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vlearks. 17. Januar 1S2» — „Dresdner Nachricht«," — 7kr. 2S Seite Z Zollsragen im Sächsischen Lan-lag. Sine. AegierungserklSrung durch den Wirlschafisminister. »8. Gitzme«. Dresden, den 17. Januar ISN. Der Landtag hält heute seine erste Sitzung tm neuen Jahre ab. Vor dem Platze des Präsidenten Schwarz, der die Verhandlungen zum ersten Male wieder leitet, ist ein Strauß roter Nelken aufgestellt. Vizepräsident Dr. Eckarbt spricht dem Präsidenten tm Namen des Hauses die besten Glückwünsche zu seiner Wteüergenesung aus und hofft, daß es ihm künftig möglich sein werde, unbehindert durch «rank- heit seines Amtes zu walten. Der Präsident dankt für die Wünsche. Die ersten vier Punkte der Tagesordnung, die sich tm wesentlichen mit der Erhöhung -er LebensmlUelMe befassen, werben gemeinsam behandelt. Der HauShaltaudschufi 8 hat sich mit den Anträgen der Kommunisten und Sozialdemokraten gegen die Zollcrhöhun- gen beschäftigt: er schlägt vor. diese Anträge zum Beschluk zu erheben. Demnach soll die Negierung bei der Reichs- rcgterung aus den Abbau der Zölle hinwtrken. Lbg. Claus (Dem i begründet einen Antrag seiner Frak- tion, in dem gefordert wird, das, die Regierung gegen eine Erhöhung der Lebcnsmittclzüllc Einspruch erhebt. Diese An träge sind inzwischen überholt. Wirtschaflsminlsker Dr. Krug v. Nidda und o. Falkenslein gibt namen» der Negierung eine längere Erklärung zu den Anträgen ab. in der es heißt: Es läkt sich nicht mit Sicherheit feststellcn. ob und inwie- weit die Zollerhöhung für Kartoffeln, die auf das Pfund be rechnet Pf- ausmacht, sich in den Kleinhandelspreisen auS- wirlt: denn bekanntlich unterliegen die Preise im Lause eines jeden Jahres wesentlickie Schwankungen. Da ein Preisrückgang von 40 bis 60 Pf. pro Zentner gegenüber der entsprechenden Zeit des Vorjahres eingctrete» ist, wird man nicht behaupten rönnen, daß die Kartosselzollerhöhung eine Preissteigerung verursacht hat. Die günstige Entwicklung des deutschen Schwei rie be stände S. die zur Deckung unseres Jnlandfleischbcdarfs unbedingt noch gesteigert werden muß, nmr nach Neberzeugung der NeichSregicrung schwer gefährdet durch eine Gestaltung des Marktes, die de» Fortschritt der letzte» Jahre zunichte zu machen drohte. Denn im ersten Vierteljahre 1027 hatte fick die Schweineflencheinsuhr gegenüber der Vorkriegszeit vervierfacht und drohte die heimische Produktion schwer zu erschüttern. Dies sollte „durch einen Zollschutz nach Möglich, keil vermieden werden, der die Vorteile des Auslandes in der Erzeugung von Schweinen berücksichtigt und damit die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft in der Schweinehaltung — daS Rückgrat der meisten bäuerlichen Klein, und Mittelbetriebe — stützt." Die sächsische Regierung hat daher in Nebereinstimmnng l mit der prenßischen Regierung dieser Erhöh««« zugcstimmt. Auch hier läßt sich bei Prüfung der Schweinepreise eine preiserhöhenoe Wirkung des Schweincfleischzolles nicht be haupten. Die völlige Ocssnung der Grenze« sür zollfreies i Gefrierfleisch würde der heimische« Viehzucht k eine» Schlag versetzen, besten Wirkungen «icht ab, znsche« wäre«. Wie die Begründung des Antrages erkennen läßt, ist er vsienbar anS der Befürchtung heraus entstanden, daß daS Kon tingent deS zollfrei eingesührteu Gefrierfleisches herabgesetzt werden solle. Eine solche Besorgnis ist jedoch gegenstandslos. Endlich ist gleichzeitig mit de» bisher behandelten Zoll- erhöhungen durch das Gesetz über die Erhöhung deS Zucker- «olles vom 16. Juli 1927 der Zoll sür Verbrauchs- und Roh zucker um je 8 Reichsmark per Doppelzentner erhöht worden. Ihm steht arrs der anderen Seite die Herabsetzung der Zucker- stcuer um 10,80 Reichsmark gegenüber. Bei Beratung dieser Vorlage im Rcichsrat hat die sächsische Regierung, auch hier in Uebereinstimmung mit der prensiischen Regierung, gegen die Erhöhung des Zucker zolleS stimmen lasten, sich aber mit der Senkung der Zucker st e u e r einverstgnden erklärt. Der Rcichs rat hat jedoch die Zollerhöhnngen angenommen: ebenso hat sie dann der Reichstag gntgehctsicn. Bisher hat die Znckerzoll. erhöhuna zu einer Preissteigerung nicht geführt. Es ist viel mehr auch hier eine Preissenkung zu beobachten. Der allgemeine Zollsatz für Mais der Tarifnummer 7 beträgt nach dem Zolltarisgcsetz vom 26. Dezember 1002 6 Ml. Er war in der Vorkriegszeit vertragsmäßig auf 3 Mk. ermäßigt, und zwar einheitlich für die ganze Position, weil man damals ein« zollvertragliche Unterscheidung zwischen FuttermaiS und aitderem Mats nicht kannte. In der Folge zeit ist mit Rücksicht aus die inländische Auttermittrlvcrsorgung ein ermäßigter Zwtschenzollsatz für Futtermais festgesetzt worden, und zwar zunächst ein solcher von 3,20 Mk., später von 8,20 Mk. Die Geltungsdauer dieses Satzes ist mehrfach verlängert worden. In dem Handelsvertrag mit Jugoslawien ist sür Mais zur Biehfütterung uüter Zollsicherung ein Zollsatz von 2^0 Mk. je Doppelzentner vereinbart worden. Da somit aus lmndcls- vertraglicher Grundlage sür den weitaus größten Teil der Maiseinsuhr daS Ziel erreicht ist. das bisher durch einen er mäßigten autonome» Zmischcnzollsah erstrebt wurde, tonnte letzterer, was handelspolitisch erwünscht war, nunmehr be seitigt werden. Dadurch tritt für allen übrigen Mats, soweit er nicht zur Btehsütterung unter Zollsicherung verwendet werden soll, nunmehr der autonome Zollsatz von 5 Mk. aus dem Zolltarif von k»02 wieder in Geltung. Diesen Standpunkt hat insbesondere daS Reicbs- ministertum sür Ernährung und Landwirtschaft bei den Ver handlungen über de» jugoslawischen Handelsvertrag ein genommen, dem sich die sächsische Regierung angeschlosscn hat. Bei der Frage der Matseinsnhr zur industriellen Verwertung deS Maises, insbesondere zu der daraus gewonnenen Mais stärke. handelt eS sich vornehmlich um eine industrielle Frage. Die Verwertung deS Maises hat sich als unliebsame Kon kurrenz der industriellen Verwertung der cinhcimischc» Kartoffeln auSgewtrkt. ES dürfte sich erübrigen, aus die Bedeutung -es Siarloffelbaues als solchen für unsere Landwirtschaft und gesamte innere Wirtschaft einzugchen. Nur einige Zahlen darüber: Rach den letzten statistischen Ergebnissen über Erntemengen im Jahre 1027 betrug die Kartosselanbauslächc im Reich 2b00i»00 Hektar, im Freistaat Lachse» 107 000 Hektar. Die durchschnittlichen Kartosselerträge je Hektar betragen in Sachsen l61.6 Doppel zentner, in Preußen 136,7 Doppelzentner und im Deutschen Reich im Durchschnitt 136L Doppelzentner. Tie Gesamt- kartossclernte betrug im Jahre 1027 in Lachsen rund 1614 Mill. Doppelzentner und im ganzen Reiche 380Millio»en Doppel zentner. Davon werden »ach sachverständigen Schätzungen nur ein knappes Drittel, nämlich etwa 120000 000 Doppelzentner sür die menschliche Ernährung, dagegen rund 120000 000 Doppelzentner zur Vichsittbermig und 70 000 000 Doppelzentner zur Saat verwendet, etiva 20 000 000 Doppelzentner rechnet man sür Schwund, so daß über 60t>00 000 Doppelzentner dieses Jahr sür die gesamte industrielle Verwertung verfügbar sind. Die große Bedeutung der Kartoffel st ärkeindu- st r i e für de» Kartofselbau als solchen ist ohne weiteres ein leuchtend. wenn man bedenkt, daß durch sie nicht nur minder wertige und nicht haltbare Kartoffeln, die kür andere Zivcckc nicht mehr verwertbar sind, sonder» auch aste Erntciikerichinse einer wertvollen Verarbeitung zugesührt werden, und daß außerdem die Stärkegewinnung aus Kartoffeln für eine Reihe anderer heimischer Wirtschaftszweige, wie Textil-, Papier- und Konservenindustrie von höchstem Werte ist. Jedenfalls war die Kartoffelstärkeindustrie vor dem Kriege ein für die Jnncnwirtlhaft wie den Außenhandel sehr wichtiger Gewerbszwcig, der in der Nachkriegszeit leider durch die Konkurrenz der Matsstärkesabrikalion stark gelitten hat. Die Produktion der Kartosselstärkeindnstric ist auf die Hälfte und der Export von Kartossclstärkeerzcugnisse» auf mehr als die Hälfte ziisammengcschrnmpft. Dies bedenket für die dentsckn: Kartof^elwtrtschaft wie sür unsere Handelsbilanz eine schwere Gefahr, und es muß alles versucht n»erdcn, daß die Kartoffelstärkeindustrie ihre alte Lei- st u n g s sä h i g k c i t wieder gewinnt. Bedenkt man, daß die Kartofsclstärketndustric einen heimischen, die Maisstärkeindu strie aber einen ausländischen Rohstoff verarbeitet, so muß sie schon aus diesem Grunde in ihrem Konkurrenzkampf in ver nünftiger Weise unterstützt werden. Das war allein durch Anpassung der beiderseitigen Rohstoffkosten möglich. Ich wende mich nun schließlich noch zu dem Antrag Arzt, soweit er die Negierung ersucht, auf den Abbau der bestehende« Zölle binznwtrken «nd zu dem ersten Teil des Antrages Böttcher, der die Beseitigung aller Zölle ans Lebensmittel und Massen konsum fordert und demnach die Negierung dahin binden will, daß sie künftig insoweit eine uneingeschränkte Politik des Freihandels verfolgen soll. Tie Weltwirtschaftskonserenz hat im Frühjahr 1027 in ihrem abschließenden Berichte bei Behandlung der Lage der Landwirtschaft ausgesprochen, daß es wünschenswert sei, alle dem freien Austausch und dem Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Wege stehenden Hindernisse zu beseitigen, soweit es ohne Gefahr für die LebenSinterestcn der verschiedenen Länder und ihrer Erwerbstätigen geschehen kann, und weiter: „In den Staaten, die einen Zollschutz ansrcchlerhaltcn, sollte dieser siir die Industrie wie sür die Landwirtschast ans das zur Erzeugung unentbehrliche Mindestmaß ver ringert werden. Es sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Erhaltung eines angemessene» Gleichgewichts zwischen Landwirtschaft und Industrie z» sicher» und nicht den einen Wirtschaftszweig zum Nachteil des anderen zu be vorzugen." Es wird Ihnen erinnerlich sein, daß die Neichsrcgierung den von der Wcltwirlschastskvnserenz gefaßten Beschlüssen beigctrcicn ist und sich insbesondere auch hinsichtlich der Zoll- lariffragen bereiterklärt hat. tatkräftig an der Verwirklichung der Anregungen der Weltwirtschastskonferenz mitznwirkcn. Wenn die Rcichsregierung dabei zu erkennen gegeben hat, daß diese ihre allgemeine Stellung zu den Beschlüssen der Wcltwirtschastskvnscrenz nicht dazu führen dürfte, daß durch zollpolitische Maßnahmen oder Unterlassungen die Existenz der bäuerlichen Betriebe und die Entwicklung unserer inneren Kolonisation gefährdet werde, so steht dieser Vorbehalt mit dem Programm der Wcitwirtschastskonscrcnz durchaus in Einklang. Auch die Länberregierungen, die sich ihrer Verantwortung diese« Fragen gegenüber bewußt sind, werde« so weitgehende zollpolitische Maßnahmen, wie sie in den von mir bezcichncteu Anträgen gefordert werden, nicht vertreten können, wenn sie sich darüber klar sein müssen, daß ein solches Vorgehen die heimische Landwirtschast und Viehzucht einer vernichtenden Konkurrenz des Anstandes, daS seinerseits nur ganz zögernd an die Nicderlegnng der eigenen Zollmaoern herangeht, schutz los preisgegcben würde. Anch den Interessen der Berbraucher- schast nnd der heimischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die an einer kauskrästigcn Landwirtschast das größte Jntcrcsie haben müssen, wäre damit nicht gedient. AnS diesen Gründen mnß ich bitten, diele lehr allgemein achaltcncn Anträge abznlchncn, damit von Fall zu Fall die nötigen Entschließungen gefaßt werden können, welche den Interessen der Vollsernährung dienen sollen. <Bci Schluß der Redaktion dauert die Sitzung noch an.) Sertliches und Sächsisches. Neuorganisatton im sächsischen Lolkeriewesen Die schon seit längerer Zeit geplante Uebernahme der von den Sächsischen Hcimatdank- und LandeSwohlfahrtsstis- tnngcn beim Sächsischen Arbeits- »nd Wohlfahrtsministerium ausgelegten Lotterien in eigene Regie ist inzwischen durch- gesührt worden. Der alleinige Hanptvertricb der Sächsischen Landeswohlfahrts- »nd Hcimatdanklottericn wurde den zu diesem Zwecke ins Lebe» gerufenen „Sächsischen Wohl fahrtslotterien, Dresden-A. 1, Waisen ha us- st r a tz e 28," unter Leitung von Direktor Co mall, über tragen. ES ist beabsichtigt, anderen sächsischen Wohlfahrts lotterien ebenfalls die Vorzüge der in eigener Regie durch geführten Lotterie» durch diese nnier Aufsicht des Staates stehenden Organisation zu ermöglichen. — Alle Anfragen zwecks Uebernahme einer Verkaufsstelle sind an genannte Direktion zu richten. — Ziehung der jetzt laufenden Sachsen- bnrg-Geldlotterie znm Besten des Vvlksschulheims Schloß Sachsenburg findet bestimmt am 4. Februar, die der 20. Säch sischen LandeswohlfahrtSlotterie am 5/6. März statt. —* Bon der Dresdner Fra«e»polizei. Am 16. Januar wurden die bisher lediglich als VertragSangestellte beim Dresdner Polizeipräsidium Dienst tuenden sechs Frauen- poltztstinnen als Staatsdiener in Pflicht genommen. Polizeipräsident Kühn, der die Verpflichtung vornahm, er innerte hierbei an die Schmierigkeiten, die seinerzeit vor Gründung der Frauenpolizei zu überwinden waren, und hob anerkennend hervor, daß es auf die selbstlose und gewissen hafte Pflichterfüllung der Frauen mit zurückzusühren sei, wenn ihnen das Ministerium des Innern schon nach verhält nismäßig kurzer Dienstzeit die Beamtcneigenschast verliehen habe. Mit der Ermahnung, durch erhöhten Diensteifer den Gedanken der Francnpolizei zu fördern und durchzusetzen, er folgte die Einweisung und Jnpfltcytnahme der Beamtinnen als Polizeiobcrwachtmeister. Kunst und Wissenschaft. 4* Mitteilungen der Sächsischen StaatStheater. Opern, Haus: Donnerstag, den 10. Januar, Anrcchtsrcihe -Elektra" mit Eugcnic Burkhardt in der Titclpartie. Anny Helm von der Städtischen Oper in Berlin als Gast (Chryso- themisi. Irma Tervani, Fritz Vogclstrvm, Friedrich Plaschke, Julius Puttlitz. Musikalische Leitung: Hermann Kntzschbach: Inszenierung von Marie Gnthcil-Schoder als Gast. Anfang )-8 Uhr. Die Ausgabe der Opern-AnrechtSkarten für den 8. Teil der Spielzeit 1027/28 (je fünf Vorstellungen der Reihe L . und 8s erfolgt bis mit Donnerstag, den 10. Jannar 1028, von vormittags 10 bis nachmittags 2 Uhr, an der Anrechts- kaffc des Opernhauses. Schauspielhaus: Donnerstag, den 10. Januar, für .die Frcitag-Anrechtötnhabcr der Reihe vom 20. Januar das ^Lustspiel „Ihr Mann" von Paul Geraldy. Spielleitung: Alfred Meyer. Anfang X8 Uhr. Komddie. In unserer Besprechung von „Gelsterzng" Ist Irr tümlich ein anderer Darsteller sür L o t k a r Glathe in der Rolle des Herber: Price lobend erwähnt worden. 4* Albert-Dheaier. Wettere Ausführungen von der SensatlonS- Tnck-llomödie „Der Hexer" erfolgen am Donnerstag, dem 10.. und Sonnabend, dem 2>. Januar, !48 Uhr. Mittwoch, den 18., nnd Sonnabend, den 21. Januar, )44 Uhr, zu kleinen Preisen: „Der Stern von Bethlehem." 4* Sammermnstkabende 1, der BrrsShnnngSkirche. Der für Tonnersrag. den 10. Jannar, angesetzte Kammermusikabend muß wktic» Erkrankung von Alfred Stier verlegt werden. 4* Staatliches Knpsersttchkabiaett. Die Ausstellung: Max Lieber mannß GravütscheS Werk ist bis auf weiteres vcr- länacrt worden. Der mit 14 Ltchtdriicktaseln anSgcstatlelr Katalog der auSgeNclllen Handzeichnnngcn ist für l RM. bei den Aufsehern tu haben. 4« Sächsische LandeSblbliothrk. Nachdem lnsolge der Umarbeitung der MnNkabteilung die AnSsttllnngcn der musikalischen Neuerwerbnngen Im vergangenen Jahre unterblieben waren, wird nunmehr wieder jeden Monat ein« Woche lang eine Auswahl der neiierworbcnrn Musikalien tni Lesesaal der Landesbibliothek auS- aencllt. Man beachte die Anschläge am Eingänge und am schivarzen Brette der Landesbibliothek. 4* Kammcrmustkabend. DaS B ä r t i ch - O u a r t e t t ist zurzeit aiisgezeichnct in Form. Die beiden Geiger Rn dols Bärtich und Otto Wunderlich, der Bratschist Richard Rokohl und der Cellist Walter Schilling bilden ein Ensemble, das an klanglicher Zusammenstellung, an rbnth, Mischer Genauigkeit und an lebendig erfühltem Vortrag höchste Wünsche erfüllt. Gesellt sich als Gast nun noch eine Pianistin vom Range der Kölner Meisterin Hedwig Meyer hinzu, bei der ebenfalls technisches Vermögen und geistige Durchdringung gleichwertig sind, so ergibt das ein Musizieren, daS restloses Cknießcn verbürgt. Der gestrige Kammcrmusikabcnd dieser Gemeinschaft im Künstlerhaus ge wann aber noch dadurch besonderes Interesse, daß er neben einem Standivcrk von Brahms zwei Erstausführnngcn ver sprach. Die eine betraf den Mcistcrgeiger Adols Rusch »nd sein Klanterquintett Werk 86. Eine ausgezeichnet ge formte und gekonnte Arbeit, wie alles, ivas von diesem vortreff lichen Musiker kommt. Aber doch etwas sehr aus pathetisch tuende Beethovengeste eingestellt, ohne das frische unbekümmert Mustkantenhafte, das tn so mancher anderen Schöpfung Adolf BuschS anmutet. Etwas ruhigere Lyrik bringt nur der langsame Sah mit einigen schönen kantilcnenhaften Soli: in den Ecksätzen kommt es aber zu gesanglichen Gegensätzen überhaupt kaum, und auch der Schcrzoton fehlt völlig, wenn man nicht eine spukhafte Sordino-Episode im Finale dafür gelten lasten will. So wirkte das Werk trotz seiner Ge drungenheit etwas einförmig auf C-Moll-Pessimtsmns ge stellt. Seine Ausnahme mar daher bei allem Respekt auch eine gedämpfte. Heller Jubel begrüßte dagegen die zweite „Neu heit", die allerdings eigentlich alt genug war: ein Quin tett des Quasiklassikers Lutgt Boccherini, aber nicht wie gewöhnlich mit zwei Celli, sondern mit Gitarre an Stelle deS zweiten Cellos. Die harmlosen gefälligen Melo dien und Themen Boccherints, seine leicht hingewvrscnc, doch klare nnd durchsichtige thematische Arbeit gewinnen durch die Einbeziehung deS weiland beliebten nnd virtuos beherrschten Zupfinstrumentes besonderen klanglichen Retz, der allerdings in intimerem Nahmen wohl noch bester zur Geltung käme: tm wetten Konzertsaal kam nämlich der Gltarrenton gegen die Streicher nicht immer genügend auf, obwohl tn Otto Wunderlich et« alle Geheimnisse des Instruments be herrschender Spieler zur Verfügung stand. Sein Glanzstack war daS Finale, wo die anch sonst dnrchauS nicht etwa nur konttnuomäßig begleitende, sondern thematisch ganz selb ständig gehaltene Gitarrenpartie jenen virtuos soltftenhaste» Charakter annimmt, den in anderen Ouintcttsinaleö des Meisters das eine Cello z» hoben pflegt. Hier fand die A»S. führung, der tn der zweiten Violine noch Max Scher zer seine Mithilfe geliehen hatte, denn auch besonders lebhaften Tank. 8.8. Vortragsabend t« der Wigman.Lchnle. lieber „Dt r Erkenntnis des eigenen Körpe rs" sprach ain Mon- lag abend vor Lehrenden. Lernenden »nd geladenen Gästen Tr. Felix Emmel (Berlins. Seine Darlegungen galten im wesentlichen der Typenlehre von Professor Kretzschmar und deren Erweiterung auf Grund eigener Beobachtung. Die materialistische Auffassung des menschlichen Körpers ist über wunden. Man greift zurück ans „Die Symbolik der mensch lichen Gestalt" von Carus, der schon fand, daß die meisten genialen Menschen klein waren: nur die Machtnaturen unter ihnen waren groß. An Carus knüpft heute Ludwig Clages mit seiner Charakterologie an. Er sucht den Ausdruck anS der Bewegung zu erschließe». Anch die Psychoanalyse von Freud und Adler bringt neue Erkenntnisse. Kretzschmar kommt von den Geisteskrankheiten her. Ihre beiden Hauptsormcn der Schizophrenie und des zirkulären Irreseins kommen stets bei bestimmten Körnerlnpen vor, die er Pnknikcr nnd Astheniker nennt. Der Pykniker ist klein, breitkvpfig, knrzhalsig, kurz- singrtg, steht fest aus dem Boden, bat fest znsammenschlicßendc Zcben, bekommt später ein Bäuchlein. Der Astheniker ist groß, sclnnal, langköpsig, langhändtg, steht unsicher, besitzt Zchcnlücken. Kretzschmar hat diese beiden Menschtypen durch alle Rasten nachgcwiesen. Grundverschieden ist ihr LebcnSrhythmus. Der Pykniker lebt durch Abspaltung; immer neue Seiten seines Wesens kommen ans Licht. Der Astheniker befindet sich in dauerndem Wechsel von Hoch- und Ties- sttmmung. Durch eigene Beobachtung fand Dr. Emmel noch zwei Mischformen: den athletischen TnpnS mit pyknischcr Ä-eele und asthenischem Körper, den grazilen Typus mit asthenischer Seele und pnknischcm Körper. Damit ergibt sich alS Typensolge: 1. der Erd-Typub als reiner Stoffwechsel- mcnsch, als Geschlechtsmensch und vegetativer Mensch; 2. der Sonnen-TypuS als Wärmesucher, Schönhcitssnchcr, Geist- sucher: 8. der Macht-Typus als Besitzmcnsch, Erfolgmensch, Herrschermcnsch; 4. der Opser-Topus als Empsinbungsmensch, Hingabemensch, heiliger Mensch. Diese Typenlchre ist kein Gefängnis. Der einzelne kann seinen Typus sprengen. In dem Hinaussteigcn durch die einzelnen Typen sah der Redner die ethische Aufgabe deS Menschen. Mit der Anwendung ans das tänzerische Leben schloß der Redner seine durch zahlreiche interessante Einzelheiten belegten Ausführungen. — Den praktischen Gewinn der Veranstaltung dürste in erster Linie Dr. Emmel gehabt haben. Eine Tanzschule bot ihm natur gemäß eine große Auswahl wohlgestalteten, mühelos zu beobachtenden MenschenmatertalS. Darum wirkte die Neben- cinondcrstkNuiig weiblicher und männlicher Typen aus der Schülerschaft stark überzeugend. Besondere neue Erkenntnisse über ihren Körper »nd tänzerische Antriebe dürsten aber Wiginan-Schülcr aus dem Bortrag nicht geschöpft haben. -elr- 4* Nniverfität Leipzig. Der außerordentliche Professor sür Chemie an der Universität Leipzig. Dr. pbU. Johannes Scheider, bat den an ihn ergangenen Ruf an das von