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- Jvfiokae der am tzimmelsabrtßtaüe vorherrschenden günstigen Witterung war auch der AuSflugSverkehr aus den Ket einmündenden Eisenbahnlinien ein recht reger. Zu seiner Bewältigung machte sich vom hiesigen Hauptbahichofe aus die Ablassuna von insgesamt acht Sondeczügen nötig, von denen sechs auf die Pirna—Schandauer Linie und zwei aus die Tharandter Lime entfielen. — Die anläßlich der Reicker Pferde rennen zwischen hier und dem Rennplätze abgelassenen Sonder- züge waren von über 700 Personen besetzt. — Gestern abend HL8 Uhr bemerkte man von den Fenstern der Redaktion der «Dresdner Nachrichten" aus erstmalig den Fesselballon der Dresdner Städteausstellung. Hell beleuänet von der im Untergänge begriffenen Abendsonne, hob sich der „Bussard brillant", w«e der Ballon offiziell Hecht, in scharfen Konturen vom blauen Himmel ab. losgelöst und doch wiederum fest verbunden mit der Welt da drunten und den Menschen so winzig und klein. Es war von den gegen 4 Uhr eröffnten Fahrten die siebente und stand unter der Leitung des Kapitäns Carton. An derselben »ahmen teil: Herr Chef-Aeronaut Godard nebst Gemahlin aus Paris, sowie die Herren Stadtrat Königs. Bau rat Adam, Direktor Engel, der Leiter des Unternehmens und Bescheides Ballons, welcher während der letzten 15 Jahre aus allen größeren Ausstellungen in Europa und Amerika derartige große Attraktionen mit Erfolg geleitet hat, Emil Limmer, der bekannte Zeichner der „Leipz. Jliustr. Zeitung", Rentier Herrinan», Stadtrat Baumeister Kaiser, außerdem noch mehrere Dresdner Herren und einige Amerikaner, im ganzen 14 Personen. Der Ballon stieg 480 Nieter koch und gewährte den Passagieren eine herrliche Aussicht auf Dresden und Umgebung. Herr Limmer konnte cs sich nicht ver sagen, auch in dieser Hohe seiner Kunst treu zu bleibe», und den Ruck über Dresden in der Richtung Meißen-Morchburg zu skizzieren. Die Fahrt verlief trotz der ominösen Zahl 7 voll ständig glatt. Irgendwelches Gefühl des Unbehagens und der Gefabr war ausgeschlossen. Auch für die nächste Ausfahrt war der „Bussard" voll besetzt, ei» Zeichen, daß sich das Ballon captiv- Unternehmcn, welches in Dresden zum ersten Mal gezeigt wird, allgemeiner Aufmerksamkeit und schnell wachsender Beliebtheit erfreut. Jede Fahrt dauert etwa 15 Minute». Neben dem Ballon konzertierte die echt ungarische Zigeunerkapelle „Kiß LajoS" aus Boinos Mikola, deren feurige Ezardas-Weise» nicht wenig zu dem angenehmen Aufenthalt auf dem Platze vor dem Beherrscher der Lüfte beitragen. Auch für Stärkung der Nerven nach vollendeter Fahrt ist durch ein Glas angenehm frappierten Bnssard-Sektes Gelegenheit geboten, dos in einem reizende», im Grünen gelegenen Zelt von schöner Hand kredenzt wird. Se. König!. Hoheit der Kronprinz yat für einen der nächsten Tage seine Teilnahme an einer Ballonfahrt in Aussicht gestellt. — Im städtischen A u s st e I l n n g Sp a rk findet heute nach mittag 5 Uhr das erste Konzert statt, das von der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 177 (Direktion Röpenack! gespielt wird Es wird mit dem „Deutsche Städte-AnssteUungsmarlch" eröffnet werde», den Herr Musikdirektor Röpenack Herrn Obeibiugermcisler Beutler gewidmet hat. Das Programm bietet a»ch sonst mehrere interessante neue Nummern — Am Sonntag finden daselbst drei Konzerte der Kapelle des Schützen-Regiments statt. — In der am Dienstag abgchaltencn Hauptversamm lung des Vereins zur Hebung der Sittlichkeit er stattete zunächst der Vorsitzende, Herr Pfarrer Mähold, in sehr eingehender Weise den Jahresbericht, sodann Herr Altersrcnten- bankkassierer Frohbcrg den Kassenbericht. Beiden Herren wurde ausdrücklich gedankt und dem Vorsitzenden insbesondere die Zu sicherung gegeben, ihm getreulich in seinem Vorgehen zu folgen. Zwei Satzungsänderungen waren vorzunehmcn: Ter Name des Vereins soll hinfort lauten: Verein zur Hebung der Sittlichkeit mit dem Sitze in Dresden, um hierin die geschichtlich gewordene Tatsache zum Ausdruck zu bringe», daß der Verein sich über das ganze Land erstreckt und immer mehr ansdehncn will. In engem Zusammenhänge stellt noch damit die Errichtung des Amtes von Vertrauensmännern: „Ter Vorstand wählt aus der Mitte der Mitglieder >n verschiedenen Orten Sachsens Vertrauensmänner zur tatkräftigen Vertretung und Förderung der Vercinszwecke." Die satzungsgemäß aus dem Vorstande aus scheidenden Herren: Hoflieferant Förster, Kassierer Frohberg, Aechnungsrat Kluge, Obermedizinalrot Dr. Niedner, Ober- landesgerichtsrat Dr. Richter, Pastor Rosenkranz, General v. Süßmilch-Hörnig. Oberst Stelzncr, Obcrsinanzrat Dr. Werner wurden wieder-, Landesgerichtsdirektor Abböe zugewäblt. — Die Verhaftung des am Bönlschplatz wohnhaften kausmännilchrn Vertreters Albert Hosfmnnn Wege» eines scheuß lichen Verbrechens, verübt an seiner 20>älnigen Tochter, encgt in der Johannstadt großes Aussehen. Nach Lage der Verhältnisse besteht der Verdacht, daß die Anfänge des verbrecherischen Verkehrs schon Jahre zurückliege». — Obcrlandesgcricht. 'Der 7. Zivilsenat des sächsischen Oberlandesgerichts brachte die Prozeßstreitigkeiten der Konkursverwaltung der Leipziger Bank gegen den Kaufmann Alfred Hermann Grunert in Leipzig zum Abschluß. Grunert stand mit der Leipziger Bank in Geschäftsverbindung und schuldete ihr am 30. Juni 1901 die Summe von 78035 Mk. Am 4. September desselben Jahres forderte die Bank den Beklagten zur Bezahlung auf, die dieser aber mit der Begründung ablehnte, daß sein Schwiegervater, der Kommerzienrat Gantenbcrg in Aue, der sich schon längere Zeit vor der Konknrserösfnung für die Forderung der Leipziger Bank an Grunert bis zur Höhe von 60 OM Mk. schriftlich als Selbstschutdner verpflichtet habe, zur Zeit des Zusammenbruchs bei der Bank ein Guthaben von 72937 Mark gehabt habe. Es habe somit der jetzt gegen den Schuldner geltend gemachten Forderung von 78035 Mk. eine solche des Bürgen dse Bank in Höhe von 72 937 Mk. entgegengestanden. Durch Schreiben vom 11. August habe sein Schwiegervater der Konkurs-Verwaltung angezeigt, daß er als Bürge mit seiner Forde rung gegen die Forderung der Bank ausrechne. Hierdurch sei die Kkagesordcruna.am 1. Juli 1901 mindestens nach Hohe von 60000 Mk. erloschen, aber auch noch weiter nach Höhe eines Be trages von 10000 Mk. Seine Ehefrau habe nämlich ein aus hren Namen ausgestelltes Sparkassenbuch der Auer Sparkasse mit einer Einlage non lOtMO Mk. besessen und ihm in die Ehe eiiiaebracht. Im Monat September 1900 habe er dieses Spar kassenbuch der Leipziger Bank zur Sicherstellung für deren An sprüche aus der gegenseitigen Geschäftsverbindung ausgehändigt. Auf Veranlassung des Leiters der Auer Filiale der Leipziger Bank sei die Spareinlage gekündigt und im Dezember 1900 ab- gehoben worden. Der abgehobene Betrag sei dann aber nicht auf sein Konto verrechnet, sondern in seinem Einverständnisse an die Leipziger Bank aus ein von ihr auf den Namen seiner Ehefrau ausgestelltes Einlagebuch cingezablt worden. Aus der Anlegung dieses Buches ergebe sich eine Förderung von 10OM Mk. nebst 4 Prozent Zinsen vom 1. Januar 1901 ab, mit der er gegen den Rest der Klagewrderung ansrechne. Hierzu sei er befugt, da ihm seine Ehefrau nicht allein das Sparkassenbuch eingebracht, sondern auch ausdrücklich genehmigt habe, daß er es zur Sicherstellung für die Forderungen der Bank aus dem Geschäftsverkehr mit ihm verwende. Das Landgericht — 9. Zivilkammer — hat die Leip ziger Bank mit ihrer Klagefordcrung in Höhe von 60 OM Mk. ab- gewicsen, dagegen den Beklagten verurteilt, der Bank 18035 Mk. nebs. 5 Prozent Zinsen vom 30. Juni 1901 ab und 45 Mk. Provision zu bezahlen. Die Klägerin mußte der Beklagte der Kosten tragen. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt. Durch Teilurtcil des Öbcrlandes- gerichts und späteres Erkenntnis des Reichsgerichts nmrde zu nächst die von der Leipziger Bank gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung bezw. Revision, die sich gegen die Zurück weisung der Teilsorderung von 60000 Mk. richtete, endgültig zuruckgcwiesen. Mnmehr gelangte die von Grunert eingelegte Berufung zur Verhandlung. Grunert will nicht den vollen Be trag von 18035 Mk . sondern nur 7867 Mk., den nach Abzug des auf das Sparkassenbuches eingezahltcn Betrages verbleiben den Rest, herauszahlen. Die Bank wurde durch Rechtsanwalt Hänichen, der Beklagte durch Rechtsanwalt Klöppel vertreten. Das von der Berufungsinstanz gefällte Urteil ist für die Leipziger Bank ungünstig ausgefallen. Es lautet: Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird das erste Urteil dahin obaeändert, daß die Klage abgewiesen wird, soweit der Kläger mehr gefordert hat als 7867 Mk. nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 30. Juni 1901. Von den Kosten der ersten Instanz hat die Leipziger Bank '/,» und der Beklagte '/,» zu tragen. Die Kosten der zweiten Instanz fallen sämtlich dem Kläger zur Last. Als letzte Instanz wird in der Angelegenheit daS Reichsgericht zu sprechen haben. Deutsche Zläüleausstellung ru Dresäen -— Täglich von 9 bis 7 Uhr geöffnet —-—— Amtliche Bekanutmachttiifictt. Die städtischen Elbbadeanstalten. das Männerbad am linken Elbufer oberhalb der Älberkbrücke, das neue (6.) Elbbad für Männer und Knaben am linken Elbuser gegenüber dem städtischen Wasserwerke, das Franenbad am rechte» Elbuscr oberhalb der Auaustuöbriicke. sowie das Knabenbad. ebenfalls am rechten Elbufer unterhalb der Earolabrückc. sind wieder eiöfs- net worden. Für die Benutzung der drei erstgenannten Bäder sind von Erwachsenen 5 Psg. zu bezahle». Für gänzlich Unbemittelte werden Freimarke» zur Benutzung der Bäder auSgcgeve» werde». Schulkinder» ist dir unentgeltliche Benutzung der Badeanstalten gestattet, obne daß sie sich durch Freimarken auSzuweiie» haben. Die unentgeltliche Ueberlaslnng cineö Badegewandes ist damit aber nicht verbunden Sobald in de» Badeanstalten infolge ungünstigen Wasserstandes oder aus irgend einem andere» Grunde nicht gebadet werden kan», wird dies aus de» Bädern durch Ausziehen einer gelben Fahne angezrigt werden. Mit der Erneuerung der Schotterdecke in der Villiers- straße, zwischen der Düppel- und Hospitalstraße, soll am 2. Jum begonnen werden. TageSgeschichle. Deutsches Reich. Ter Kaiser ist gestern morgen in Prökel- witz eingetrofsen und vom Fürsten zu Dohna-Schlobitlen em- vfangen worden. Vom Bahnhöfe begab sich der Kaiser mit dem Fürsten nach dem Jagdschlösse. Bei der Immatrikulation des Herzogs von Sachlen - Kob »rg Gotl> a in Bonn, der Prinz Eitel Fried rich, der Kurator von Rollcnbnrg, der akademische Senat und die Lehrer des Herzogs beiwohnten, hob der Rektor Gehcimrnt Zitel- mann i» längerer Ansprache bervor, daß der Herzog zwar eine gute englische Erziehung genvsien habe, daß die Erfüllung seines Berufs als deutscher Fürst jedoch davon abhängc, daß er bis ins Innerste dentich werde. Eine Schule habe er t» dieser Richtung schon gehabt: die denlsche Armee mit ihrer strengen Pflichterfüllung. Jetzt trete er in die zweite Schule: den Kreis einer deutiche» Universität. Dort gelte cs vor allem sich zu erwerben: Achtung vor der geistigen Arbeit, daneben die sachliche Ausbildung für den NegierunaSberus und die Kenntnis von den Grenzen der eigene» Rechre. Die Airlprachc schloß mit einer E'inncrnng an des Her zogs Großvater Ernst, der die Bonner Studienzeit und ihren vicl- leitigeri anregenden Umgang zeitlebens als unvcrvtcßlich bezeichncte. sowie mit dem Wnniche, daß der Herzog das Muster eines deut schen Fürsten werde zum Segen für sein Land. Prinz Karl von Baden hat sich von seiner schweren Erkrankung nunmehr so weit wieder crholl, daß er nach Baden- Baden zum Kuraufenthalte übersicdcln konnte. Er hat vor seiner Abreise einen Brief an die Presse gerichtet in dem er feinen Dank ausjvricht für die ihm erwiesene Teilnahme. Tie Form dieser Danksagung, die der Prinz auch früher schon bei Faimlien- erergnissen beobachtet hat, und die ungekünstelte Herzlichkeit seines Schreibens sind neue Beweise der hochgeschätzten bnrgerfrenndlichen Art des Prinzen, die ihm Liebe und Verehrung in allen Schichten des badischen Volkes gesichert hat. Der neu ernannte Gouverneur von Metz, General- leutnant v. Hagenow, bisher Gouverneur von Köln, hat sich als Lcumairt im Hnsarcn-Rcgimenl Nr. 13 im Jahre 1670 durch einen kühnen nächtlichen Ritt mit wichtigen Depeschen mitten durch das scindlichc Heer bei Orleans das Eiserne Kreuz 1. Klasse erworben. Später gehörte er lange dem Gcneralstabe an und wohnte während dieser Zeit einem Teile des englischen -Feldzuges in Aegypten unter General Woljcley und 1886 den großen Feld- übungcn im nördlichen Indien bei. 1891 wurde er Kommandeur des 9. Husaren-Rcgiments in Trier, 1895 Kommandeur der 15. Kavallcriebrigade in Köln und crhic>t im Mai 1899 die 1. Kavallerie-Inspektion >n Königsberg. Am 22. Mai 1900 wurde er zum Generalleutnant befördert und im September 1901 zum Gouverneur von Köln ernannt. Ein neues Bismarck-Denkmal ist nunmehr in der bayerischen Rheinpsalz erstunden. Aus der Spitze des 500 Meter hohen Peterskopses bei Dürkheim erhebt sich ein aus mächtigen Felsen ruhender gewaltiger Bismarckturm. Das ganze Bauwerk weist die Höhe von 40 Meter am. Tie Einweihung des Denk mals, zu welcher auch Einladung an den Fürsten Herbert Bismarck erging, findet am 5. Juli statt. Tie Festrede hat der frühere Reichstagspräsident Tr. Bürklin in Karlsruhe zugesagt. Bischof Benzler von Metz veröffentlicht in der „Lothringi schen Volksstimme" folgende offizielle Erklärung: „Von ver- schiedcncn Seiten erfahre ich, daß man in die Wabldebatten, welche in den Zeitungen »nd Versammlungen geführt werden, den Namen des Bischofs hincinzieht. Ich habe niemand ermächtigt, meine Autorität m irgend welcher Weise geltend zu machen. Als Bischof halte ich es für meine Pflicht, zu erklären, daß die katho lischen Zeitungen diejenigen Kandidaten zu unterstützen haben, welche am geeignetsten sind, die höheren Interessen der Religion, Elsaß-Lothringens und des ganzen Deutschen Reiches zu ver treten. Sie müssen dabei die christlichen Grundsätze alw ver teidigen, daß sie die den Personen gebührenden Rücksichten nie aus dem Auge verlieren. Würden sie anders handeln, so könnte das der heiligen Sache, die wir vertreten, nur zum Schaden ge reichen." Am 28. Februar behauptete der Abgeordnete Eickhoff ge legentlich der zweiten Beratung des Etats der Reichspost- und Telegraphenverwaltung, ein Staatsanwalt habe geäußert, er kenne überhaupt keinen Postunterbeamten, der, nicht eine oder mehrere Ordnungsstrafen erlitten habe. Hierauf erwiderte Staatssekretär Kraetke wörtlich: „Was dann die Aus führung des Herrn Vorredners bezüglich der Strafen anlangt, so kann ich ihm unumwunden sagen, daß ich kein großer Freund von Geldstrafen bin und cs auch nicht für gut finde, wenn bei jeder Kleinigkeit mit den Beamten, die gesündigt haben — bei der Schnelligkeit, mit der gearbeitet werden muß, kommen ja Ver- sehen vor — lange Protokolle ausgenommen werden. Ich bin der Meinung, daß, wenn Beamten, die sich sonst gut führen, einmal ein Versehen unterläuft, es besser ist, die Sache mündlich zu erledigen, als eine große Verhandlung aufzunebmeitz wobei die meisten Beamten doch nur lagen können: „Es ist leider ein Versehen, daß dieser Brief unrichtig dabin geschickt worden ist." Nun bitte ich aber den .Herrn Vorredner, aus dem, was ein Staatsanwalt über die Strafen der Beamten gesagt hat, keine Schlüsse zu ziehen, denn Beamte, die vor den Staatsanwalt kom men. find gewöhnlich solche, die schon recht viel gesündigt haben." Damit die Ansicht des obersten Ehcss der Postvcrwaltung auch sämtlichen Nachgeordneten Beamten und Unterbcamtcn bekannt werde, ist vorstehende Aeußcrung des Staatssekretärs Kraetke in Nr. 7 des Archivs für Post und Telegraphie, Seile 215, wört lich wiedcrgcgebeii. lieber die Meldung, daß in dem neuen Berliner Tome neben den Standbildern Luthers und Melanchilhons auch dasjenige Kaiser Karls V. Aufstellung finden soll, ist die „Rcf. Kirchen- zeitung" erstaunt. Sie bemerkt: „Mit welchem Rechte kann dieser Kaiser sein Bild in einer evangelischen Kirche errichtet ver langen? Etwa deshalb, damit neben den Förderern auch der Folterer und Henker der Reformation nicht fehle? Er, der die Reihe jener habsburgischc» Kaiser crössncte, die dem Katholizis- mus i» der Knebelung und Vernichtung der Anhänger der Reformatoren Bütteldienste geleistet! Und vollends, wird cs nicht wie ein Bilk des Hohnes aussehen, Karl V. mit den Förderern der Reformation zusaiiimengestellt zu sehen, welche von ihm jahre lang als Gefangene umhergcsührt worden sind, wie mit dem Kur fürsten Johann Friedrich zu Sachsen und dem Landgrafen Philipp von Hessen? Brandenburg war ja allerdings dazumal mit de», Kaiserlichen Interim einverstanden und rührte keine Hand für die Schmalkatdencr glaubensvcrwandtcn Verbündeten in ibrcm Unglücke. Auch könnte man auf den Gedanken koinmcn, dieser Habsburger sei deshalb gewürdigt worden, im Berliner Dome verewigt zu werde», weil er den Schmatkaldcner Krieg hanvtjäch- lich in der Absicht unternahm, die Sclbständigkeit der Reichs- fürsten zu brechen und die „kaiserliche Autorität allein zu etablieren." Zu tumnltuarischen Auftritten, hcrvorgerufen durch sozial- demokratische Radau-,,Genossen", kam es in Berlin in den „Germaniasälen", Cyausseestrahe. wo eine freisinnige Wäblerverlammlung tagte, in der Schriftsteller Schölcr und der Kandidat der Liberalen für den 6. Berliner Rcichstagswahlkreis Stadtverordneter Theodor Liebenow sprachen. Schon während der Vorträge der beiden Herren kam es mehrfach zu Ruhe- störuugeo durch die Sozialdemokraten, die in einer Stärke von «tu» 200 Mann erschienen waren, um die ibneii unlirdlame. v«« mehr als lOOO Mann besuchte Versammlung zu sprengen. Uni MitteriNlüit erhoben sich aus ein gegebenes Signal, und nach dem die ärgsten Schreier mld Schwätzer mehrmals energisch zum Verlassen des von der Sozialdemokratie gewertten Saales aufgefordert worden waren, die „Genossen", schwenkten die Hui.-, riesen unaufhörlich „Hurrah" und pellten sich geschloffen, die Marseillaise singend, im Hintergrund-.' des Saales aus. Ali, Aufforderungen, den Saal ruhig zu verlaßen, beaniwortclcn die „Genossen" mit wüstem Geschrei. Leere Bierseidel und Seltcr- wasserslaschen schwingend, verhöhnten sie die Bcrsamineltcn. Ter Vorsitzende mußte sich zum Ausgang begeben, und cs wäre be nahe zu Tätlichkeiten gekommen, wenn nicht die Polizei uns das Personal des Wirtes kräftig gegen tue Tnmulluauien vorgc- gange» wären. Ter Vorsitzende kennzcichnetc in gebührende, W»che das Verhalten der Sozialdemokraten als einen Kamps mi: der rohen Faust und Muskelkraft. Tie Sprengung war mißglück Ungar». Aussehen erregte in Budapest der Umstand, daß d-. Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand erst an abend des letzten Hosballs dort eintros und unmittelbar nach den Balle abreiste. Tie daran geknüpften Erwägunacn politischen Art — man versuchte die rasche Aorcüe mit der Abneigung L. - Erzherzogs gegen das herrschende Regime zu erklären — schein. » jedoch unbegründet zu sein, La nachträglich gemeldet wird, daß der Erzherzog mit seiner invrganatijchen Gemcihli» Fürstin Hohen berg in Budapest cingclrvsteii war, die aus Eliketteriicksichten ge nötigt war, aus dem Bahnhose im Salonwagen die Nacht 1»». durch zu verbleiben. Ter Erzherzog begab sich nach dem Ho- balle gleichfalls in den Salonwagen und setzte morgens die Rci>e mit seiner Gemahlin fort — Von anderer Seite wird hic>>» berichtet, daß trotz dieser Aufklärung der peinliche Eindnick zurückbleibt, der dadurch hervoracruse» wurde, daß acr Er Herzog aus dem Hofballe bloß oen Präsidenten der klerikalen Volkspartci Grasen Johann Zichy und tonst niemand anderen ausprach. Ter Bürgermeister der Sladk Svalalo hal an den Vertreter der Stadt im Rcichsrale, den Abgeordneten Boreic, folgendes Telegramm gerichtet: „Unter dem Eindrücke der entsetzliche:, Nachrichten ans Kroatien richteten wir an Se. Majestät tele graphisch die Bitte um Begnadigung der znm Tode Verurteilten und in» landcSvälcrlichc Intervention in der Richtung, c« möge dem Blutvergießen unter unseren Stammesbrüdern Einhalt gein» werden. Wir bitten auch alle Abgeordneten in, RcichSrate, sich der Angelegenheit wärmsiens anzunchmen." Die Abgeordnete.- aus Dalmatien haben beschlossen, sofort nach der Rückkehr des Kaisers aus Pest eine Audienz zu erbitten und korporativ vor dem Monarchen zu erscheinen. Nachts kam es in mehreren Stationen vor Fiume zu blutigen Zusammenstößen zwischen Militär und Gendarmerie und der kroatischen Bauernschaft. Die Bauern zogen zu Tausenden gegen die Stationsgebäude und suchten die ankommcndcn Züge zui.i Entgleisen zu bringen. Au mehreren Stellen wurden die Schienen hcrausgerisscn. Bei den Zusammenstößen wurden viele Soldalcn durch Steinwürfc schwer verletzt. Eine große Anzahl Bauer» erhielt Bajonettstiche und Schußwunden. — Bei den letzten Demonstrationen in Agram auf dem Jellacic-PIatze -wurden 350 Personen verhaftet. Frankreich. lieber den Verlauf der kirchcnvoIitischcn Debatten i» der T ev u t i er ten kam m er ist noch zu de richten: Der Sozialdemokrat Allard führte auS: Er bedanrc, das; die Regierung nicht eine bestimmtere Erklärung abgegeben habe über die einzig mögliche Lösung, die Trennung von Kirche und Staat. Der Redner tadelte den Ministerpräsidenten, weil er nicht Kirchen schließen lasse, die von den Priestern zu Stätten anti- republikanischer Propaganda gemacht würden. Eoinbes' Pflicht lei. die Botschaft beim Vatikan nbzubenisen. Wenn er nicht zur Trennung von Staat und Kirche beieit sei. werde er sich einen Teil der Republikaner entfremde». Millevoye (Nationalist) warf Eoinbes vor. daß er die Straßenunruheir hervorgcrnfen habe. Elovis Hugues (Sozialist) forderte für die Bürger das Recht, das Gesetz zu verteidigen, wenn cs verletzt wird, wie es in der Kirche von Anveivilliers der Fall gewesen sei: er beschuldigt die Kleri kalen, daß sie sich dort wie Banditen benommen hätten. (Heftige Unterbrechungen rechts.) Tenns Eochin (Konservativ) sagte, die Politik der Negierung lei der Krieg gegen alles, was christlich ist. (Lebhafter Beifall rechts.) Die Resolution des sozial-radikalen Deputierte» Hubbaid, wonach alle die Trennung von Kirche und Staat betreffenden Anträge der Kongregationskommtision zuaewiesen werden solle», winde mit 217 gegen 178 Stimmen abgelehnt. Sodann wurde die von den Radikalen Etienne. Dubkef und Sarrien ciiigebrachtc und von dem Ministerpräsidenten Combes genehmigte Tagesordnung. in der die Kammer die Erklärung der Regierung billigt, im Vertrauen zu den Entschließungen des Ministeriums, die Hebelgriffe des Klerikalismus zu unterdrücken, mit 313 gegen 237 Stimmen angenommen. In Nancy wurde eine junge Frau unter dem Verdachte der Mitschuld in der Spionage-Affäre Baliguet verhaftet. Baligiict hat bereits ein Geständnis abgelegt. Präsident Krüger ist aus seiner Reise von Mentonc in Paris durchgekommen und hat sich drei Stunden lang dort anf- gehalten. Er hat vom Eisenbahnwagen auS eine Ansprache an die Anwesenden gerichtet, worin er für die Sympathie» der Parisen Bevölkernng dankte und ankündigtc, daß er sich im nächsten Jahre in Paris anjhaltcn werde. Spanien. Prinz Heinrich von Preußen begab sich in Vigo, von einem Adjutanten begleitet, an Land und statretc dem Gouverneur und dem Bürgermeister einen Besuch ab. Die militärischen Ehren erwies eine Kompagnie Infanterie. Ter Priirz fährt von Vigo direkt nach Madrid und wird am 27. d. Nt. nach Vigo zurückkehrcn. Das dentschc Geschwader wird den Hasen am 29. d. M. wieder verlassen. England. Im Unterhause brachte Herbert Samuel (liberal) eine Resolution ein, welche besagt: Nachdem die Regie rung des K v n g o st a a t e s den Mächten gegenüber die Bürgschaft überiivmmen bat. daß die Negierung über die Eingeborenen mit Menichlichkeit geiührt werde »nd ferner, daß kein Handelsmonopol innerhalb des- Gebietes des Kongostaatcs gestattet sein soll und nachdem beide Bürgschaften beständig verletzt worden sind, ersucht das Haus dle englische Regierung, sich mit de» anderen Mächten, welche die Berliner Gcneralnkte nnkerzeichnet haben, zn beraten, damit Maßnahmen ergriffen werden könne», um die im Kongo staat herrschenden Nebel zn beseitigen. I» Begründung der Reso lution verwies Samuel ans die Bewilligung von Monopolen snr verschiedene belgische Gesellschaften und aus schwere Mißhandlung der Eingeborenen, die im Kongoslaate vorackvmmen lei. Dille (liberal) unterstützte den Antrag: er sagte, im Kongoslaate sei nichts als Mvnopolwirtichast; der oiglffche Handel lei vernichtet worden, »nd wandte sich in scharseii Ausdrücken gegen das Vcr- waltungssystem der Regicumg des Kongostaatcs. Andere Redner aus deni Hanse betonten gleichfalls die Notwendigkeit einer Inter vention. Der Unterstanlssekrctär des Acnßcreil Lord Cranborne führte auS. er wünsche keine Verantwortlichkeit snr Handlungen der Kongoreglerung zn übernehme», wohl aber dir Frage in un parteiischem Geiste zu erörtern. WaS die Frage der Konzessionen betreffe, io sei England nur eine der verschiedenen Signatarniächle der Berliner Kongoakte, und es könne nicht von der Regierung erwartet werde», daß sie allein in dieser Angelegenheit vorgche, vielmehr werde sie mit de» übrigen Mächten, die die Akte unter- zeichnet, i» eine» Meinungsaustausch über die genaue Tragweite der in die Akte ansgenomniencn Monopolklausel cintrcten, Was die Be handlung der Eingeborenen betreffe, so sei in ganz Europa und namentlich in England allgemeiner Verdacht vorhanden, obwohl die Kongobehörden in bezug ans ihre Verpflichtiingc» sich ans der Höhe hielte», dle von einer weißen Regierung erwartet werde» kann Tic Kongobehörden würden so wohlbcraten sein, die öffent liche Meinung zufrieden zu stellen, und er sei sicher, daß die heutige Beratung eine große Wirkung habe» und zur Abstellung der beklagte» Hebet führen werde. Er fordere jedoch diejenigen, welche die Verwaltung des Kongostaates tadeln, aus, die Sache nicht zu übcitreiben. Im weiteren Verlaufe der Beratung erklärte Premierminister Balsour, die Regierung erkenne vollkommen die Verantwortlichkeit Englands als eine der Signatarniächle der Berliner Akte an und beabsichtige in dieser Eigenschaft, sich mit den anderen Signatur-Mächten und mit der Regierung des Kongolrelstaatcö in Verbindung zu setze»: er halte es aber nicht für richtig von seiten des Haulcs, seinen bleibenden Protokollen ohne eniwrcchende Untersuchung eine Resolution einzuvcrlciben. welche nicht allein die Regierung zu einem Vorgehen aufforderr, sondern eine Verurteilung einer befreundeten Regierung cmsspreche. Er schlage daher vor, daß der Antragsteller sich mit den Ver sicherungen der Regierung zufrieden gebe und die Verurteilung der Kongorealernng aus der Resolution herau-nehme. Mit diesem Vorschlag erklütte sich Samuel einverstanden und strich die Borte Drerdirev Nachrichten. Str. 112. Leite ». Sonnabend. 2». Mai 1V0Z