Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 23.07.1909
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1909-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19090723018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1909072301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1909072301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-07
- Tag 1909-07-23
-
Monat
1909-07
-
Jahr
1909
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 23.07.1909
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
de« Suttourk der Reich-verstcherung-orbnung verhandelt, -tetlhei ist unter lebhaftem Beifall der anwesende» Ge- nsftenjchait-mitglleder folgende Resolution einstimmig angenommen worden: »Die 38., am 17. Juli 1000 in Dres den tagende Genossenschastsversammluna der Sächsischen -o1»-Berussgenvfsenschast tritt hiermit einstimmig und mit allem Nachdruck der Resolution de- Verbandes der Deut schen «eruf-genojsenschasten gegen die Reichsvci sichern ngs- r-sorm bei. Insbesondere erhebt sie energischen Wider spruch gegen die in Aussicht genommene Errichtung von Versicherung-Ämtern, welche nur verschleppend und ri»- engenü aus die Tätigkeit der Berussgenvssenschaste» wir ken und säst unerschwingliche Kosten verursachen. Es wird ferner die Erwartung au-gesprochcn. dass den Berns» genossenschastcn in der Reservesondsansammlung noch mehr Erleichterung gewährt wird, als wie cs in der ReichSvcr- sicherungSordniing vorgesehen ist. Es wird entschieden dägegen protestiert, daß sich die RcichSrcgicrnng von der vor 28 Jahren tibernommenen Verpflichtung, die Renten für je ein Hahr au-zulegen, frei macht »nd damit de» Bc- rufSgenossenschasten neue, große Ausgaben auscrlegt." - Die Lchtilcrsahrt nach Kiel und Hamburg Tie vom Landesverbände des Deutschen F l o t t e n - V e r c i n s sttr das Königreich Sachsen in der »seit vom I«i. bis mit 20. Juli veranstaltet wurde, ist in der schönsten Weise ver laufen. An der Fahrt nähme» unter der Leitung eines vom Landesausschiissc bcigegcbcne» Geschäftsführers 200 Lehrer und Primaner der Ghmnasien und Realgymnasien in Zittau. Bautzen, Döbeln. Dresden, Freiberg, Meißen, Plauen i. B., der Würste»- nnd Landesschulen zu (Grimma und Meißen, der Lehrerseminare zu Plauen i. B. und Stollberg und der Handelsschule zu Dresden teil. Der Aufenthalt in Kiel wurde ansgcsüllt durch die Besichtigung des Tvrpcdobovthasens in Wik, der Kaiserlichen Werst, der Stadt selbst, der Festung Frtedrichsori, von S. M. T. „Kaiser Friedrich lll", des Schulschiffes Ilönig Wilhelm" und durch eine Fahrt in den Rordostseckanal bis zur LevenSaiicr Hochbrücke. In Laboe erfolgte die Vvrftih- rung eines Raletciiappartes zur Rettung Schiffbrüchiger. Auch wurde eine Fahrt iu Sec bis an das Bültcr Feuer schiff unternommen. In Hamburg wurden die Besichtigun gen fortgesetzt mit einer Hafenrundfahrt und dem Besuche des H. A. P. A. G. Dampfers „Kaiserin Augusta Vil- tvria", welchem sich eine Fahrt bis Blankenese anschloß. Den Schluß bildete die Besichtigung von Hagcnbccks Tier park in Stellinge», in dem sich gegenwärtig eine Acthiopier- truppe befindet. Die Naubticrdressnren und die Straußcn- sarm — die Führung in letzterer übernahm in entgegen kommendster Weise der Besitzer des Tierparkes. Herr Hagenbeck - erregte allgemeine Bewunderung. Die Reise, von prächtigem Wetter begleitet, und die liebenswürdige Ausnahme »nd aufopfernde Führung, welche die Teilneh mer allerorts fanden, hat auch der diesjährigen Schülcrfahrt in jeder Hinsicht einen vollen Erfolg gebracht. — Der Verein Gewerbtreibcudcr Dresdens unter nimmt am 27. d. M. eine Exkursion nach Großharthau rcsp. Goldvach bei Bischofswerda. — Geschlossen sind die Geschäftsräume des Sta d t- üauamtcs F am 22. nnd 22. Juli wegen Reinigung. ES können deshalb an diese» Tage» nur dringliche Ange- lögens,eiten erledigt werden. — Unter der Ueberichrist: „W irar m e n P vst ichas s- n c r" geht einem Hallesche» Blatte eine Notiz ans Be- amtettkreiien zu. die lautet: „Die schon lange ersehnte Ge haltsaufbesserung ist endlich zum Abschluß gelangt. Aber was sind wir getäuscht worden! Wir werden nämlich schon seit Jahrzehnten mit W>» Mt. und l50 Rät. Teue rungszulage ongcstellt. Seil zwei Jahren bekommen wir dazu UM Mk. außergewöhnliche Zulage, bis unsere Aus besserung im Reichstage geregelt war, also zusammen 1150 Mark. Nach Per „Ausbesserung" bekommen wir — 1UM Mark, also 5 0 Mark weniger!" — Znm llnivcrsitälsjubilänm in Leipzig. Der Glanz punkt der Veranstaltungen zur Feier des OOOjäl,eigen Jubi läums der Universität Leipzig wird der bereits mehrfach erwähnte l> i st v r i jche Festzng der Studierende» am 2V. Juli sei». Es werden an ihm ziemlich 201X1 Perionen, unter ihnen 1500 Studenten, teilncbmeu, die in 12 Off-noo,'» die Hanptmomcnte ans der stolze» Geschichte der Universität versinnbildliche» werden. Fm Gegaumt? zu den meisten sonstigen Festzngi'n, die bei ähnlichen Gelegenheiten der Allegorie einen breiten Spielraum lassen, werden fast nur konkrete Vorgänge zur Darstellung gelange», wobei der größte Wert ans dir histori'ch getreue 'Wiedergabe sowohl der Borgänge je löst, wie nainentlich auch der Kostüme und Requisiten gelegt worden iß. Ebenso ist aus die Portrüt- ähnlichkeft der dabei in Betracht kommenden historischen Persönlichkeiten Bedacht genommen worden. Die sarbon- schillcrnden Gruppen des Festzuges werden ein Schauspiel ciriMer Art gewähre», wie es selten wieder geboten wer den wird. «Man sieht die zahlreiche Sctwr der Studenten, die mit ihrer Halm Prag verlassen haben und aus dem Marsche nach Leipzig sind. Die Markgrafen von Thürin gen und Meißen mit großen« Geivlgc, mit den Leipziger Rat Sh er reu, der hohen Geistlichkeit und vielem Volle folgen. Luther und Melanchth-v», von 20» bcwaisncten Wittenberger Studenten begleitet, ziehen zur berühmten Leipziger Disputation mit Tr. Eck ein. Kurfürst Moritz von Lachsen, der Gönner der Unirrerisität, erscheint. Tilly- ichc Reiter eskortierten Leipziger Prosessvren, die den Kaiserlichen Feldherrn im Lager bei Breitcnseld vor der entscheidenden Schlacht ausgesucht i>aben. Die Zeit Goethes wird lebendig, man sicht ihn und mit ihm den Kreis seiner Leipziger Freunde und Freundin ne», unter ihnen das IHaümirtstöchterlet» Kätchen Schönkvps. Eine Fanstizene aus Auerbachs Keller schließt sich an. Theodor Könicr. 1810 Leipziger Siudeiit und 1812 unweit der Stadt im Ge fecht bei Kitze» schwer verwundet nach Leipzig gebracht, zieht an der Spitze einer Lchwadrvn schwarzer Lützower vorüber. Ihnen folgt ein langer Zug Leipziger Burschen- schaste», Landsmannschaften »nd Korps an ihren Trachten während des ersten Drittels des vorigen Jahrhunderts, eine Gruppe, deren Schluß von einer bewaffneten Studen ten tompag me gebildet wird, wie sie 1820 errichtet worden ist, um den 'Aufruhr in Leipzig dämpfen zu Helsen. Am Ende des prächtigen Kost Umzuges reiten die sämtlich.'n E barg irrten aller Verbindungen mit der neuen llniver- sltätssahne, während die alte >Unir»ersitätssahnc aus der studentischen Drang- und Ltnrmperivde der ersten ,>ahr- zchntc des IO. Jahrhunderts ihren Platz inmitten der be wegten Gruppe gesunden hat, die jene Zeit vcrani'cllanlicht. — Fremde in Dresden. Hotel Bellevue: Prinz Maha- ra»d Ehatrn Stuhla vs Najvivla au» Bomban ist wleder abgc- rcist. — Europälscher Hof: Gräfin v. Wudenbrucl-Fiiggcr aus 'Wien, Gras und Grüsin Danncskiöld-Jantsdc aus Klotzsche, Gräfin Mielsynska aus Pose», Gras Earl n. Gtcch aus Thurnau i» Bayer», Baro» und Baronin Nlnghofer aus Prag, Barou n. Ehamer ans Breslau, Baron Georg v. Rauch auS Petersburg, Barou und Baronin A. Mcnnle aus London. — Internatisnale Photographische Ausstellung Tre-den 1VVS. Der Schwarz wald bildet in jedem Sommer dos Reise ziel vieler Touristen. Und auch mit Recht. Bietet doch die Gegend von Heidelberg bis zum Rheintal abwechslungsreiche LandschaftS- bildcr in seltener Fülle. Da türmen sich die Berge bis zu 1200 w empor, aus den niederen Höhen thronen die Ruinen altberühmtrr Burgen und das Höllental mit dem bekannten Titisee bildet eine ganz besondere Sensation. Leider verschwindet der Thv des in Sitten und Tracht so originellen SchwarzwaldbauerS immer mehr, und nur in abgelegene» Gegenden findet man noch die echten Schwarzwälder Bauernhäuler mit ihren breit ausladenden, über düngenden Dächern nnd die jungen Mädchen mit den großen Schauben oder den roten Strobzvlindern als Kopfbedeckung. ES ist deshalb verdienstlich von der badischen Regierung, daß sie auf der Internationalen Photographischen Au-ft el» ! ung an Trachtenpuppen zeigt, wir anziehend di« Glottertälrr in den hohen Hüten, deu Hauben mit Bändern und gesticktem Boden oder die Vtllinaer mit ihren Kniehosen, bestickten Weiten und buntfarbige» wetten Röcken au-sehen, und welche originelle» Ge stalten die Ubrendändlrr oder der Faschingsnarr, das „Hänsele", sind Auch die Arbeiten der Hausindustrie de» Sck»varzwaldet. die dort von der bäuerlichen Bevölkerung ausgeübt wird, lassen erkennen, daß der Schwarzwald eines genauen ausmerksamen Stu diums wohl wert ist und dem Fremden Anregungen in Hülle und Fülle bietet. — Heute Freitag findet eine Fubrung durch die Sternwarte. Führender der Erbauer de-Riesenscrurohres, Herr Gustav Hel,de. statt. Treffpunkt 4>/, Uhr an der Sternwarte. Üi» bei den Führungen den einzelnen Erklärungen genau folgen zu könne», empfiehlt sich dringend die Anschaffung des Haupt lalaioakS der Ausstellung- Das Konzert wird durch die Kapelle des Schützen-Regiment- Nr. >08. Direktion Obermufilmeister A. Helbia. anSgesührt, und dauert von HF bis 10'/, Uhr. Morgen Sonnabend großes Kinderfest. — Apotheken-Souzessio«. Da» Ministerium des Innern hat beschlossen, die dur-ch Rücktritt des Bewerbers erledigte Konzession für die i» A u c iOrtsteil Zellej nciizucrrichieiiöc Apvthekc anderweit zu vergebe». Bewerbungen um die Konzession zur Errichtung dieser Apotheke sind bis zum 21. August bei der KreiShauptmannschaft Zwickau eiuzu- rc ichen. — lieber das in Teilchen niedrrgegangen« Hagel wetter werden »och solaende Einzelheiten gemeldet: Die Eisstücke erreichten die Größe von Haselnüsse» und Tauben- eiern: häufig waren :l bis 2 iLhioßen «neinandergesroreii. so daß die Ballen die Grüße eines Hühnereies erreichte». In den Gärten wurde großer Schaden angerichtet, viele Pflanzen wurden geknickt und das Obst von den Bäumen geschlagen. Im Schützenhaiisgarten brach der Sturm starte Aestc von den Linden ab. der Garten selbst glich einem Lee: das Wasser stand in ihm fußhoch und ergoß sich in breitem Strome aus die Straße. Am Letten und auch in anderen Stadtteile» wurden dnrch den Hagel viele Fen sterscheiben zertrümmert. 'Noch am anderen Morgen iand man in Straßengräben ganze Hänschen von Hagel körnern vor. Die vor dem Posthrstel i» Bodenbach ange brachte Glasveranda wurde stark beschädigt und von der bei der katholischen Kirche in Bodenbach stehenden Eiche wurde ein mächtiger Ast abgerissen. Auf der -Schäfer wand wurden Pappeln, Erlen und Kiefern gebrochen. In Bieia wurden in den Häusern viele Fensterscheiben zertrümmert, LKrld- und Obstbanme cntivurzclt oder abgebrochen, vo-n den Wassernrassc-n wurde ans den Feldern der Boden weg- geschwemmt nnd tiefe Löcher wurden gerissen. Bon stür zenden Bäume» wurde» an Häusern und Schuppen mehr fach Schäden angerichtet. In Bensen richteten die Lchloßcn ebenfalls bedeutenden Schaden an den Feldsrüchten an. In Ober- und 'Nivixr-Ebersdors, in Zautig und in Höftitz sind die Straßen grün übersät von der Menge der vom Hagel herabgeschlagenen Pslauinen, Birnen und Aepsel. In Zaiitig setzte während des Gewitters noch eine Wind Hose ein, d,c ganze FuttLrhanfen entführte und Sträucher entwurzelte. - Landgericht. Der Handlungsgshilse. Paul Oskar Weruer, >800 in Dresden geboren, batte sich in ein-nv Geschält elektrischer Bedarfsartikel befunden, in dem ihm großes Vertrauen cntgcgcn.gebrach! wurde. Er stahl je- dcch ans der Kontrollkasse nach und »ach 800 Mk. und änderte die Kontrollstreisen ab, wodurch seine Handlnngö- wcisc längere Zeit »»entdeckt blieb. Wege» Diebstahls nnd Nrknndensälichung wird der ungetreue Angestellte zu 0 Monaten 1 Woche Gefängnis verurteilt. — Der 20jährige Arbeiter Earl Kurt Schwabe aus Grimuia ließ es sich am 21. Avril in einer Scl-aubwirtschast aus der Ammon- stroße munden, ohne die 2,20 Mk. betragende Zeche bezahlen zu können, ivas er von vornherein iverscknviegc» tmtle. Da Rückiallsbctruq vorliegt, wird er zu 2 Monaten Gciängnis verurteilt. — Zicgeieiarbeitcr Friedrich Wilhelm Gustav Grimm stahl am 1l. Mai eurem Gastwirt in Poppitz b-i Riesa eine Schürze nnd einen roi- und wcißgestreiften Sack. Er wurde in einem Straßengraben angetrofsen, wo er die -Lachen neben sich liegen batte. Grimm ist bereits alö rückfälliger Dieb mehrfach abgeurteilt worden. Deshalb muß er trotz der Geringfügigkeit der entwendeten Objekte wieder mit 2 Monate» Gefängnis belegt werden, der ge- ietzsichcn Mindeststrase für Rücksollsdiebstahl. — Ter Maurer Friedrich August Gra h l, 1885 in Reitzendorf ge bereit, muß sich wegen Sittlichkeitsverbrechen, begangen au Personen unter 12 Jahren, verantworten. 'Nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Gerichtüarztcs !Dr. Oppe ist der Angeklagte unzurechnungsfähig: er muß daher sreigesprochei, werden. vle Politik <le; neuen ssanrlerr. Heber die durch das Revirement geschaffene neue Lage äußert sich ein mit den Verhältnissen genau bekannter, her vorragender Politiker, den die „'Neue Pol. Eorr." um seine Ansicht ersucht Inri, wie folgt: Es war am Tage nach dem Exodus der Liberalen aus der Finanzkoinmissiun, als der jetzige Reichskanzler von Bekhmonn Hollivcg für die Situation die kurzen Worte prägte: die F i » a n z r e s o r m muß von allen bür gerliche» Parteien gemacht werden. Der A»s- spruch ist sür die ganze politische Anithaiuing, für Tem perament und Elmraktcr des neuen Kanzlers bezeichnend: Lebensfragen der 'Nation müssen in Deutschland durch allscitige Kompromisse gelöst werden: wer sich dieser Bor schrist durch Abstinenz oder Renitenz entzieht, mag partei- taktisch klug handeln — vaterländisch Imndelt er nicht. In der Tat darf kein zur Leitung der t-eschäste in Prcußen- Dsutschland berufener Staatsmann sür absehbare Zeit anders denken oder handeln: tut er cs dennoch, so mag er zum Parteiführer taugen, aber nicht zum Regieren. Wer feinen geistigen Blick ans die europäische, oder noch besser aus die Erdkarte zu richten geiuühnt ist, der sollte sich klar sein, daß im iDontsche» Reich der Gegenwart ein Pa r t c i r cg i m c » t unmöglich ist: es würde nnS inncrpvlitisch zermürben und schiväche», daß wir nur zu leicht eine Beute der lieben Freunde nnd Nachbarn wer den könnten. Wir siird dos einzige Volk Europas, durch das der »ngehcure konfessionelle Riß geht: wir haben die Klusi zwischen agrarischem Osten und industriellem Westen, zwischen de» unendlich verschiedenen politische» Tempera menten in 'Nord und Süd-, wir haben gesellstlmitlichc Ver schiedenheiten, die lediglich durch unsere künnnerliche Ver gangenheit und das spätere rapide Wachstum sich erklären: wir imbcn endlich eine topccgraphische Situation, die zu un geheurer militärischer Kraftanspannung zwingt. Ein der artig exponiertes Reich, das erst mit schwerer Mühe zum Nationalstaat hevaiiz»reisen beginnt und dessen Bewohner sich durch Fleiß, technisches Könne» und manches andere auszeichncn, nur nicht durch politische Reise, vermag rin Parteiregiment nicht zu ertragen. Der Liberalismus vor allem, das ivcrdcn diejenige» feiner Bekenner seuszen- zngcstehen, die nicht jeden staatsmännischc» Blickes bar sind, ist sür sich allein mit seinen insgesamt hundert Sitzen im Reichstag nicht zur Regierung berufen, leibst wenn er nicht in Fraktionen zerfiele, zwischen denen bis auf weite res eine organische Verbindung nicht möglich Ist. Und die große liberale Partei, von Basfcrmann bis Bebel, werden wir Aeltcreu schwerlich noch erleben — cs müßten denn Bassermann und Bebel nebst Anhang sich gründlich andern. Solange also der Liberalismus auch mit -cm allgemeinen, direkten.und geheimen Wahlrecht keine achtunggebietende, einheitliche, konsistente Zahl non Vertretern ins Parla ment schickt, wird er sich bescheiden müssen, tzianz ähn lich aber liegt die Sache mit den Konservativen: auch sie haben keinerlei Anspruch ans besondere Berücksichiigiing, »nd tatsächlich hat auch noch nie ein konserttativer Partei- sührer seit fünfzig Jahren eine leitende Staatsstellung er halten. Ichrc vorherrschende Stellung in Preußen aber verdanken die Konservativen keineswegs dem preußischen Wahlrecht, mag diese- an sich gewiß auch höchst resvrmb«. düntig sein: sic verdanken «S ihrer straffen Disziplin, ihrer stet- klugen, manchmal raffinierten Taktik - vor allem aber der geschichtlich»« Entwickln«« Preuhen-, di« durch kern« noch so geistvollen Leitartikel ignoriert wer den kann. Und gar das Zentrum, dessen so überaus erstrebenswerte Entwicklung zur söderalistifche» Reicks Mitlelpartei in den beiden letzten Jahren so beöauerlick unterbrcntx-,' wurde, wird selbst nickt den .'lnipruck er. heben, das Tenlicke Reich dnrch seine Parteisührer regieren zu wollen. So bleibt nichts übrig, kann sür iins nichts übrig bleiben, als >e i n e R egiernng außerhalb und über de» Parteien, und dieie Regierung Hai u. a. auch die große Aufgabe, erzieherisch ans die Par tcien und das Volk zu wirten »nd durch möglichste Un.par teiiichkeit und Bvrnrteiisiosjgteit in der Aemlerbeietzung alle Schichte» der 'Nation zur Regierung reif zu machen Hier kann, hier wird der neue Kanzler, in seinem strengen, echt preußischen und dabei durch moderne Weitanichanuna geklärten Pflichtbewnßtiei» ein'etzru. In Preuße» Deutsch land kau» man ans zweierlei Arien regieren: mit genial konzipierten Aktionen - dann bedars es dazu BiSmarn scher stahlhartcr llnbcugsainkeii - oder mit wei lange legten politiichcn Operationen, die durch eine Kette von Z w is ch c n ma ß r c g e l n »orbe reitet werde» müssen. Tas gilt sür die innere Politik nick» minder, als für die auswärtige. Tempera ment und 'Neigung werde» Herrn n. Beihman» Hollweg voraussichtlich aus den zweiten Weg drängen, der »ach »nie rer heutige» Gesamliitiiatio'.l auch vorzuziehen ist. Und da der Kanzler sich mit Männern ieines engsten Vertrauene- al» Mitarbeiter umgeben trat - Männer, die dieses V-p trauens nach jeder Richtung würdig ericheinen , io wn>> man seiner Kanzlcrsäxist ein güniliges Horosiop ii-Üen können. Mögen die Parteien ihre Schlachten ichGgen das ist nützlich und notwendig - : die :»"gier»»g am-, soll bestrebt sein, das ganze Volt hinter sich zu haben, wenn immer eine Schickfalsstunde für Deui'chland schlüge! Lum Ztiikre Mme»ce<nii wird der „Köln. Ztg." offiziös ans Berlin geschrieben. „Wenn in Frankreich ein Eilender Minister nahezu b> : Jahre geamtet hat. so ist auf Grund einer vierzigjährigen Erfahrung die Annahme gerechtfertigt, daß die Tage seines Sturzes nicht mehr fern sind. Trotzdem bedeutet der Fall Elömcnecau eine Ucberraichung. ans die man nicht in Parts und noch weniger in Berlin gcsaßt war. Als Herr Elcmcnceau am 23. Oktober IMS die Regierung auirai. ging ihm der Ruf ausgesprochener Snmr'athicn für E»g Iand voraus, und cs wurde gleichzeitig behauptet, da,; er Deutschland nicht günstig gesinnt iei. Es mag sein, daß mit dieser Kennzeichnung die innerliche Richtung Elsmcneeaus richtig wic-cigegebc» wurde, aber cs ist mindestens ebenso richtig, daß die wirtliche otnr vermeintliche Feindseligkeit des sranzüsischcn Ministcrpr >ii deuten gegen Deutschland während jener Amtszeit nicht in die Erscheinung getreten ist. Es waren in dieser Zeit Rcibungsflächen und gefährliche Zwiichensälle mehr als genug vorhanden, aber alle habe» sie sich in sricdlicher nnd gütlicher Weise regeln lassen. 'Nur dadurch, daß dazu aus beiden Seiten der gute Wille vorhanden war, tonnte dies Ergebnis erzielt werden, und wenn sich heute die Be ziehungen zwischen Frantrcich nnd Deutschland befriedi gend gestaltet haben, fv ist dies unzweiscllxfft zum Teil auch ein Verdienst Elemcnccaus. Ein wesentliches Ver dienst an der sachlichen, ruhigen und friedlichrn Politik der sranzösischcn Republik hat auch der Minister des Auswärti gen P schon gehabt, der in richtiger Erkenntnis des Friedcnsbcdürsnisses. das der französischen Nation ebenso eigen ist wie anderen Völkern, die französische Politik zicl- , bewußt im Sinne des Friedens orientierte. Wenn wir sonach keinen Anlaß haben, uns über den Rücktritt Elv- mcnccaus zu freuen, so kann man anderseits nur bedauern, daß Frankreich jetzt einen bewährten und in schwierigen Lagen erfolgreichen Minister des Auswärtigen verlieren soll. Wer die Nachfolge der heutigen Machthaber in Frank reich antreten soll, steht noch nicht fest, und bcgreislicher- ! weise verfolgt man in Berlin die Entschließungen des Prä- ! sidcntcn Falliercs mit lebhaftem Interesse. Die Per sönlichkeiten der neuen Minister werden sicher lich für die Weiterentwicklung Frankreichs nach innen ii ii d nach außen von Bedeutung sein, doch dürste sich auch hier Herausstellen, daß die vorhandene und einmal geschaffene Lage, wenigstens soweit die auswärtigen Be ziehungen in Betracht kommen, stärker ist als der Wille einzelner Persönlichkeiten, In Berlin hat man den a Ul rich t i g c n Wunsch, mit Frankreich andauc r n d in guten Beziehungen zu leben, nnd da man auch die Ucbcrzeiigung hat, daß die friedlichen Wünsche des deutschen Volkes sich mit denen der großen Mehrheit des französischen begegnen, so können wir mit großer Ruhe der Gestaltung des neuen Ministeriums ciitgegenschen. Wir sind mit den früheren Männern alisgctvmmcn und hoffe» zuversichtlich, daß das auch mit denen der Fall sein wird, denen die Leitung der französischen Ltaatsgeschasie übertragen ivcrdcn soll." Der so unerwartet gestürzte Ministerpräsident Georg Elömcnecau, geboren am 28. September 1821 in Mourillcron in der Pcndee, Hai Medizin studiert nnd sich Mitte der 00er Jahre in Paris als Arzt niedergelassen. Leine ausgeprägte radikale Gesinnung brachte ihn bald in Schwierigkeiten mit der kaiserlichen Regierung, denen er durch eine längere Reise »ach Amerika ausivich. 1870 kehrte er zurück und wurde nach dem Sturze Napoleons zum Maire des >8. Pariser Bezirks ernannt. Er zeliffe sich damals als ein wilder Fanatiker, der Boniben fabriziere» ließ, um sic nach der Kapilulaiion ans die >>»- rückenden Deutschen zu schleudern, und nur mit Mühe gelang cs damals Thiers, deren Konfiszierung durch, i setzen. 1875 war er Präsident des Pariser Geineindewteo und von 1870 bis 1808 Mitglied der Dcviitier>eiilani!i!ri>' verlor aber in in den 'Ncnwahlcn insolge eines nicht ganz reinlichen Eh escheid u n g s p r v zess c s und seiner Verwicklung in de» Pa n a m a s I a n d a l sein Mandat. Er war in dieser Zeit einer der gciürchtetstcn Redner aus der Tribüne nnd erwarb sich den Beinamen Mittister- stnrzcr. Bis 1002 war er als Journalist tätig, dann kandidierte er wieder sür den Senat »nd wurde in, 'April auch gewählt. Gelegentlich des Marvtko-Kviislilles mit Deutschland arbeitete er eifrig an dein Sturze Del- casst-s und zog sich damit dessen crbitteric Feindschaft zu. Im Frühjahr 1000 wurde er als Minister des Innern in das Kabinett Larric» berufen, als dessen Seele er gaff, und übernahm nach dem Rücktritt Larriens am 18. Otlober das Präsidium. cagezgerckiedie. „Einseitige Parteipolitik". Unter dieser Spitzmarke schreibt die sächsisch-offiziöse „Leip ziger Zeitung": „In der Pose eines berufenen Zensors der „Leipziger Zeitung" gefällt sich seit einiger Zeit das „Leip ziger Tageblatt". Nachdem cs schon mehrfach eine angeblich einseitige Parteihaltung der „Leipziger Zeiiung" bemängelt hatte, erklärte cs gestern in einem längeren Artikel, nicht mehr mit ansehen zu können, daß in der „Leipziger Zeitung" ..ein seitigstc und kurzsichtigste Parteipolitik" in konscrvatincr Rich tung getrieben werde. Zur Begründung seiner Ansicht diente dem Blatte hauptsächlich unser Artikel vom Montag. „Portei- pol-mik" überschnellen. Mr wallen uns mit dem .Tageblatt" nicht in einen Streit um einzelne Warte und Sätze cinlassen. Wer unsere Haltung während des Kampfes um die Reichs sinanzrefarm aufmerksam verfolgt hat. der wird wissen, daß man uns den Vorwurf einseitiger Stellungnahme zugunsten der konservativen Opvosition gegen die Erbschaftssteuer usw. nicht machen darf. Wir haben die konservative Rcichs- tagsfraktion mehr als einmal aus die bedenklichen Folgen ihres Widerstandes hingewiesen und noch Eintritt dieser Folgen klipp und klar die Mitschuld der Konservativen an dem Zcrjoll de» Blockes, an dem Kanzlervechsel sestGtstellt. Wenn wir aber D*c»öir<r Nachrichten. Nr. L«». Seile 3. » Freitag, L». Juli 1»<N»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)