Volltext Seite (XML)
Sie Wne des föchslschen Finanzminifters. Programmalische Erklärungen auf -er Millelslan-skun-gebung -er Wlrlschaflsparlei. Dr. Marx' erste Fühlungnahme mil den bürgerlichen Parteiführern.—Pariser Gerüchte über eine politische Revision des Rouzier-Prozesses. Gleiches Wahlrecht — gleiches Zahlrechl! IDrah, Meldung u « «errr Berliner S ch r «,»I e I r u n g.c Berlin, 28. Inn. Der Landesverband Berlin der Neichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschastspartei) veranstaltete nachmittags im Herrenhaus« eine große Mittelstandskundgebung. Da der Saal schon lange vor Beginn libersitllt war. muhten zwei Parallel. Versammlungen im Fcstsaale des Herrenhauses nnd im Land- tagSrestaurant abgeyaltcn ,verden, und auch diese reichten noch nicht auS. um alle Teilnehmer aufzunchincn. Die Zahl der BersammlungSteUnehmer wurde aus etwa 2000 geschlitzt. Zahlreiche Reich»- und LandtagSabgevrdnete der WlrtschastS- Partei, der sächsische Finanz mini st er Weber und -er Vorsitzende des Bayrischen Bauernbundes waren zu der Kundgebung erschienen. Unter den verlesenen SiegrüßnngS- telegramme» befand sich auch ein solches de» neuen sächsischen WirtschastSminIsterS. Reichstagsabgeordneter Mollath sprach zunächst ttber die Grundrechte des dcntschen Mittelstandes. Ein Staatsgebilde. führte er aus, könne auf die Dauer nur bestehen wenn eS einen aus die Einzelpcrsünlichkeit auf. gebaute» lebenskräftigen, gesunden Mittelstand habe. Der Redner betonte, daß die Wirtschaktspartei jeden gewaltsame»? Umsturz ablehne, und dah sic auch für die religiös« Freiheit jedes einzelnen eintrete. Die stehe auf dem Boden der Ver fassung, Wenn im Mittelstand dir Freude, am neuen Staat muh nicht so groß sei so liege das nicht am Mittelstand.' Der Staat habe «S eben «och nicht »erstände«, dkrse freudige Mi, «rbe«t im Mittelstand zu «ecken. (Lebh. Zust.) Niemals habe die Ausbeutung des Mittelstandes derartig« Formen angenommen wie unter den heutigen Verhältnissen Gegen» über sozialen Vasten von 900 Millions» Mark vor dem Kriege haben wir jetzt 1 Milliarden. Keine Lugend sei heute f» verbreitet, wie Wohltätigkeit zu treiben au» de« Laschen ««derer Die Wirtschaftspartet sei daher stärkster Gegner jedes DtaatSsozialtSmns. Sie wende sich auch gegen scde Betätigung -er öffentlichen Hand in der Wirtschaft. lBeisall.» Der Redner wandte sich weiter entschieden gegen die Steuerpolitik, tnSbelon- ders in der Frage der Gewerbesteuer. Mit Bezug aus den Abbau der Zwangswirtschaft ftir die gewerblichen Räume forderte er einen versöhnlichen AnSglcich zwischen Mieter« und Vermieter«. Der Parteivorsitzende RcichStagSabgeordneter Drewitz ging in einer kurze» Ansprache aus die Frage der Regierungsbildung im Reiche ein. Wenn die Wirtschaftspakte! hcnte eine bürgerliche Regie» rung fordere, dann sei dafür maßgebend. daß mit Links die schwebenden groben Fragen nicht gelöst «erde« könnte«. Der Mittelstand fordere neben dem gleichen Wahlrecht auch das gleiche Zahlrecht. Wenn die demokratischen Minister Dr. Rcinhold und Dr. Schreiber am vergangenen Sonntag es jo hingcstellt hätten, daß jeder, der heute von Steuersenkung rede, ei» Demagoge sei, so müsse man erwidern, daß an Steuersenkungen allerdings nicht zu denken sel, solange das Parlament derartige wahnsinnige AuS. gaben beschließe. Aber eine gerechte Verteilung der Stenern könne man verlangen. Der Redner warnte vor z» großen Hoffnungen auf die bürgerliche Negierung. Wenn es sich ergeben sollte, daß auch die bürgerliche Regierung den Forderungen der Wirtschastspartei »icht genügend Gehör schenke, bann werde eben die Freundschaft wieder aufhören. Und wen» der Reichstag nicht den Mut habe, dem Volke die Wahrheit zu sagen, daß wir »nS nach einem verlorenen Kriege nicht 5 Milliarden soziale Lasten leisten können, dannmllsse an das Volk appelliert werden. DaS Volk «erd« entscheiden, ob diese wahnsinnige Finanzwirtschaft fortgesetzt werden soll oder nicht. (Lebhafter Beifall.) Der sächsische Finanzminisler Weber wies darauf hin, dah die MltlrlstandSbewegaing fetzt in die Reih« der verantwortlichen Regierungsparteien eingetreten sei. Nach Sachsen werden andere Länder folgen. Der Redner Falschmeldungen über -ie Reichswehr. Berlin, 28. Fan. Zu den Mitteilungen tn der Presse über angebliche Betrügereien gegen die ReichSivehr wird amtlich mitgetcilt, dah sie in vollem Umfange unwahr sind. Der durch Selbstmord aus dem Leben geschieden« Major Wie de mann ln>t sich ebenso,veniq eitvas z »schulden kommen lassen, wie der Major a. D. G l o dg o w s k i. der auch nicht entlassen ist. Das Reich ist auch nicht durch betrügerische Handlungen bet Wasfeneinkäuscn geschädigt worden. Gegen die Verbreiter der univahrc» Nachrichten wird Strafanzeige erstattet werden. Zusammenstöße ln Breslau. VreSIa«. 28. Jan. Trotz starken polizeilichen Schutzes wurde heute in der Friebrlch-Wilhelm-Straße und am König». platz eln Zug von Siahlhelmlcuten von Rote» Frontkämpfern angegrtfsen. Zahlreiche Stahlhelmmitgltedcr wurden beschimpft und geschlagen. Neunzehn Personen, darunter zwei Krauen, wurden von der Polizei festgenommen. Irgendwelche schwere Verletzungen von Personen sind, soweit bisüer sestgestellt wer. de« konnte, nicht vorgekommen. IW. L. v.) ging dann darauf ein, wie dte WirtschaftSpartel i» der säch sische» Negierung ihre Forderungen durchsetzen wolle. Er bei«Ute. daß auf die einmal vorhandenen KoalitionSverhält- ntsie natürlich Rücksicht genommen werden müsse. Sein erstes Prinzip als sächsischer Ftnanzminister werde sein, den Spar- samkeitSgedauken im Staatshaushalt zur Geltung zu bringen. Der entsprechende Passus in der NegicriiivgSerllärung sei durch die Wirtschastspartei bewirkt worden. Weiterhin ent halte das Programm zum ersten Male den großen Mittel- stanhSschutzgcdanke«, wie er im Artikel 181 -er NeichSversas. sung zum Ausdruck gebracht worden sei. Noch nie habe ein Negicrungsprogramm dieses Bekenntnis enthalten. Das ist di« Umsetzung unserer Versprechungen in die Tat, daß wir dieses Versprechen in die Regierungserklärung ausgenommen haben. Wir stelle» a« die Spitze aller unserer Bestrebungen di« Gesunderhaltung und Kräftigung alles gewerblichen und geistige« Mittelstandes. Der Minister kündigte weitere Maßnahmen an, um daS weitere Eindringen der öffentlichen Hand in die Absatz. Verhältnisse zu verhindern. Die öffentlichen Betriebe müßten nach prtvatwirtschaftltchcn Gesichtspunkten umgestellt werden. Sie seien ebenso steuerpflichtig, wie fedeS and«« Unternehmen. Der Redner verwies weiter auf dte Entfremdung, die zwischen Beamtenschaft und gowerb- ltchem Mittelstand seit der Inflationszeit eingetreten sei, und die darin ihren Grund habe, daß sich die Beamtenschaft in volkswirtschaftliche Funktionen. Warenproduktion und Warenverteilung ei rege mischt habe. Die Verständigung werde kämmen, wenn sich alle zu dem Grundsatz bekennen: Jedem das Seine. Beim endgültigen Finanzausgleich werde die Frage einer gerechten steuerlichen Belastung zu lösen sein. Schließlich werde man besonders darauf zu achten haben, daß dte Reichsgesetzgebung der Leistungsfähigkeit der Länder und Gemeinden Rechnung trag«. (Beifall.) Der Vorsitzende dcS Bayrischen Bauernbundes, Rcichs- tagsabgevrdneter Eiseuberger. übcrbrachie die Grüße seiner Partei und sprach die Hoffnung aus, daß der Mittelstand im ganzen gleiche zu einer Einigung gelange. Der Mittelstand könne sehr wohl eine Macht sein, wenn er cs wolle. Wenn ein Ochse wüßte, wie stark er ist, dann könnte man ihm nicht so viel aufladen. (Heiterkeit und stürmischer Beifall.) Zum Schluß sprach -er Vorsitzende der bayrischen Landtagsfraktion, Müller, über den Erlaß des preußischen Wohlfahrtsministers über die Freigabe der gewerblichen Räume. Die Wtrtfchaiftspartei habe sich immer gegen Len stück weise« Abbau der Wohnungszwangswtrt- schaft ausgesprochen. Es sei klar, das, sich die ganze Ver ärgerung der Hausbesitzer einerseits und das berechtigte Be streben nach einer angemessenen Rentabilität anderseits dabei ans einen allzu engen Mieterkrcis auSwirke. Auch das Herauslassen jeglicher Schutzbestimmungen und di« allzu engen Uebergangssrist-en seien bedenklich. Man wisse nicht, ob Ser ganze Erlaß eine Wohltat für den Hausbesitzer sei, oder ob er nicht vielmehr die versteckte Absicht habe, daß die Wirkung des Erlasses die sein solle, daß auch nur eine Locke rung der Zwangswirtschaft untunlich erscheinen müsse. Dieser erste» Lockerung müßte ein schleunigster Abba« ber gesamten Zwangswirtschaft folgen. Nur dann könne die erträgliche Verteilung der Laste» auf alle hcrbcigcführt werden. Die WirtschaftSpartei werde im Interesse von Mietern und Ver mietern entsprechende Anträge stellen und dabei auch ent sprechende Schutzbcstimmnngcn vorsehcn. Entschließungen wurden nicht gefaßt. Heinrich Sklarz verhafte!. Der aus vielfachen Prozessen bekannte Heinrich Sklarz wurde in Berlin wegen Betruges verhaftet und in daS Untersuchungsgefängnis cingeliescrt. Bekanntlich war Sklarz. der durch die Revolution hochgekommen war, vielfach tn Straf- und Belcidigungsprozcsscn verwickelt. Er batte cs aber ebenso wie seine Brüder bisher immer rerstanden, sich den ihm drohenden Gefahren zu entziehen. Glückwunsch Äln-enburgs an Geheimral Äammann. Berlin. 23. Jan. Reichspräsident v. Hindenbutg hat dem Wtrkl. Geh. Rat Hamm ann telegraphisch zu seinem heutigen 75. Geburtstage die herzlichsten Glückwünsche über mittelt. NeichSmlnister Dr. Stresemann sandte an Gc- heimrat Hammann ein Telegramm mit den Glückwünschen des Auswärtigen Amtes und gedachte der hervorragenden Ber- dtenste des Jubilars um die deutsche Außenpolitik. Pari», 28. Jan. Nach dem »Petit Parisien" Nnd die in Paris geführten Verhandlungen über bi« vefeftignngen an der deutsche« Ostgrenze anf bestem Weg«. Die Heerschau -er sächsischen Lan-wirtschast. Eine Angelegenheit dcS ganzen Volkes. Wie alljährlich in den ersten Wochen eines neuen Jahre» treten am heutigen Montag in Dresden die bcrnf'nen Ver treter der sächsischen Landwirtschaft zu ihrer Sächsischen Lind, wirtschaftlichen Woche zusammen, die iwn jeher schon weit über den Rahmen einer internen berufsständischcn Vccan. staltung hinauSging. Sie erfordert diesmal aber um so größere Aufmerksamkeit, als sic die Augen her Bevölkerung in einer Zeit ans die Landwirtschaft lenkt in der sich doch be reits einige Anzeichen beginnender Erkenntnis von der grund- legenden Bedeutung der Landwirtschaft für die gesamte deutsche Wtrtscl>ast bemerkbar machen. Man hat in letzter Zelt beobachten können, bas, sich auch Kreise der ernsten Lage der deutschen Landwirtschaft bewußt geworden sind, die ihr bisher rein gefühlsmäßig verständnislos oder als politische Gcg>»cr direkt feindlich gegeniibcrgestandcn haben. In diesen Tagen erst ist sogar die Sozialdemokratie mit einem Agrarvrogv.vn-.m an die Oesfcntlichkcit gegangen, dessen gefährliche sozialistische Tendenzen zwar niemals der Landwirtschaft zum Heil auS- schlagen können, das abcr Immerhin ein Eingeständnis da für ist, wie wertvoll Ihr das E«»sangen des unverwüstliche« Bauernstandes für ihre parteivvlltifchcn Tendenzen ist. Nicht» kann jedoch darüber hinwegtäiischen, das, man selbst in den Kreise», in denen man die Landwirtschaft nach manchem Irr glauben der Nachkricgs. und Inflationszeit als den trägem, den Pfeiler des deutschen Wirtschaftslebens bereits erkannt hat, noch längst nicht zu dem Bewußtsein der Produktion», technischen nnd psychologische» Eigcnari landwirtschaftlicher Betriebsweise gekommen ist, die die Voraussetzung für den endgültigen Wiederaufbau der an Produkt ionswerten all« anderen Wirtschaftszweige weit übertrcsfcnden Landwirtschaft bildet. Mehr denn je hört man heute gutgemeinte Ratschläge an die Landwirtschaft, sic solle sich nur auf ihre eigene» Kräfte verlassen, ihre Produktionsmittel durch Selbsthilfe auSbauen und vervollkommnen und auf die Staatshilse ver zichten. DaS klingt bestechend, geht aber schon deswegen von völlig falschen Voraussetzungen ans, weil die Landwirtschaft seit dem furchtbaren Raubbau des Krieges und den nncr. träglichcn Fesseln der Zwangswirtschaft »ach dem Kriege noch niemals im entferntesten die Fürsorge gefunden hat, dte -er Staat anderen Vcrufsständen gern und willig hat an» gedeihen lassen, und weil keine Eigenhilfe ctivaS nutzen kann, wenn eine kurzsichtige Staatspolitik in Verkennung der grundlegenden nattonalwirtschastlichen Bedeutung des Land, baues die Möglichkeiten eines rentablen Landbaues durch eine unmögliche Steuer- und Kreditpolitik verhindert. Was die Landwirtschaft fordert und zu fordern nicht nur berechtigt, sondern auch gezwungen ist. das tst eine gleich, mäßige Behandlung mit den anderen Berufs- ständen. Nnd darüber werden di« Verhandlungen der Sächsischen Landwirtschaftlichen Woche Aufschluß geben. Sie werden ferner in den unendlich zahlreichen Einzelveranstal- tungcn der verschiedenen Facl>gruppeii und Ausschüsse ein buntes Bild unermüdlicher sachlicher Arbeit geben und damit zeigen, tn welch weitgehendem Maße gerade die Landwirte trotz ihrer anerkannten Nöte und Sorgen an der Arbeit sind, durch Selbsthilfe, Vervollkommnung der Methoden und Ver tiefung ihrer beruflichen Kenntnisse die landwirtschaftliche Erzeugung zu intensivieren odcr durch gnalitative Verbesse rung ihrer Produkte den veränderten Verhältnissen des Be- darfes Rechnung z» tragen. Sie ivcrden damit deutlich genug erkennen lassen, daß es wahrlich »icht Schuld der Landwirt schaft ist, wenn sie trotz aller dieser Arbeit immer Mieder ge zwungen ist, an Staat und Oesfcntlichkclt zu appelliere», daß endlich auch der Staat sich seiner dringendsten Verpflichtungen bewußt wird, der durch Zwangswirtschaft, Inflation und ein« verkehrte Agrarpolitik lebensunfähig gewordenen Landivirt. schaft eine erträgliche Existenzgrundlage zu schaffen. Drei grundlegende Forderungen sind es. die heute die deutsch« Landwirtschaft in erster Linie beschäftigen: Ein wirksamer Zollschutz. Herabsetzung der Steuerlasten auf ein Maß, daS nur daun gerecht sein kann, ivcnn sic vom Er. trage getragen »»erden können, und Ermäßigung der Zinssätze, eine Forderung, deren mahnende Bedeutung auS den erschütternden Zahle» klar wird, die tn diesen Tagen im Haushaltausschuß des Reichstages bekam,»gegeben wurden und die ein« Schuldenlast der deutschen Landwirtschaft in Höhe von 9 bis 10 Milliarden ergeben. Das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen! Es soll gewiß nicht vcr. kannt werden, daß man sich in bezug ans die Herabsetzung der Zinslasten auch im Laudwlrtschaflsministcrium bereits be- müht, indem man mit der Konvertierung der zchnprozeutigen Goldpfandbriefe auf 7 Proz. beginnt. Niemand wirb aber erwarten können, daß für die Landwirtschaft in ihrer ane«