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70. Jahrgang. ^ 422 Mend-Ausgabe «ikiw.ch, S. September lS2« Gegründet US« Drablanlckrift: »«cheichl«, »,«»«. Fernlprecher-Sammelnnmmeri 2S241. Mur wr NachlaNprüch»: 20011. v.m l.dielk.Septdr. ISS» o«, täglich zweimaliger guilellmia,r»> 1»>U« I^vwor». «)kAUg5*WLl1Uy» Paftdezugevkei» ,ii» womit September 3 Mar» »bn» Postzutlellungegebüdr. ai»z,I„««rr »» Vieaal«. Di» «azetgea werben nach Doibinar» d»rechnet: di« »mtpaitia» N) mm breit» Anzeigenpreise: "LLUNÄx.' '«berbolb 2l» Pta- vitertengediibr 10 Vtg. Auew. Iluttriia« -egen voraiiebe,»»! SchriNlettuna and LauptgeichLttefielie: «ertenltra ,, 38,-12. Druck u. Dertao von Uiepich ck Aetchar.« m Dreede». PoMcheck-Aonto tOSS Lreedmi. Nachdruck nur mH deutlicher 0ue»»nonaabe .Dreebner Nackr.' wliMia. Unnerlanotr Schriftstück, «erber nick '»sdemabrt. Deutschland in den Völkerbund ausgenommen Ein ständiger Ratsfitz zuerteilt.—Die nichtständigen Ratssitze auf S vermehrt. Die spanische Bewegung anscheinend völlig niedergeschlagen. — Zusammentritt -es Deutschnalionalen Parleilages in Köln. Einstimmiger Beschluß -er Versammlung. (Durch Funk sprach.» Genf, 8. Sept. Die Bölkcrbnndsversamml»«« hat «ach Annahme der vom Rurca» vorgeschlagene« Tagesordm»«» sür ihre heutige Vormittagssitzung soeben 11,48 Uhr de« ersten Punkt ihrer heutige« Tagesordnung genehmigt un- einstimmig die Ausnahme Dentschlands in de« Völkerbund beschlossen. Der Beschluß wurde mit starkem Bcisall vo« der Versammlung begrüßt. Die Vollversammlung deS VölkerbuudeS beschloß weiter einstimmig die Znerteilung eines ständige« RatssitzeS au Deutschland und die Vermehrung der «icht, ständigen Rats sitze von sechs auf neu«. Bei der Beschlußfassung über die Vermehrung der nicht ständigen Ratssitze machte sich eine starke Opposition geltend. Der Beschluß wurde schließlich gegen sechzehn Stimmen, also mit genau Zweidrittelmehrheit, gefaßt. ?Ins der gleichzeitigen Erledigung der beiden Punkte, Auf nähme Deutschlands in den Völkerbund und Vermehrung der nichtständigen Ratssitze, hätten sich leicht Schwierigkeiten er geben können. Nachdem der Beschluß aber einmal gehaßt ist. liegt, wie zuständtgerseits erklärt wird, für Dentchsland kein Grund zur Beanstandung des gefaßten Beschlusses vor. Präsiden Nintschitscht gratulierte dem Völkerbund zu diesem Ergebnis der Abstimmung, mit dem eine der wichtigsten und lebensnotwendigsten Aufgaben des Völkerbundes gelöst sei Er drückte seine tiefste Befriedigung über das Ergebnis ans und fügte hinzu, daß -Deutschland, nachdem eS tu den Völkerbund ausgenommen und seine Forderung auf einen ständigen RatSsitz erfüllt sei, minmehr in kürzester Frist an den Arbeiten der BölkerbnndSversammlung teilnehmen werde Gleichzeitig beschloß die Versammlung, die Vorschläge d«S Prüfungsausschusses in bezug auf das Wahlverfohren für die nichtständigen Ratssitze und das Regime ihres Man dats an den Rcchtsausschuß der Versammlung zur Weitcrbcratung zn überweisen. Kurz nach 12 Uhr wurde die denkwürdig« Sitzung ge schlossen. Heute nachmittag 4 Uhr beginnt die Versammlung mit der Generaldebatte über den Jahresbericht des Völker bundsrates. (W. T. B.) Der Bericht Motta». Genf. 8. Scpt. Die heutige Vollversammlung 8eS Siölkerbuudes, di« die Ausnahm« Deutschlands in den Völker» bu»d beschließen soll, beginnt um 111 Uhr. Die Plätze der Delegierten füllen sich nur langsam und wcts«n auch nach Be ginn der Sitzung noch vielfach Lücken ans. Im der Diplomaten- lvgc saß u. a. der deutsche Generalkonsul in Genf, Dr. Asch mann. Die Tribünen sind bis auf Leu letzten Platz gefüllt. Nach kurzen gcschüstsordnungsmäßigcn Bemerkungen des Vorsitzenden erhält BundcSrat Motta olS Berichterstatter das Wort und führt aus: ,Ach habe die Ehre und die Aufgabe, Ihnen über die Beschlüsse des Bureaus der Vollversammlung Bericht »u erstatten. DaS Bureau schlägt Ihnen den einfachsten Weg zur Verhandlung der wichtigen Fragen vor, über die Sie heule Beschluß zu fassen haben. Es handelt sich um drei Punkte: 1. Ausnahme Dcntschlands in den Völkerbund; 2. Zuteilung eines ständigen RatssitzeS an Deutschland «nd die Erhöhung der nichtständige« Ratsfitze von sechs ans neun, «nd 8. Beschluß über de« Wahlmodus für die nichtständige» Ratomitglieder «nd des Reglement ihrer Mandate. Das Bureau empfiehlt, von einer Ueberweisung an dt« Erste Kommission abzusehen. Wenn die Vollversammlung sich mit Zweidrittelmehrheit hierfür ausspricht, so können wir heute sofort über alle drei Punkte abstimmen. Alle drei sind tatsächlich so eng miteinander verbunden, daß das Bureau der Vollversammlung die Abtrennung einer der drei Fragen »nd deren besondere Verhandlung Lurch dir Kommission für ausgeschlossen erklärt hat. Daher würden bet einer Ueberweisung einer der drei Fragen an die Kommission automatisch auch die beiden anderen Fragen überwiesen werden müssen. Deshalb erscheint mir sowohl wie dem Binrean die unmittelbare Behandlung durch die Vollversammlung alS die einzig richtige. Deutschlands Eintritt in den Völkerbund habe ich stets als eine Notwendigkeit betrachtet, deren Be. dentsamkcit von Jahr zu Jahr gewachsen ist. Biele Beispiele haben uns dies noch in letzter Zeit gezeigt. DaS Schweizer Volk wird mit Freude den Eintritt Dcntschlands in den Völkerbund begrüßen. Aber auch in der öffentlichen Meinung der ganzen Welt ist diese Notwendigkeit erkannt worden, ebenso di« Notwendigkeit, Deutschland bet seinem Eintritt einen ständigen Natssitz zuznweiscn. Zu der schweren Frag« der Vermehrung der nicht ständigen Ratssitze führt Motta auö: Die Versammlung dürfe durch Vermehrung der Ratssitze nicht an Sinsluß «nd Antorität gegenüber dem Rate verlieren. Bes Vermehrung der Natssitzc bestehe ferner infolge der VinstimmiakeitSNansel für die Ratsbeschlüsse die Gesahr, daß der Bölkerbundsrat in seiner Arbeit und Entschlußkraft behindert «erd«. ES gebe aber auch sehr ernste Gründe, die zugunsten einer Ber» mchrung der nichtständigen Natssitzc sprechen. Der erste Grund sei die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Vertretung .der Interessen der verschiedenen Kvntil»«nte tm Bölkerbundsrat. T«r zweite Grund bestehe darin, daß der Turnus bei der Besetzung ber nichtständigen Ratssitze gewährleistet werden muß. Der wichtigste Grund für die Vermehrung der nicht ständigen RatSsitze sei aber die Notwendigkeit, die Ratssitz- krtse zu lösen. Ich hoffe, daß der Geist der Verständigung, -er tn der Studicnkommisflon und tm Bölkerbundsrat bei allen Be- ratungen herrschte, auch hier in der Vollversammlnnq walten wirb. Der Redner erinnerte zum Schluß an daS Werk von Locarno, dessen Bedeutung er Hervorbob. An der Aussprache über die vom Bureau b«r Völkerbundsversammlung vor- geschlagen« heutige Tagesordnung beteiligten sich London (Holland), Nansen (Norwegen) und Loesgren (Schweden). London widersprach dem durch bas Bureau vorgeschlagenen Verfahren, durch das die Versammlung behindert werde, in ein gründliches Studium des Ratsproblems etnzutretcn. Ueber das Problem der Vermehrung der nichtständige« Rats, sitz« herrsch« in der Versammlung Meinungsverschiedenheit Trotz dieser Stellungnahme werde aber die holländische Dele gation, um keine Schwierigkeiten zu schassen, für den Antrag des Bureaus stimmen, damit die Aufnahme Deutschlands, die von allen gewünscht iverde, nicht weiter verzögert werde. Nansen (Norwegen) nahm dagegen Stellung, -aß der Bölkerbundsrat Deutschland, noch bevor es Mitglied deS VölkerdundSrates war. einen ständigen Ratssitz zusprach- Dieses Verfahren müsse als verfassungswidrig und gefährlich bezeichnet werden. Ohne den vielfach erwarteten förmlichen Gegenantrag einzubringen, richtete Nansen an den Völker bundsrat den dringenden Appell, das heut« etngeschlagene Verfahren in künftigen Fällen zu keinem Präzedenzfall wer den zu lassen. UndSn (Schwedeni stimmt« Liesen Einwendungen bet wenn er trotzdem im Namen der schwedischen Regierung die Annahme der Vorschläge deS Bureaus ausspreche, so tu« er daS in der bestimmten Erwartung, daß mit dem heutigen Beschluß die Krise des Völkerbundes gelöst sei, und daß durch dieses Verfahren k«in Präzedenzfall geschaffen werde. Die offizielle Milleilung nach Berlin. Gens, 8. September. Der Generalsekretär hat nach dem Beschluß über die Ausnahme Deutschlands folgendes Telegramm an die Ncichsregicrnng gesandt: „Stresemann, Minister deS Auswärtigen Amtes, Berlin. Im Auftrag des Präsidenten der Vollversammlung des Völkerbundes habe ich die Ehre, Ihne» mitznteile«, daß ln -er Sitzung vom 8. September die Vollversammlung Deutsch» landS Aufnahme als VölkerbundSmitglicd erklärt und die Resolution des BölkcrdundsratS vom 7. Septcmder, die Deutschland eine ständige Vertretung im Rat znerteikt, ge, billigt hat. Drummond." Wie die T.-U. erfährt, ist die tn Genf beschlossen« Aus nähme Deutschlands in den Völkerbund und die Zuweisung eine» ständigen RatssitzeS an Deutschland in Berlin mit Befriedigung ausgenommen worden. Für Deutschland ist somit der Weg nach Genf frei geworden. Die Dollmachken sür die deutsche Delegation. Berlin, 8. Sept. Reichspräsident v. Htndenburg hat gestern in Dietramszell die Vollmachten für die deutschen Ber- treter bei der Völkerbunbstagung vollzogen. Die Vollmachten, die nach internationalem Völkerrecht für die Vertretung beim Völkerbund notwendig sind, gelten nur für den RetchSaußen- minister Dr. Stresemann, Staatssekretär v. Schubert und Ministerialdirektor Dr. Gauß. Die übrigen Herren, die sich ber Delegation anschließcn, gehen nach Genf als Sach- verständig« und Berater ber deutschen Delegation. Die Voll machten sind heute früh dnrch Staatssekretär Meißner nach Berlin gebracht worden. Di« Delegation wirb «och heute abend abreisen. <Nn -euNcher Verlreler Ich»« in Senf. Gens, 8. Sept. Der deutsche Gesandte tn Bern. Adolf Müller, d«r Mitglied der deutschen Delegation ist. traf bereits gestern abend hier ein. Man führt das darauf zurück, das, die deutsche Negierung den dringenden Wunsch hat. sich noch heute früh mtt b«n maßgebenden Stellen des Völker» bundsrates auseinanderznsetzen, bevor Beschlüsse gefaßt werden, die für Deutschland die Lage rvcscntlich erschweren könnten. Es war angeregt worden, -aß der bentsche Rnndsnnk die Verhandlungen über die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund verbreiten möchte. Eine Uebertragung kann aber aus technischen Gründen nicht stattftnden. da es unter den augenblicklichen Verhältnissen nicht mehr möglich ist. die Uebertragung von Reden in fremden Sprachen einwandsrei zu sichern. Den Nundfnnkhörern tn Frankreich, England, der Schwei, und der Tschecho-Slowakei werden die Verband- lungrn in Gens direkt übermittelt werden. : Wolken über Sens. (Von unserem Genfer Korrespondenten.) l Gens, 7. September. Di« dteSjäHrige Genfer Versammlung gleicht sehr der deS letzten Herbstes. Die hauptsächlichsten Köpfe sind dieselben geblieben. Da sieht man den hageren Austen Chamber» lain mit Zwicker und Monokel: die große Nase des Vis» count Ceeil os Chelwoob sticht so arg hervor, wie seine Glatze schimmert. Neben ihm sitzt das Fräulein Littleton. Dt« britische Delegation ist eine der sehr kleinen. Ganz tu der Nähe sitzen die Franzosen, der immer älter werdende und trotzdem beinahe immer jünger erscheinende Aristide Briand am Anfang. Paul Boncour hat auch wieder gealtert, aber seine Lebendigkeit ist unglaublich. Seine langen weihen Haare wirken auf die Blicke wie magische Lichter. DaS Haupt Loucheurs scheint tn dieser Hinsicht weniger wert voll. Henry de Jouvenel. der Kommissar tn Syrien, beschließt die Liste der eigentlichen Delegierten, obwohl noch eine Reihe glänzender Namen folgt Uebrigens ist die französische Delegation, wie gewohnt, die größte. ihr kommt allein die polnische nahe, die 27 Personen zählt, darunter fünf Exzellenzen. Man ver mißt die schneidige Gestalt des „Locarno-Grafen" Skrzynskt» an dessen Stelle steht Zaleskn. Ans Kanada fehlt der letzt- jährige Herr Dandurand, der der langweiligste und schnarrendste aller bisherigen Präsidenten gewesen ist. An ber Spitze der groben chinesischen Delegation stehen die drei Vertreter in Rom, London und Bern. Dänemarks erster Repräsentant ist der Außenminister Graf Moltke. Die Außenminister sind überhaupt sehr Zahlreich vertreten, man könnte von einer Konferenz der Außenminister spreche«. England hat den seinen entsandt, Frankreich, Bulgarien, Kuba, Dänemark, Estland, Finnland, Ungarn, Irland, Luxemburg, Polen, Portugal, Jugoslawien, Schweden» Schw^'° "^'Kecho^sowaket, Urnanay ebenfalls. Der Neger staat Liberia wird von Herrn Lehmann repräsentiert» eine be kannte, gewtsserm-'b-'n volkstümliche Erscheinung in der Gevlcr Versammlung. Der Witz umspielt den Herrn tn mehreren Formen. Zum Beispiel ist man seht erst daraus ge kommen, wem zu E >rcn der Genfer See Lac Löman heißt. Den bescheibendsten Kopf hat Motta. aber auch einen der besten tn dieser Versammlung. In ihm wird sozusagen ein noch wenig durchgedrungenes besseres Selbst des Völkerbundes verkörpert. Auf dem Präsibentenstuhle hatte anfangs — bis der jugo slawische Außenminister ans ber Urne stieg — Herr Bencsch Platz genommen. AlS Präsident des Völkerbundsrates lag Ihm die Eröffnung der Vollversammlung ob. Man kann leider nicht sagen, daß Herr Benesch ein schönes Französisch spricht. Er nimmt es auch mit der Grammatik nicht immer ganz genau. DaS hindert aber nicht, daß seine lange Rede, die übrigens genau so begann wie die Rede PatnlevöS vor einem Jahre, schon durch die telegraphischen und telephonischen Drähte raste, ehe sie nur gehalten worden war. Weitaus am meisten wird Berlin verlangt, Paris und London kommen weit dahinter. Uebrigens ist der Presscandrang nicht so groß wie die letzten Male. Manche Plätze sind leer. Irgendwelche Feierlichkeit herrscht nicht, und würde nicht Bencsch daran erinnert haben, vor welch großer Wende Völkerbund un- europäische Politik ständen, so könnte kein Mensch empfinden, Saß diese Versammlung Deutschland ansnehmcn soll, um so weniger, als Genf von merkwürdigen Gerüchten wtderhallt, die ohne Zweifel von der französischen Delegation nahestehen den Kreisen in die Welt gesetzt worden sind. Ein Teil der reffe unterstützt diese geheimen Strömungen und beschwört rankreich, jetzt keinen Augenblick mehr zu säumen und alles zu tun, was geeignet sein könnte — Polen weiterhin tn seiner ursprünglichen Forderung zu unterstützen. Der Völkerbund ist heute wahrlich keine ideale Institution: sie wird ihrem Wert nach gewiß nicht gehoben werden, wenn in Kreisen der Dele, gation »der Befürchtung Ausdruck gegeben wird", daß dnrch Herrn Stresemann ein Geist des GcschästemachcnS, ein Händ» lergcist in die jetzt so selbstlose «nd nur nach idealistischen Prt«, zipien geleitete Gesellschaft hineinkomme. Dabei steht eins fest: Frankreich verfügt über eine« Basallenanhang, dcr nnter Umständen fast dazu hinreiche« könnte, die Zweidrittelmehrheit innerhalb dcr Versammlung z« sabotiere«. Und wenn daraus tm Augenblick auch kaum Folgerungen zu ziehen sein dürften, so geht daraus doch her- vor. welche großen Schwierigkeiten unmittelbar nach dcr Auf nahme Deutschlands erwartet werden können und welcher Art die Mitarbeit sein wirb, die man Deutschland zugestehen möchte. Die deutsche Politik tm Völkerbund kann außsallen wie sic will: wahrscheinlich wird sie nicht viel anderes als eine beständige „Verärgerung gegen die tntraiisigantcn Deutschen" chasfen, sofern eben Deutschland darangehen sollte, von seinem RatSmandat entsprechenden Gebrauch zu machen. Diele Per spektiven sind wohl etwas dunkel aezeicbnet. aber sic entsprechen der Genfer Stimmung, wie sie unter der Oberfläche herrscht. Wohl fallen i» dcr Vollversammlung schöne Worte hinsichtlich Deutschlands, und bas „Journal de Genöve" stellt