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Pariser Rufe nach dem Handelsvertrag. Klagen französischer Kauslenle in Berlin. — Anklagen gegen die Regierung in Paris. Beginn -er Kontrolle -er Oskenkfeskigung. - Pariser Angst vor -eutscher Aufrüstung. — Dyr- über seine Pläne zum Südpolslug. Schwächliche Tröstungsversuche. Paris, 4. Juli. Dt« ersten Konsequenzen des Vertrags, losen Zustandes zwischen Deutschland und Frankreich machen sich bereits bemerkbar. Wie der Berliner Korrespondent -eS »Echo de Parts" meldet, häusen sich bei dem Handel», attachs der französischen Botschaft in Berlin die Be» lchwcrden französischer Kaufleute, die sich infolge deS Ein trittes des vcrtragsloscn Zustandes gezwungen scheu, um IS» Prozent höhere Einfuhrzölle nach Deutschlan- zu bezahlen als bisher. Der Attachä sei natürlich nicht in der Lage, den Beschwerden Rechnung zu tragen, und könne die Kaufleute nur damit trösten, daß auch die deutschen Exporteure den gleichen Schwierigkeiten bei ihrer Einfuhr nach Frankreich begegneten. lT-U.s Die Schul- -es lockergesiigken Kabinetts. Paris, 4. Juli. Ein« bemerkenswerte Betrachtung bringt das Blatt Caillaux', .Liolonto", über die deuisch.sranzösÄchen Wtrtschaftövcrhandlungeir. Das Blatt macht für die ungünstige Wendung der Verhandlungen die französische Regie rung verantwortlich. Daß es zu einem vcrtragsloscn Zu stand mit Deutschland gekommen sei, obwohl der Quai d'Orsay cs nicht unterlassen habe, aus die Gefahren einer solchen Entwicklung hinzu-weisen, sei eine der zahlreichen bösen Rückwirkungen des Kabinett» der nationalen Einigung. Dem Kabinett der nationale« Einigkeit sehle cs an einer einheitlichen Leitung, da in ihm gewissermaßen jeder Minister seine Unabhängigkeit bcibehiclt und somit eine richtige Zu sammenarbeit fehle. Nur so laste sich erklären, das, die französische Regierung den deutschen Vorschlag, ein einjähriges Provisorium abznichlicßcn, nicht angenommen habe, obwohl kaum zu erwarten sei, das, der französische Zolltarif vor einem Jahre angenommen werden dürste. Das, man aber auf deutscher Seite ein kürzeres Abkommen ablehnte, sei vollkommen ver ständlich, da die deutsche Kaufmannschaft in ein«: kürzeren Frist kein befriedigendes Ergebnis erzielen könne. Die Verlängerung -er Saarzvllabkommen. Saarbrücken, 4. Juli. Die Handelskammer zu Saarbrücken teilt mit: Die deutsche und sranzösische Regierung haben die Verlängerung der Saarzollabkommcn vom ö. August und 6. November 1936 einschließlich der besonderen Ncstimmungen für das Saargebiet und das Zusatzabkommen vom 81. März 1V27 durch ein am 1. Juli unterzeichneteS Proto koll vereinbart. Die Verlängerung läuft zunächst bis znm »1. August 1DS7. Demgemäß gehen die lausenden Kon tingentsperioden der verlängerten Abkommen bl« zum 81. August 1927 weiter. Hinsichtlich deö Zeitpunktes der Jnkraft- setzung des BcrlängcrungöprotokollS schweben noch Verhand lungen zwischen den beteiligten Negierungen. Ebenso ist noch nicht bekannt, wann die Ratifizierung des Protokolls vom 80. Juni 1927 erfolgt, da dieses bekanntlich deutscherseits vorher noch Reichsrat und Reichstag zur Bewilligung oorgelcgt werden muß. , Beginn -er Oslkonlrolle. Fahrt der Militärattaches nach dem Oste«. Berlin, 4. Juli. In der Frage der Besichtigung der Zer» störungcn an den deutschen Ostsestungcn ist nun auch auf der Gegenseite Klarheit erzielt worden. Die beiden sran, zö fischen und belgischen Militärcxpcrte« in Berlin naben Weisung erhalten, der Einladung des Generals non PawclSz Folge z« leiste». General von Pawelsz begibt sich daraufhin morgen mit den beiden Offizieren in das Festungsgebtct an der Ostgrenze. Man nimmt an, datz in etwa drei Wochen die Besichtigung abgeschlossen ist. Die beiden französischen und belgischen Offiziere werden dann einen Schlußbericht in Paris erstatten. Damit ist dann die Ostfestungsfrage erledigt. Eine -euttche „Probemobllmachung". Hysterisches Geschrei in Paris. Paris, 8. Juli. Der „Mali n" bringt „mit einigem Be fremden die Nachricht, das, sich General von Sccckt mit fünf O'"'iere« in Italien befinde. Bei der besonderen Lebhaftig keit, mit der Italien an der Aufrüstung seiner Marine und Armee arbeite, bemerkt das Blatt, habe die Anwesenheit einer Studienkommission deutscher GeneralstaLSofsiziere in Italien erhöhte Bedeutung. Die deutschen Offiziere interessieren sich für icbe Einzelheit der italienischen Militärverwaltung. Sie würden auch von Mussolini empfangen werden. Der gegenwärtig in Paris weilende französische Bot schafter in Wien, Chambrun, hat mit dem Generalsekretär des Auswärtigen Amtes, Berthelot, und dem früheren Botschafter in Wien, Beaumarchais, Besprechungen über die deutsch-österreichische Anschlichfrage gehabt. — Der sozia listische „Oeuvre" will misten, daß Chambrun über die fort- schreitende Entwicklung des Anschluffes „beunruhigt" sei. - Der „Tempö" hat die deutschen Reichswehrmanöver als eine Art von Probemobilmachung hingestellt. Demgegen über ist festzustellen, das; die diesjährigen Uebungen der Reichswehr gegenüber dem Vorjahre weder eine Vermehrung noch eine Erweiterung bringen. Im Gegenteil, im Vorjahre fanden zwei Manöver statt, in diesem Jahre nur eins. Zwei Divisionen der Reichswehr werden in diesem Jahre ans Ersparnisrücksichtcn überhaupt keine Manöver haben. Bon MobilisationSabsichten kan« gar keine Rede sei«. Die Manöver dienen lediglich der taktischen Ausbildung von Führern und Truppen. Wenn der „TcmpS" behauptet, bah auch Flugzeuge und schwere Geschütze bei den Manövern in Aktion traten, so ist darauf hinznweisen, daß Deutschland überhaupt weder militärische Flugzeuge noch schwere Geschütze besitzt. Partei und Opposition in Nuhland. <Bo u unserem Moskauer Sonderberichterstatters - Moskau. Ende Juni 1927. Immer stärker verquicken sich in Moskau außenpolitische Probleme mit der Zuspitzung der inneren Lage. Die Feind« ringsum warten nur. so glaubt man. auf das Signal aus dem Inneren Rußlands, aus eine Explosion des in letzter Zeit angesammelten innerpolitischen Zündstoffes, um zum offenen Angriff gegen den Sowjetstaat überzugehen. Auf inner, politischem Gebiet nimmt aber die Bekämpfung der Opposition und ihrer Führer innerhalb der herrschenden kommunisti- schen Partei immer schärfere Formen an. Die Entwicklung der letzten sechs Monate hat denen vollauf Recht gegeben, die die Reuerrklärung der Parteiopposition vom Oktober 1928 nur als taktisches Manöver betrachtet hatten. Tatsächlich hat die Opposition ucnerbinas eine «och nie dagewesene Aktivität entfaltet. Der Bann her allmächtigen Parteidisziplin. der so viele Jahve hindurch aus den unzufriedenen Elementen in der Partei schwer lastete und noch bis zuletzt der Partcimehrbcit immer wieder die Rettung der, wenn auch nur äußeren, „leninistischen Ein heit" erleichterte, ist schwer erschüttert. Die Ovvvstttonssührev befinden sich keineswegs in einer Abwehrstellung. Im Gegen- teil, sie greifen die Zitadelle der Parteidogmattk energisch an- Die Sprache der beiden Lager — Partetmehrhcit und Partet- opposttion — läßt schon lange nicht mehr erkennen, baß es sich um zwei Gruppen ein und derselben Partei handelt. Beide Lager werfen sich gegenseitig Verrat am Proletariat und Ver brechen am Sowjetstaate vor: vergessen sind die ehemals so gerühmten Verdienste Trotzkis und Sinowjcws nm die Sacke der Revolution, und die beiden Männer, die seinerzeit zum engsten Vertrautenkreise des „Meisters" — Lenin — ge hörten, werden von der Partcimehrhett als die Totengräber der Partei gebrandmarkt. Außenpolitisch dreht sich der Streit immer noch «m die Frage, »h rein proletarisch-marxistische Gesichtspunkte oder politische Anpastnngssähigkcit maßgebend für die Pro» paganda im Anslande sein solle«. und tm Zusammenhang damit auch um das Verhältnis zu de« linken und ultralinken Kommunisten, sowie zum sogenannten anglo-russtschcn Gewerkschostskomitee. Ideologisch begründet Sic Partetmebrhett ihre Politik der Anpassungsfähigkeit mit der zeitweiligen Stabilisierung des Kapitalismus, die von der Opposition, die aus eine Betonung der weltrevoluttonäre» Ziele pocht, geleugnet wird. Der europäische Ka pitalismus, so erklärt die Mehrheit, vor allem aber der deutsche, hat eine unzweifelhafteStabtltsierung aufzuwetsen. Die Opposition ist vollkommen gegenteiliger Ansicht. Erft jetzt wird bekannt, daß auf der lebten Kominteru- taguna Trotz« zur Abn»chr der Kriegsgefahr den Vorschlag gemacht bat. sich auch ans die anarcho-syndikalistischc Arbeiter, bewegnng zu stützen und die ultralinkc Richtung Ruth Ftscher-Maslow wieder in Ehren aufzunehmen. Diese letzte Forderung wird Trotz« besonders übelgenommen. Bucharin beschuldigte Trotz« ganz offen, daß er die kom munistische Parteiopposition im Auslande organisiert und unterstützt und sogar mit geheimem Material über di« Sitzungen -es PolttbnrcauS der russischen Partei versorgt habe. Die Opposition wirft der Parteimehrheit daö Paktieren mit den „Lumpen und Verrätern des englischen Bergarbetter- streikö" vor. und obwohl Buckarin noch kürzlich geantwortet hatte, Laß „ein Bruch im anglo-russischcn Komitee in der Atmosphäre der anderen Brüche der lebten Zeit nur einen ungünstigen Eindruck erwecken könnte", hat auch die Mehr heit setzt den Rannstrahk gegen die eirglischen Gewerkschaften geschleudert. Die Chinafragc tritt jetzt mehr in den Hintergrund- Die Mehrheit ist der Opposition bekanntlich in ihren radikalen Forderungen sehr weit cntgegcngckomme« und gibt jetzt auch zu. daß die chinesische Aararrcvvlution zu stark gebremst worden sei. Indessen wendet sich die Partei auch jetzt noch gegen „übereilte Entschlüsse" und will den Gang der Entwickluivg in China nicht überstürzen. Weitaus gefährlicher sind für die Partei als StaatS- lenkerln die inneren und tnnerpolitischcn Gegen, sätze. Der Kampf der Opposition gegen die Partcimchrheit konzentriert sich immer mehr auf einen offene« Kampf gegen die Person Stalins. „Die Oppositionsführer setzen alles daran." schreibt die „Prawda". „den Generalstab der Partei zu stürzen." In Stalin sicht die Opposition das Haupthindernis iür die von ihr immer stürmischer verlangte TiSkussionS- und Fraktions- fretheit. In ihren Kreisen kursiert das Wort von „Stalin alS dem NoSke der Partei", ein Wort, das im kommunistischen Munde mehr alS eine Be leidigung bedeutet. Die Opposition greift in ihrem Kampf gegen den Diktator zu Mitteln, die die Parteimchrheit dazu drängen, die oppositionelle Bewegung als eine sich selbst außerhalb der Partei stellende Gruppierung zu behandeln. «Ganz offensichtlich will die Opposition." erklärt die „Prawda", „ein Zweipartcisystem." Mit dem Ausschluß Trotzkis und SinowiewS aus dem Zentralkomitee der Partei, Ser nunmehr nach dem Antrag der .Kontrollkommission nur eine Fraae kurzer Frist Berufung der Moskauer Partei-Exekutive. Beden -er führen-en Politiker geplant. Moskau, 4. Juki. Das Polit-Vureau der Kommunistischen Partei hat den Antraq Trotzkis ans Einberufung des Partcikongresies abgelehnt. Der Partetkongreß wird im August in Moskau stattfindcn. — Das Poltt-Bureau der Kommunistischen Partei hat beschlossen, das Zentral komitee zu einer dreitägigen Tagung ans den 14. Juli nach Moskau einznberufen. Auf dieser werden die Mitglieder der Somletrcgicrung über die außen- und innenpolitische Lage der Sowietnnion Bericht erstatten. Ans dem Plenum «erden Nvkow. Stalin. Kalinin. Woroschilow und der Leiter der G- P. U. Mcnshinski spreche». Stalin wird über den Kampf gegen die Opposition berichten. — Es ist noch sehr frag- «ch. obTrotzkt oder Sinowtcw zu diesem ArbettSvlenum zugclasicn werden. lT.-U-i Beschränkte Wählbarkeit ttalienischer Beamter. Ergänzung znm italienische« Wahlgesetz. Rom. 4. Juli. Daö Amtsblatt veröffentlicht eine Er gänzung zum Wahlgesetz, wvnach die Staatsbeamten und andere Beamte, soweit sie vom Staate ober von einer öffentlichen Körperschaft Gehälter beziehen, nicht wählbar sind, wenn sie nicht drei Monate vor dem Wahltage ihre Entlassung von der Stelle oder ihre Beurlaubung beantragen. Ausgenommen sind eine Reihe non Beamten, die ohne weiteres wählbar sind, darunter die Botschafter, Ge- sandten, Nntvcrsitätöprvfesioren, die höheren Offiziere des Heeres, der Marine und Luftfahrt, die niederen Offiziere da gegen nur dann, wenn sie n. a. die Goldene Tapse rkettS- Medaille besitzen iW.T.B.j » Berlin. 4. In«. Am Mittwoch trifft der Leiter des italienischen F l u g z e n g w c s c n S, Unterstaatssekretär Italv Balbo. hier ein. Er wird sich ,,„r einige Tage aufhalten. um die Organisation deS deutschen Verkehrsflngzeug- wesens kennen zu lernen. tW. T. B.) „T-mps" zur serbisch-albanischen Lösung. Paris, 4. Juli. Der „Temps" beschäftigt sich in einem Leitartikel mit der endgültigen Regelung des südslawisch- albanischen Streitfalles und erklärt, alle Freunde des Friedens müßten wünschen, daß die gegenwärtige Entspan nung tatsächlich den Ausgangspunkt für eine neue Politik bilde, und daß die Kabinette von Rom und Belgrad sich durch noch nicht klar zu erkennende Methoden bemühten, die Wege für eine aufrichtige und dauerhafte Annäherung vor- zuberetten. Nach wie vor der Regelung des südslawisch-alba nischen Zwischenfalles hänge von de» Beziehungen zwischen Rom und Belgrad die Ausrcchterhaltnng des Friedens ans dem Balkan «nd in Mitteleuropa ab. Die Aegypken-Verhan-lungen in London. London, 4. Juli. Wie der diplomatische Korrespondent der „Wcstminster Gazette" erfährt, werden sich die Be sprechungen zwischen Sarwat-Pascha und Sir Austen Chamberlatn im wesentlichen um folgende Punkte drehen: 1. die englisch-ägyptische Zusammenarbeit für die Verteidigung Aegyptens und 2. Kodtfizierung der durch die vier Vorbehalte geschaffenen beklagenswerten Situation und eine mögliche Ersetzung der Vorbehalte durch ein englisch- ägyptisches Abkommen von einer permanentere« Natur. ES sei indessen verfrüht, zu erklären, baß irgendwelche wesentliche Fortschritte in der Frage eines ständigen englisch ägyptischen Bündnisses erzielt werden würden, besten Zweck darin bestehen würde, die ägyptische Empfindlichkeit zu berücksichtigen und gleichzeitig die integrierenden britischen Interessen zu schützen. — Der englische Oberkommisiar für Aegypten und den Sudan, Lord Lloyd, hatte gestern nach mittag in Verbindung mit dem Besuch Königs Fuads im Biickingbompalast eine Audienz beim König.