Volltext Seite (XML)
«ittwoch, 7. «ovrmber iE vlütlm > ckKHP-klügel -Lianos e1crfiann-Ssoi'gsn-/<Iles S irrn 0«k«n unU «orcka koult MSN pr-mswont >m p»Ld»g«»«d>ükN krsger 8tr»0e l2 /^n«rk»r>nt gut« prsisworts lad, P.kcittinn ar- 14 ^III > I IHM isrs^ ^sn,oo!ip>,ir IO kernrul 16378 N»ol>»n>»o»n u, — NoNI«n- unv o»u»»d-»na o« «n — Verwirrung in WM durch WimaM Sturz Wie -ie Krise entstan» Am 24. Juli 1926 übernahm Raymond Potncarö die Regierung, und am 6. November 1928 ist er zurückgctretcn. Er hat also für französische Verhältnisse ein« lange Zeit hindurch seinen Posten behauptet. Im Zeichen seiner Amts niederlegung steht die am gestrigen Dienstag erfolgte Wieder eröffnung der französischen Kammer. Unmittelbar vorher hatten die Radikalen, welche die stärkste Partei im Parlament bilden, getagt, und die von ihnen gefaßten Parteibeschlüsse sind -um Henkerbeil für Pvinearö und seine Politik der nationalen Einigkeit geworden, die sich ans die Mitte und die Radikalen stützte, aber auch einen Teil der gemäßigten Rechten sich angegliedcrt hatte. Die Radikalen waren in» dessen immer nur mit halbem Herzen bei der Sache und er- klärten wiederholt, daß sie die erste Gelegenheit zu Poin- tarös Sturz ergreifen würden, sobald das Werk der finan ziellen Sanierung auch ohne Pvinearö völlig gesichert sein würde. Diesen Zeitpunkt halten sie nun ossenbar sür ge kommen, und deshalb haben sie die Regierung der natio. staken Einigkeit gesprengt. Trotz der Schärfe der radikalen Parteibeschlüsse be deutete die Meldung vom Rücktritt Poincarös eine Ueber- raschung, da der Antrag Garnier abgclchnt worden war. wo nach die radikalen Minister aus der Negierung zurückgezogen werden sollten. Das ist nun doch geschehen, und so war die Krise da. Es hatte sich allerdings auch ein besonders starker Konfliktsstofs angchüuft. Einmal handelte es sich um finan zielle Fragen. Der HauShaltausschuß hatte am Militär, «tat Abstriche in Höhe von 87 Millionen gemacht und außerdem Steuersenkungen um den Betrag einer halben Milliarde vorgenommcn. Daraufhin erklärte Porn- carö, er werde in der Kammer die Vertrauensfrage stellen. Dieses bis setzt unfehlbare Drohmittel des Minister präsidenten tat sonst immer seine Wirkung, aber diesmal versagte eS. Der Ausschuß blieb fest. Eine weitere starke Meinungsverschiedenheit zwischen Pvinearö und den Radikalen lag aus kulturpolitischem Gebiete. Mit diesem Konflikt, der dem Ministerpräsidenten den Vorwurf der Be günstigung des Klcrikalismns eintrug, hat es folgende Be- wandtnis: Im Staatshaushalt befindet sich ein Titel, worin bestimmt wird, daß einigen kirchlichen Missions, g e s e l l sch a f t e n, die namentlich aufgezählt sind, ein Teil der kirchlichen Güter zurückgegcben werden soll, die durch die sogenannten Latengesetzgebung flaigus weltlich, im Gegensatz zu ooolösiastiqus kirchlich) vom Jahre 1901 vom Staate be schlagnahmt wurden. Damals wehte in Frankreich ein sehr scharfer kirchenfeindlicher Wind, der zur Aushebung des Kon kordats und zur Trennung der Kirche vom Staate führte,- auch die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan wurden abgebrochen. Im Lause der Zeit hat aber das Schlagwvrt des Antiklerikalismus in Frankreich stark an Zugkraft ein- gcbüßt, und die diplomatische Vertretung bei der Kurie wurde wicdcrhergestellt. Die kirchenfrcnndliche Bewegung ist vollends dadurch gefördert worden, daß die katholische Geistlichkeit In voller Uebereinstimmung mit der Kurie sich von den monarchistischen Parteien abgewandt und sich ganz ans den Boden der Republik gestellt hat. Die royalistische Bewegung, die sich »Action fran^aise" nennt und ein gleich- namigeS Organ herausgibt. Ist wegen ihrer antikirchlichen Tendenzen von den Bischöfen in Acht und Bann erklärt worden, und man kann sagen, daß heute der gesamte Klerus in Frankreich republikfreundlich ist. Schon diese Ge- stilnungsmandlung der Geistlichkeit mußte es der Negierung nahelegen, die Laiengesehgebung zu mildern. Es kam aber noch rin anderer Grund hinzu, der Wunsch nämlich, der katholischen Heimatsrechtsbcwegung in Elsaß-Lothringen die kirchliche Unterstützung zu entziehen. Hierüber fanden hinter den Kulissen Verhandlungen zwischen den leitenden staat- lichen und kirchlichen Stellen statt, deren Ergebnis auf kirch- licher Seit« die scharfe Verurteilung der elsaß-lothringischen Autonomisten war. Der Staat dagegen beglich seine Rechnung durch die im Staatshaushalt vorgesehenen Maßnahmen zu gunsten der Missionsgcsellschasten, die offenbar noch nicht das letzte Wort darstclle», sonder» einer größeren Aktion den Weg bereiten sollen, mit dem Endziele, die Vertreibung der religiösen Orden überhaupt z» beseitigen und ihnen das ge samte beschlagnahmte Vermögen znrückzugeben. Bei den Radikalen herrscht aber zum größeren Teil noch eine der Kirche abgeneigte Stimmung, die von der Laien- gesctzgcbung nichts abbröckeln lasse» will. Deshalb riskierte Pvinearö es auch nicht, das Entgegenkommen gegen die Mis- sionsgcsellschaftcn in einem besonderen Gesetzentwürfe zu sank- tionieren. sondern er suchte es weniger bemerkbar zu machen, indem er die Bestimmungen an möglichst unauffälliger Stelle In den Haushalt einschmuggelte, in der Hoffnung, daß sie so in Bausch und Bogen mitangcnommen werden würden. Beinahe wäre ihm dieser Trick auch geglückt, da der Etat schon im August der Kammer vvlgciegt wurde, ohne daß bis jetzt die Opposition etwas gemerkt hatte. Da kam aber ein radikaler Abgeordneter, der den Etat etwas gründ licher studierte, noch im letzten Augenblick dem Pvincarö- schc» »Klerikalismus" auf die Spur und putschte Herriot auf, der alsbald Lärm schlug und auf dem radikalen Partei tage die Bombe zum Platzen brachte. Was nun werden wird, ob Potncarö sich vielleicht doch noch einmal zu einem Versuch der Regierungsbildung weiter nach rechts hin bereit finden läßt oder ob ein Links- kabinett Brianö—Tardieu—Caillaux gebildet wird oder ob die Sozialisten sich in den Vordergrund schieben, muß ab- gcwartet werden. Vorläufig ist die Lage ganz undurchsichtig. Die letzte präzise Erklärung Poincarös hatte dahin gelautet, baß er zur vollen Durchführung der finanziellen Sanierung noch einen Zeitraum von vier Jahren brauche. Da die beiden in Frankreich ausschlaggebenden Faktoren, Hoch finanz und Schwerindustrie, durch ihr Vertrauen Pvinearö gestützt und ihm dadurch die Frankenstabilisierung, »bas große Wunder", wie man in Frankreich sagt, ermöglicht haben, während alle seine Vorgänger an dem Mißtrauen von Hoch finanz und Schwerindustrie gescheitert sind, so kann man sich nicht gut vorstcllen, wer denn nun eigentlich mit Aussicht auf Erfolg in Poincarös Spuren treten soll. Am allerwenigsten hätte man an den Ausbruch der Krise gerade im jetzigen Augenblick gedacht, wo die Revision des Dawesplanes tm Vordergründe steht. Also wieder einmal ein Beweis, daß man i» der Politik stets mit Ucberraschunge» rechnen muß und niemals denken darf, daß eine hundertmal bestätigte Er fahrung auch zum 101. Male Geltung haben müsse. Ungeklärte Lage Paris, 6. Nov. Der Präsident der Republik hat das zurttckgctretcnc Kabinett Pvinearö mit der Führung der lausenden Geschäfte beauftragt. Der Präsi dent begann am Nachmittag seine Verhandlungen zur Bildung eines neuen Ministeriums. Er hat, wie üblich, zu nächst mit den Präsidenten von Kammer und Senat ver handelt. — In den Wandelgängen der Kammer hat die durch die Demission des Kabinetts geschaffene Lage be sonderes Aufsehen erregt, weil heute das Parlament wieder zusammentrcten sollte. Nach Havas beurteilt man in den Wandelgängen der Kammer di« Lage als vollkommen un geklärt. Es ist möglich, daß mehrere Tage vergehen werden, bis der Präsident in der Lage ist. den künftigen Ministerpräsi denten zu bestimmen. Wenn man nur die Kräfteverteilung im Parlament be rücksichtigt, so widerspricht nichts der Annahme, daß Dvu- mergue aufs neue Pvinearö zur Bildung der Regierung auffordert, zumal er stets das Vertrauen der Kammer erhalten hatte. Gesetzt den Fall, daß Pvinearö die Kabinettsbildung übernimmt, darf man sich nicht verhehlen, daß er auf ernste Schwierigkeiten stoßen wird an gesichts der von den Radikalen eingenommenen Haltung. Man faßt unter diesen Umständen auch die Möglichkeit der Bildung eines Kabinetts auf neuer politischer Grundlage ins Auge: entweder ein Ministerium der republikanischen Kon- zentratton oder ein in sich geschlossenes Ministerium der Linken oder der Mitte. Nach dem Scnatspräsidenten Doumer empfing der Präsi- dent der Republik den Kammerpräsidenten Bouisson zu einer Unterredung. Beim Verlassen beS Elysees erklärte Bouisson, er habe den Eindruck, daß die Krise mehrere Tage dauern werde. Es ist anzunehmcn, daß der Präsi- dent der Republik nunmehr die Parteiführer empfangen und mit ihnen verhandeln wird und wohl erst im Laufe des morgi- gen Tages die Persönlichkeit berufen wird, der er die Kabi nettsbildung anbictcn wirb. Die außerordentliche Bedeutung des Rücktritts der Re gierung wird vor allem in dem möglichen Ausscheiden Poin- carss von der Leitung der politischen Geschäfte erblickt, da er es verstanden hat. während der letzten zwei Jahre seiner ziel- bewußten und sür Frankreich so erfolgreichen Regierung sich Sympathien auch in den Kreisen zu erwerben, die ihm politisch von Hause ans fern standen. Vom französischen Standpunkt ans würde der Rücktritt Poincarös und sein etwaiges Ausscheiden ans der politischen Arena — bis er eines Tages erneut als Präsident der Re publik in das Elysce cinzicht — einen schweren Verlust bedeute». Durch seinen Rücktritt wird das von ihm ent worfene und der FInanzkommtssio» der Kammer bereits vor gelegte Budgetfür1929ausbaSernstestebebroht. Pvinearö ist uns Deutschen nichts weniger als sym pathisch. Gleichwohl müssen wir anerkennen, was er auf finanziellem Gebiete geleistet hat. Man muß sich erinnern, unter welchen Verhältnissen er die Regierung übernahm. Tie Staatskasse war leer, es war kaum eine Million flüssiges Geld vorhanden, das englische Pfund erreichte 240 Franken, die Kapitalflucht war allgemein, das Schatzamt durch die fälligen Rückzahlungen gefährlich belastet, so daß eine Finanz krise allerschwersten Grades vor der Tür stand. Da genügte der Name Pvinearö, um die drohende allgemeine Panik zu banne», und seine Energie, seine ziclbcwußten Maßnahmen stellten in kurzer Frist die verworrene Lage wieder her und führten zur tatsächlichen Stabilisierung des Franken a»f der Grundlage von 16 Goldpfennigen, der vor kurzem die ge setzliche Stabilisierung gefolgt ist. Das hätte ihm kein anderer nachgcmacht, und sein Nachfolger wird sich nun vor die schwere Mcistcrprobe gestellt sehen, ob er das Werk Poincarös zu er halten und weiterzusühren vermag. So bleibt immerhin noch die Möglichkeit offen, daß abermals ein Flickversuch mit radikaler Hilfe gemacht wirb. Für uns ist es unter allen Um ständen geboten, daß wir uns keinen großen Illusionen wegen der Vorteile hiugeben, die wir etwa von einer Pariser Links- rcgierung zu erwarten hätten. In dieser Beziehung genügt es, daraus hinzuweisen, baß der Chef der radikalen Partei, Daladier, auf dem letzten Parteitage erklärt hat, „Deutsch land sei stark und gefährlich und bedrohe Frankreich sogar mehr als vor dem Kriege. Deshalb dürfe Frankreich von seiner Rüstung nichts ablassen." Mit den französischen Radikalen ist es genau so, wie mit den englischen Liberalen: In der Außenpolitik kennen sic nur den einen Weg. welcher der allgemeinen Ausfassung von den nationalen Notwendigkeiten entspricht. Wenn es nur unsere Linksparteien stets ebenso machen wolltenl Die ReparationSverhandlnnge«. die demnächst zwischen Deutschland und den Alliierten beginnen sollen, würden durch das Ausscheiden Poincarös den energischsten und hartnäckigsten Verfechter des französischen Standpunktes der völligen Un< Nachgiebigkeit verlieren. Pariser Pressestimmen zum Rücktritt des Kabinetts Paris, 6. Nov. Die Abendpresse nimmt zu dem Rücktritt des französischen Kabinetts nur mit wenigen Worten Stellung. Der „T cmp S" weist aus den Eindruck hin. den die Nachricht im Senat und in der Kammer gemacht hätte, wo man die Er eignisse aufs schärfste bedauere. Er würdigt die Tätigkeit des Ministeriums Pvinearö, dem er das höchste Lob spendet, doch glaubt er nicht, daß nach dem Kongreß von Angers ein neues Kabinett Pvinearö. an dem auch die Radikalsozialisten teilnchmcn würden, denkbar sei. Vielmehr dürfe man ein Kabinett der republikanischen Konzentration, d. h. «in mehr nach rechts gerichtetes Kabinett erwarten. Die „Libertö" ist mit der Haltung der radikalsozialistischen Minister sehr un zufrieden. Sie hätten cs au Korrektheit fehlen lassen, da sie es unterließen, ihre Kollegen über ihren Beschluß rechtzeitig zu unterrichten. Die »Libcrtö" behauptet, daß Potncarö sich bitter über die Haltung Herrivts aus dem Kongreß von Angers beschwert hätte. Die Pariser Dorfe reagiert Paris, 0. Nov. Wie zu erwarten war. blieb die Demission der Regierung Poincarö, die innerhalb von zwei Jahren die Finanzlage Frankreichs neu befestigt hatte, nicht ohne Ein fluß auf die Pariser Börse. Fast auf allen Gebieten wurde ein gewisser Rückgang der Werte beobachtet, doch kam es nicht zu Kurseinbrüchcn erheblicher Art. Sederrafchnng in England London, 6. Nov. Der Sturz des französischen Kabinetts kam allen politischen Kreisen in England völlig un erwartet. Die Nachricht von dem Rücktritt des Kabinetts selbst wurde, wie in allen Pariser Berichten hervorgchobcn wird, mehrere Stunden zurückgehalten. Die Abendblätter ent halten sich vorläufig noch jeden Kommentars und beschränke» sich auf eine ausführliche Berichterstattung über die mit dem Rücktritt zusammenhängenden Vorgänge. An der Börse hatte der Sturz Poincarös bereits eine starke Auswirkung. Alle französischen Anleihen und Bonds sielen um mehrere Punkte. Die französischen Werte wurden durchweg beträcht lich angeboten. Beitritt Oesterreichs zum AntikricgSpakt. Der National rat hat den Beitritt Oesterreichs zum Kellogg-Pakt einstimmig genehmigt. I« snuizWOc SwalWMMlaii bedroht Kursstürze an -er Pariser und Londoner Dorfe