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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.07.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19050729012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905072901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905072901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-07
- Tag 1905-07-29
-
Monat
1905-07
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.07.1905
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8 180. «in schärferer Widerspruch, als er -wischen diesen beiden Gesetzesoorschrislei, besiehe, sei kaum denkbar. Der 8 361 sank- tioniere die gewerblich« Unzucht, sofern sie »lit Einhaltung der polizeilichen Anordnungen betrieben werde. I» 8 ISO werde dagegen die Borschubleistung zur Kuppelei mit Strafe bedroht. Hiernach erscheine es logisch gerechtfertigt, die Polizei als der Kuppelet schurdig anzusprechen, wenn sie sich nicht verpflichtet sichle, den Hausoesiber unverzüglich von dem Wohnen einer Prostituierten in seinem Hause zu benachrichtigen. Zu der einen Tür werde di« gewerbsmäßige Unzucht durch das Gesetz herein- gelassen, zu der anderen durch ein anderes Gesetz htnauSaeworfen. Hm Vordergründe des Interesses der Hausbesitzer stehe der 8 180 und dle NechtSanschauungen, die sich bezüglich der Aus- leaung dieses Paragraphen im Lause der Zeit herausgebildet haben. Der Vortragende erörtert die Voraussetzungen, die zur Anwendung des 8 180 ersordert werden. Der strafbare Tat bestand der Kuppelei sei danach außerordentlich leicht gegeben. So wäre vor einigen Jahren ein Dienstmann verurteilt wor den, der einem Ortsfremden auf sein Ansuchen den Weg zu einem Bordell gezeigt hatte. In der von dem Dicnstmanne übernommenen Jührerrollc erblickte das Gericht die „Vermitt lung" und in der taxmäßigen Bezahlung de» „Eigennutz". Unter Zugrundelegung einer olchen Rcchtsaufsassung sei ein Haus- bescher wegen Kuppelei trafbar, wenn er durch Gewährung eines geeigneten Ortes der Unzucht Vorschub leiste, namentlich also, wenn er wissentlich Räume zu unsittlichen Zwecken vermiete bezw. wenn er, sobald er von dem Treiben Kenntnis erlange, das Mietoerhältnis nicht auslösc, Dabei sei zu bemerken, daß die Gerichte einen „Eigennutz" selbst dann als vorliegend aulehen, wenn der ausbedungene Mietzins ein normaler sei. Nunmchr gelangte Redner zu eine,» Resultat, das manchem unerwartet kommen mochte. Bei aller Rigorosität in der Anwendung des 8 180 — so führte er aus — könne doch eine Bestrafung nie mals eintreten, wenn nicht dem betreffenden Hausbesitzer ein Verschulden zur Last falle. Allerdings könne die verworrene und unzulängliche Lehre von der Willensschuld, die unser der zeitiges Strafrecht beherrsche, insbesondere aber der doktrinäre Begriff des ckalua sventualis, der zufolge seiner nichts weniger als einheitlichen Deutung dem Richter einen unerwünscht weiten Spielraum lasse, leicht dazu sichren, einen dolus dann als vor liegend zu erachten, wenn der Hausbesitzer lediglich fahrlässig gehandelt und es an demjenigen Maße von Aufmerksamkeit und Sorgfalt halw fehlen lassen, das die heutige Rechtsanschauung als ein nahezu unerläßliches Requisit hinstelle. Immerhin aber, so fuhr Redner fort, werde man zu geben müsse», daß jede Bestrafung aus 8 180 ein Verschulden bringt. Meine man, was Redner als Jurist für wenig wahrscheinlich hielt, daß von seiten der Gerichte gegen diesen Grundsatz gefehlt werde, sn möge man dahin vorstellig werden, daß dem 8 180 ein Zusatz gegeben werde, der unzweideutig sestsetze, daß ein Hausbesitzer lediglich dann der Kuppelei schuldig sei, wen» er wissentlich an Prostituierte vermiete oder Prostituierte nach Kenntnis ihres unsittlichen Gewerbes in seinem Hause dulde. Mit dem früher vom Zentvalverbande erstrebten Zusätze zum 8 180, der den Hausbesitzern, die wissentlich an Prostituierte zu normalem Mietpreise vermieten, Straflosigkeit gewährleiste» solle, könne er (Redners sich nicht einverstanden erklären. Das heiße für die Hausbesitzer eine Ausnahme^Moral schaffen wollen und sich in schlechtes Licht setzen. Wo aber, so werde man ihm, dem Redner, entgegeuhalten, sollen die öffentlichen Dirnen wohnen? Diese Frage sei zwar durchaus berechtigt; sie interessiere aber weniger die Hausbesitzer als vielmehr den Slaat. Oder solle etwa der Hausbesitzer, um das Wvhnungsbedllrfnis der Pro stituierten zu befriedigen, eine Handlungsweise auf sich nehmen, die der Staat als verpönt erachte? Der Staat müsse in der Erwägung, daß die Prostitution ein notwendiges Nebel sei, belfend eiligreisen. Kümmere er sich unberechtigterweise um das Wohnungsbedürsnis der Beamten, indem er die Baugenosscn- ichaften unterstütze, so möge er hier sich bercchllgtcrmaßen des Wohnuugsbedürfnisses der Prostituierten annehmen und im Wege der öffentlich anerkannten Einrichtung von Bordellen die Pro stitution in gewissen Schranken halten. Es sei unverständlich, aus welche» Gründen man sich der Kasernierung gegenüber ab lehnend verhalte, habe sie doch früher — in Berlin bis zum Jahr« 1840 — offiziell bestanden. Schon der Umstand, daß mit der Kasernierung der Prostitution daS Zuhälrertum ver- iclMxnden würde, fordere gebieterisch die Einrichtung öffentlicher Hauser, eine Maßnahme, die -um Wöhle der Allgemeinheit, zum Wohl« für Kirche und Schule, zum Wohle der öffentlichen Ge sundheitspflege sich in unserem dekadenten Zeitalter ausnehmen würde wie eine Oase in der Wüste! — In der Debatte ver langte Rechtsanwalt Dr. S t r a u ß-München vom krtminal- volitischen Standpunkte aus in erster Linie eine Beseitigung des 8 180, da unter dessen Wirksamkeit die Möglichkeit der Errich- ning von Bordellen nahezu unmöglich sei. wie das Beispiel Hamburgs beweise, dessen Pvlizeisennt im Reichstage offen der Kuppelei beschuldigt worden sei. Der Verbandstag stimmte schließlich folgenden Leitsätzen des Rechtsanwalts Dr. C o h e n - Hamburg zu: „Ungeachtet des zivilrechtlichen Schutzes, ec» das Bürgerliche (Gesetzbuch und die Rechtsprechung dem .Hausbesitzer gegenüber der Prostitution gewährt, erscheint cs mit Rücksicht daraut, daß die Prostituierten irgendwo wohnen müssen, den Hausbesitzern aber unmöglich zugemutct werden kann, neben zahllo>en Zioilprozeisen die ständige Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen Vergehens nach 8 180 auf sich zu laden, als eine gebieterische Notwendigkeit, daß der Staat in der Erwägung, daß die Prostitution ein notwendiges Uebel ist, sowohl nach der zinil-, als auch nach der strasrechtlichen Seite hin Gesetzesbestim mungen trifft, welche die gerügte, die Grnndeigentniner gefähr dende Sachlage zu beseitigen geeignet sind." — Ferner wurde noch folgender Antrag Ha r t w ig- Dresden angenommen: „Der Verbandstvg beauftragt den Verbandsdircktor, beim Rcichs- lag, Bundesrat und den einzelnen Landesregierungen dahin vor stellig zu werden, daß die Polizeibehörden angewiesen werden möchten, den Prostituierten das Wohnen in densinigen Häusern zu verbieten, deren Eigentümer oder Besitzer dies von der Polizei verlangen." — Zum nächsten Punkte der Tagesordnung: .Warenhäuser und Ha ns besitz" sprach Lehrer c-ch n l z - Berlin vom dortigen Hausbesitzer-Verein „Süden". Er führte aus, daß die Gefahr der Warenhäuser nicht i» ihrer fortwährenden Vermehrung, sondern in der immer weiteren Ausdehnung der bereits bestehenden liege. Aus seinen Vorschlag stimmte der Vcrbandstag nach sehr langer Debatte folgender R e - solutionzu: „Der Vcrbandstag beschließt, bei den gesetzgeben den Körperschaften des Reiches und der einzelnen Bundesstaaten folgenden Antrag zu stellen: 1. Durch die in den letzten Jahren entstandenen großkapitalistischen Warenhäuser, Großbasare, Großfilialunternchinungen, Konsumvereine »nd dergleichen Unter nehmungen, welche den Kleinhandel betreiben, sind die Mieten für Läden und Geschäftsräume im Rückgänge begriffen und droht dadurch den Grundstücken mit Läden eine erhebliche Ent wertung. — 2. Eine Einschränkung dieser großkapitalistischen Unternehmungen ist nicht nur im Interesse des mittleren und kleineren Gewcrbestandcs, sondern auch in dem der städtischen Hausbesitzer dringend geboten. — 3. Es ist deshalb die Ein führung einer wirksamen Branchensteuer in Verbindung mit einer progressiven Umsatzsteuer für oben angeführte Großbetriebe in den Einzelstaaten notwendig, welche mit einem je nach der Einwohnerzahl der Städte sestznsetzcnden Minimnlumsah beginnt und sich mit der Zahl der Branchen und der erzielten Umsätze steigert. 'Do sich die bisherige Höhe der Umsatzsteuer für Waren- iänser und dergleichen Unternehmungen in den einzelnen Bundes staaten als vollkommen ungenügend herausgestellt hat, um das weitere Anwachsen derselben zu verhindern, so ist als erforder liche Mindesthöhe der Besteuerung der Satz von 5 v. H. des Umsatzes — wie solcher vom vrciißischcn Abgeordnetenhausi an genommen worden ist — zu sorder». — 4. Die Verkaufsräume der Warenhäuser und Großbasare dürfen sich aus Fenergesahrs- und Äilligkeitsgründcn nur auf Erdgeschoß »nd erstes Stock werk erstrecken. — 5. Die Steuer ist den Kommunen zu über weisen." — Damit waren die geschäftliche,i Verhandlungen des Verbandstages erledigt. Znm Herba »dslcitcr wurde wiederum Stadtrat H a r t w i g-Dresden bestätigt, und ebenso erfolgte die einstimmige Wicderlvahl der bisherigen Vorstands- mttgsleder. Zum nächstjährigen Tagungsort wurde Eisenach bestimmt. Mit einem Ausflüge nach Herrenchiemsee schloß die Hauptversammlung. — Nachdem liumiiehr die Fcucrtelegraphcn-An- läge der Stadt Dresden ausgebant ist und die Bedingungen über den Anschluß Dritter an dieselbe von den beiden städtischen Kollegien genehmigt worden sind, ist Dresden die erste deutsche Stadt, welche in einein so aroße» Umsange den Anschluß selbst- tLtioer Feuermelder-Anlagen privater Bauten an das öffentliche Feuer-Telegraphennetz gestattet. Es ist damit ein großer Fort- jchritt ans dem Gebiete unseres städtischen Feuerlöschwesens her» beigesührt worden. Von Fachtechnikern ist schon lauge ans Ein richtungen binaearbeitct worden, durch weich« sich jeder Brand herd sofort selbst der Feuerwehr melden muß, so daß ein augen blickliches erfolgreiches Einschreiten gegen die Weiterverbreit»»« der Jenersgefahr ermöglicht wird. Dieser Zweck wird erreicht « ^ -» -- ^ tzgg er Art „ . , . _ chlolseS und des Königli Palais am Taschenberae an das Städtische Feuer- wehr^Hauptdepot in der Ausführung begriffen. Mit ihrer Her- stellung ist die Firma Richard Kandier, Fabrik für Elektro- technik in Dresden, welche m diesem Jahre auf ein 30jähriges Bestehen unter ständiger Leitung ihres Begründers zurück blicken kann, betraut worden. Zur Verwendung kommen über 1000 automatische und mechanische Feuermelder, teils von der Autograpksin-Geselllchaft in Berlin, teils von der Firma Oskar Schöppe in Leipzig, während die zum Patent .angemeldeten An- zeigeapparate, mechanischen Melder usw. in der Fabrik von Richard Kändler hergestellt werden. — Straßcnbahnoerkchr nach und von der Vogelwiese. Während der Vogelwiese wird eine besondere Straßenbahnlinie vom Altmarkte nach der Vogelwiese einge richtet, und zwar findet der Betrieb von 1 Uhr nachmittags bis li/H Uhr nachts olle 5 Minuten statt. Fahrpreis 10 Pjg. Die Wagen dieser Linie tragen grün-weiße Fähnchen. Außerdem wird der Verkehr auf der Linie Schloßplatz — Lolchwitz — Pillnitz derart verstärkt, daß sich die Wagen zwischen Schloßplatz und Vogelwiese von mittags an bis Ist/, Uhr nachts alle 2>/> Minuten ' zwischen Schloßplatz und eiß-rotc Fähnchen. Das .. . - nach Blasewitz-Loschwitz hat auf der Linie Schloßplatz—Loschwitz von mittags 12 Uhr an in der Weiche am Terrassen-User, oberhalb des Terrassen tores sBastion), und zwar nur non der Terrassen?«,»« aus zu erfolgen: die Fahrgäste werden noch bejcmd-rs ersucht, das Be- steigen voll besetzter Wagen, weil verboten, zu unterlassen. Die von der Vogelwiese nach dem Altmarkte fahrenden Wagen, sowie Sonderwagen nach dem Sachsenvlatze halten in der Neubert jtraße unweit der Blumenstraße, diejenigen nach dem Terrassen Ufer, sowie die Wagen der Linie Schloßplatz—Pillnitz dagegen in der Psotenhauerstraße am Bürgerhospital. Die betreffenden Haltestellen sind durch Schilder kenntlich gemacht. Ecke Neubert- und Blutiienslraße befinden sich Jahrlcheinschaltcr, nach deren Oefsnung die Wogen ohne Fahrkarte nicht bestiegen wert dürfen. — Die von seiten der S ä ch s > s ch - B ö h m i s ch e n Dampfschiffahrts-Gesellschaft Montags und Sonnabends nach Großsedlitz und zurück zur Ausführung ge- langenden Konzertfahrten fallen infolge der Dresdner Vogelwiese heute Sonnabend und Montag den 31. Juli, sowie Sonnabend den b. August aus. Das nächste dieser Konzert schiffe verkehrt sonach erst wieder Montag den 7. August. Die Mittwochs stattsindenden Konzertsahrten nach Zschachwitz werden während dieser Zeit bcibehalten. — Eine amerikanische Reisegesellschaft letwa 20 Personen), unter Führung des Herrn Professors Hill, traf gestern hier un Hotel „Kaiscrhof" ein. Sie wird einige Tage Aufenthalt nehmen und dann ihre Reise nach Prag und Wien fortsetzen. — Bei den, Monstre-Konzert im A u s st e l l u n g so a r k e wurden das effektvolle Feuerwerk und die Schiebeffekte und bengalischen Beleuchtungen bei den Konzertnummerii „Brand von Moskau" und „Saros Schlacbtenpotpourri" von der hiesigen Firma Albert Haan Nach)., Grnnaer Straße 10, aus geführt. -- Oberlandesgericht. Eine wohlverdiente Strafe cmpfiiia der Reisende Bmx Bernhard Punkt gen. Müller aus Dohna, der sich auf einer Eisenbahnsciyrt seinen Mitreisenden gegenüber unverschämt benahm. Am 3. Dezember v. I. führ der Genannte in einem stark besetzte» Abteil 3. Klaffe von Pirna bis Dresden. Unterwegs holte er seine Schnupftabaksdose, die infolge ihrer Form als höchst anstößig bezeichnet werden muß, hervor, stellte sie neben sich hin und präsentierte sie zum all gemeinen Unwillen den Mitreisenden, darunter auch einigen Dame». Letztere waren über diese Unverschämtheit aufs höchste empört, gaben ihrer Meinung auch unverblümten Ausdruck und veranlaßt«!, nach ihrer Ankunft die Feststellung der Personalien des Angeklagten, der sich daraufhin wegen Vergehens gegen 183 des Reick,sstrafgesctzbuchs verantworten mußte. Das Schöffengericht hat ihn für schuldig erachtet, durch Vornahme unzüchtiger Handlungen öffentlich ein Aeraernis erregt zu haben, und zu 8 Wochen Hast verurteilt. Es wurde daraus hingewiesen, das; der Angeklagte durch seine Handlung das Scham- und Sittlichkertsaefühl der Mitreisenden aufs schwerste verletzt habe und sich dessen auch bewußt gewesen sei. Ferner wurde betont, das; die Handlung auch öffentlich begangen worden sei, weil die in den Ncbenabteilen befindlichen Personen die Dose ebenfalls batten sehen können. Mit seiner Revision macht der Angeklagte Verletzung des 8 183 geltend, mit der Be gründung, cs hätte festgestellt iverden müssen, daß die Dose so hingestellt und hingereicht worden wäre, daß das ans ihr be- Endliche Bild — das angefochtenc Urteil spricht von der Form der Dose — hätte gesehen werden können, und das; der Angeklagte dies auch bezweckt Ix>be. Des weiteren wird bestritten, daß die Handlung öffentlich begangen sei, da nur die Fahrgäste des be- treffenden Abteils in Frage kämen. Der Strafsenat hat das Rechtsmittel verworfen und ist der Ansicht des Bordcrrichtcrs beigetrctcn, daß sämtliche Tatbestandsmerkmale des 8 183 ge geben sind Fraglich ist nur erschienen, ob ein Eisenbahnabteil als öffentlicher Ort anzusehen ist. Das ist im allgemeinen zu verneinen, im vorliegenden Falle ist die Handlung dennoch öffentlich begangen, da die einzelnen Abteile des Coupös nur durch halbhohe Wände getrennt waren, sodaß die im Neben abteil befindlichen Fahrgäste, wenn sie im Längsgang standen »der sich über die Wand lehnten, die präsentierte Dose sehen konnten. — In der Gemeinde Wachau bei Leipzig bestehen seit einiger Zeit zwischen den Gutsbesitzer» und den Arbeitern Streitigkeiten. Um Zusammenkünfte der Gutsbesitzer zu er mögliche», hat der Gciiicindevorstand des Ortes hcantragt, zu gestatten, daß zu gedachtem Zwecke ein Sitzungsziimncr des Gemeindehauses zur Verfügung gestellt werde, und für diesen Raum die Schankkonzession zu erteilen. Der Kirchenvorstand sprach sich jedoch dagegen aus, worauf die Amtshauptmannschaft einen abweisenden Bescheid erteilte. Das Scheitern seines Planes führte der Geineindevvrstaiid auf den Kantor Sachse zurück, der im Kirchcnvorstand einen maßgebende» Einfluß ausüben soll. In eine,» vom Buchl-alter Nitzscbe verfaßte», von ihm aber gebilligte» Schreiben n» die Amtshauptmaniischaft gab Bern stein dieser Ansicht Ausdruck und beschuldigte darin den Kantor, das; er ein Hemmschuh in der Gemeindeverwaltung sei. mit den Sozialdemokraten durch dick und dünn gehe, den, Gemeinde- Vorstand »nd den übrigen Einwohnern, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, feindlich gesinnt sei und die geselligen Zu- saiuinenküiiftc der besseren Kreise zu bintertrcibcn suche. Dieses Schreiben bildete Veranlassung, das; gegen Bernstein und Nitzscbe wegen Beleidigung oorgegangen wurde. Das Land gericht erkannte jedockt ans Freisprechung, indem es für fest- gestellt erachtete, daß mit dem inkriminierten Schreiben die Eingabe des Kirchenvorstandes entkräftet und der Einfluß Dachses bekämpft werden sollte. Zwar trage das Schreiben der Horm nach den Stempel der Gehässigkeit cm sich, dock; könne weder ans Form noch Umständen aus eine Beleidignngsabsicht geschlossen werden. Die Staatsanwaltschaft war anderer Meinung »nd legte Revision ein, in der Verletzung des 8 103 gerügt wird. Es wurde betont, das angefochtenc Urteil enthalte zumindest einen Widerspruch, denn sei sestaestcllt, daß dem Schreiben der Stempel der Gehässigkeit anhaste, müsse auch eine Bestrafung eintreten. Das Obcrlandesgericht vermochte sich dem nicht anziischließcn und verwirft die Revision. Begründet wird die Entscheidung damit, es sei ztvar testgestcllt. daß die Eingabe den Stempel der Gehässigkeit der Form nach an sich trage, aber nicht in beleidigender Absicht, sondern nur zum Zwecke der Wahrung des Stcindpunktes des Gcmeindevorstandcs. Von cuicin Widerspruch sei somit keine Rede, denn der Ansicht, Vas; mit Rücksicht aus die Form mit Notwendigkeit aus eine Bc- leidigungsabsicht zu schließen sei, sei nicht bcizntreten, cs kann wohl darauf geschlossen werden, aber cs m u ß nicht. Die Kosten werden aus die Staatskasse übernommen. - >. TngeSgeschichte. Zum Sampse »m dir akademische Freiheit. Der Verband der katholische» siücht sarbeiitragcndny Studenten verein« Deutschlands hat, wie bereits kurz ge meldet, ans seiner Generciloersan»»l»»g in Freiburg eine Erklärung angenommen, in der er den Kamps gegen die katholische,; Korpo rationen als de», Wesen der akademische» Freiheit widersprechend bedauert und die gegen die katholischen Studentenvereine gerich tete» Borwürse als Zeder Grundlage entbehrend" zurückweist. Er sagt hierüber : „1. Der Vorwurf der konsessionellen Absonderung hat seine Quelle darin, daß die katholischen Korporationen als erstes Prinzip die Religion gewählt haben, deren sittlichen Gehalt sie für die Erstehung ihrer Mitglieder verwerten wolle». Religion und Sittlichkeit halte» wir für die ersten Voraussetzungen zur Cha rakterbildung. Wenn aber die Pflege dieses religiös-sittlichen Ideals die erforderliche Kraft gewinnen soll, wird sie sich natur- notwendig an die eigene Glaubens- »nd Kirche»gei»ci»schc>st an- schließc» müssen. Ter Zusammenschluß ans religiöser Grundlage soll und wird nicht verhindern, daß die Mitglieder des Verbandes mit Aiißerhalbslelsinde» jederzeit in Verkehr treten und deren Welt anschauung kennen und verstehen lerne». Gegen die Lehr- und Lernsreiheit kann das Bekenntnis eines bestimmten Glaubens nur dann verstoßen, wen» man dem Akademiker überhaupt jedes reli giöse Bekenntnis verbieten wollte. 2. Der Vorwurf, daß wir politische Vereine seien, kann uns nicht treffen, da politische Be tätigung durch unsere Satzungen ausgeschlossen und eine Ueber- tretnng dieser Bestimmung »ns nienials nachgewiesen worden ist. Das; eine Anzahl Alte Herren politisch tätig sind, läßt keinen Schluß ans die politische Haltung eines studentischen Verbandes zu. 3. De» Vorwurf antinntionälcr Gesinnung nuisien wir als schwere Beleidigung empfinden. Gerade in der Liebe znm Vater land suhlen wir iins »nt der ganzen deutschen Studentenschaft eins, und in ihr sehen wir in erster Linie die gemeinsame Grund lage friedlichen Zusanunenmirkens. Die Generalversammliing hofft, daß diese Erklärung zu» Verständigung beitragen und der akademische Friede bald ziirilckrehren werde." — Hierzu bemerkt die „Köl. Ztg.": „Diese Erklärung beweist eine völlige Ver kennung des gegen die konfessionellen Verbindungen von der ganzen übrigen Stndeiitenschait geführten Kampfes. Keinem Studenten soll das Recht besliitteii werde», als erstes Prinzip seiner Charakterbildung die Religion zu wählen und sich auch zur Pflege dieses Prinzips mit Gleichgesinnte» gelegentlich znsaninien- stitu». Nur eben dem Wesen einer sindentischen Korpo ration, die eine Art scherzhaft-ernsthafter Sippengriindung aus dem Boden der alle» gemeinsamen akademischen Freiheit und Gleichheit ist. widerspricht das Hineintragcn der Koiifession als eines sippenbildenden PnnstpS so völlig, daß eS geradezu ei» Ein bruch in die akademische Gemeinsamkeit ist und als solche wie ein Stachel im Fleische auch von der übrigen Ttiidentenschast empfun den wird. Da diese Gemeinsaintcit zugleich eine sehr große nationale Bedeutung hat, liegt in der Abschließung zu kon- sessionellen Verbände» zugleich eine Schädigung des nationalen Interesses. Daß man den konfessionellen Verbänden vorgeworfen habe, sie seien politische Vereine, ist »ns nicht erinnerlich: wohl hat man ihnen einen inner» Zusammenhang mit der Zentrums' Partei nachgewiesen und mit Recht ziiin Vorwurf gemacht." Zur schwedisch.norwegischen Unionskrisis. In der vorgestrigen Nachinittagssitznng des Storthings legte die Regierung den Entwurf betreffend die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Aushebung der Union mit Schweden vor. Die Abstimmung soll am 18. August nni 1 Uhr mittags nach den Wahllisten für die letzte «torthingswahl und in derselben Weise wie diese abgehalten werden. Nene Stimmberechtigte müssen persönlich verlange», in die Wahllisten eingetragen zu werden. Die Stimmzettel sollen nur ans Za oder Plein lauten. Das Ergebnis soll schnellstens, wenn möglich, tele graphisch dem Justizdepartenient übersandt iverden. Die Regie rung wird dann schnellstens dem Storthing das Gesamtergebnis initteile». Der Regicrungsentivurf wurde einem Svuderansschns; überwiesen, welcher lofort zilsaiiiincugetreten ist, /Ansstihrlicher wiederholt.) Deutsches Reich. Wenn in einzelnen Blättern bereits die Vorlagen aufgezählt werden, die auf j o z i a l p o l i l i s ch e in Gebiete während der nächsten Tagung den Reichstag be schäftigen werden, so ist daran zu erinnern, schreiben die „B. P. N.", daß sich jetzt unmöglich schon der Kreis der einznbringenoen Vorlagen bestimmen läßt. Für die Einbringung von Entwürfen in die legislatorische Behandlung ist nicht bloß das Stadium der Vorarbeit, in der sie sich befinden, maßgebend, sondern auch die geschäftliche Lage, die sich für die gesetzgebenden Faktoren aus der Gesamtheit der unbedingt notwendigen Vor lagen ergibt. Daß an den verschiedensten wzialpoli- tischen Entwürfen in den zuständigen behördlichen Stellen ge arbeitet wird, ist ja nicht unbekannt. Das einschneidendste und wichtigste Werk in dieser Richtung bildet wohl die Witwen- und Waiscnversichernng der Arbeiter. Das neue Zolltarifgesetz, das in seinen hauptsächlichsten Bestimmungen am 1. März 1906 in Kraft tritt, hat auch vorgesehen, daß die Mehreinnahmen ans verschiedenen landwirtschaftlichen Zöllen für eine Witwen- und Waisenversicherung der Arbeiter ver wendet werden und bat als Endtermin für die Regelung der An- gelegenheit das Jahr 1910 angenommen. Dos Reictzsomt des Inner» hat schon vor längerer Zeit die Gutachten der Einzel- rcgicrüngen eingeholt. Nach Sichtung und Aufarbeitung des Materials werden die Grundzügc für die neue Versicherung aus- gcarbcitet werden. Man dürste sich schwerlich irren, wenn man annimmt, daß diese Arbeiten noch so vict Zeit in Anspruch nehmen werden, daß aus die Vorlegung dieses Entwurfes in der nächsten Tagung nicht -u rechnen ist. Auch das große Werk der Vereinheitlichung der Versicherungs- Organisation, die ja nach den Erklärungen des zu ständigen Rcgieriliigsvertrctcrs im Reichstage noch immer ge plant wird, dürste kaum schon in so naher Zeit zur Verhand lung reif sein. Daß an einer allgemeinen Umgestaltung des Kranken Versicherungs-Gesetzes, wobei auch die Ausdehnung der Krankeiwersichcrung auf die Landwirtschaft in Betracht kommt, eine geraume Zeit gearbeitet wirv, ist gleich falls bekannt. Qbichon dieses Bersicherungsgesctz bisher zwei sehr durchgreifende Novellen erfahren hat, ist es noch aus den verschiedensten Gebieten änderunflsbedürftig. Ob jedoch die all- gemeine geschäftliche Lage der gffctzgebcnden Körperschaften die Einbringung einer Vorlage schon in »aber Zeit zulasten wird, bleibt cibzuwartcn. Auch aus dem Arbeiterlchutzgebiete sind Vor- arbeite» für neue Entwürfe aelctüwt. Es ist in dieser Beziehung nur an den Gesetzentwurf, betreuend die Regelung der Heim arbeit der Zigarrcnarbcitcr zu erinnern, der bereits dem preußischen Staatsministeriuin Vorgelegen bat Daß schließlich Gesetzentwürfe über die Rechtsfähigkeit der BernsKoereine, sowie über den Schutz der Bauhandwerker recht weit vorbereitet sind, ist auch sicher. Es ist demgemäß gewiß möglich, daß in der nächsten Tagung sozialpolitische Gesetzentwürfe an den Reichs tag kommen werden, welche dies jedoch sein werden, hängt, wie gesagt, auch von anßcrbalb der sozialpolitischen Materie liegen den Momenten ab. Dem Verein deutscher Z c i t» » g sv e rl e g c r Hst Reichskanzler Fürst Bülow aus oic Wünsche und Vorschläge betreffend die B e r n e r U e b c rc i n k n n s t folgende Antwort, datiert Nvrdcrnet,. den 18. Juli, zngeben lassen: „Tic in der Eingabe des Vereins deutscher Zeitniigsverleger vom 22. v. M. stir Sprnche gebrachte Frage des internationalen Schutzes von Zeitungsnachrichten bat bereits ans der Panter Urlsiberrcchts- Konfercn.z vom Jahre 1806 eingehende Erwägung gesunden. Bei der großen Bedeutung, die der Frage auch vom Staiidpnnkte des öffentlichen Interesses beizulcge» ist, muß ich den Wunsch des Vereins, das; der Gegenstand einer erneuten Prüfung unterzogen werde, als berechtigt anerkennen. .Hierzu wird die Beratung Ge legenheit bieten, die deninächst zu dein Zwecke stattfindcn soll, um dentscherscits ;» der in Aussicht stellenden Revision der Berner Ilrlsiberrechts-llcbcrcinkiinft Stellung zu iicbmen. Ich ivcrde ver anlasse», daß diese Beratung, die erforderlichenfalls unter Zu ziehung von Sachveiltändige» aus den Kreisen der Schriftsteller »nd Verleger erfolgen wird, sich auch ans den Schutz der Zeitungs nachrichten erstreckt »nd daß dabei die dortigen Anträge und Aus- nhriingc» zur Erörterung gelangen." Aus Karlsruhe wird gemeldet: Die badische Unterrichts- Verwaltung hat einen erfreulichen Schritt vorwärts getan: soeben trifft die Nachricht aus St. Mvriz ein. daß der Größberzog eine lan-kSberrliche Verordnung unterzeichnet hat, wodurch die ZV d» v s> L - 2 « * s v>
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