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Doraden--Mall 66. Jahrgang. 59« Doaaerakag, 2. Februar 1922. DnidNmschrisi! v»<HrIch>»» 8»n>I»r»ch»r.Sainm«lnu>>m>er LS 2.1 Dur svr «achl,»Ipri>ch,: SO 011. Gegründet 1SS6 " ^ . .. . In 4>r.»l>«, und «»n>rt»n d,i läpltch ,w,imaU-er Zuv-gun, monattt« Bezugs-«ebühr NVALlLLVA L "" Auswärl.Lullrüg« ge,,.Vorausdezadl. a>nz«lpr«i» l>.v-radendblall«,«PI «achvruck nur mt> Mutiich» vu«Il»n-n,ad« (.«r-dni v-chr.»> »uILgl,. - llnv»rl-n,l« SchriHItück« w«rd»n nicht ausd-w-hrt. SchrWeNunq und 1t»u»Iqrtck>Ift»V«0»: «-r«»»llr»h» SS,»0. Druck ». von viepich » «elchnrdl in Dresden. Pofticheck.Avnt« 10SS Dresden. /^ususl Förster Flügel, Pianos k.vk»»u (8s.) Vvrksufslollsl: vrssösn-/^., Wsissnksusslrsks ö, KsnIrsi-Ikksier-pAsrngo. Skreikverbol -er Reichsregierung. Der Worilaul -er Verordnung. VDraitmeldung unsrer Berliner Lchrtstlettung.s Berlin. 1. Aebr. Die vom Reichspräsidenten Eberl erlassene Verordnung bekrefsend verbot der Arbeitsniederlegung von Beamten der Reichsbahn hat folgenden Wortlaut: Ans Grund Art. «8 Abs. k der ReichSverfaffung ver- »rdne ich -nr Wiederherstellung der össentllchen Ordnung »nd Sicherheit i« Reichsgebiete folgendes: > 1. Den Beamten der Reichsbahn ist ebenso »ie allen übrige» Beamten »ach dem geltenden veamtenrecht die Einstellung oder Verweige rung der ihnen obliegenden Arbeit oer- tote». Wer einen Beamte» der Reichsbahn zu einer hier, »ach »erbotene» Einstellung oder Verweigerung der Arbeit ansfordert oder aureizt, wird mit Gefängnis- »nd Geld strafe bis zu SülINg Mk. oder mit einer dieser Straseu Le» strahl. Ebenso wird bestraft, wer zur Durchführung einer »erboteueu Niederlegung oder Verweigerung der Arbeit au Zugkräften, Fahrzeuge«, Maschinen. Vorräten oder sonstige« Anlage» »der Einrichtungen Handlungen »oruimmt, durch jvslche di« ordnnngsgemäste Fortsetzung des Betriebes der Reichsbahn unmöglich gemacht oder erschwert wird. > st. Wird durch unzulässige Einstellung ober Verweige rung der Arbeit der Betrieb der Reichsbahn ganz »der teil weise ftillgelegt oder erschwert, so ist der Reichüvcrkehrs» «tnister berechtigt. Rotftandöarbeitcn und Not« stanbsversorguug zu sichern, sowie alle Massnahmen z» treffen, die zur Weitersührung des Betriebs geeignet sind. 8 S. Beamte, Angestellte oder Arbeiter, die im Betriebe der Reichsbahn die Arbeit wciterführeu oder Notstaudö- arbeit«« oder Arbeiten zur Sicherung der Notstands« »ersorgnng leisten, dürfen dieserhalb in keiner Weise wirtschaftlich benachteiligt werden. Wer zu einer solchen Benachteiligung ausfordert ober aureizt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe bis »» SlUMN Mk. oder mit einer dieser Strafen bestraft. 11. Diese Verordnung tritt am 1. Februar 1SLS in Kraft. Berlin. 1. Februar lüstst. Der Reichspräsident, gez. Vbert. Der Reichskanzler, gez. Dr. Wirth. Der Reichsverkehrsmiuister. gez. Groen « r. Der Streikbeschluß -er Retchsgewerkschafi. w. I. V. meldet: Berlin, 1. Februar. Die Reichsgewerkschast deutscher Elsenbahnbeamten und -Anwärter beschloh «lt 20 gegen 15 Stimmen bei einer Stimmenthaltung, kommende Rächt ab 1 2 Uhr in den Streik einzutreteu. « Die Würfel sind gefallen und der Rubikon ist über schritten. Ob die Mehrheit, die den verhängnisvollen Streik beschluss gefasst hat, sich der bergehohen Verantwortung, dte sie damit aus sich geladen hat, bewusst gewesen ist? Sie hat jedenfalls nicht den moralischen Mut gehabt, den Hetzern und Schürern offen die Stirn zu bieten und ihr Treiben gebührend zu brandmarken als das, was es in Wahrheit ist: rin Verbrechen an der Nation. Bei der Beratung tm Haupt- ausschust des Reichstages ist dieser Charakter des Ausstandes von bürgerlicher Seite übereinstimmend mit aller Ent- schledenheit festgestcllt worden: auch der demokratische Ver treter »ahm kein Nlatt vor den Mund, sondern kennzeich nete das Verhalten der Streikenden ohne Umschweife aiS verbrecherisch. Sachlich steht auch die Oppvsitionsgrnvpe der ReichSgewcrkschast, die den Streik verurteilt, aus dem gleichen Standpunkt, wenn sie den konfliktslüsternen Ele menten ins Bewusstsein ruft, das, jede schwere Erschütterung der Lage Deutschlands im gegenwärtigen Augenblick zu un übersehbaren Folgen führen würde. Wenn trotzdem jede Rücksicht auf das Allgemeinwohl misiachtet und tn kritischer Stunde ein Streik vom Zaun gebrochen wird, so ist die zwingend« Schlußfolgerung gegeben, daß ein solche» Ver halten «im Verbrechen wider die Nation darstellt. An dieser Richtung bewegt sich auch die in letzter Stunde erlassene Ver ordnung de» Reichspräsidenten über das Verboi der Arbeits einstellung. Die Retchsregicrnng wird in Ausführung dieser Verordnung ihre ganze Energie auswciide» müssen, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und die schlimmen Wirkungen eines Streiks auf das wirtschaftliche Leben nach Möglichkeit einzuschränken. Di« Kundgebung der Reichs leitung und die mit ihr übereinstimmende Erklärung des Präsidenten der Veneralbirektton Dresden, bah jeder Be l amte, der sich an einem Sireik beteiligt, seine Pflicht aus das schwerste verletzt und ernste Folgen seiner Pflicht verletzung zu gewärtigen bat, entsprechen durchaus dem Emp finden der öffentlichen Meinung, die nun aber, auch mit aller Bestimmtheit erivartet, basi eS auf seiten der Negie rung nicht bei bloficn Worten bleibt, sondern dah die an- gekündigten Maßnahmen mit der denkbar grössten Energie durchgeführt werden. Wenn die Streikpartei tn der Ncichö- gewcrkschaft den Versuch macht, das strenge Vorgehen gegen streikende Beamte als eine Bedrohung der KoalitionSsrei hctt hinzustellen, so ist das lediglich ein tendenziöses Manöver, um die allgemeine Aufmerksamkeit von dem springenden Punkt, dem verbrecherischen Angriff auf die wirtschaftlichen Grundlagen der Nation, dem brutalen Griff an die Gurgel des Volkes, abzulenken. Das Koalitions- rccht de» Beamten streitig zu machen, daran denkt kein Mensch. Die besondere Rechtsstellung der Beamten im Staate aber bringt es mit sich, dah ihnen das Streikrccht nicht zugebilligt werden kann, wie ja auch umgekehrt der Staat nicht die Befugnis besitzt, Beamte auszusperren. Dar über war sich vor der Umwälzung mit Ausnahme der Sozialisten alle Welt einig und auch heute noch besieht darüber bet den bürgerlichen Parteien kein Zweifel. Dieser Standpunkt ist auch im SauptauSschuh des Reichstages von bürgerlicher Seite unterschiedslos vertreten worden. Auch im Auslande denkt man genau io, und eö mag bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, mit welcher rücksichts losen Strenge vor dem Kriege Clemcnceau gegen die Be amten vorgtng, dte das französische Verkehrsleben durch einen allgemeinen Post- und Telcgraphcnstreik still,'.»legen unternommen hatten. Im Hauptausschuh deS Reichstages ging denn auch dte allgemeine Stimmung auf bürgerlicher Seite dahin, dah in diesem Falle Energie die oberste aller Tuaenden sei. und von allen Seiten wurde der leitenden Stelle zugerufen: „Landgraf, werde hart!" Selbst in mehr- heitSsoztalistischen Kreisen wird offenbar die ungeheuerliche Frivolität dieses AusstandeS, die schnöbe Missachtung aller öffentlichen Interessen, die darin zutage tritt, peinlich empfunden. Der Parteivorsitzende Müller-Franken erklärte im Hauptausschnh rund heraus, keine Partei könne eine Besoldungserhöhung von M bis 6N Milliarden Mark, wie sie bas Ultimatum fordere, verantworten, »nd der „Vor wärts" gab noch tn elfter Stunde den Rat, den Kampf zu vermeiden. Die Mchrhcitösozialdemokratie, der nunmehr dte Herrschaft über dte Massen cntglcitek, wird sich nicht verhehlen dürfen, dah sie im Grunde nur erntet, waS sie selbst in iahrzebntelangcr Verhetzung gesündigt hat. Wenn den Beamten das Streikrccht im öffentlichen Interesse abgesprochen werden muh, so erwächst der Regie rung selbstverständlich zum Ausgleich die Verpflichtung, mit besonderer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit aus dte Be friedigung aller berechtigten Forderungen der Beamten be dacht zu sein. In dem vorliegenden Falle ist nun gewth in mancher Hinsicht eine Notlage vorhanden, und diese muh nach besten Kräften abgemtlbert werden, aber der Staat muh dabei innerhalb der Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit bleiben. Ueber diesen Punkt ist nicht hin weg zu kommen und beim Vorherrschen guten Willens auf beiden Seiten wird sich auch tm gütlichen Verhandlungswege ein befriedigender Ausgleich erzielen lassen. Inzwischen aber muh der staatliche Kampf gegen den AuSstand mit aller Kraft ausgenommen und bnrchgeführt werden. Je ent schlossener und erfolgreicher bas geschieht, desto mehr Ver trauen wird man auch tm Auslande zu der wiedererwachten Lebenskraft der staatlichen Autorität in Deutschland ge winnen. Dte jetzigen Erfahrungen machen cS unum gänglich, den angeregten Gedanken, die Beteiligung von Beamten an Streik» nicht nur disziplinarisch zu ver folgen, sonder» auch dem allgemeinen Strafgesetz zu unter werfen, weiter zu verfolgen. Auch wird es notwendig sein, bet der Beratung der Schltchtnngsordnung im Reichstag die tm Reichswirtschaftsrat gestrichenen Vorschriften über die Bestrafung der Teilnahme an Streiks, die ohne Anrufung der Schlichtungsstelle inszeniert werden, wieder herzustellen. TaS duldsame Gehen- und Geschehcnlassen auf diesem Ge biete kann nicht so weiter gehen, weil es dte Grundlagen unsere» wirtschaftlichen Lebens nicht bloh zu erschüttern, sondern zu zerstören droht. * Zur Stnudc ist es übrigens noch ungcwih, ob es ans Grnnd des Beschlusses der Reichsgewcrkschast zur völligen Einstellung des Eisenbahnverkehrs in Deutschland kommen wird. Die sächsischen Leitungen der beiden anderen grohcn Verbände, der Gewerk, sch ast deutscher Eisenbahner jchristlichj und des Deutschen EiscnbahnervcrbandeS ssozia- listischj bezweifeln, dah der Ltrcikparole überall restlos Folge geleistet würde. Der Deutsche Eiscnbahnerverband ist nach «ie »or gegen den Streik, solange die Verhand lungen «och nicht abgeschlossen sind. Seine Mitglieder werden ihre Arbeiten im Falle des Ausstandes verrichten. Der Dresdner Vorstand der Gewerkschaft deutscher Eisen bahner wurde nach Berlin bernseu, »m zu der Frage Stellung zu nehmen. Die Landesstelle Sachsen der Retchsgewerkschafi Deutscher Ei senba Hu be amten und -Anwärter bestätigt dte Nichtigkeit der W. T. B.-Meldung Uber den Streikveschluh. Sie steht auf dem Standpunkt, dah ihre Mitglieder als Gewerkschaftler dem Beschluss« Folge leisten mühten. Der Sieg -er radikalen Richtung. iLrahtmeldungnntrerV'-rllnerSchrtstlettuns.» Berlin, 1. Fcbr. Als in der gestrigen Avendsitzuua des Hauptvorstandcs der NeichSgewerkschaft deutscher Eisen- bahnbcamten bekannt wurde, dah der Deutsche Beamten bund mit seiner Vermittlungsaktion beim Reichs verkchrsminisber keinen Erfolg gehabt und dah der Hauptausschnh des Reichstages die Beschlüsse des Kabinetts gutgel>eihen habe, war der Sieg der radikalen Richtung ge- wih. Gegen Vrü Uhr morgens erfolgte denn auch di« Ab stimmung über die Frage, ob der Streik verkündet oder eine letzte Bcrhandlnngsmöglichkeit mit der Negierung «„gebahnt werden sollte. Mit sehr knapper Mehrheit siegte« die Befürworter de» sofortige» Ansstandes. Es wurde »unnrehr zur Wahl eines Aktions ausschusses geschritten, in dem hauptsächlich Vertreter der unteren Beamten sitzen. Die Vertreter der gemähtgteu Richtung verliehen die Sitzung. Da das Ultimatum am l. Februar nacksts 12 Uhr abläuft, soll an alle Direktionen die Anweisung ergehen, den Betrieb in der heutigen Nach! stillzulegcn. Soweit sich de/- bei den auf der Fahrt befind lichen Zügen nicht erreichen läht, sollen die Lokomotivführer und das Fahrpersonal am 2. Februar morgens 6 Uhr die Dicnsträume verlassen. Da das Neichspostministerium ans Anordnung der lldeichsregterung Te l e g ra m m « . die zmn Streik der Eisenbahner auffordern, nicht abfcrtigt, wurden heute morgen eine Anzahl Kuriere in die einzelnen Direktionen entsandt. Der Aktion Sausschuh selbst bleibt in Berlin zusammen. Die Eisenbahnvcrwallung rechnet damit, das; sich eine gröbere Zahl arbeitswilliger Be amten zur Verfügung stellen wird, mit deren Hille ein Notstanbsvcrkehr ausrechterhaltcu werden kann. Das Reichsvcrkehrsministertum hat bereit» heute vormittag telegraphisch alle Eisenbahndirekttonen an gewiesen, dte vor zwei Tagen ausgegebencn Anweisungen mit sofortiger Wirkung in Kraft treten zu lassen. Es sollen sofort von den Polizeibehörden Beamte zum Schutz der Bahnanlagen und der Arbeitswilligen angcsordert werben. An die Stelle streikender Lokomottv sichrer sollen soweit als möglich im Fahrdienst ausgeüildete Eisenbahn-Ingenieure treten. Unter allen Umständen soll versucht werden, die K o h l c n v e r s o r g n n g aus dem Ruhrrevier und aus Obcrschlcsicn in möglichst grobem llm fange sichcrzustcllen, da sonst die lebenswichtigen Betriebe der Grohstädtc ernstlich gefährdet würden. Soweit bei den Eiscnbahndtrektionen ein eigener Bahn schütz besteht, wie in Württemberg, soll er tn weitestem Umfange hcrangezogcn werden. Auch das Eingreifen der Technischen Nothtlse steht bevor. Der Deutsche Eise nbahnervcr band nimmt vorläufig noch eine abwartcnde Haltung ein. Im Laufe des morgigen Tages wird der erweiterte Vorstand noch zur neuen Lage Stellung nehmen. Die Gewerk schaft Deutscher Eisenbahner, die ihren Vor stand bereits gestern zusammenberuken hatte, fällte bis jetzt noch keine Entscheidung. Gestern abend fand eine Besprechung von Mitgliedern dieses Verbandes mit ein zclnen Vertretern der Regierung statt. Der Vorstand ist heute morgen zu einer neuen Sitzung zusammengetrcten, doch liegt bis zur Stunde noch kein Beschluss vor. Der Allgemeine Eiscnbahnerverband nimmt zu dem Streik vorläufig überhaupt keine Stellung, da die Rcichsgcwerkschaft sich offiziell weder an thn, noch an die anderen Verbände gewandt hat. Im McichSvcrkchrSmtntstertum wird versichert, dah alle notwendigen Vorkehrungen zur Aufrcchtcrhaltung eines Nvtbetrtebs und zur Sicherung des Materials getroffen seien. Der Personenverkehr besieht heute weiter und auch der Güterverkehr wird heute noch ausrechtcrhaltcn. Verhandlungen mit dem Deutschen Beamrenbund über eine Bcr mittlungsaktion desselben haben mit dem RcichSvcrkchrsmintsierinm nicht stattgesundcn. Auch ist tm Reichsministcrium nichts davon bekannt, dah beschlossen worden sei, dah im besetzten Gebiete der Streik nicht in Kraft treten joll. Beginn -es Streiks -er Berliner Werkitättenarbeiier. lEigner Drahtbertch« der „DrrSdn. Nachrichtens Berlin, 1. Febr. Der Ausruf zum Generalstreik hat bisher zn B e r kch r S e i n s ch r ä n k n n g e n in der Ab fertigung der Kernzügc nicht geführt. Dagegen sind die Eiscnbahnarbciter ans den Werkstätten ge« gangen. Welche Ausdehnung der beschlossene General streik in den übrigen Eisenbahndirektionea nehme» wird, ist zur Stnndc «och unübersehbar. Warnung der deujschnationalen Beamtenschaft. Berlin, II. Jan. Angesichts deS drohenden Beamtem streiks richtet di« dcutsthnationale Beamtenschaft folgende Warnung an die konischen Beamten: Die deutschnational« Beamteniclmst hat von tehcr den Beamtenstreik abgelehnt. Sie warnt auch heute die Beamten, sich in einen Streit treiben zu kaffen, der unzweifelhaft zur Beseitigung des Berufsbeamtentums führen und unser Vater land wirtschaftlich ln den Abgrund stürzen mnh. jW. L. LI