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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 30.04.1924
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1924-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19240430010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1924043001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1924043001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-04
- Tag 1924-04-30
-
Monat
1924-04
-
Jahr
1924
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 30.04.1924
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Mittwoch. S0. April 1924 -- Dresdner Nachrichten Nr. IZ'' Sette S Die Vu-gel-eballe im Unterhaus. Snovdea über den englische« Haushalt. 9e»d«». S«. «vrtt. fUnterhan»! Da» Unterhau» war bet m Zufammentrit« nach den Osterferien in Erwartung der rinaung de» ersten Budget» der Arbetterregterung dicht >». «chatzkaneler « nowb « n be-tfferte «n setnrr «roßen «de den Ueberschnst ans da» »erganaen« Jahr ans «8bb« s«nd, der »nr verminbernna der Echntd verwandt seft «»»naben betreff«, fo erfordern der Dienst der « bte «n»aa schuld »1 Jahr an« «8«««» r verminbernna »er Schul» verwandt seft Wa» den betreff«, so erfordern der Dienst der Staat». 1 Millionen, von denen 40 Millionen Amortisation den Bestimmungen de» Sesetzr» vom letzten Jahre bar- peltten. Dl« Auogaveck vom letzten Jahre behandelnd, teilt« der Schatzkanzler mit, bah verwandt wurden für da» Heer 4-K. flir ble Ilo «te V2>1 und sltr die L » f t st r e t t k r« f»e gX Millionen Pfund. Die Ersparnisse tu diese» Posten seien ans zahlreiche Ursachen zurttckznslthre«, «. a. a«ch ans eine «ermlndernna de« Propra,nm» t« mittlere» Osten «nd Olnpapore. Snowbe» tagte. ble Gchnlbenlast sei schwer, uno «r furchte, sie werde r» noch einige Jahre sein müssen. Jede Gelegenheit miisse erarlssen werben, um bte versttabarcn Hilfbanellen zur Einlösung der Schuld und zur Hebung der Kerdltsählgkeil ,n verwende», »ngestcht» de« nroßen Kon- »«rtleruiigSplaneo. der ln nicht ferner Zukunft bnrchnrfllhrt werden müsse, sei die Ausrechtcrhallung nnd Verb esse- runa de» vrtttschen Kredit» eine AngelcgeiiiiZt von vitalster Bedeutung. Engsand» nominelle tote Schuld be trau« letzt 7,»8 Milliarde» Pfund, dt« «ine Ztnelast von S0V Millionen bedeute. Die elnzlge wirklich« dustere Schuld sel die Schuld an die Brre>n!qten Staaten in Höhe von 040!^ Mlllioncu und gewisse Anleihen In Amerika in Höhe von etwa 45 Millionen. Die Gesamtcrmäßigung der innercn und äußeren Schuld seit Dezember 1910 betrage über 680 Millionen, d. h. so viel wie der Betrau der Staatsschuld bei AuSbrnch de» Krieges. Dies sei «l»e wunderbare nationale Tat. Infolgedessen hätte sich bl« Zinsciilast um 40 Mllltoncn jährlich vermindert. Snomben snhr unter lautem Beifall fort: Aichcrdcm würden England proste Beträge peschnldet. Diese Anleihen seien vom englischen Bolk selbst auspcnommcn worden, um seinen AÜIIerlcn Leid zu leihen, und England bade Zinsen -asiir z« zahlen, und die Bezahlung dieser /sin. sen dedeni« eine sehr schwere Last sür den englischen Steuer, zahlte. Wenn England sür elnen Teil dicker Lchnkde» Zinsen erhalte lNuse: Wann?>. so könne öS hassen, ln der Lag« in sein, seine eigene Schuldenlast oder vcstencrung weiter rascher z« vermindern, als dies a»ü seinen eigenen Hilfsquellen mög lich wäre. Was die veranschlagten Einkünfte betreffe, so sei er ziemlich oplimistisch für die Zukunft. Aus besonderen Ein künften lwsse er .60 Millionen zu erhalten, deren Hanptletl aus de» Einkünften slir Verkäufe »nd aus den L a st e n v v n , , N c p a r a t i o n L g c lb e r u kommen werde. Dies werde Schastkanzlcrs erteilt. lW. D V.t da» letzte Jahr sein, in dem Irgend etroa» Wesentliche» von dieser Seite erwartet werdrn könnte, und er s,o>«- keinerlei Borauschlaa für de« Smpiang weiterer RrparatiouSgelder gemacht. Er hoffe, man werde solche während de» laufenden Jahre» erhalten, wenn ja, dann müßten Ne aber al» eine Art unerwarteten GlllckSsallrd angesehen iverden. Der vor- rsehenr Ueberschuß betrag« Sü 074 000 Pfund. Was die Bor» chlägr bezüglich der ReichSvorzngSbehanblung betresse, so sei >en Dommlen und Kolonien ein« Zusage gegeben worden, daß die Vorschläge der früheren Regierung dem Parlament unterbreitet werden sollten, und dir gegenwärtige Regierung beabsichtige» diese Zusage bis zum lebten Buchstaben zu er- füllen. Die Regierung sel jedoch niemals der Ansicht gewesen, daß den Interesse» des Reiches aus die Dauer am besten durch ein Süßem von Tarifen gedient werdrn könne. Unter dleien Umständen sei die Regierung nicht in der Lage, dir Vorschläge ihrer Vorgängerin anzuuehmen. (Lauter Protest bei der Opposition^ Snvivden teilte bann noch mit, daft dt« als Mac» Ken na-Ab gab« bekannten Einfuhrzölle auf Automobile, Flli»ö, Uhren, Wanduhren und Musikinstrument« vom l. August ab aufgehoben werden. Weiter werden einzelne Steuern ermäßigt, neue Steuer» werden nicht aufcrlegt werden. Der früher« unioniftlsche Schastkauzlcr Horne beglück wünschte Snvwden wegen der Klarheit seiner Ausführungen, betonte dann aber, daß zwei grundlegende Mei nungsverschiedenheiten zwischen den Konservativen und Snowdcn beständen. Die erste sei SnowdenS Haltung i» brr Frage der ReichSvorzugöbehauülnng. Gnowden sei willens, ein .VcmdelSübercmkommcn mit Rußland abzu- schließen, weigere sich aber, ein solches Abkommen mti Austra lien, Kanada nud Neuseeland in Erwägung zu ziehen. Das sei nicht der Weg, ein Reich zusammenzubindcn. Die zweite Meinungsverschiedenheit fei die Haltung in der Frage der Mac-Ken na-Abacibe, die dieselbe gefühllose Gleichgültigkeit gegenüber der Frage der Arbeitslosigkeit zeige, die die Negie rung immer an den Tag gelegt habe, seit ste zur Macht ge kommen lei. Aöqnuh nannte da» von Snowdcn ausgestcllte Budget «in durchaus ftiininicileS Werk und sagte, in ihm scheine nichts enthalten zu sei», was bte Liberalen nicht von ganzem Herzen unterschreibe» könnten, wenn sie sich auch die Freiheit ihres Urteils vorbehielicn. ASqutlh kcnnzcichuete das Budget als ein Freihandelsbudget und sprach seine Zustimmung ans zu der von Snowdcn bezüglich der Mac-Kenna-Abgabc gctorssenen Entscheidung. Nach Beendigung seiner Rede ging ASguith zusammen mit Llond George zu», Tibc des Schatz- kanzlerö und beide schüttelten Snowdcn die Hände. » London» 2«. April. DoS Nnterhan« hat einstimmig seine sormellc Zustimmung zu den Bubgetvorschlügen des Schiedsspruch über die Arbeitszeit im Auhrbergbau. Essen, 20. April. Gestern abend ist unter dem Vorsitz des Reichs- und Siaatökvmmtssars Mehllch und im Beisein des ReichSarbeltSministers über die A r b e i t ö z e i t s r a g c im rheinisch-westfälischen Bergbau ein Schiedsspruch gefällt worden. Danach beträgt die Schichtdanrr der Arbeiter unter Tage von Beginn der Seilfahrt bis zu ihrem Wiederbeginn »m allgemeinen 8 Stunden, an ArbettSpuukteu mit einer Temperatur von mehr al» 28 Grad Celsius 7 b>ü 7Z Stunden. Die Arbeiter über Tage, die unmittelbar mit der Förderung zu tun haben, arbeite» ü Stunden. Die wöchentliche Nein- arbcit, einschließlich Sonntag, der an Koksöfen. in den Nebcn- prvduktbelrleben, in Stvch-Kcsselhüuscrn und in Vrilctt- fabriken beschäftigten Arbeiter beträgt SO Stunden. Die Regelung gilt ab 1. Juni 1 024. Bis dahin bleibt cS bei der bisherigen Arbcltö- und Schichtzeit. In den übrigen durchgehenden TageSbetriebcn wird die Neinarbeftszcit aus 10 Stunden täglich festgesetzt. Diese Regelung gilt bis 1. Ok tober und kann von diesem Tage an mit einmonatiger Frist zu Monatsschluß gekündigt werden. Der Manteltarif wird bis 1. Juni 1024 verlängert. Sollten die Verhandlungen zwischen den Parteien zu keinem Ergebnis führen, so muß das 'Schlichlungsverfahreu vor dein obigen Zeitpunkte durch- geführt sein. Die Ertlcuungssrist lauft bis mit 5. Mai 1S21. ,W. T. B.) Streik der tariflich organisierten mitteldeutschen Gemeindearbelter. Halle, 20. April. Nachdem gestern die in Magdeburg zu Taiisvcrhandlungen versammelten Vertreter des Gcmcinde- arbeiterverbandeS für Mitteldeutschland den Streik säint- lichcr am Tarif beteiligten mitteldeutschen Gemeindearbelter proklamiert Hallen, haben bereits gestern abend die Tbcater- arbeiter in Halle die Arbeit n i e d e r g e l e g t, so das, ohne Dekoration gespielt werden mußte. Heute werde» die Gas- und Wasserwerke stillgclcat. sW. T. B.j Gas- crv Hall-crstadt, 20. April. Die Arbeiter der städtischen werke haben gestern die A r b c i t n i e d e r g c l c g t. Die Arbeiter des Elektrizitätswerkes und der anderen städtischen Betriebe haben sich ihnen angcschlossen. In Wernigerode streifen die Genreindcarbeirer. In A sch c r S l e b e n herr schen LeilslreikS. Sude des TsxMarbeUerstroiks. Pößneck, 20. Avril. Die Arbeit in den Webereien ist gestern Dienstag früh wieder ausgenommen worden. In folgedessen hat der sächsich-thüriiigcschc Wcbcreicnverband von der Verhängung der Aussperrung abgesehen. ES bleibt bei der Mstündlgcn Arbeitswoche, wegen der der Ausstand aus- gebrochen war. Der Reichsu-Klschaflsral untersucht dieDrrhiMnisse in Ser TsxMwirtsrhKfi. iDrahtmelbung unsrer Berlin er Gchrlstlettnng.I Berlin, 20. April. Die mit großer Spannung erwartete Untersuchung des RcichswirtschastsratS über die Verhält nisse der Textilwirtschaft hat begonnen. Der Vor sitzende des WirtschasiSpoUiischcn Ausschusses, Direktor Kracmer, ist seitens des Reichswlrtschastßministcrs mit der Durchführung der Enquete vertraut worden. Zum Vor sitzenden wurde Staatssekretär a. D. August Müller ge wühlt. Der Ausschuß behandelte zunächst die Frage der Oeffcntlichkcit der Verhandlungen und entschied sich für Vertraulichkeit der Verhandlungen, behielt sich aber vor, sür einen späteren Zeitpunkt gegebenenfalls die Oefsent- lichkeit herzustellcn. Hieraus fand eine allgemeine Aussprache über die zur Durchführung der Enquete geeigneten Wege und Methoden statt. Genera! v. Seeckt bei Dr. v. knilling. München, 20. April. Ter Ehes der Reichswehr, General v. Seeckt, stattete heute vormittag dem bayrischen Minister präsidenten Dr. v. Rnillinq einen Besuch ab, wobei beider seits der Befriedigung über die Beilegung des Militär konflikts Ausdruck gegeben wurde- Die einaelabenen und wieder ausgeladenen -euischen Wissenschaftler. Veltzlsch« Trelberele« i» bezug anf den Internats»»«!«» Bcaaraphrnkengreb in Kaie«. Berlin, >». April. Im Juni l022 hatte bte ägyptische Negierung an die ln Kairo anwesenden fremden Vertretungen einschließlich dcS deutschen Geschäftsträgers Einladungen zur Beschickung des im Jahre 1V28 in Kairo stattfindendrn Elften Jnternattonalrn Geographen, nnd Ethnologen Kongresses ergehen lasse». Um dem Kongreß genügende Beteiligung zu sichern, glaubte die ägyptische Regierung in einem späteren Zeiipiinktc dem Conseil international des recherchctz in Brüssel und der bleiern untergeordneten Union geograpliique internationale bettrcten zu müssen. Diese, wie alle im Conseil zusammeiigefaßten und als lnternattonal b« zeichneten Unionen, die deutsche Wissenschaft von der Mit arbeit avsschließt, hat e« herbeigesllhrt. daß die »nm Elfte» Geographcnkongreß ergangenen Einladungen für null »»b nichtig erklärt wurde» nnd baß statt dessen ein Erster Inter nationaler Geographenkongreß für denselben Zeitpunkt nach Kairo cinbcrnfcn wurde, zu dem Deutschland nicht wieder et«- geladen worden Ist. Die deutschen diplomatischen Verirctun- gen in den während des Krieges neutralen europäischen Ländern haben Auftrag erhallen, diesen Sachverhalt zuw Gegenstand mündlicher Darlegungen bet den betreffenden Regierungen zu machen und darauf htnzuwirken, daß die auf den Ausschluß Deutschlands gerichteten Bestrebungen beS Conseil interitallonal dcS rcchcrchcs aus eine Schädigung der reinen Wissenschaft als solcher htnauskommen, wie auch be sonders der deutschen und derjenigen der übrigen Länder. Im vorliegenden Falle handelt es sich überdies darum, baß eine Organisation, welche der Forschung dienen soll und der eine erhebliche Anzahl großer Männer der Wissenschaft auch aus solchen Ländern angehvrt, die mit Deutschland seit langer Zelt durch nngcslört« kulturelle Bande verknüpft sind, fick, nicht gescheut hat, einem ursprünglich als international an gelegten Kongreß den Stempel dcS Boykott» aufzudrückcn. ES ist bedauerlich, baß so ans einem Gebiete alter Wissenschaft lichcr Gemeinschaftsarbeit den Bemühungen vorurteilsfreier Forschungen eine Gedankenwelt entgegengesetzt ist, die der Beziehung zu den hohe» und allgemein gültigen Zielen der Wtsscnschas! offenbar entbehrt. lW. T. B.) Ludenösrfss Reichslagskan-idaktir. Berlin, 2V. April. Die Meldung, daß General Ludcuüorsf, der Spitzenkandidat der Deutichvölktschen Freiheitspartei, nicht daran denke, ein RctchstagSmanbat an zunehmen und sofort nach seiner Wahl anf sein Mandat ver^ zlchten würde, wird von der Dentschvölkischen FreihcttSpartei entschieden dementiert. Lndeiidorss habe noch vor einigen Tage» dem In München weilenden Abgeordneten Mulle bindende Zusagen in dieser Frage gegeben und auch in einer schriftlichen Erklärung an die Partei die Annahme eines Mandats bestätigt. Weiter bezeichnet die Deutschvvlkischr Frcihcitdpartci es auch als unrichtig, daß Pöhncr nnd Oberst leutnant Krieöel anf ihre Mandate verzichten wollten. „Stahlhelm" und Reichslagswahl. Vor zirka vier Wochen ging durch die ganze deutsche Presse ein Ansruf von der Bundeslcitunq des „Stahlhelm", worin dessen Stellungnahme zu den bevorstehen den Wahlen mit all seinen Nebenerscheinungen bekanntgegcben wurde. Ausdrücklich war hier irgendwelche parteipolitische Einstellung abgelehnt und der rein natlonale Charak- ter tm weitesten Sinne deS Worte» betont worden. Daneben gelten die noch anf dex letzten Viindestagung einstimmig an genommenen Richtlinien, worin es u. a. heißt: Der Stahlhelm hat keine Bindungen zu irgendeiner polt tischen Partei und lehnt grundsätzlich ab, sich parteipolitisch abstempcln zu lassen. Der Stahlhelm denkt und fühlt bewußt deutsch. Seine Mitglieder haben für ihr Denlschtum im Kampf gegen Leu Feind an der Front gestanden. Er ist völkisch, jedoch nicht im Sinne einer Partei. Der Stahlhelm arbeitet für das VolkSwohl. Er bekämpft Schieber- und Wuchcrtum ans das schärfste und hilft tätig mit an der Linderung der Bolksnot. Der Stahlhelm nimmt zn Einzelfragen aus dem Gebiet der inneren Politik, die im Streite der Parteien eine wcsent lichc Rolle spielen, keine Stellung, um nicht anf das Pro gramin irgendeiner Partei fcstgelegt werden zu können. «»-LIltitL " L bvo-n. LlntrNr «r»n HL U «ins Ssiis? N-' 2 nn Il-sec«. N»>-> ! Lord Byron in Italien. Von E. F. K a r y, No m. Die Wellen schlagen wütend an den Marmor, der Regen prasselt und zischt unter dem Druck des Windes, des Sturmes, der unaufhörlich vom Lido her heulend ciiibricht. An diesem pechschwarzen Herbstabcnd ist Venedig menschenleer, die Pia- zetla ist eiilvölkcrt und die Gondeln liegen sestgcseilt und ver lassen an ihren Pflöcken. Ein Blitzstrahl zerreißt die Schatten, zeigt ein Fahrzeug, das sich, hin und her geschleudert, langsam den Canal Grande hinaiiskämpst. Trei Menschen, ohne Hüte, mit fliegenden Gewändern, mühen sich mit den langen Boots- hackcu — die Ruder sind verloren —. endlich gelingt es dem Riesenhaften rückwärts in der Gondel, ins ruhigere Seiten- wasser zu steuern, und nach einer Viertelstunde haben sie die fünfzig Meter durchfahren, die sie von den Stufen des Palazzo Moeenigo trennen. Noch ein Blitz — er zeigt auf der obersten Stufe kauernd eine schwarze Gestalt mit flatternden Haare», ein bleiches Gesicht und glühende Augen. Der Donnerschlag kann nicht den wilden Schrei übcrtöncn, den dieses Gespenst, dieser Satan oder Rachccngcl auSstößt; „Ah, du Hund der Madonna, ist das das Wetter, bet dem man nach dem Lido fährt!" So wird Lord Byron von seiner Gefährtin des JahreS 1818 empfangen, und auch der Koloh Tito, der Letb-Gondoliere, bekommt sein Teil ab. Gewitter im Gewitter, auch diese» ist bald vorbei. Marghcrita Cogni, die Bäckersfrau auv dem Brcntalal, die rechtmäßige Gattin ihres „bocreo vttioo", -u dem sie erst nach zwei Jahren mit Gewalt zursickgebracht werden konnte, war rein Hausdrache, kein Satan, sondern nur Weib null hemmiingöloscr Leidenschaft. Sie bringt den erschöpften und durchnäßten Freund ins Bett, fällt tränenausgelüst ln bte Knie und segnet ihn schluchzend: „Gelobt seist du und die Erde, die dich hervorgebracht!" Byron erzählt diesen Vorfall In einem Aries an seinen Freund und Verleger John Murray, und er fiigt hinzu, Margliertla hätte ihn an eine Tigerin er innert. die ihr Junges wtrdergesnnden hat. Tie Cogni ist nicht nur dir merkwürdigste Frau, die In das Leben dieses merkwürdigsten aller groben Mensche» ge- trete» ist. sie ist auch sicher diejenige, die aus ihn den größten und nachhaltigsten Einflust auSgeübt bat. Viele schreiben diese entjcheidende Rolle der Gräfin Guiccwli zu, aber diese bleiche, immer kränkliche, übcrcmpsiudltchc Aristokratin hätte Bnron wohl nie und sicher nicht in dem Maße zu sesscln vermocht, wenn er nicht von der robusten Natürlichkeit der kaum ewanzlglcihrlgci, Bäuerin übersättigt gewesen märe. Dir Cogni ist so recht der Brennpunkt in de, Linse, bi« Italien sür den Dichter und den Lord vyron bedeutet. Zwei Jahre vor dein bösen Ausflug nach dem Lido, am 11. Povember 1816, kam Vnrou mit seinem Freund Hob- housc. dem späteren Lord Vrvughton, nach Venedig. Fünf Wochen vorher halten sie die Villa Diodaii und den Genfer See verlassen. Bnron ließ dort Shelley, dessen „natürliche" Frau Marn Godwin und seine eigene nnnaiürlich natürliche Freundin, deren Stiefschwester Clara Mary Jane Clairmont, die Mutter seines früh verstorbenen TöchterchcnS Allcgra, zurück. Leichten Herzens: er flüchtete vor dieser Jane, die ihn mit ihrer aufdringlichen Liebe schon ein halbes Jahr früher in London verfolgt hatte. Und in Coppct ließ er wohl noch leichteren Herzens Mine, de Stacl zurück, die „Oktavbändc schwätzt und Foliobände schreibt". Alk die beiden Engländer nach einem kurzen Aufenthalt in Mailand, wo sic Mvnti, Silvio Pclllco und Stendhal kennen lernten, nach Venedig kamen, fühlte sich Byron sofort heimisch, während Hobhonsc von dieser „überschwemmten Stadt" nichts wissen wollte. Be reits am l7. November teilt Byron, „der Satan", seinem Freund n >d „Michael" Thomas Moore mit» daß seine Gondel ans ihn warte nnd daß er überdies verliebt märe. ,Hch habe im Hanse eines „Kaufmanns non Venedig", der ge schäftlich sehr tu Anspruch genommen lst und eine zweinnd- zwanzigjährlge Frau besitzt, einige außerordentlich gute Ge mächer bekommen. Marianne — so heißt sie — gleicht einer Antilope.." Das Verhältnis mit Marianne Segati danert fast zwei Jahre, ist reich an pikanten Zwischenfällen und endet damit, daß Byron den Ehemann wegen „Betrug" verklagte. Segati wurde verurteilt, denn eS wurde erwiesen, daß der Tuchiiäudler seine Fra» dem Engländer auf ein Jahr ln aller Form abgetreten hatte. Scgatis Laden hieß „Al Eervo", aber seit Byron« Ankunst in Venedig wurde er nicht anders alü „Al corno inglcse" genannt. Bnron selbst nannten die Venezianer den „Pesec inglese", seitdem er Im Juni 1818 gegen seinen Freund Mcngaldo die Wette gewonnen hatte, vom Lido nach dem Canal Grande zu schwimmen. Mengaldo kam nur bis zum Dogenpalast, wäh rend Byron die ganze Strecke, also bis zu der Stelle, wo heute der Babnhos steht, zurttcklegcn konnte. Sr war vier »nd eine halbe Stunde im Wasser. Seine körperliche Tüchtigkeit im Schwimmen und Reiten wertete Byron stet» höher als seine dichterische Begabung; er ließ sich durch nichts »ud durch nie mand darin beirren, er blieb stets der sportlicbende Eng länder, der Lord und auch der Sohn seines Vater», des „tollen Jack", de» schönen Kapitäns und maßlosen Lebemannes, de» Spieler», Trinkers und Raufbolds, der in Balrncienncs aus der Flucht vor seinen Gläubigern elend und verlassen ge storben war. Ohne diesen Vater, diesen englischen D'Artagnan, »nd ohne Kattzerina Gordo«. dt« Mutter, di« au» Prüderie jeden Beistand bei ihrer Niederkunst verweigerte und so Leu verkrüppelten Fuß des Sohnes verschuldet hat, die mit ihrem jähzornigen und ungerechten Gemüt den Sohn eben wegen dieses KörperschadenS noch verspotten konnte, ist Byron wenig verständlich. Alle Leidenschaften, alle Schwächen wurden ihm ins Bin! gelegt, und das unendlich Grostc an ihm ist, daß ec nicht an ihnen zugrunde ging, sondern sie behalten und die- zur Unkenntlichkeit veredeln konnte. Er gab keinS dieser ge jährlichen Vermächtnisse preis, er hielt auf sie, wie auf seinen Lordtitcl, er ging mit dem Leben keine Kompromisse ein, er war und ist für die damalige und heutige Welt und für leine zweite Heimat Italien das Wunder eines wahrhaft nicht zn korrumpierenden Menschen. Byron mar ein leidenschaftlicher Reiter, daS laq in dc> Zeit. Heute würde er Flugpilot oder Rennfahrer kein: uns anstatt sich mit dem Großherzog von Toscana und den öfter rcichischcn Spitzeln herumzurauscn. wäre er in unsere« Tagen der große Vorsascliist geworden, so wie eS der kleinere D'Annilnzio ist. Im Jahre 1817 konnte er seine Besitzung Newstead verkaufen und mit dem Erlös — 04 800 Pfund - seine Schulden bezahlen und endlich das Leben eines Grand seigneur führen. Er verwandelt ein unbcnütztes Fort am Lido zu einem englischen Mnstcrstall für Reitpferde, und ge lcgentltch eines Rittes ins Brcntalal hinauf begegnet er der Cogni in Gesellschaft ihrer Kusine. Die beiden Weiber betteln ihn an, eS war „viel Elend im Land", wie Bnron schreib? Bnron weigert scherzend die Hilfe, meint, so hübsche Weiber brauchten seine Unterstützung nicht, überlegt cs sich dann aber, „besah das Geschäft in anderm Licht" und lud die Frauen z» sich nach Venedig. Sic kommen zu dritt. aber mn Mnrgberita, die Verheiratete, wünscht die Anträge nnrb einigen Schwierigkeiten in Betracht zu ziehen. Tic ander:,, bte Ledigen, bekommen Furcht — „weil sic unvcrhciratei sind, denn unter Ehebruch tun sic's hier nicht" — und lause: davon. Marghcrita hat erst Angst vor ihrem jähzornigen Mann, aber Byron konnte an Murray schreiben, daß i» n»enigen Abenden die Angelegenheiten geordnet waren. „Zwei Jahre lang, während welcher ich mehr Frauen kenne» lernte, als ich zählen ober nur angeben läßt, war sie die ein zige, die eine gewisse Herrschaft über mich aufrechtcrhiclt." Die Eognt war dabei eifersüchtig und die Marianna Segali wurde von ihr fürchterlich verprügelt und außerdem mit fvl gcndcv geradezu lwmerischeu Worten erledigt: „Sic sind nicht seine Frau, ich bin nicht seine Frau. Sie sind seine Donna nnd ich bin seine Donna. Ihr Mann ist ein Hahnrei »nd mein Mann ist ein Hahnrei, also ivarum mache» Sic mir Borwürsr? Kann ich etwa» dafür, daß er mich Ihnen vorzteht? (Dt« Eognt drückt daS etwa- saftiger auü.) Bind«
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