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T^as verbängnisvoUe ^tunstwvvk. Mächtig l>atte es .sran ?lnneliese gepackt, das Fieber. Und zwar eines der ansleckeudslen — das llnktionsfieber. lklit glühenden lvangen »»d alänzeiiden ?l>iget> sas; sie da »»d scbante zu, wir Stuck für Stück verkauft wurdr. Leider iniiner an andrrr. 7lä', dir vielen schönen Bilder! Und zn lKinse dir viele» leere» Mände! Über bei diesen irnrr» Briten nach von, Hanshallnngsgeld sa viel erübrigen. »in daniii wilder anschaffen zn könne», das brachte höchstens ei» Spargenie fertig, und z» einem salche» fehlte Anneliese jegliches Talent; eher hätte sie das Seiltanzen gelernt, Korcb! - Melche Klänge scktlngen da plötz- liäi an chr Mhr? Statt der ewigen zig" nnd der l'nnderte hörte es sich wie Sphärenklang an das bescheidene „Zwei lNark zebn z»m ersten!" Und welch entzückende» Annstgegenstand dielt jetzt der Ulan» ans der Tribüne in die Höhe, einen bolzgeschnitzten Engel mit vergaldelen Flügeln. „Zivei lNark zehn znni zweiten I" verkündete die tiefe Stimme des Anktianatars, lcasä- hatte Frau Anneliese sich gefaßt, !Nit leeren fänden wallte nnd durfte sie keinesfalls nach Hause kommen. Ls wäre doch schade »m die drei Stunden, die sie vergebens hier, in diesem dumpfen Lokale, zugebracht hatte. Vau Arabiens 'vohlgerüchen mar nämlich wenig zu verspüren, der vom Gegenteil, „Zwei Mark zwanzig!" lispelte sie, im Innern - reckt über ihre Kühnheit. Zwei Mark zwanzig zum dritten!" hörte sie den Man» dort oben wie aus weiter .Verne, wie im Traume rufe», »nd gleich daraus sah sic sich im besitze des ersehnten Engels mit den goldenen Flügel». Daß er hübsch war, nabm Anneliese sofort zurück, als sie ihn in der Nabe besah. Die Nase batte jedes Agrarierherz in Entzücken versetzt - sie hatte die .Vorm einer wohlgeratenen Kartoffel. Das rechte Auge war offenbar in das lmke verliebt, so sehr schielte cs zn ihm hinüber. Der Mund war viel z» groß geraten, er reichte fast bis z» den Mhrläppchen. „Ah, das ist wohl einer der beiden mysliuiscben Engel von Baffael," äußerte balblant eine dicke Bierbrauerswitib neben Frau Anneliese. „Die Sirtinischcn Engel «das ,Sirtinisch' stark betonend) haben ja doch keineFüße," ertönte es verächtlich von der anderen Seite. Eine andere, für die knnstliebende Dame sehr wenig schmeichelhafte Bemerkung, kam von einer Baßstimme dicht hinter ihr. Die gesamte Umgebung lachte. Annelieses Mangen »abnien die Farbe eines gesottenen Krebses an. länrtm griff sie nach ihrem Engel und verließ das Lokal in slnchtarliger Eile. Doch auch unterwegs fand ihre neueste Errungen schast nicht die gebührende Mürdignng. Manch vielsagender Blick ruhte aus dem harmlosen Himmels- botcn. Und da sie gerade um die Zeit über die Straße ging, da Fung-Deutschland de» Schulbänken entrönne» war, fehlte es nicht a» allerlei Be merkiiugcn und Zurufe», die sämtlich mehr drastisch als sä'ineichelhast klangeti. Frau Anneliese war froh, als sie mit ihrem Engel endlich zn Hause augelaugt war. , „Herrje, was soll denn das Ding bedeuten?" erkundigte sich Herr Minter, ihr nicht so knnst begeisterter chatte, mit verblüfftem Gcsicbtsansdrncl. „Das ist ein Engel, wie D» siehst." „Ba, blind bi» ich nicbt. Sch meinte nur,' wozu Dn ihn gekauft hast. Mder war jemand so gütig, ihn Dir z» schenket,?" „Sch habe ihn in der Schröterschen Auktion erstanden; er soll ei» großes Kunstwerk sein." Minier lächelte geringschätzig. „Da bast Du Dich schön anschmiere» lasse»! Mas verstehst denn Dn von der Kunst nnd von Altertümern?" Neie avHarniscHtc jetzigen ^ennöier üleisgen in Dräsen. 1477. Die vo^elfeeie Arnsel. Da; i; lieicvakr nicht löblich unct nickt lieblich, Aar von äe» Musel» ring; ma» bärl ct?.äble»: Aic in äen 8ätteu sie äie Vrichte rchteble» Unä viele rchaä gen, tuchlor, treck unä rieplich. Sie ?.» verällgeti wäre iiiianlrchieblich; Vars sie äie Härtner lernerbin nicht quäle» Unct niclN ?.üin Haube sich äie hirscben wäblen, Kult ma» »ack en 6eset?.e laut, wie ieblich! Ibr armen Musel»! lliscbt biltt eich äas Singen, ilnä ob ibr nil/lich Märmer ooch ver/.ebrt, Ihr weräet balä als vogellrei erklärt! Das Unheil ist eich »ah; lasst ihr erklingen hon liooiu unä Dache cire Sangeskunsl. Maut/.! inackl eich schlumt» cn Dosten Dogeläuust! Eine so ehrenrührige Bemerkung ließ sich Fra» Anneliese nicbt bieten. Shr Zori, entbrannte, nnd ans der schüchternen Ankiionsdame hatte sich plötzlich ein äußerst resolutes Mesen entpuppt. Fra» Anneliese schimpfte wie ein Marktweib, dessen Mare man heruntersetzt. Eine woblgemeinte Acußernng des chatten brachte sie vollends ans dein Häuschen. Gar heftig stampfte sie mit dem j ^ Fuße, »nd zuletzt nahm sie ihre Znslucht zur weib- - licbsten aller lvasseit, eine ausgiebige Tränenslnl entsirönite il'ren bübschcn ?le»glein. Das Gefickt in des Taschentuches Falten vergraben, batte sie »übt bemerkt, daß ibr Ehegespons inzwischen das Feld geräumt hatte. Bach einer geraumen Meile hatte sicb ibr Schmerz gelegt, nnd es kam ibr z»m Bewußtsein, daß sie heute den ersten Zwist mit ibrcm Manne gehabt, lind wer war an all dem häuslichen Fammer scbnld? Einzig »nd allein der schielende Engel. Fort mußte er, »nd zwar so bald wie müglicb, sogleich! Mie konnte sie ihn am besten wieder los werden? verbrennen?! Das mochte sie ihm doch nicht an tun, denn er stellte doch immer ein altes Kunst werk vor »nd hatte zwei Mark zwanzig Pfennige gekostet, lind ibn in irgend eine» Kasten zu sperren, brachte Frau Anneliese auch nicht übers lrerz. Aber bier in der Großstadt sollte seines Bleibens nicht länger sein. Mie sie heute so bitter erfahren mußte, sind die Menfiben in einer solchen viel zu verwöbnt, was Knust anbelaiiat. Der ihren hohen Anforderungen nicht etilsprechende Engel mußte also nach irgend einem kleinen un scheinbaren Beste wandern. Men» nur Tante Friederike nicht im verflossenen Fahre an Altersschwäche gestorben wäre! Sn deren beste Stube hätte die Figur famos hinein- gepaßt. Doch plötzlich hellte sich Anneliesens Miene ans. Auch Großtante Eva, die in einem badische» Krab winkcl ivobnte, war eine große Freundin von Altertümern. Daraus baute sie ibren plan. Der Engel ninßte mir etwas verändert werden, um als Kmisiwerk zn gelten. Zuerst rückte Anneliese der dicke» Base zu Leibe. Sie wurde vollständig plattgedrückt nnd bekam da durch einen Stich ins Tatarische. Die rosigen Lippen machten eine intime Bekanntschaft mit Mauer »nd Schwamm. Das Gold der Flügel wurde zu einer stellenweisen Abschabung verurteilt, j lind zuletzt kam die Krönung des Merkes. An seiner ganzen Mbersläcbe mnßte sich der Engel eitlen Ncberzng von Staubkrnsien und künstlichem Schmutz gefallen lassen. Damit war die prakliscbe Seile erledigt. Doch nun kam der ideale Teil der Ausgabe, der Begleitbrief an die Tante. Leicht fiel es Anne liese nicht, ihn ziveckenlsprecbend abznsassen. Davon zeugte der Hügel aus zerrissenen Briefbogen, der sich ans dem Schreibtisch anstürmte, direkt neben einem dickbäuchigen Knnstlerikon, das die Schreiben» eifrig benutzte. Der Brief mußte ein Kabinettstück von Diplo matie sein. Triefend von Liebe, Anhänglichkeit »nd Dankbarkeit. Letztere Eigenschast stark prä numerando. Die alte, ziemlich wohlhabende Dame stand nämlich in dem allgemein beliebten Gerüche der Erbtantenschast. Endlich war das große Merk vollendet, »nd bocbbesriedigt überlas Frau Anne liefe nochmals ihre Epistel. „Liebste, sehr verehrte Tantel Anbei sende ich Dir ziiiti Gruß eine» Engel »nd bitte Dich, ihm ein gutes Plätzchen in Deiner besten Stube z» ge währen. Die unscheinbare Figur ist nämlich ein Kunstwerk allerersten Aanges: ein echter Veit Stoß. Meißt D» wohl, es äst dies der berühmte Bild schnilzcr, der den nnveraleichlich schönen „Englischen Gruß" in der Lorenzkirche z» Bürnberg schuf. Mit