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Deutscher Schritt iu Paris und Lenden Das Revamtious' Memorandum übrmW London, 28. Nov. Der deutsche Botschafter überreichte hente nachmittag dem Schatzkanzlcr Churchill das Ant wortmemorandum der deutschen Regierung aus das kürzlich von der britischen Regierung in der Neparationsfragc übergebene Memorandum. Wie verlautet, hat Botschafter von Hoesch bei Poincarö rin Memorandum übergeben, in dem der deutsche Standpunkt zu de« von dem Sachverständigenansschuß zu behandelnden Fragen generell dargclegt wird. Im Lause des Sonnabends wird baS deutsche Memoran dum noch in Brüssel, Rom und Tokio überreicht werden. Der sachliche Inhalt dieser Denkschrift ist in seinen Grundzügen sa bereits bekannt. Er wird sich im wesentlichen an die Darstellung deS Ankienministers in der außenpolitischen Anssprache im Reichstag anschließcn. Es wird zum Ausdruck gebracht «erden, daß nach deutscher Auf fassung der Zeitpunkt für eine materielle Behandlung des NcparationsproblemS noch nicht gekommen sei. Im Vordergrund der Kommisstonsarbeit muß vor allem die deutsche LclstungSsiihigkclt stehen, nach deren Prüfung und Untersuchung erst konkrete Borschlüge der Sach verständigen erfolgen künnten. Es ist wahrscheinlich, daß in dem deutschen Memorandum auch auf die Notwendigkeit deS baldigen Zusammentritts der Kommission btngewiese« werden wird, der nicht nnr im Interesse DentschlandS, son« bern «uch in dem seiner Gläubigerstaaten liege Die Frage des Mandats, das den Sachverständigen für ihre Beratungen erteilt werben soll, bekommt, nachdem durch den Meinungsaustausch gewisse Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt sein werden, einen rein technischen Charakter, denn es wird sich im wesentlichen darum handeln, den Umfang des Mandats in Worten zu fixieren. Nach deutscher Auffassung soll cs sich bekanntlich aus den ganz allgemein gehaltenen Auftrag, die Rcparationssrage zu lösen, beschränken. Zusammensasscnd sei festgestellt, daß man sich über die Hinzuziehung der Ameri kaner und über die Ernennung von unabhängigen Sachver ständige« einig wurde. Hoesch bei Brian- unö Potnrar- Paris. 23. Nov. Der deutsche Botschafter Herr von Hoesch begab sich am Frettagvorintttag >1,45 Uhr an den Quai d'Orsay, um dem französischen Außenminister Brtand einen Besuch abzuslattcn. Bon amtlicher deutscher Seite wird mitgcteilt: Der Botschafter v. Hoesch hatte am Freitagnachmittag auch eine Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Poincars. Die letztere Unterredung war der Frage der Einsetzung des Sachvcrständigenausschusscs für die Regelung der Reparationen gewidmet, ein Thema, das auch den wichtigsten Gegenstand der Unterhaltung des Botschafters mit Herrn Briand bildete. Brian- erhofft ein gutes Ergebnis Paris, 28. Nvv. Der Kammerausschuß für Auswärtige Angelegenheiten nahm am Frcitagnachmittag den ausführ lichen Bericht des Außenministers Briand über die außen politische Lage entgegen, besonders über die Reparatious« besprcchungcn und die Rheinlandsbesetzung. Briand be kundete die lebhafte Hoffnung, daß ein glückliches Ergebnis erzielt werde. Er brachte die Sympathie der Regierung für den Text des allgemeinen Schiedsgerichtsvertragcs zum Aus druck, der in der letzten BölkerbundSversammlnng zur Unter zeichnung durch die Staaten vorgeschlagen wurde. Brtand äußerte sich ferner über das französisch-englische Flottenkompromitz und betonte, daß die durch dieses Kom- promiß in gewissen auskändtschen Hauptstädten hervor- gerufene Erregung keineswegs gerechtfertigt sei. Anschließend gab der Kriegsminister Aufklärungen über die wirkliche Starke der RhcinlandSbesatzung. Der Präsident des Ausschusses wies daraus hin, baß cs dem Ausschuß nicht zukäme, in die Belange des Armee- und des Finanzaus schusses einzugreise». Er wolle lediglich feststellen, ob die französische Militärpolitik in Uebereinstimmung mit der aus wärtigen Politik bleibe. Ferner hat der Hceresausschuß -er Kammer eine Sitzung abgchaltcn, in der KricgSministcr Paiulcvö über verschiedene das Hceresbudget betreffende Fragen Ausschluß gab, u. a. auch über die Vcrteidigungsorganisation der Grenzen. Er wies daraus hin, daß in Anwendung des Gesetzes über die einjährige Dienstzeit die im November 1929 unter die Fahnen zu berufenden Rekruten als erste nur ein Jahr zu dienen haben würden. Am toten Punkt Die Hoffnung der deutschen Ocssentlichkeit, daß der für unsere ganze Volkswirtschaft so verhängnisvolle Riesenkampf in der nordwestlichen Eisenindustrie durch die Vermittlung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten ein schnelles und für alle Teile befriedigendes Ende finde» würde, ist leider ent täuscht worden. Obwohl die VcrhandlnngSberichtc täglich von einem günstigen Verlaus der Besprechungen zu melden mußten, war mit einem Schlage der Faden abgerissen, und die BerständigungSaktion mußte abgebrochen werde» in einer Form, die wenig Hoffnung läßt, daß sie mit Aussicht aus Er folg wieder ausgenommen werden kann. Damit ist eine völlig neue Lage geschaffen,' statt der erwarteten Entspannung ist eine Versteifung etngctreteu, und cs scheint, daß erst durch den schleppende» Gang der Rechtsprechung eine Entscheidung herbcigesührt werden kann, während Tag für Tag die Wirt- schaft Millionenverluste erleidet. Merkwürdigerweise ist in diesem neuen Stadium fast nicht mehr von der Schuld- frage die Rede, die unmittelbar nach der Aussperrung so ausgiebig und meist zuungunsten der Unternchmerscite erör tert wurde. Aber die Ocssentlichkeit hat nach wie vor ein dringendes Interesse zu erfahren, warum die Verständigung gescheitert ist, nicht nur zur Klärung der Verantwortlichkeiten in dem gegenwärtigen Konflikt, sondern auch deshalb, weil es gilt, die Fehler, die jetzt begangen worden sind, in zukünf tigen Fällen zu vermeiden. Die Arbeitgeber haben inzwischen in einer öffentlichen Erklärung ihren Standpunkt dargelegt und die Arbeitnehmer haben dazu eine Gegenerklärung erlassen. Wenn man aus diesen Verlautbarungen den Verlauf der Entwicklung heraus, schält, dann ergibt sich folgendes: Die Gewerkschaftsvertreter selbst geben zu. daß am Ende der Beratungen bereits ein „Verhandlungsergebnis" Vorgelegen hat, von dem sie zwar sagen, daß es „von Arbeitgcberseite formuliert" worden sei, dem sie aber doch ihre Zustimmung gegeben hatten. Als es sich aber in der nächsten Sitzung darum handelte, dieses Er gebnis zu ratifizieren, da vollzogen sie plötzlich eine ent scheidende Schwenkung, indem sie die bereits getroffene Ver einbarung, die sich auf eine Löhne und Arbeitszeit umfassende Neuregelung erstreckt hatte, Preisgaben und sich wieder aus den Schiedsspruch zurückzogen. lieber Nacht waren die unter, handelnden Bezirksvertreter von den zentralen Gewerk schaftsführern im Stich gelassen worden. Diese verlangten neuerdings, daß der Schiedsspruch unter allen Umständen Anerkennung finden müßte, und zwar in der Form, daß die Unternehmer zunächst zu den Bedingungen des alten Tarifs wieder ihre Betriebe öffnen. Wenn dann das Rcichsarbeits- gericht in dem anhängigen Rechtsstreit um die Gültigkeit des Schiedsspruches diesen bejaht, also gegen die Arbeitgeber ent scheidet. dann soll der Schiedsspruch die neue Grundlage der Arbeitsbedingungen sein. Wenn aber dieses Urteil zu ungunsten der Arbeiter ausfällt, dann soll unter vorläufiger Weitergeltung des alten Tarifs ein neues Schlichtungövcr- fahren einsctzcn. Stillschweigende Voraussetzung ist, daß dieses dann formell so einwandfrei funktionieren würde, daß die Unternehmer keine Möglichkeit mehr hätten, sich einem neu gefällten und wieder verbindlich erklärten Schiedsspruch zu entziehen. Das letzte Wort der Gewerkschaften heißt also: Nicht Realpolitik aus Grund der gegebenen Lage, sondern Rückkehr zur Prcstigepvlitik um Grundsätze. Keine Verein barung in freier Verhandlung, sondern Unterwerfung der Unternehmer unter das kaudinische Joch des Schiedsspruches oder einer Neuregelung, die seinem materiellen Inhalt ent spricht. Als Maximum des Entgegenkommens nur das An gebot. daß v o r l ä u f i g die Arbeit zu den alten Bedingungen wieder ausgenommen werden soll. Wie innerlich unlogisch diese Stellungnahme ist. geht daraus hervor, daß der Appell der Unternehmer an das Arbeitsgericht von der gewerkschaft lichen Presse als eine unerhörte Auflehnung gegen die Staats gewalt bezeichnet würbe, während die Gewerkschaften jetzt selbst auf die gerichtliche Entscheidung lossteuern und damit den ganzen Streit nach der juristischen Seite hin znspitzcn. Es ist ganz klar, daß die Unternehmer diese Schwenkung nicht mitmachen konnten: denn sie hätte für sie nicht den erstrebten Vcrständigungsfricden bedeutet, sondern das Eingeständnis der glatten Niederlage. So liegen die Tatsachen, a» denen leider nichts mehr zu ändern ist. Nun erhebt sich noch die Frage, warum die schon bis zum Abschluß gediehene Verständigungsbereitschaft der Ge werkschaften plötzlich so dahingeschmolzcn ist. Ein Grund wurde schon angedeutct: die Unsicherheit der unterhandelnden Gewerkschaftsführer. ES hat die Fllhrcrstärke gemangelt, die von ihnen geleiteten Massen und die über ihnen stehende Zentrale bindend zu verpflichten. Bereiteten ihnen schon die Eifersüchteleien der drei beteiligten Gewerkschaftsrichtnngen Hemmungen für die gemeinsame Linienführung ihrer Aktion, so wurden sic völlig aus dem Sattel gehoben von den über geordneten Führer», die ihre Entscheidung mehr nach polt- tischen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten fällen. Dazu sind aber noch weitere Einflüsse von außen, vor allem Rücken stärkungen parteipolitischer Natur, gekommen. Ganz beson ders haben offenbar die Unterstützungsbeschlttssc des sozial politischen Ausschusses im Reichstag in dieser Richtung ge- Et« deutscher Dampfer lm Srkm gesunken IS Mann gerettet, 7 Mann vermißt Hamburg, 28. Nov. Der Lübecker Dampfer „Herren wijk", der auf dem Atlantik bei furchtbarem Sturm in See not geraten war. ist gesunken. Der Dampfer „Transsyl - vaaia" der dem sinkenden Schiff zur Hilfe geeilt war. be richtet. daß die Aussetzung von Booten wegen des außer ordentlich heftigen Sturmes unmöglich war. Ein Funk» sprnch des dänischen Dampfers „Estonia" besagt, daß das Schiff sechs Mann der Besatzung ausgenommen habe, das Nettnngswerk dann aber wegen herein brechen der Dunkelheit und Verstärkung des Sturmes unter brechen mußte. Die „Estonia" verweilt weiter an der Un» gliicksstelle «m den Rest der Besatzung bei Tagesanbruch ans nehmen zu können. Die Ostastatische Company teilt über die Hilfeleistung der „Estonia" für den deutschen Frachtdampfer „Herrenwijk" der Lübecklinie. N.-G., mit: Der Passagierdampscr „Estonia" der Ostasiatischen Company, der sich auf der Fahrt von Ncuyork nach Danzig befindet, wurde Donnerstag nacht von dem beut- schcn Dampfer „Herrenwijk". der sich aus 54 Gr. 52 Min. nördl. Breite und 24 Gr. 80 Min. westl. Länge in Seenot befand, z» Hilfe gerufen. Es gelang der „Estonia", bis 8 Uhr Freitag morgen sechs Mann der Besatzung zu retten, als ein zunehmender Nordwcstorkan die Fortsetzung der Rct- tungsarbeiten unmöglich machte. Die „Estonia" blieb an der Unsallstelle in der Hoffnung, die übrigbleibcnden 20 Mann der Besatzung bei Tagesanbruch in Sicherheit zu bringen. Der Orkan nahm jedoch weiterhin an Stärke z», und Frei tag vormittag 10 Uhr sank die „Herrenwijk". Bis 1 Uhr mittags waren im ganzen 18 Mann gerettet. Die „Estonia" wird die Unglücköstelle bis zum Anbruch der Dunkelheit abpatrouilliercn, um möglicherweise wettere Mit glieder der Besatzung des gesunkenen Schisses auszunehme». Die „Herrenwijk" gehörte der Reederei Lübecklinie. A.-G., in Lübeck und war auf der Reise von Härnösand »ach Neuyork mit einer Ladung Zellstoff. Die „Estonia" wird wahrschein lich Kopenhagen Dienstag nachmittag passieren. Rock ein Schiff in Seenot London, 28. Nov. Der Frachtdampfcr „Albiou Star" der Blue-Star-Ltnc, 7020 Tonnen groß, ist an der Westküste von Kanada in der Nähe von Rae» Rocks in schwere Seenot ge raten. Er sandte mehrere 808-Rufe aus. Hilföschisse sind unterwegs. Nach einem Funkspruch von Bord des Dampfers „Regina", auf dem sich der englische Außenminister Chamber- lain befindet, ist das Schiss i» einen schweren Sturm geraten. Es befindet sich ans der Fahrt nach England. Orkan über Grivlan- Der Schiffsverkehr nach Ostende eingestellt London, 28. Nov. Ganz England wurde heute von einem fast orkanartigen Sturm heimgesucht. Aus allen Teilen des Landes werden heftige Regengüsse und Sturmwinde ge meldet. Zahlreiche Tclephvndrähtc sind niedergertssen worden und die Tclcphonvcrbiuduugcn erleiden beträchtliche Ver zögerungen. Im Kanal herrscht hohe See, und viele Dampser haben sich zum Schutz in die Häfen begeben. Die Rettungs boote von Deal und Ramsgate sowie eine Anzahl schneller Motorboote wurden heute in größter Eile abgesandt, um einer Flotte von HeringSdampsern zu Hilfe zu eilen, die von dem plötzlichen Sturme überrascht worden waren und drin- gcnde Notsignale gaben. ES gelang, die Heringsflotte mit ihrer Besatzung einzubringeu. Wegen des im Kanal herrschen- den Sturmes wurde der gesamte Schisssdicnst zwischen Ost ende und Dover eingestellt. Schweres Einstur-nngltiik ln einer Srrraanstalt Mailand, 28. Nvv. Wie der „Popolo b'Jtalia" meldet, ereignete sich in der Irrenanstalt der Gemeinde Ponte Vico ei» schweres Unglück. Die Decke eines Schlassaales, in dem sich 15 Frauen befanden, stürzte plötzlich ein und riß die Un glücklichen. da auch der Fußboden durchbrach, mit in die Tiefe. Drei Geisteskranke wurden auf der Stelle getötet, sieben mehr oder weniger schwer verletzt. Drei österreichische SWere wegen Svtenaoe verurteilt Wien, 28. Nvv. Der Spivnagcprozcß gegen die drei frühere» Offiziere Reindl, Hantka und Müller endete mit der Verurteilung wegen Betrugs, Ausspähung und Diebstahls. Der frühere Oberleutnant Reindl wurde zu 18 Monate», der frühere Oberstleutnant Hanika zu acht Monaten schweren Kerkers und der frühere Leutnant Müller zu sechs Monaten einfachen Kerker» verurtetlt.