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7Ü. Jahrgang, 2»2 Abenö-Ausgabe Donnerstag, 24. Juni l»r« Gegründet 1858 Dn>I»I»nIchriI«! «»chrlcklrn gernlpeecher-Sammelnumm»,: SS 2-41. Nu, Ittr Nachlo»ipr»ch», SV 011. °om I». di» 30. Juni U>2» d»l laalictzzwetmuliger ZuNellung irei Kau» l.SO Mar». L)özUg5» Wel)ul)r Poftd»Mg«>r»t» Mr Mona« Juni 3 Mord odn» PolUuNellungsgebUIir. Ntn^Inn««»» >4 Pleuul». Di» Anzeigen werden nach voldmard derechnei: dt« »ininallig» 3V mm dretl» Anzeigen-Preise: auk«rda>d 2vv Pia. OsserienaedMir >0 Pia. Ausw. Auiirita« -enrn Voraiisdezanl. Schrilileitunq und Aouplgeickütl»«»«, »arieniirai,« 28 42. Druck u. verlaq von Lieplch ck Neichardl in Dresden. Pofticheck.Aonlo 106S Dr»»d»n« Nachdruck nur mti deuiiicher ouellennnaade ,Dr»«dn»r Aachr" wiiiliia. Unverian-,-' SchrUINiick» werden nichi anibewadri. kaillaux' Programm. Der Kampf um die Stabilisierung des Franken. Die 88 8 und s -es Fürslengesehes im Aechlsausschuh angenommen. — Annahme der Dergbau-Aeorganisaklons-Dlll in 2. Lesung. Kursskabilijierung entsprechend dem Grohhanoelsindex. Paris, 21. Juni. Ucbcr Eaillaux Programm dcr Frauken, ftiißnng verlautet: Er wird zunächst die Note »presse wieder in Gang setzen, da er im Juli große Zins- zahkungen an England zu leisten hat. Er will ferner den Franke« aus einem Kurse stabalistercn, der dem Großhandels index entspricht. Sr wird sehr scharfe Einschränkungen drrEinfuhr und bcSBerbrauchs verordnen. Er wird das Washingtoner Tchuldenabkommcn nicht durchführen, so», der« «in« Abänderung in Washington verlange». sEine Garaticklqusel gegen «ine vorzeitige Mobilisierung der sran- zöstfthen Schulden durch die Amerikaner auf dem offenen Geldmärkte.) Er will endlich aus scharse« BerwaltungS- crsparnistcn einen Amorsitationszwang zur Tilgung dcr Kriegsschulden errichten. Das Finanz-Triumvirat. Paris, 21. Juni. Das Kabinett Briand wirb in der Presse aller Richtungen recht günstig ansgeiiommc». Man steht in dcr neuen Regierung «ine Kombination, die aus schließlich zur Regelung dcr Finanzsragc dienen soll. Das Zentrum der neuen Regierung bildet das Finanzmtnt» stcrium, das von einem Triumvirat verwaltet werden soll. Pietri, der den Linksrepublikanetn nngcbört, hatte in Marokko schon eine finanzielle Sanierung durchgcführt, als er die Ersetzung dcr früheren marokkanischen Währung durch den Franken leitete. Dubais hat sich besonders durch einen energischen Pvessefcld-ug für die Stabilisierung des Franken bekanntgemacht. Außerdem rechnet EaiNanx a»f die Mitarbeit N o g a r o S , der nach außen hin das Ministerium für öffentlichen Unterricht erhellten hat und als eine Autorität in Finanzfragen gilt. Uvber die Ftnanzpläne iLatllaux' liegen noch keine Angaben vor. Er wird heute vormittag die Ausarbeitung des Programms cinleitcn. Die „Bictoire" erblickt in CaillaNx den einzigen Mann, der ohne Rücksicht auf die Popularität das Werk der finan- »teilen Sanierung durchführen könne. — Der „Figaro" laubt, daß Eaillaux durch die Mitarbeit seiner beiden Staats- ekretäre gegen jede Neberraschung gesichert sei. Das „Echo c PariS" begrüßt die Ernennung des Generals Guillaumat -um KrtkgSmintstcr und hofft, daß er seine große Autorität daz» benutzen werde, die Reform des Heeres durch- ,»führen. Dt« Linkspresse bedauert, baß Painlevä nicht im Kaviitttt vertreten fei. ,Der „Ouotidtcn" deutet an, daß Eaillanx das Sachocrständigcukomitce auslöscn werde. Tic Frage sei gegenwärtig die dringlichste. Ein« andere Frage sei, wie sich Eaillaux heute zu dcr Inflation stelle. Tie „Erc Nonvcllc" sagt, das Land habe Vertrauen zu Eaillaux. Das Geschick Frankreichs halte er in seinen Händen. Das Kabinett -er gemWglen Linken. Paris, 21. Juni. AuS der im „Journal Osficiel" ver öffentlichten Liste der neuernannten Minister ergibt sich, daß Justtzministcr Laval die Leitung der e l s a ß - lothrin gischen Angelegenheiten behält. Finanzmiuister Eaillaux erklärte, daß er mehrere Tage Zeit brauche, um einen Finanzplan auszuarbeiten. Die neue Regierung wird sich daher dem Parlament kaum vor Dienstag vorstellen. Nach Havas beabsichtigt das Ministe rium, aus rascheste Verabschiedung der Finanz- ge setze zu drücken, für deren Anwendung es vom Parla ment weitgehende Befugnisse verlangen werde. Nach Parteien gegliedert setzt sich das neue Kabinett wie folgt zusammen: v Radikale, 3 Soztalrcpublikaner, 3 Mit glieder der Radikalen Linken, 1 Linksrcpublikaner, ein un abhängiger Sozialist, ein Mitglied der demokratisch-republi kanischen Linken und ein Nichtparlamentarier. sW. T. B.) Englische Pressesltmmen. London, 21. Juni. Di« Morgenblätter beschäftigen sich ausführlich mit dem neuen französischen Kabinett. Die „Times" führt an leitender Stelle aus. daß cs sich keineswegs um eine Kombination der Rechten und des Zentrums lnrndele. Das Schwergewicht liege vielmehr bei dcr Linken, obwohl d«m Kabinett einige Mitglieder, die mehr oder weniger in Berührung mit den Gruppen der Rechten stehen, angchüren. Auffallend sei die Anwesenheit Eaivanx' nicht nur als Finanz, minister, sondern auch als Vizepräsident. Was das zu bedeuten habe, bleibe abzuwartcn. Solange aber dieses doppel- köpfige Kabinett die französische Kammer in der Gewalt habe, könne man in die Zukunft und in die Pläne des Kabinetts Vertrauen setzen. Der „Daily Telegraph" meint, daß die Aussichten deS gestern gebildeten Kabinetts, im Lichte der letzten Ereignisse betrachtet, nicht vielversprechend erscheinen. Die Republikanische Vereinigung habe Frankreich bisher wenig Hilfe in seiner finanziellen Krise bringen können. Krlegsmlntfler Guillaumat und die Mttliärresorm. Paris, 21. Juni. Wi« „Journal" erfährt, ist der neue Kriegsminister Guillaumat ein Anhänger der einjäh rigen Dienstzeit und wirb das vorliegende Militär- resor mg esctz mit solchen Durchführungsbestimmungen -zur Verhandlung bringen, die dem Wunsche des Sandes nach Ver ringerung der Militärlasten Rechnung tragen uird zugleich die völlige Sicherheit Frankreichs gewährleisten. Anschlutzkund-ebung in Wien. Wien, 21. Juni. Anläßlich der Anwesenheit von 00 rcichsdeutschen Mitgliedern des Dcutschnationalen Hand- lungsgchilfen-Berbandcs in Wien veranstaltete die Gruppe Wien des Deutschen Handels- und Jndustrieangesiellten-Ber- banbes gestern abend eine großeAnschlußkundgebung Der Kamps im englischen Bergbau. Annahme -er Reorganisallonsbitt in 2. Lesung. London, 21. Juni. Das Unterhaus hat in 2. Lesung die Vorlage betreffend die Reorganisierung dcö Kohlenbergbaues angenommen. Die Unterhaus-Debatte. London, 23. Juni. Zu Beginn der heutigen Sitzung wurden einige Anfragen über die A u S l a n d 8 p o l i t i k von der Ne gierung beantwortet. Da einzelne Mitglieder dcr Kvnser- vaiivtn Partei lauten Beifall spendeten, wen» irgend etwas «egen die Somjetrcgiernng geäußert wurde, begrüßte die Arbeiterpartei ihrerseits jedesmal, wenn die Sowjetrcgterung «rnannt wurde, dies mit ostentativem Beifall. Auf eine An frage erklärte der Staatssekretär im Schatzamt, Me. Ncill, daß der Gosamtbetrag der Schulden der Somsetrcgiernng an die britisch« Regierung einschließlich der Zinse» 301 Millionen Pfund betrage. Die Ansprüche britischer Untertanen an die Eowietreaiernng beliefen sich auf ungefähr 2KK Millionen Pfnnb. Die Debatte über die Auslandspolitik der Regierung wird, wie Baldwin erklärt«, für Freitag sogleich mit dem An trag auf Vertagung des Unterhauses auf die Tagesordnung ge- fetzt werden. — Die mit großer Spannung erwartete Debatte über die Kohlensrage wurhe durch den NergwerkSministcr Lane Kor eröffnet, der häufig von der Arbeiterpartei unterbrochen, die Vorlage, die sich mit der Reorganisation dcr Kohlenindnstrie befaßt, in zweiter Lesung cinbrachte. Der Gesetzentwurf über die Reorganisation dcr Kohlen- lndustrlc stell« nur einen ersten Schritt dar. Die wichtiqste Aus gabe ^ci eine Beseitlgnng der alten kleinen Schachtanlagen. Der Bergarbcitcrvertrcter HartShorn wandte sich scharf gegen dewGesetzentwnrf, den er als ungeeignete Lösung des Kohlen, nrdblem« bezeichn«»«. Er »rat nachbrttcklichst für neue ver- Handlungen zwischen den streitenden Parteien ein und wurde darin von Lloyd George, der als nächster Redner sprach, kräftig unterstützt. Worthington Evans erklärte, daß die Regierung gern bereit sei. in U n t e r h g n d l u n g c n mit jeder von den Bergarbeitern bevollmächtigten Persönlichkeit zu treten. Der Prcmtermintster habe Verhandlungen mit den verschiedensten Unterhändlern geführt: aber all diese Besprechungen Härten sich als fruchtlvs erwiesen, weil die Unterhändler keine Vollmacht hatten, bindende Ucberclnkommen ob zuscbltcßen. Der Zusatzantrag des Mitgliedes der Arbeiter partei. Hartshorn, zur Regierungsvorlage wurde mit 330 Stimmen gegen 117 Stimmen abgelchnt. Das Land — Nebenfache. London, 24. Juni. Dcr Sekretär des Bergarbeiter- verbandcs Cook sagte gestern tn einer Rode, die Bergarbeiter beabsichtigten, die Dockarbetter und die Eisenbahner zur schleunigen Einberufung einer Konferenz aufzufordern: denn, wen« die Bergleute siegen wollten, dann dürfe keine Kohle mehr nach England befördert werden. Die Regierung könne vielleicht troßdem gewinnen, aber der Preis würde dann der artig sein, daß das Land sich nie mehr erholen würde. Die Mttgltederzahl -er englischen Tewerbschasien Seit 1921 um die Hälfte gesunken. London, 23. Juni. Gemäß dem Bericht dcr englischen Ge» neerkschaftskommission betrug die Anzahl der Mitglieder der N6 angeschlossenen Gewerkschaften am 31. März d. I. 7 8 ö l> 0 0. DaS bedeutet gegenüber dem Vorfahre eine Vermin de- rung um 9100 Mitglieder. Die Anzahl der Mitglieder ist damit von 1k Million im Jahre 1ll2l ans den Vorkriegsstand zurückgegangen. Der Rückgang wird dcr Verschmelzung ein- zelner Gewerkschaften und der durch die schleckte Wirtschafte- läge bedingten ZahlungSuu,.^^cir der Mitglieder zu geschrieben. Wieder ein Schritt vorwärls zum Wahrheiissieg. Von Dr. Hermann Detzner, Berlin. Als im Januar El dcr letzte Gouverneur von Deutsch- ostasrika, Dr. Heinrich Schnee, im Verlag der „Süddeutschen Monatshefte" sein Plädoyer für die deutschen Kolonien unter dem Titel: „Die koloniale Schuldlllgc" tn Broschürenform veröffentlichte, da durste man erwarten, daß die mit einer wundervollen Klarheit gegebene und auf einer seltenen Be herrschung des Gesamtstoffes gegründete Beweisführung gegen die den Rauh der deutschen Kolonien bemäntelnden An- würse der .Sieger" gegen die deutsche Kolonialtätigkcit auch vom Ausland gewürdigt werden würde. Diese Hoffnung trog auch nicht. Immerhin blieb die Beachtung der Broschüre auf Erwähnungen, je nach der Ein stellung zum deutschen Volk zustimmende oder ablehnend« Be sprechungen und Zitierungen, selbstredend auch gehässige, mit den Lügcnphrasen dcr .Kriegszeit operierende Anfeindungen durch die feindliche Jingoprcssc beschränkt. Jetzt liegt das Schneesche Plädoyer unverkürzt und fast wört lich übertragen in englischer Sprache vor uns. In gut aus- gestatteter Buchform, mit 21 Illustrationen bereichert, in Großbritanniens Zentrum, im namhaften Vcrlaa Georg Allen S, Unwin, London, unter dem Titel: „iücrmon Eolo- nissiion Pari sncl k^uture. Ikc trutti -^bcrut tiie Ocrman Eolo- mez" erschienen. Was aber noch bedeutungsvoller ist: Zu dcr englischen Ausgabe des Schnccschcn Buches hat der Oxford» Historiker von Ruf, William Harbutt Dawson, ein ausführliches Iliseittgcs Vorwort geschrieben. Cs ist dieses, dem politischen Anklagcwerk eines ehemaligen hohen deutschen Kolonial- beamten gegen die englische Kolonial- und Mandatsoolitik vorangcsctzte Geleitwort, welches die Behauptung stützt, daß die Wahrheit wieder einmal einen Vorwärtsschritt getan hat. Denn Dawson ist nicht irgendeiner in England, ist weder ein sensationslüsterner noch ein von pazifistischen Utopien an gekränkelter Gelehrter. Er ist ein Vollblutengländer und der Mann, welcher auf der Pariser „Friedenskonferenz" hinter der Szene war. dcr im Auftrag des Foreign Office das für die Teilnehmer an dieser Konferenz bestimmte „Nachschlagebuch über die deutsche Kolonisierung" hergcstellt hatte. Als gewissenhafter Historiker hat er nun. ehe er sich Dr. Schnee als EideShelfcr -nr Verfügung stellte, an Hand dcr Akten und Quellen die sämtlichen Punkte der Beweis führung -es deutschen Anklägers genau geprüft. Doppelt wertvoll daher sein jetziges Zeugnis, daß er ohne Ein schränkung Dr. Schnees Behauptung unterschreibe, daß die Gründe, mit denen der Raub der deutschen Kolonien amtlich rcchtzusertigcn versucht wurde, nicht, wie der Welt vorgesagt wurde, moralisch und uneigennützig, sondern politisch und selbstsüchtig waren. Ueberzeugt, daß sich seine Landsleute mit der über zeugenden, von ihm selbst durch weitere Zeugnisse und Quellen gestützte Beweisführung des deutschen Verfassers. auSetnandcrsetzcn müssen, dessen objektiver und streng wissenschaftlicher Standpunkt so turmhoch über den der Widersacher aller Länder hinausragt, geht Dawson zum An griff auf die englische Politik seit Versailles über. „Dcr Raub der deutschen Kolonien auf Grund des Versailler Ver trags, dieses Triumphes von Haß. Rachgier, Gewalttätigkeit und Habsucht, ist glatter Bruch des von der britischen Re gierung zu Beginn des Krieges dem eigenen Volk und der gesamten Welt gegebenen feierlichen Versprechens, er ist aber noch mehr: eine politische Dummheit." Sowohl an das Ehrgefühl seiner Landsleute, als auch an ihre politische Einsicht appelliert mithin Dawson und sucht besonders auf letztere durch weit tn die politische Zukunft Deutschlands und Englands und die zwischen beiden Nationen zu erwartenden gegenseitigen Beziehungen reichenden Ge- dankcngänge zu wirken. Er bezeichnet eS als den größten politischen Fehler Englands, wenn es sich dauernd eine heute bereits wieder so einflußreiche Nation wie die deutsche, welche Wieder ein Schritt 2 lAbcndbl. Leiter), lich die mächtigste in Europa sein werde, durch die Zumutung entfremden würde, baß Deutschland als der einzige unter den großen Industriestaaten der Welt von einem Kolonialbesitz auSgeschaltct bleiben solle. Vielmehr erfordere die Sicherheit Englands, das daß deutsche Volk zureichende und wertvolle Kolonien habe und an dcr kolonialen Aufgabe der weißen Rasse teilnchme. Die britischen Belange verlangten, daß Grotz» brttannlcn unverzüglich auf den ihm als Mandate zu- gefallencn Naubanicil an deutschem .Kolonialbesitz verzichte, da es einerseits über mehr Kolonialgebtete verfüge als eS verdauen könne, vor allem aber, weil durch den Verzicht, bas dem deutschen Volk durch England angetane koloniale Unrecht wieder gutgemacht werde. Denn die beiden großen Völker, das deutsche und das britische, würden, ob sie wollen ober nicht, einmal wieder Nachbarn kein, und baS jetzige Verhalten Englands in der kolonialen Frage werde wohl mehr als jede andere Sache darüber entscheiden, ob das künftige nachbarliche Verhältnis zu einem guten und erträglichen oder zu einem schleckten gestaltet werde. Wir Deutsche haben allen Grund, an« dem dankenswerten Eintreten de» Oxford» Historiker- gegen da- «n- «tugetan«