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71. Jahrgang. AI Abend-Ausgabe Montag, S0. Mat IIL, Gegründet 1856 Vraitansibrtt«! Nachricht«» D»»»d»» Fernwr«cker-Sammelnumm»r, 2S 2^1 Nm tür Nachlorwräch»! 20011 Bezugs-Gebühr Md«u-.'v^L' L-!''' «t> ^ trri Hau» l.S0 Mk. ai 1 Mark obn, Pott,uttell>»na,i>ebül»r. »»el»»««rr io «vt««»t« Schrtttlettuna imd HauvtoetchSttiliell« M»ri«»ktran« Druck u. Beriaa von Li»»tch » Sl«tchar»t in Dre»de» Posticheck-Konio >QSS Vr«»d„ Nachdruck nur mil drullich« Ouellenanaad» >.Dr»»dntr Nackr/' »ulSlfto. Unorrlanal» Lchrtttitückr werden nick> aatbewabrt. Sie 3dee des Völkerbundes in den Schulen. Vorschläge -er Völker-un-sge'ellschaslen. — Eine Wellerzlehungskonserenz. Schule und Dölkerbun-. Berlin. 80. Mai. Die Vollversammlung der Völkerbunds- Gesellschaft beschäftigte sich heute in der Hauptsache mit Schul»» ErzichungS« und Propagandasragen. Berichterstatter waren Professor Cassin. RechtSlehrer an der Lillcr Universität, und der englische Delegierte Dr. h. c. Maxwell Garnett. SS wurde als Resolution dcö Sonderausschusses sür Erziehung und Propaganda folgende Entschließung empfohlen: Die 11. Vollversammlung hofft sicher, daß die von dem SachverständigenauSschub des Völkerbundes empfohlene natio nale Erzichungskonserenz logischerweis« eine Welt- erztehungSkonserenz folgen werde, die sich mit den Lehren über Kiele und Tätigkeit bcS Völkerbundes in den Schulen der ganzen Welt zu befassen haben wird. Es soll dem Sekretariat des Völkerbundes empfohlen werden, jedes Jahr vor der Tagung einen Bericht über Erziehung und Pro- paaandaarbeit. die von den Gesellschaften der verschiedenen Länder geleistet worden ist, zu drucken und darin alle neuen Methoden und erfolgreichen Experimente zu erwähnen. Be sonders hcrvornehoben wurden die Erzichnngöarbeiten der Ge- sellschaften in Deutschland Belgien. Amerika. Frankreich, Großbritannien. In der letzten Zeit ist insbesondere die Schweiz und die Tschecho-Slowakei an dem Erfolg der Er ziehungsarbeit stark beteiligt. Die Berichte zeigen has zunehmewde Interesse, das Haupt- sächlich die britische Lehrervcrcinigungen in den Lehren über Ziele und Arbeiten des Völkerbundes in ihren Schulen be- zeugen. Es wird empfohlen, daß in beteiligten Länder« Ber» ivaltnngsbchörden, Lehrer und freiwillige Gesellschaften zu» sammcntreten. um über die letzte Durchführung der Pro» pagandg der Rölkerbundsidee in den Schulen zu beraten. Die Behörden können das dadurch fördern, daß sie ähnlich, wie das englische Kultusministerium. Leitfäden herauSgrben. wobei auf die den Lehrern im Saargebiet übermittelte vorbildliche' Schrift hingewiesen wird. Es wird daraus hingewiesen, daß das nationale Komitee für geistige Zusammenarbeit und be- sonders bas internationale Institut sür geistige Zusammen arbeit in Paris hier stark fördernd Mitwirken können. Weiter wurde eine französische Entschließung angenommen, in der der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, daß der Völkerbund mehr als bisher ans der Basis der Gleich, berechtig»«« und des gegenseitigen Bertraueus arbeite» möge — Ferner wurde der Bericht der Kommission für politisch« un-juristische Fragen einstimmig angenommen, nach dem sich der Völkerbund nach dem freiwilligen Austritt eine» Staates in seiner nächsten Sitzung eingehend mit diesem Aus tritt beschäftigen muß. In der Frag« der Zuständigkeit des Völkerbundes wurden keine Grenzen festgelegt. Die VSIlrerbmrdsiVee im preutzischen Anlerrichi. Ein Erlaß des UuterrichtsminikterS. Berlin. 80. Mat. Der preußische Kultusminister hat an die Schulbehörden einen Erlaß gerichtet, der den Unter- rtcht über den Völkerbund betrifft. Nachdem Deutschland dem Völkerbund betgetreten sei. sei e» setzt noch mehr als sonst Aufgabe der Schule eingehend mit Wesen, Art und Zielen des Völkerbundes sich zu befassen. Aus dem Wesen des Völkerbundes ergebe sich, daß sedcr Unterricht über ihn getragen sein müsse vom Gefühl für die Würde des eigenen Volkes von verständnisvoller Achtung vor dem fremden Volk und voa der Einsicht, daß die Entwicklung eines leben Volke gefördert werde durch die Zugehörigkeit zu einer umfassenden Gemeinschaft aller Völker. Fn den oberen Klaffen der Volksschulen, in den Mittelschulen, in höheren Lehranstalten, in »dagogischen Akademien, sowie bei der Ausbildung der Studienreferendare soll der Gegenstand in diesem Sinne an geeigneter Stelle verhandelt werden. Englische Beobachlungsslalion in -er Ostsee? Eine Warnung -er „Prawda." Moskau. 80. Mai. Der Leningrader Korrespondent der „Prawda" meldet, daß ein englisches Geschwader, »ns im Juni nach Hclsingfors kommt, dort bis zum Herbst bleiben wird. Es sei dnrchanS wahrscheinlich, daß die englische Admiralität mit Rücksicht aus den Bruch «it der Sowietunio» beschlossen habe, in ber Ostsee eine Beobachtungsabteilung zu «nterhalteu. Fm Gegen, sah z» früheren Fahren komme das Geschwader diesmal für längere Zeit mit Absichten, die an eine Blockade er- innertcn. Moskau gestärkt -urch -ie Nichlräumung. Englische Blätter znr dcntscheu Ruffenvertretnng. London, 80. Mat. Der diplomatische Korrespondent de» »Daily Telegraph" sagt im Zusammenhang mit ber llcbcrnahme der Vertretung der russischen Interessen durch die deutsche Botschaft in London, daß diese Aufgabe Deutsch» la»d nicht sehr willkommen war. daß aber Deutschland mit Rücksicht ans die Berträge von Rapallo und Berlin das russische Ersuchen nicht gut ablchncn konnte. Fn Deutschland werde aber die Hosfnung unterhalten, daß dtese diplomatische Mission weder schwierig sei, noch sehr lange dauern werde und aus einige wenige Angelegenheiten beschränkt bleibe. Dcuiscbland gebe sich keinerlei Illusionen hin, weder was die Frage angche, daß Moskau die guten deutsch-eng- lischcn Beziehungen gefährden könnte, noch die Möglichkeit, daß Moskau den Geist von Locarno zwischen den vier große» Mächten zu zerstören suche. Moskau sei aber tu der Lage, seine Bestrebungen nachdrücklicher zu »erfolge» «ege« der noch ansstehendeu Rhcinlandräumnng. Diese Frage werde nicht auf der Tagesordnung der nächsten Ratstagung sichen, aber Gegenstand eingehender Besprechungen zwischen Cham ber latn und Dr. Strcsemann sein, wobei der diplomatische Korrespondent allerdings die Art dieser Be sprechungen von englischer Seite unbeachtet läßt. Weiter erklärt der diplomatische Korrespondent, daß man auch in deutschen Geschäftskreisen die Frage der Verlegung der russischen Geschästs-Akttvltät von London nach Tcuischland nicht ganz ohne Besorgnis betrachte» da man sich den guten Willen und die Bereitwilligkeit des Londoner Geldmarktes nicht verscherzen will. Der diplomatische Korrespondent der „Westmtnster Gazette" stellt fest, baß die deutschen Nationalisten, die ln inneren Fragen schärfste Gegner ber Kommunisten seien, In auswärtigen Angelegenheiten eine Verständigung mit Rußland betreiben. Die gemäßigten Elemente befänden sich hier in einer schwierigen Position gegenüber den Nationa listen, die betonten, baß Locarno und der deutsche Eintritt in de» Völkerbund ebensowenig wie Thotry bisher zu konkreten Zugeständnissen an Deutschland geführt hätten. Scharfe Pariser Kritik an der Note Mrskaus Paris, 80. Mai. Die LinkSpreffe und ganz besonder» die sozialistische, beschäftigt sich ausführlich mit Moskau» Antwort an England. ES wird die etwas ohnmächtige Schärfe dieser Antwort hervorgehoben. Dt« Note sei nach erfolgtem Abbruch ungewöhnlich und klinge »ach »zänkischer Retourkutsche". Rußland leugne zuviel. Wenn die Arcos ganz unschuldig war, warum hat dann Moskau selber die Hanbolsmissioncn überall de« politischen Vertretern unter stellt? Doch wohl, weil die ewig unverantwortliche Ver- mengung von Außenhandel und Außenpolitik mit Pro- paganba schließlich selbst die offizielle Politik Rußlands schädigt. Und Rußland hätte lieber nicht an China er innern sollen. Man erinnert sich noch zu gut an die Moskauer Parteikämpfe um die »besten Methoden", die Chinawtrren zu führen und gegen England zu richten. Es sei sehr fraglich, wessen Chinapolitik schlimmer gescheitert sein werde, die Londons ober die Moskaus? Am ungewöhnlichsten sei es. daß in einer solchen diplomatischen Rote beinahe unverblümt die Hoffnung aus de« Sturz der Regierung «mb aus die Wiederkehr ber englischen Arbeiterpartei ausgesprochen werbe. DaS sei um so sonderbarer, als doch Macdonald, als er regierte, gerade von Moskau am schärfsten angegriffen worden ist. Das brMsche Konsular ln Paris beschädigt. Paris, 80. Mai. In der vergangenen Nacht wurden die Fensterscheiben des britischen Konsulats in Paris ctngeworfen. Nach den Uebcltätern, die rvohl Kommunisten sein dürften, wird polizeilich gefahndet. sT. UZ Eine Konferenz -er chinesischen MarschSlle? L » » don. 80. Mai. Der Korrespondent des „Daily Tele» graph" in Tokio meldet, daß Japan Marschall Tschangtso» li« aufgesordert habe, sich aus Mnkdeu znrückzuziehen und während «i««S WassenstillstandeS eine Konsere«, mit Mar» schall Feug und Tschangkaischck ,« veranstalte«, um «ine poli» tische Neuordnung in China »orznnehme«. Die Beschlüße der Marschallkonserenz würde« von Japan. England. Amerika. Frankreich und Italien, die bereits während der Marschall» konserenz als Vermittler wirke« könnte«, zu ratisiziere« sei». Peking protestier! gegen Japans Intervention Peking, 80. Mai. Die offiziellen Kreise ber Nordmacht sind über die japanische Intervention entrüstet. Die pro- vtsorische Pekinger Regierung protestiert energisch gegen die Verletzung des chinesischen Gebietes in Tsinfu und Tstng. tau, die ernste Rückwirkungen auf die Ereignisse haben könnte. Heute soll eine Protestnote an Tokto abgesanbt werden. Z Ein Flugdienst Neuyork—Paris geplauk. Parts, 80. Mat. Ltndbergh sind bisher von amertka- ntscher Sette Angebote tm Betrage von 8 Millionen Dollar gemacht worden. Ltndbergh scheint indes die Vorschläge von Film- oder Theatergesellschasten abzulehnen. Sr neigt dagegen einem Borschlag zu, der von einer amerikanischen Lustfahrtgesellschaft auSgeht, die die Einrichtung eines regel. mäßigen Flugdienste» Neuyork —Paris beabsich- ttgt. Zur Sichern« de» Dienstes sollen vier oder fünf schwim mende Land-ungSstellen im Ozean geschaffen werden. Hart«, SO. Mat. De Pinebo traf heute früh 0,18 Uhr tmttteleuropätsche ZeU) hier ein. lW. T. BZ Masaryks Wiederwahl. P rag, 29. Mai 1927. Man nannte es eine Selbstverständlichkeit, als der ehe malige k. u. k. Abgeordnete und Professor Dr. Thomas Garrigue Masaryk am 18. Oktober 1918 von Ler damaligen provisorischen tschecho-slowakischen Regierung tn Paris zum ersten Präsidenten der aus dem Chaos des Welt krieges entstandenen Tschecho-Slowakischen Republik ernannt wurde. Man nannte es Dankbarkeit, als Masaryk nach der Konstituierung ber tschecho-slowakischen Nationalversammlung am 27. Mat 1920 wiederum zum Staatsoberhaupt gewählt wurde. Nunmehr hat die tschecho-slowakische Nationalversamm lung Masaryk zum dritten Male zum Präsidenten gewählt. Die Frage bleibt offen: ist dieses Wahlergebnis eine Selbst verständlichkeit, beruht eS aus Dankbarkeit oder sind andere Momente sür die Wiederwahl Masaryks ausschlaggebend ge- wesen? Zunächst: der Name Masaryk bedeutet sür die tschechische Nation nach dem Umsturz ein Programm. Gab cs auch persönliche Widersacher, so traten sie doch vollkommen zurück hinter der Einstellung des Volkes zum Präsidenten und der Ueberzeugung der tschechischen Nation, daß Masaryk der etnzig« sei. den das absolute Vertrauen für den Prästdentey- posten prädestiniert. Damals jubelte man Masaryk zu, nannte ihn den „Vater der Nation" und nahm in die Ver fassung eine Bestimmung auf, die theoretisch wenigstens die Wahl Masaryks aus Lebenszeit sicherte. Die Dinge liegen heute anders: die Veränderungen, die im innerpolittschen Leben der Tschecho-Slowakei eingetreten sind, haben auch auf daS Verhältnis Masaryks zur tschechischen Nation und zu den übrigen Völkern der Tschecho-Slowakei eingewirkt. Masaryk» der vor sieben Jahren von der derzeitigen alltschechische» nationalen Koalition gegen den Kandidaten der subeten- dcutschen Parteien Universitätsprofessor Dr. Naegle ge wählt wurde, war heute nicht mehr der Kandidat des tschechi schen und slowakischen Volkes, sondern er wurde von einer bürgerlich sozialistischen Mehrheit getragen, tn die sich Tschechen und Deutsche teilten. Für die Wahl Masaryks waren, wenn man die Einstellung der deutschen und tschechi- scheu Parteien zum Präsidenten kennt, heute in erster Linie Berstandesgründe maßgebend. Denn die bürgerlichen Parteien hätten sehr wohl einen eigenen konservativen Kan- didaten ausstcllen können, was denn auch nur durch daS energische Einschreiten des Ministerpräsidenten Svehla ver hindert wurde. Masaryk, ber seiner Weltanschauung nach links steht, ohne marxistischen Dogmen zu huldigen, wurde mlt der Unterstützung Svehlas von den bürgerlichen Parteien der Mitte deshalb gewählt, weil man tn ihm allein die sichere Ge- währ dafür erblickte, daß der konservative Kurs der tschechisch-deutschen Regierungskoalition jortgcführt werde« würde. DaS klingt paradox, ist eS aber nicht, wenn man tn ve« tracht zieht, daß das Besondere dieser konservativen Regie rungskoalition in ihrem übernationalen Charakter erblickt wer» den muß. Die Verständigung mit sudetendeutschen bürger lichen Parteien ermöglichte erst in der Tschecho-Slowakei de« Ruck nach rechts und diese sogenannte „Verständigung" mußte demnach als Voraussetzung des konservativen Kurses bewahrt bleiben. Wäre ber bekannte nattonaldemokratische Führer Dr. Kramarsch von den tschechischen bürgerlichen Parteien aufgestellt worden, so wäre — nach ber Meinung der deutsche« Regierungsparteien — eine Verschärfung des nationale« Gegensatzes eingetreten und das Zusammengehen der deutschen und tschechischen bürgerlichen Parteien gefährdet worden. DaS energische Eintreten des Ministerpräsidenten Svehla für Masaryk erfolgte aber nicht nur aus diesen Rücksichten, sondern auch aus dem Grunde, weil der Präsident durch die beträcht liche Unterstützung der Regierungsparteien in gewissem Sinne verpflichtet werden sollte. Svehla, der allgemein als Nach folger Masaryks gilt, konnte hierbei außerdem auf die Dank barkeit pochen, die man dem Befreier der Nation und Gründer des Staates cntgegenzubringcn hatte. Ausfallen mußte, daß von dieser Dankbarkeit relativ wenig übrig geblieben war» denn, die nationaldemokratischc. faschistische und slowakisch« Presse ließ sich vor der Wahl zu derartig persönlichen Angriffe» gegen Masaryk verleiten, daß man darüber sehr wohl Ge« danken über die Unbeständigkeit des Dankes einer Nation an stellen konnte. DaS ging schließlich so weit, baß die sudeten« deutsche Presse taktvoller und aufrichtiger über Masaryk schrieb als jene, die den tschechischen Nationalismus für sich gepachtet hatte. Hier kamen Gegensätze zum Austrag, die weit zurückreichen bis tn jene österreichische Zeit, wo Masaryk von ber damaligen jungtschechischen Partei unversöhnliche Gegner« schast angesagt wurde. Die Wiederwahl Masaryk» kann vom Standpunkte ihre« Bedeutung für die Interessen der dreieinhalb Millionen Subetendeutschen nicht in demselben Sinne betrachtet werben, wie früher. Man kann zur sudctendcutschen Politik stehen wie man ibill, man kann den Gcgeniatz zwischen AktiviS« muS und Negativismus bedauern und die deutsche Zerrissenheit als ein großes Unglück anschrn, man wird trotzdem nicht um die Tatsache hcrumkommen. daß für Masaryk vier deutsch« Parteien mit 78 Stimmen etntraten, während nur -wet deutsche Parteien mit Stimmen gegen Masaryk waren. Da» bedeutet, daß Masaryk ohne die Unterstützung ber beut« schen Parteien nicht gewählt worden wäre und baß von der Seite der deutschen Aktivisten und deutschen Sozialdemo kraten ein grundsätzlicher Wandel tn der Einstellung zum Staatspräsidenten Masaryk vollzogen wurde. Die „deutschen Emigranten und Kolonisten", wie Masaryk tu seiner erste«