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ToMMisfionSgeschLftS. »dolpy Rothschild, ist am 'Tönm abend todt in der Elster aufgefunden worden Auf einem Zettel, der sich in den Kleidungsstücken der Leiche vorfand, war außer dem Namen Rothschilds ein Schuldenverzeichniß enthal ten, das sich auf ungefähr 60,000 Thlr. Passiva beläuft. — In das Krankenhaus wurde vorgestern Nachmittag ein unbekannter Mann in bewußtlosem Zustande gebracht, der auf der Seminar-Straße gelegen, und dort von einem bisher nicht ermittelten Geschirr überfahren sein sollte. Aeußere Ver letzungen waren an ihm nicht wahrzunehmen. — Verblüff.» und abermals verblüffen, das Publikum fein überrumpeln, ihn so heimlich einen Floh ins Ohr setzen wie dereinst der Führer der Azteken, dar ists, was in unfern Tagen dem Humbug die Krone aufseht. So Etwas geschah vorgestern und gestern in unserer Residenz durch geheimnißvolle Anschlagezettel wo in französischer und deutscher Sprache die Notiz zu lesen. ,,Er kommt heute Abend an, S. Secr. Henric." und ,.Er ist angekommen!" Man steckte die Köpfe zusammen um den Sinn dieser Worte zu enträthseln. Man munkelte von einer Polenverschwörung, eS gelte die Ankunft eines Agitators, ja, Etliche zischelten sich in's Ohr: daß unter dem Ankömmling Niemand anders als „Garibaldi" zu verstehen sei, noch Andere behaupteten ein Gleiches in Bezug auf „Ihn" d. h. die Maje stät, den Kaiser der Franzosen. Gestern schälte sich nun des Pudels Kern heraus, das Ganze war weiter nichts als ein lösch- papierner Vorreiter, ein Reclame-Quartiermacher für einen fremden Zauber-Künstler Vicomte <io IllsZous, der hier näch stens seinen Hocuspocus machen will. — Am 9. d. früh 9 Uhr ward die Gendarmerie von ei nem Gastwirth in Zwickau davon in Kenntniß gesetzt, daß bei ihm aus einer Abtrittschlotte die Stimme eines kleinen Kindes zu vernehmen sei. Es ward sofort Anstalt getroffen und nach beinahe dreiviertelstündiger Arbeit ein neugebornes Kind so ziemlich unverletzt und noch lebend auS der Schlotte gezogen. Bald wurde auch die Mutter, eine Dienstmagd des Gast- wirthes, ermittelt und verhaftet; sie hatte ihr heimlich zur Welt gebrachtes Kind, höchst wahrscheinlich um es zu beseitigen, im dritten Stockwerke in den Abtritt fallen lassen. — -f Ein Seitenstück zu den Urtheilen eines Engländers über die Sachsen, das in diesen Blättern Platz fand, fand Re ferent neulich in den Berichten eines französischen Reisenden, das freilich milder ist, als das des Sohnes Albions, aber immerhin komisch zu nennen ist. Er sagt: „Die Gastfreund schaft in Dresden ist nicht sehr groß, man ladet daselbst nur der Form halber ein. Kommt zu einer Familie, so thut es der Hausfrau recht herzlich leid, soeben Kaffee getrunken zu haben und sie sagt in einem recht traurigen Tone: Sie hätten ge wiß gern ein Täßchen mit uns getrunken!? — So kam ich bei meiner letzten Anwesenheit in Dresden zu einem alten Herrn der mich ungefähr so anredete: Ich freue mich sehr, Sie bei mir zu sehen, ich würde Ihnen gern etwas vorsetzen, doch ist es jetzt nicht Zeit, Thee oder Kaffee zu trinken. DaS Bier ist hier schlecht (sie?!), oh, ich weiß, daß Sie immer eine gute Cigarre bei sich haben, rauchen wir eine, wenn sie mir schmeckt, dann werde ich mir noch eine von Ihnen ausbitten I" — Der gute Franzose muß freilich immer in nette Familien gerathen sein! So nett sind sie aber keineswegs alle und die Dresdner, — überhaupt die sächsische Gastfreundschaft ist europabekannt. — -f Ein neuer Industriezweig, der einen alten todt machen wird, ist hiesigen Orts aufgetaucht, ein neuer Polster stoff und zwar die .Klette". Die reife Frucht der Klette läßt sich ohne Mühe in spiralförmige, höchst elastische Fäden aus einanderziehen, die jedem Drucke Wiederstehen. Die Pflanze kommt leicht auf jedem Boden, den man „Unland" fast nenne» könnte, fort. Sammeln und Zubereiten der Klettenköpfe kann von alten Leuten und Kindern und zu jeder Zeit vorgenommen werden. Eine Ueberdecke von grobem Stoffe oder von Werg u. s. w. schützt den Polsterüberzug hinlänglich gegen etwaige Wirkung der Graunen. Adieu nun Roßhaare und Sprung federn! die Sopha'S müssen billig werden. — Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 9. Mai. Die xrste Verhandlung hehandelt dev Fall, haß rin hie» Her Bürger der öffentliche» Wohlfahrt eine» Dienst kelM wollte und dafür wegen falschen Eides bestraft wurde. Der Beklagte ist der hiesige Schankwirth Heinrich Herrman» LueaS. Er ist zu einer Geldbuße von 25 Thalern und Tragung der Kosten verurtheilt. Es war am 3. August 1863/ da lief ein kleines Mädchen über die Wallstraße, rin Fiaker raffelte daher und überfuhr das Kind, so daß er an der einm Hand nicht unbedeutend beschädigt wurde. Lucas sah das Unglück, eilte herbei und wollte den gewissenlosen Kutscher mit seinem Ge spann anhalten. Jndeß, das Kind mit feinem Schmerze lag ihm mehr am Herzen, er eilte zu ihm um ihm zu helfen, um es den Eltern zuzuführen und ein Dienstmann übernahm die Verfolgung des Kutschers. Der aber fuhr, was die vier Rä der nur fertig bringen konnten und der Dienstmann lief um sonst nach, er war nicht einzuholen. Jndeß, Lucas hatte dm Kutscher erkannt, und sagt selbst: „Ich kenne ihn schon seit 6 Jahren!" Er wüßte, daß er bei dem Lohnfuhrwerksbesitzer Göhlert auf der Töpfergasse in Diensten ist und Friedrich Röhn heißt. Es wäre aber gar nicht zur Anzeige und zum Proeeß gekommen, wenn nicht einmal Lucas dem Kutscher die Geschichte mit dem Ueberfahren auf der Straße vorgehalten hätte. In Folge dessen verklagte der Kutscher den LucaS wegen Beleidi gung. Lucas wurde deshalb zu 4 Thlrn. Geldbuße verurtheilt, wenn er nicht den Reinigungseid schwört — und dm leistete er auch am 28. Dezember 1863. Er schwur, daß Röhn daS Kind überfahren habe. Dieser Eid ist nun vom Richter erster Instanz als leichtsinniger Falscheid angesehen und deshalb durch eine Geldbuße von obengenannten 25 Thlrn. gesühnt worden, weil wiederholte Erörterungen angestellt und viele Zeugen ver nommen wurden, die das Alibi des Kutschers Röhn am 3 Aug. Nachmittags halb 2 Uhr nachwiesen. Aber LucaS behauptet: „Ich kenne den Kutscher und die Livree, ich habe die Wahrheit gesagt!" Der Lohnkutscher Göhlert beschwor das Alibi seines Kutschers zn jener Stunde. Gegen oben erwähntes Urtheil er hob Lucas Einspruch. Seine Vertheidigung überließ er Herm Advokaten Fedor Kuntzsch. Herr Staatsanwalt Held meint, daß über den objektiven Thalbestand kein Zweifel sei, alle Zeugen aussagen träfen zusammen und diese Harmonie der Zeugnisse bekunde, daß Lucas den Kutscher, dei am 3. August 1863 das Kind auf der Wallstraße überfuhr, nur flüchtig gesehen haben müsse. Herr Held beantragte die Bestätigung deS ersten Er kenntnisses. Hierauf vertheidigte Herr Advokat Kuntzsch seinen Schützling in einem sehr feurigen Redefluß. Er meint, er sei als Vertheidiger heut in dem glücklichen Falle, nach seiner vollen Ueberzeugung sprechen zu können, da der objektive so wohl, als der subjektive Thatbestand die feste Ueberzeugung be gründe, LucaS sei unschuldig. Lucas sei 13 Jahre in Dresden Bürger, unbescholten, ehrenwerth, er habe kein Jntereffe an der Sache, sondern nur der öffentlichen Wohlfahrt einen Dienst leisten wollen. „Welche gewichtigen Unterlagen" fährt Herr Kuntzsch fort, „hatte das Gericht erster Instanz zu seiner Ver- urtheilung? Ich sage keine. Die Zeugin Böhme hat ihre Zeit rechnung nicht auf die Uhr, sondern auf den Appetit ihres Mannes basirt, da sie nur angeben kann. Röhn sei bei ihr ge wesen, als ihr Mann zum Esten gegangen sei und das pflege immer um 1 Uhr zu geschehen. Es bleibt nur der Zeuge Göhlert übrig, aber auch dieser ist unzuverlässig, da- giebt selbst die König!. Staatsanwaltschaft zu; denn erstens ist er der Dienstherr Röhn's und zweitens war sein Geldbeutel in Gefahr, da er möglicherweise für die Ungebührlichkeiten seines Kutschers auskommen mußte. Sie, meine Herren, dessen hin ich sicher, Sie werden unzweifelhaft auf Freisprechung eikennen,' Artikel L27 dcs Strafgesetzbuches setzt zu einem leichtsinnigen Falscheid Unbedachtsamkeit voraus. Hat ein Schützling etwa aus Unbedachtsamkeit geschworen? Nein, nimmermehr! Er hat er aus Ueberreugung gethan, mit männlichem Muthe, es war ehrenwerth von »hm, und dafür wird er so schwer bestraft - Meine Herren Richter, da wird sich Wohl von jetzt ab Jeder hüten, rin öffentliches Ungebührniß zur Anzeige an di« Behörde zu bringen, wenn er noch für seine Menschenliebe bestraft wer- (den soll. Ihnen steht das schönere Recht zu, diesem Ehrenmann ' die Ruhe lvftderzugebrn, die ihm sein; Verurtheilung jg Mz