Volltext Seite (XML)
Nr. 572 Selke l — »vrüo-aer Itachrlchk»" — Arettag. 8. Dezember IS« H X XL < X - WM 83 Fornenuna „Sobald k>u willst"', wiederholte Liane und hörte nicht auf, ihn von der Sette zu betrachten. In ihrem Blick, in den zusammengepreßten Lippe», in jedem Zuge ihres Antlitzes lauerte eine Frage. Aber die Antwort, auf die sie wartete, erfolgte nicht: Donegal schwieg, er wollte absichtlich schweigen, oder er ivustte von gar nichts. Aus einmal — infolge einer Wegbiegung, die sich von der Sonne entfernte — singen ihre Schatten an, sich zu be wegen, sie glitten von hinten nach vorn, holten sie ein und lagen nun vor ihnen auf dem weiden Sandmege. Dieses Spiel der Sonnenstrahlen löste eine Erschütterung in Liane ans, ein Schwiudelgesühl stieg ihr von der Brust in die Stirn, sickerte ihr in die Fingerspitzen, in die Knie: sie blieb augenblicklich flehen und klammerte sich a» Donegal fest. Die beiden Schalken flössen ineinander. DaS sah aus, als habe der kleinere Schatten Schlitz und Hilfe gesucht, und der große Schalten, Ser sie letzt barg, gab ihren Nerven eine süße und unterlegene Sicherheit, Donegal nahm sie behutsam unter den Arm nnd führte sie weiter der grolle Mann mit dem Indianergesicht nnd dem blonden Haar lachte sie zärtlich aus. „Ich habe eine grolle Idee, Al", sagte sie und erkannte den Klang ihrer eigenen «limine nicht wieder, denn diese Stimme klang nicht mehr tief, sondern heiser. „Wir werden heiraten, ivir werden reise». Es müßte dir doch Vergnügen machen, mir Amerika zu zeigen. Hast du von Europa noch nicht genug? Ich mochte mit dir nach Neuyork . . ." „Nennork ist keine Stadt für grauen", antwortete er ohne Sehnsucht nach den Maschinen. „Europa — Deutschland gefällt mir. Eines Tages werde ich anfangen, mich in den Dienst dieses Landes zu stellen, ich möchte helfen, so weit ich es vermag. Aber wir wollen heiraten, reisen. Wird es dir kein Vergnügen machen, mir Europa zu zeigen?" Gras Tremonter, in einem flatternden Hochsommeranzug aus weißem Flanell, stürmte ihnen entgegen, ihm folgte ein riesiger Bernhardiner, den er sich als Spielzeug zugelegt halte. „Meine Kinder — eine Sensation! Vor dreitausend- einhundertzwciundachtzig Jahren habe ich hier, in diesem Park, unter einer der Eichen ein Goldstück vergraben — aus Aberglauben, ich wollte goldene Bäume züchten! Ahnt Ihr etwas? Ich habe eben gegraben und fand mein Goldstück wieder!" Zwischen zwei Fingern hielt er die blinkende Münze hoch in die Lust, es war. als habe er da sämtliche verlorenen Schätze der Erde entdeckt. „Das hat eine Bedeutung, meine Kinder! DaS bedeutet, daß kein Mensch etwas Neues zu schassen vermag, daß aber das, was er besitzt, immer und ewig bleibt — selbst wenn eS in Staub zerfällt!" Für seine großartige Philoso"''ie konnte er weder Liane noch Donegal gewinnen. Sic lächelten ihm belanglos an und gingen weiter. Der Graf blickte ihnen empört und mit einem leise» Fluch nach, das Goldstück zwischen seinen Fingern blinkte noch immer hoch in der Luft. Ter Bernhardiner kläffte in die Lonne. ginge« dem »uSgang zu. «te küßt« th», sagte Adieu. Der «uß berührte nur leicht seine Lippe», «r stand am Gitter und rief ihr etwa» »«. während sie in ihren wagen stieg. Der Wagen fuhr sosort los, Liane antwortet« nicht und sah sich nicht mehr nach ihm um. Donegal, di« Hände in den Taschen, hob seinen Blick in die Höhe, lieh ihn über den Himmel schweifen, einer kleinen weißen Wolke folgen, dt« sich wie ein Schleier über die Sonne legte, ohne sie zu ver dunkeln. Und während eines Atemzuge» dachte er flüchtig, wie wohl es ihm jetzt tun würde, dem Brausen und Dosen der groben Maschinen in seine» Neuyorker Fabriken zu lauschen. Aber das mar nur «in Gedanke, der sich schneller entfernte, als er kam. Liane in der weißen Limousine glitt mit der Puderquaste über ihre Wangen. Den Spiegel vorgehalten, zog sie die Linien ihrer Lippen schwüngig und hellrot nach. Diesem ge malten und herrlichen Antlitz mar nichts anzumerken. eS war so starr wie das Antlitz einer Buddhastatue. Doch ein Lächeln war darin, das sie bedenklich stimmte, ein Lächeln von solcher Traurigkeit, daß sie den Kopf schluchzend zur Sette legte. DaS Lächeln war nicht auSzulöschen, sie stand unter dem Zwange, dieses fremde und traurige Lächeln zu lächeln. Nichts war in den letzten Tagen geschehen, nicht das mindeste: die Persönlichkeit, von der sie sich bedroht fühlte, blieb im Dunkeln. Jseltn lag unter der Erde, sie glaubte, seine Wunde blute noch immer: auf seinen Wunsch war er im Frack begraben worden. Ob sich wohl der weiße steife Hemd- ausschnttt rot gefärbt hatte von dem Blut, das auS seiner Brust sickerte? Er würde noch nach tausend Jahren bluten... DaS Nokokotheater war in Verlegenheit geraten. Die Rolle des Negers Osimo hatte ein Ehargenspteler übernommen. Seitdem Jselin nicht mehr spielen konnte, stand da- Theater leer. Notbaum hatte sich bereits entschlossen, die Komödie des Herrn Hanöbetn vom Sptelplan abzusctzen. Mit der Macht der Verzweiflung wurde geprobt, morgen schon sollte die Premiere eines neuen Stückes stattsinden, in dem Liane un beschäftigt war. Sie hatte gebeten, ausruhen zu dürfen. Der Geliebten des fünftreichsten Mannes der Welt kann kein Wunsch abgeschlagen werden. Liane spielte heute zuletzt. . . Der Wagen hielt am Bayrischen Platz. Liane stieg aus und schrak plötzlich derartig zusammen, baß ihre Knie wank ten, ein einziger Blick hatte sie umgeworfen. Sie fiel nicht, doch sie blieb wie erstarrt stehen. Neben der Litfaßsäule stand ein Mann, der die Ankündigungen der Theater studiert«, er stand direkt vor dem Plakat des Rokokotheaters. Sie er kannte ihn. sie täuschte sich nicht, denn sie beobachtete mit über menschlicher Schärfe, es war der gleiche Mann, der Jselin und sie belauscht, den sie einen Tag später in der Theaterloge gesehen hatte. Er nahm keine Notiz von ihr, er schien sie gar nicht zu bemerken, so vertieft war er in die Ankündi gung, daß Liane Keith heute zuletzt auftrete . . . Sie mar ohne Schutz, ohne Hilfe. Mit automatischen Schritten ging sie weiter, sie betrat die Blumenhandlung und spähte, während sie sich einen mächtigen Strauß roter Rosen '»sammenbtnden ließ, durch das Ladenfenster. Aber der Mann war jetzt hinter der Litfaßsäule verschwunden. Gleich darauf betrat sie das Haus, der Fahrstuhl fuhr sie in die höhe. Sie atmete mit langen Pausen. Die Rosen waren zu dumm. Sie hätte sie gern fortgeworfen, wenn es nicht ver dächtig gewesen wäre. Sie schloß die Tür nicht auf, sondern läutete. Die Zofe öffnete ruhig, mit ihrem alten gewohnte» Lächeln. „Besuch, gnädiges Fräulein!" Liane starrte entsetzt auf die Zofe. „Eine Dame wünscht Sie zu sprechen." „Eine Dame? Wer? Hat sie ihre Karte nicht abgegeben?" „ES ist eine Frau LermanS." So. wie man sich ins Wasser stürzt, hastete Liane in den Salon. Nora LermanS erhob sich. Das Profil empor geworfen, maß sie mit lächelnder Ruhe die Züge Liane Keiths. Sie war entzückt von ihrer tiefen Bestürzung. Es belustigtest«, baü «an htesM Mädchen so überrasche» konnte, daß sie »leich bis in dt« Sippen wurde. Sie war in der Tür. üffnung stehengeblteben, wie st« war, mit dem Rosenstrauß im Arm« und der halb vorgestreckten Hand. Zu dumm -> waren die Rose». Aber Liane ließ ihr nicht lang« den Triumph der Ueber. legenbett. Tie zog die Augenbrauen hoch, ging aus dl« ve. fucherin zu. reicht« ihr di« Hand, bot ihr einen Geisel an, reichte ihr Zigaretten, alle» mit einem kalten und künstliche, Hochmut. „Sie sind die Gattin meines Bekannte» Doktor Le» mans?" „Nicht mehr." „Oh. Sie sind geschieden?" „Noch nicht, doch sehr bald." „Darf ich Ihnen irgend etwa» anbteten?" „Fräulein Keith, warten Sie «inen Augenblick, und Gie werden mir nichts mehr anbteten wollen." Sie drehte eine Zigarette zwischen den Lippen. Sie lächelte und wurde plöh. ltch ernst, drohend ernst. Aus ihrem Täschchen zog sie eia Kuvert, Ne lieb eS nicht au» der Hand. „Fräulein Keith, kennen Sie dieses Formular? Kennen Sie diesen Scheck? Nein?" LtaneS Gesicht verschwand hinter den Rosen. Ein tiefer Stich zog sich durch ihr Herz, aber sie erstickte den Schrei t» der Kehle. Kühl und ruhig kam die Antwort: „Ja!" ,Nch dachte es mir. Ja, das habe ich mir wirklich gedacht! Würben Sie so gut sein, Fräulein Keith, und mir etwas Feuer geben?" DaS klang wie ein Befehl. Und Liane Keith gehorchte. Sie stand auf, machte drei Schritte, stand vor ihrer maßlos blonden Gegnerin, zündete ein Streichholz an. Die Zigarette im Munde, neigte sich Nora LermanS über das blaue Flämmchen. Diese Szene sah wie eine kleine Koketterie zwischen zwei zärtlichen Krauen auS. Doch wie Liane das Streichholz löschte, fühlte sie eine unbändige Mordlust in ihren Händen. Sie machte keinen Versuch, mit dieser Gegnerin zu oer- handeln, nie batte Liane einen Ausdruck ähnlicher Feindschaft gesehen. Sich selbst eine Zigarette anzündend, arbeitete ihr Hirn wie ein Präztsionswerk, mit absoluter Genauigkeit stellte sie die Tatsachen fest. Der Mann unten an der Litfaß säule war ein Beauftragter dieser Frau. Er hatte ior die Mittel verschafft, sie — Liane —. sobald e» ihr paßte, zu ver nichten. Es gab keine Rettung. Denn diese Frau war ent schlossen. sie zu vernichten. Eine kleine runde Schachtel mit einem weißen Pulver, erinnerte sich Liane, war in ihrem Schlafzimmer verwahrt. „Sehen Eie ein, Fräulein Keith, baß Sie mir in allem folgen müssen und daß es unklug wäre, sich mir zu wider- setzen?" .Hch begreife meine Lage", entgegnet« Liane bitter. „Unterhalten wir uns nicht über Nebensächlichkeiten. WaS Sie bewogen hat, einen Trauschein zu fälschen, was mich dazu trieb. Sie beobachten zu lassen — das ist letzt ganz belanglos. Vielleicht können Sie es erraten, vielleicht nicht. Tatsache ist aber, daß Sie in meiner Hand sind." Die Schachtel mit dem weißen Pulver wurde vor Liane riesengroß. In diesem Augenblick trat die Zofe «in, sie trug ein Tee tablett auf der flachen Hand, das sie vorsichtig auf den Tisch ntedersetzte. dann ging sie wieder. Zwischen Liane und Nora standen zwei leere Schalen, die Teekanne aus altem Silber, Zuckerdose und ein Krtstallteller mit Gebäck. Liane zittert« vor kalter Wut. „Ich nehme an, daß Sie bestimmte Pläne haben", sagte Liane lauernd und fühlte, wie jede Hemmung in ihrem Innern dahinschmolz. .Hch möchte Sie um nichts bitten, um nichts, was meine Lage erleichtern könnte, nur um eines: meine« Namen zu schonen." tFonietzong tolat-I tl'LLMvßüEAM«» stnred ztille tngerliSnte deronlierr preisWerter knrte» üstieknnken dielen «Ir «ine reiten giiarllge ilsnlgelegenßslt: w»«r»n, rslno Wo»« SpoptMi-UmpI« f.vsm.u.tt«rroki.»^0.7UI0.V.S0 1.vslM.u.tt«rron.2.20.S.»0.4.40 RuIIov»' Vad»iil«l,»ovlr«n f.vLM.u.hlorron,v.00,«.v0,0.S0 f.vLM.U.^SkkSt1,0.S0,1.20n.böb»t Un1»iiI»I'1Z«rIloI,«n AInrton-Wo»1«n 2.S0, 2.S0 Alnil«i'-l^ullov«i'ln rsle» Hu»«. Kauk-l-vse 2. Masse empfiehlt und 110 IS 12 1/1 Qos IO.— 20.— SO.— lOO.— lVßsrk »Oustsv Oericke Stsalslotterie-^innakme O I)resäen-/X. 1, jetrt SeeslraKe 5 Postscheck-Konto Dresden dir. 2550 O pernsprecker dir. 21458 Geioits Lherrn Vran-g '/, Fl. 4.?«. '/» Fl. 2 5v ralel Kümmel '/> Fl 4 L«.' - Fl 2 5« Magen Dilter Fl. 4.5«.Fl. 2^0 und 6"o Iravatt MMM UklliMÜl» IMllMt iiküdieiiiidkei7; üii'i'ill-llNfin2 Slllüsni»illgllklk'L? 1 Eigene stepnrsturverlcststt unter persönlicher l^itung kmUUir ° bii'Ä,: eckt Oolck Ak««Ir«r L«mm»r«Ae»n, »»»nckulie«« u,« Vscsobiscieng snösw Amen ru billigsten llisisen w«»Ni>«e»»r.21, früher v^ettinersir. 5 «iiu»vd.-lliiim^,;52 . . . von «.00 .^s an . von 1.0« bis 250 von I.o« sn in siien llcs'sisgen > k x> klisics-llsdstt tlullorit e»vl»»«nt»n uns billig Hlv!«.I>IlI VSl1sI llttllf, tMsMEI lleiünor r«isdeimu8ter r«lok«rt) groll« r»lnü,r»trüllo 1L Vol. M7ll. vsmsn- rsrcksn trtlllr- pn«1,e e<1ew»»reatabrlk Netct»,»tr»ge 18 plltnilrer 8tr. 5 >«»»« Verantw- >d, redaktionell. Teil Dr.A.Awtntschrr. Dresden: t. d. Ameiien: W.Aetmbürarr.Dresd. — Fall» da« Ernbeinen der Feiiuna mtolac köderet Gewalt. Betriebsstörima. Streik. Ausiverruna oder au» einem loniti«. Grunde unmöaltck wird, Kai »er Beneker kein. Amorulk«. Nachlieteriina oder Rilck« »akIunadesBetuasoreiies. Gine Gewökr tiir da» Gricketnen der An,e«aen an den voraelikrlkdkneir Daacn lowlcaui bestimmte eiten wird ntlbt aeleillet. a» deuiiae Abendblatt «Main 6 S«>««»