oesterreich übcrgegangen ist. vom Deutiche» Kaiser aber als dem höchsten Obcrhauvte von 20 Millionen Kutlwliken eben schon deshalb in Anspruch genommen werden darf. Unter solchen Voraussttzungen könnte die koniessio- »elle Spaltung nnicrer Nation, die »nS so unsäglich viel Unheil ge bracht hat. geradezu eine Quelle ihrer Stärke weiden, denn ans der eine» Seile wäre der Deutiche Kaller der mächtigste Schirm herr des Protestantismus, nls der er 1898 in Jeinscitem anfgelrcten ist, anvrrcrseits würde er einen gewissen Einfluß ans die Leitung der römischen Kirche auSüben tonne», namentlich soweit sie Deutschland betrifft." Zum Jesuitcngesetz bringt die ultramontane „Köln, Volkszta." an leitender Stelle einen Artikel, der in kurzem Auszuge vom „Wölfischen Bureau" verbreitet wird und in dem cs ausiühr- sich heißt: „Durch die Ablehnung sder Aufhebung des 8 2 des Jesu- itengcsetzcsj würde der Streit nicht beendigt werden, sondern finge erst recht an. Um das darzulcgeii, müssen wir etwas weiter a»s- bolcn. Das Zentrum hat immer energisch die Abschaffung dieses Ausnahmegesetzes verlangt, aber cs lag auf der Hand, daß cs bei dem dreißigjährigen Bestand desselben nicht daraus ankommen kann, ob es sechs Monate länger existiert, wenn es überhaupt nur abgcschasft wird. Man weiß, daß Fürst Hohenlohe dazu bereit war, und die jüngste Veröffentlichung von Pojchingers bestätigt durch Wiedergabe einer persönlichen Aeußcrung des Fürsten Bis marck gegenüber von Massow, daß auch dem „Altreichskanzler" am Gesetze nichts lag. Die Zentrumspartci hat auch niemals daran gezwcifelt, daß die Ausnahmemaßregcl schließlich doch fallen werde, aber gerade deshalb wollte sie nicht immerfort drängen. Diese Situation ist gründlich geändert durch die Er klärung des Grafen Bülow, daß die preußischen Stimmen im Bundesrate für die Aufhebung des Paragraphen abgegeben werden solle». Nachdem die Frage so durch den höchsten und maßgeben den Beamten deS Deutschen Reiches von neuem aufgeworfen ist, kann sie auch nicht eher wieder von der Tagesordnung verschwin den, bis sie im Sinne des Kanzlers erledigt ist, und selbst eine ab lehnende Haltung der Bundesratsmchrheit würde daran nichts ändern. Denn die Zcntrumspartei würde dadurch verpflichtet, dies Thema sofort von neuem vor den Reichstag zu bringen, aber das ablehnende Votum des Bundcsrates würde dann eine Spannung schaffen, die bisher nicht bestanden hat. Zunächst müßte die neue Lage bei den Wahlen zum Ausdruck kommen. Keine Zentrumsstimme dürfte bei den Stichwahlen einem Kandidaten ge geben werden, der nicht wenigstens der Aufhebung des 8 2 zu- stimmte. Was das praktisch zu bedeuten hätte, braucht hier nicht weiter ausgemalt zu werden. Aber damit wären die Folgen noch nicht erschöpft, denn die Zentrumspartei würde genötigt sein, die Konsequenzen der Lage dadurch zu ziehen, daß der Kampf gegen den ß 2 des Gesetzes weit mehr als bisher in den Vordergrund ihrer politischen Aktion träte. Das einzeln auszumalen, ist nicht unsere Sache: die Eentrumspartci muß selbst darüber bestnden, welche Schritte sie ergreifen will — wir sagen nur, was logisch kommen muß. Die Kulturkämpser irren sich ganz bedeutend, wenn sie glauben, daS Zentrum werde dann erklären: „Na, denn nicht: es geht auch so." Freilich „geht es" schließlich auch ohne die Jesuiten, aber sür uns ist es eine Ehrensache, daß diese Ausnobmemaßregei fällt, »nd wir werden mit ganzer Kraft dafür kämpfen, daß die Jesuiten ihre vollen staatsbürgerlichen Rechte wieder erlangen. Wenn der Bundcsrat uns dies trotz des preußischen Antrages ver- weigerte, so würde dadurch in unsere gesamte Politik ein Ferment der Gärung und Verwirrung hincingetragen werden, welches die jetzt schon ziemlich verfahrene Lage vollständig unhalt bar machen dürfte. Die ganze politische Konstellation müßte sich ändern. Wir sagen das keineswegs, um zu drohen, sondern sprechen nur als politische Beobachter aus, was uns unabwendbar erscheint, hauptsächlich aber, »m der überaus törichten Meinung zu wider sprechen, daß eine Ablehnung des Bundcsrates die Frage „er- ledigen" würde. Wer einen großen Zwiespalt im deutschen Volke vermeiden will, muß unbedingt den Fall des Paragraphen wün schen." Dieser ultramontane Vorstoß zeigt aufs Neue, wie unglück lich beraten Graf Bülow war, als er seine verhängnisvolle Er klärung im Reichstage über die Instruktion der prclißischen Ver treter im Bundcsrat zu gunsten der Aufhebung des 8 2 des Jesn- itengesctzes abgab. Selbstverständlich wird sich der protestantische Widerstand durch keinerlei »ltramontane Drohungen einschüchtern lasten, sondern den Kampf bis zum bitteren Ende durchführen. Gegen daS Zentrum wendet sich die „Köln Ztg." mit fol genden Ausführungen: „Bedauerlich ist es. daß der Eindruck erweckt wurde und unter diesen Umstände» erweckt werden mußte, als stellten die Einrichtung von Isoliertsten bei den Wahlen und die Aufhebung des 8 2 des JesuitengesetzeS das Trinkgeld dar, mit dem man das Zentrum für leine zum Ueberslnß nicht gerade ruhmreiche und verdienstvolle Haltung in den Zollkämpfrii ent lohnen zu müssen glaubte. Auf Parteien, die sich von sachlichen Gesichtspunkten letten lasse», nimmt man eine sa zärtliche Rück sicht nicht. Denkt man sich diele Methode zum Svstem erhoben, so muß sie zersetzend wirken. Die Ankündigung der Aufhebung des 8 2 deS Jesuilengeictzes bat deshalb weite Kreist aufgeregt, well man glaubte, hier den ersten Anzeichen eines Abbröckeinngs- prozcstes zu begegnen. Wird der Patriotismus gegen Barzahlung als berechtigte Eigentümlichkeit anerkannt, dann gibt es ans der schielen Ebene kein Halten mehr. Es ist in erster Linie Sache ver Wähler, dem würdelosen Zustande ein Ende zu machen, das; daS Reich vor dem Geßlerhut des Zentrums das Knie beugen muß." Die Bewegung für freie Arztwahl bei den Krankenkassen bat einen wichtigen Erfolg zu verzeichnen. Die Hauptversamm lung der Eisenbabnbetriebskrankenkasse in Stuttgart, welcher die Eisenbahner aus dem ganzen Königreich Württemberg angeboren, hat die Einführung der freien Arztwahl beschlossen. Die Staats regieruna und die Generaldirektion der Eisenbahnen haben sich mit der Einführung der freie» Arztwahl der der Eisenbahnkaste schon zuvor einverstanden erklärt. Die Acnderung wird mit Be ginn des nächsten Jahres durchgesührt werden. Ihre Bedeutung liegt mit darin, daß in einem ganzen Lande zugleich ein Versuch mit der freien Arztwahl gemacht wird. Zu der Bluttat in Essen wird noch berichtet: Hüsfencr Ivar völlig nüchtern. Er ist ein Sohn der Witwe des unlängst verstorbenen Fabrikdirektors der Kahlen-Destillationswerke in Blumke. Er war schon längst als rauflustig bekannt. Vor wenigen Tagen sing er in einem East, nahe am Bnrgplatz mit einem Soldaten Streit an. der ihn nicht vorschriftsmäßig gegrüßi haben sollte. Und am Sonnabend vor Ostern ging er >n de» Straßen der Stadt spazieren und ries unter anderem am Haupt- bahnyofe einen auf der anderen Seite der Straße gehenden Sol daten a», der ihn bei dem dort herrschenden lebhaften Verkehr und der Breite der Straße vermutlich gar nicht bemerkt hatte. — Die „Deutsche Tagesztg." schreibt: „Die ganze Art, wie der Fähnrich bei dem Zusammenstöße sich benommen und nachher geäußert hat, läßt klar erkenne», daß er nicht aus dem Holze geschnitzt ist, aus dem die Männer geschnitzt sein müssen, die de» veraiitwortuilgsvollen Berus eines Offiziers gedeihlich cuisübcn sollen. Seine Handlungsweise hat — vorausgesetzt, daß die Be- richte korrekt sind — etwas durchaus Abstoßendes und beiuahe Kindisches. Sollte das, was über seine Vergangenheit und ge wisse Aussprüche berichtet worden ist. tatsächlich zutrcifen, so wäre lebhaft zu bedauern, daß er überhaupt zu der Stellung gelangt ist, die er einnahm. Was gefordert werden muß, das »st einmal, daß die Tal ihre entsprechende Sühne finde, »nd dann, daß der Lesfemlichkeit nichts vorcnthaltcn werde, das zur Aufklärung der tiestraurigen Angelegenheiten dienen kann. Es wäre dringend zu wünschen, daß io bald wie möglich eine authen tische Darstellung des Sachverhalts veröffentlicht würde." Aus dem 9. Internationalen Kongreß gegen den Alkoholismus in Bremen teilte der Vorsitzende, Direktor Tr. Delbrück lBremenj bei Eröffnung der Sitzung mit, er habe vor- gestern vergessen, mitzutcilen, daß das an den Kaiser abgesandte Le«egramm von seiten der Frühstückstasel, nicht vom Kongreß als solchem, abgesandt worden sei. Das Telegramm hat folgenden Wortlaut: „Der in Bremen tagende 9. Internationale Kongreß gegen den Älkobolismus beehrt sich, Euerer Kaiserlichen Majestät, unter deren Schutz er tagt, seinen ehrfurchtsvollen Gruß zu unter- breiten. Der Vorsitzende Delbrück." Es begann alsdann die Be sprechung über das Thema: Ter Alkohol im Lebensprozeß der Rasse. Geh. Regierungsrat Oberbürgermeister Struckmani, sHlldesheimj wandte sich zunächst gegen die Ausführungen des Dr. Rüdin (Berlin) über die Züchtungsfrage. Der Redner be merkte: Die Theorie des Tr. Rüdin würde schließlich zu Zu ständen führen, die zum Teil noch in China und eine Zcitlang auch >m alten Sparta herrschten. Bekanntlich war es in Sparta ge stattet, diesen.gen Kinder, von denen angenommen wurde, daß stc keine tüchtigen Spartaner werden dürsten, zu beseitigen. Als ich die Ausführungen des Dr. Rüdin hörte, da sagte ich mir: „Gott schütze mich vor meinen Freunden" (Heiterkeit), denn solche Forde rungen sind nur geeignet, der guten Sache zu schaden. Es kan» dock nicht geleugnet werden, daß mäßig trinkende Eltern blühende Kinder haben. iBeisall und Widerspruch.) Wenn Sie das be zweifeln, dann bringen Sie den Gegenbeweis. Tie Erfahrung lehrt jedenfalls, daß ein mäßiger Genuß nicht schädlich ist. sBciscill und Widerspruch.! Ich möchte den Herren Vertreten, der gänz lichen Enthaltsamkeit anrate», etwas bescheidener auszutreten. (Bei fall und lautes Oho!! Wissenschaftlich ist doch die Notwendigkeit der gänzliche» Enthaltsamkeit »och nicht bewiesen . sLautes Oho!j Ich achte und schätze den Ernst, den Fleiß und die Beharrlichkeit, mit der die Abstinenzler ihre Ansichten verfechten. Diese sollten aber die andere Richtung nicht anfcindcn. Professor Dr. Jntoslawski sKrakauj trat mit großer Entschiedenheit sür die volle Abstinenz ein. Die Abstinenten werden und müssen den Sieg davontragen, da allein die Abstinenz Charakterstärke und Willenskraft verleihe. IBeisall.! Ing. Professor Dr. Carl Frankel sagt: 30 G Aßmußcn ramm Alkohol (Hamburg): ist unschäd lich. Gestern beim Frühstück ^sind aber von einzelnen Kongreß Mitgliedern je eine Flasche Rotwein getrunken worden. (Heiter keit! Ich weiß nicht, wer seststellcn soll, ob eine genossene Dosis nicht schädlich gewirkt habe. Wir dürfen daher nicht fragen: Ist es schädlich, sondern: Was nützt es? Man ruft »ns zu: Wir Abstinenten sollen bescheidener sein. Ich wünschte, daß auch auf der anderen Seite etwas mehr Bescheidenheit geübt werde. (Stürmi- schcr Beifall und Widerspruch ! Dr. Plötz (Berlin!: Er wojst in de» Kampf zwischen den Anhängern der Mäßigkeit und der Enthaltsamkeit nicht eingreifcn, allein cs stehe doch fest, daß die Hälfte aller Militärpflichtigen so entartet sei, daß sie zum Waffen- tragen unfähig seien, d. h. die Hälfst des deutschen Volkes sei ent- artet. Herrn Pastor Kruse müsse er bemerken, daß nach seinen Ausführungen es auch ein Eingriff in Gottes Regiment sei, wenn man eine Hagelversicherungs-Gesellschaft gründe. (Widerspruch.! Ja, alsdann sei jede hygienische Maßregel ein Eingriff in Gottes Regiment. (Beifall uns Widerspruch.) — Im Hinblick auf den Bremer Kongreß wird daran erinnert, daß im letzten Arbcits- abschnitt des Reichstags insbesondere von dem der Deutschen Rcichspartci anoehörigen Abgeordneten Dr. Stockmann die Vor legung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Trunks u ch t von neuem angeregt worden ist. Die verbündeten Regierungen hatten einen dahin zielenden Gesetzentwurf im Januar 1892 dem Reichstage vorgelcgt. Dieser hatte einen teils gewerbe- polizeilichen. teils privatrechtlichen, teils strafrechtlichen Inhalt. In gewerbepoüzeilichcr Hinsicht war besonders bemerkenswert das Verbot für die Kleinhändler, unbeaufsichtigten Personen unter 16 Jahren, außer bei Reisen und Ausflügen, ferner offensichtlich Betrunkenen oder Personen, von denen sie wissen, daß sie in den letzten drei Jahren als Gewohnheitstrinker bestraft sind, geistige Getränke zu verabreichen: Betrunkene, denen ein Schankwirt solche verabreicht hat, sind von ihm nicht einfach auszuwcisen, sondern vorbehaltlich der Erstattung der Transportkosten nach Haust zu schaffen. In privatrechtlicher Hinsicht war der Wegfall der Klag barkeit von Trinkschulden und die Zulässigkeit der Entmündigung von Trinkern, die ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermögen, sich oder ihre Familien einem Notstände anssetzen oder die Sicher heit anderer gefährden, bemerkenswert. Mit Hast oder Geldstrafe iollte bedroht werden, wer an einem öffentlichen Orte in einem selbstverschuldeten Zustande Aergernis erregender Trunkenheit be troffen wird, ferner wer Personen unter 16 Jahren betrunken macht. Straffällige Trunkenbolde sollten statt in einem Arbeits- Hause in einer Trinkerheilanstalt untcrgebracht werden können. Das Gesetz gelangte wegen Ueberbürdung des Reichstags mit anderen Geschäften und Arbeiten nicht zur Verabschiedung. Seine Be- stimmungen riefen zum Teil lebhaften Widerspruch hervor. Es gelangte über die Kommijsionsbcratung nicht hinaus. Später er klärte die Negierung im Zusammenhänge mit der Beratung von Petitionen, sie verzichte durchaus nicht aus die Wicdcreinbringung des Trunksuchtsgcsches. Man wird nicht fchlgchen, wenn man ebenso wie auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge auch auf dem der Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke ein Zu sammenwirken vo» Staat, Kirche, Kommunen und Gesetzgebung für angezeigt erachtet, lieber die Entmündigung von Trunk süchtigen sind Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch«: ge troffen. Mit der Sitzgelegenheit für die Angestellten in den Berliner Geschäften scheint es noch immer sehr müßig bestellt zu sein. Eine von Frl. Helene Lange hemnsgegebene „weiße Liste" führt deren nur 360 auf. Das ist für Berlin mit seinen vielen Tausende» von offenen Läden recht wenig, wie jedermann zugcben wird, zugleich aber auch ei» Beweis, wie schwer es ist. gesetzliche Bestimmungen dieser Art praktisch wirksam zu machen, wenn nicht besondere Hilfskräfte zur Verfügung gestellt werden. In London ist daS dinch Schaffung einer eigenen Ladenaufsicht geschehen, in so uiivollkoinmener Weise jedoch, daß es dort init der Sitzgelegen heit nicht besser bestellt ist. nls bei uns. UebrigenS darf man nicht übersehen, daß das bloße Dasein der Sitzgelegenheit in stark besuchten Geichästen wenig bedeutet und den Betreffenden keinen erkennbaren Nutzen bringt, da sie eben doch nicht sitzen können, iondrm in fortwährender Bewegung sein müssen, wenn sie ihrer Aufgabe in der richtigen Welle Nachkommen sollen. Wahrkchcin- lich wäre den Angestellten mehr gedient, wenn sie eine längere Mittagspause Hütten, die sie zu wirklichem Ausruhen benutzen könnten, wübiend sie sich jetzt im besten Falle liinsctzcn. uin sofort wieder aufzuspringen. Ungarn. Die Indentaufcn nehmen in Budapest erheblich zu. Ein dortiger Jude teilt dem „Israelitischen Familienblatt" in Hamburg darüber folgendes mit: Hier (in Budapest! ist ein „Verein der Gläubigen" in Bildung begriffen, der sich die Auf gabe stellen soll, den Massentaufen zu steuern. Im abgelausene» Jahre 1902 haben beim Pester Rabbinat der großen Gemeinde allein 212 Juden ihren Uehertritt zum Christentum, resfi. Aus- Dr»e»direr Nachrichten. Ar. 107. Seite S. Sonnabend. 18. Avril Ivv k
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