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! Die Antwort des Kanzlers an Preußen. Zurückweisung -er von Preuhen belonlen Rechtsansprüche auf einen Verwaltungsralssih. Der Worllaul -es Brieses an Braun. Daö vrnennungsrecht des Gleiches erst nach Preußens Ablehnung auögeübt. Berlin, 9. Juli. In Beantwortung des Brieses des prcu ßischen Ministerpräsidenten Braun an den Reichskanzler vom 7. d. M. in der bekannten KonsliktSangelegenheit wegen der zu besehenden Stelle im VerwallnngSrc» der Reichsbahn bat Reichskanzler Tr. M arx beute folgendes Schreiben an den preußischen Ministerpräsidenten Brann gerichtet Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ihre gestern im Preußischen Abgeordnetenhaus zur Bcsehiing einer Stelle im Verwaltnngsrat der Reichsbahn gemachten Ausführungen geben mir Bcraulassung, mich zu der strittigen Frage noch nials ctiigehend zu ünsiern. Dieses Bedürfnis empfinde ich um so stärker, als dem Bcrtrcter der Reichsregiernng die Möglichkeit fehlt, im Preusmchen Landtag ans Ausführungen preußischer Regierungsvertretcr einzngehcn oder irrtümliche Darstellungen richtig zu stellen Dabei versage ich es mir aus gewichtigen Gründen, aus die Form Ihres Schreibens, wie aus die Tatsache einzngchen, das, Sie das Schreiben in der Oessentlichkeit zur Bcrlesung brachten, bevor es mir zu gegangen war. — Wenn ich zunächst auf die Rechtslage cingehe, zu deren Klärung die preußische' StaatSrcgicrung nunmehr den Slaatsgcrichtshos angrruscn hat. so tue ich das nicht deshalb, weil etwa die Reichsrcgierung unter Anher achtlassung aller anderen Gesichtspunkte lediglich ihr formales Recht wahrnchmc» wollte. Tie Rechtsfrage oder anders aus- gedrückt, das angebliche preus, ischc Vencnnungs recht ist vielmehr im Lause der langwierigen Vcrhand- lnngen über die Besetzung der Stelle gerade seitens der prcu fuschen Regierung in der Vordergrund gerückt worden. Die preusnschc Regierung beruft sich bei Verfechtung ihrer Ansicht wonach ihr das Recht zur Benennung bei der Besetzung dieser Stelle zustehe, auf die gegebenen Erklärungen zur Auslegung des Staatsvcrtragcs über den Uebcrgang der Staatseisen- bahnen aus das Reich, die am 25. März 1924 zwischen dem RcichSverkehrsministcr und dem preußischen Handclsministcr anSgetauscht worden sind. Ziffer 4 dieser Erklärung lautet wie folgt: „In den zukünftigen Verwaltnngsrat der Deutschen Reichslmhn, auch dem etwa vorläufig zu bildenden, erhält die prensiische Regierung eine Vertretung ans eigenem Recht. Vs soll angestrcbt werden, das, unter den Mitglie dern des Berwaltungorates. die etwa aus der freien Wirtschaft genommen werden, Preus,en vertreten ist." Diese Zusage bezieht sich ans de» Verwaltnngsrat, der nach der Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche RcichSbah n" vom l2. Februar 1!>24 und nach dem auf Grund des 8 10 dieser Verordnung zu erlassenden visenbalmsinanzgesehcs in Aussicht genommen war. Der Auf faffung der preusmchen Staatsregierung. das, diese Zusage auch für die erst im August l!>24 gegründete „Deutsch e R cichS da h n g c s c l l s ch a f t" Geltung habe, hat sich die Reichs regicrung. wie im Lause der zwischen Reich und Preus,cn hierüber geführten Verhandlungen mündlich und schriftlich ebenfalls mitgctilt worden ist. nicht amchlicßc» können. Die Mitglieder der Reichsregiernng sind vielmehr ein stimmig der Meinung, das, eine ansdrüikliche oder still schweigende Uebertragung dieser Zusagen für die jetzige NeichSbahngcsellschast nicht erfolgt ist und wegen des völlig anders gearteten Ausbaues dieser Gesellschaft auch nicht erfolgen konnte. , Für das alte Unternehmen konnte die Reichsrcgierung den Ländern, wie cs gegenüber Bauern, Sachse», Württemberg und Baden damals geschehen war, die unbeschränkte Zusage bezüglich der Ernennung von VerwaltnngsraiSmitgl.ic.dern geben, da die Gestaltung des Verwaltungsratcs dem freien Ermessen der Reichsregiernng überlassen war. Sie unternahm also beim Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" auch keinerlei Beschränkungen in der Wahl der Mitglieder des Verwaltungs- rates. Bei der jetzigen Deutschen R c i ch S b a h n g e s c l l- schüft unterliegt die Gestaltung des Verwaltungsratcs nicht dem freien Ermessen der Rcichörcgicrung, sonder» vielmehr den Bestimmungen des N e i ch s b a h n g c s c tz c s vom All. August >024. Nach diesem Gesetz besteht der VerwallungS- rat aus 18 Mitgliedern, von denen nur neun von der RcichS- regicrnng, die anderen neu» von den Treuhändern als den Vertreter der Gläubiger der Neparattvnöschuldvcrschrcibungcn ernannt werden. Von den nenn von der Reichsbahn zu be setzenden Stellen können noch dazu beim Uebcrgang von Vor zugsaktien in fremde Hände vier Stellen dem Ercnnungsrccht der Reichsregiernng verloren gehen. Wenn nnn die ursprüng lich den fünf genannten Länbern gemachte Zusage anch für die Znsammenseliung des NerwaltnngSratcS der seligen Reichsbahngcsellschast Geltung haben sollte, so würde die Lage entstehen können, das, die Reichsregiernng anch nicht eine ein zige Stelle des Verwaltungsratcs nach eigenem Ermessen be sehen könnte. Die gekennzeichnete Rechtsaussassniig der Reichs- regicrung ist den Länderrcgicrungcn anch bereits bei den Ver handlungen vom N. Mai ll>24 znm Ausdruck gebracht worden. Nun wird von der preus,Ischen StnntSrcgierung gesagt. »daß die Reichsregiernng diese ihre NechtSanssassnng wohl gegenüber Preußen, nicht aber gegenüber Bauern nnd Sachsen geltend gemacht hätte". Anch diese Anschannng entbehrt der Begründung. Weder der Rcichsbahndirektionspräsidcnt a. D. . Hertel noch der Ministerpräsident a. D. KreiShaliptmann sei». (WTB.) Buck sind auf Grund der in den Erklärungen vom Frühjahr 1024 den Ländern gegebenen Zusagen in den Verwalningsrat der neuen deulschen Reichsbahngcsellschast entsandt worden, sondern sie sind, »nd zwar beide, von der Reichsregiernng zu Mitgliedern des Vcrwnltiingsratcs bestellt auf Grund zu- stnudegekommener Verständigung zwischen der Reichsregic- rung »nd den Länder» über die Persönlichkeiten. Wie jedoch bereits dargelcgt, war bei der Entschließung der Nejchsrcgie- rung die formale Rechtslage nicht das Entscheidende. Niemals war es insbesondere die Absicht der Reichsregierung, das ihr nach ihrer Auffassung unzweifelhaft znstcheiidc Recht der Er nennung i» schroffer Weise wahrzunehmen, ES war vielmehr von jeher der lebhafte Wunsch, sich über eine geeignete Persönlichkeit als Nachfolger des verstorbenen Geheimrat,- Arnhold mit der preusnschc» Regierung z« verständige», wie cs seinerzeit bei der Ernennung des Gchcimrnts Arnhold der Fall gewesen mar. Die prensiische Negierung hat jedoch sowohl meinem Herrn Amtsvorgängcr wie auch mir gegen über in mündlichen und schriftlichen Erörterungen immer er neut zu erkennen gegeben, das, sie aus der Ernennung gerade der von ihr einzig genannten Persönlichkeit unter allen Um ständen bestehe. Die gleiche Haltung »ahmen Sie, Herr Ministerpräsident, auch in den letzten beiden mit mir geführten Unterredungen ein. Es wurde namentlich die Anregung der Reiclfsregicrung abgelehnt, statt eines aktiven Beamten, eine führende Per sönlichkeit ans dem Wirtschaftsleben Preus,ens z» be nennen. Bei dieser Anregung war die Reichsregiernng aus guten Gründen davon ausgegangc», das, es bei Besetzung der freien Stelle weniger ans fachmännische cisenbahntechnische Kenntnisse, als niclmehr ans sozialen und wirtschaftlichen Weitblick ankämc. Erst alS die Reichsregiernng »ach meinen mit Ihnen gepflogenen eingehenden mündlichen Erörterungen die lieber,,eugn»g gewonnen hatte, das, die prensiische LtaatS- rcgiernng nicht gewillt sei, ihrerseits eine Persönlichkeit von wirtschastliäxn nnd sozialen Rns vorzuschlagcn, vielmehr ent schlossen sei, ihren Vorschlag lediglich aus eigenem Recht nnd nach eisenbahntechnischer Eignung zu machen, hat die NcichS- regicrnng geglaubt, im Interesse einer wirtschaftlichen und sozialen Geschästosührung ihr formales vrncnnungsrccht unter Berücksichtigung dieser leitenden Gesichtspunkte ansüben zrt müssen. Dem snehrsach geäusierten Wunsch der Reichsrcgierung, Prcnsien möchte anstatt eines aktiven Beamten einen Wirt- schastSsührcr zur Ernennung vorschlagen, ist die prensiische SlaatSregicriing mit dem Htnöwcis eiitgcgengetrcten. daß auch die N c t ch s r c g i e u n g seinerzeit einen aktiven Reichsbeamten zur Wahrnehmung der Neichsinterest'en in den Verwaltnngsrat abgcordnet habe. Dieser Vergleich kann nicht gezogen werden, denn bei dieser Ernennung war ausschlaggebend, das; den geltenden Verträgen die Reichs bahn an der Zahlung der Reparativnsschulden hervorragend beteiligt ist, und der betreffende Neichsbeamte an der Be arbeitung der gesamten Neparationöfragc» seit Jahren im RcichSsinanzministerinm leitend mitwirkt. Meine Darlegungen möchte ich dahin zusammensasscn, datz die Reichsregiernng bei ihrem Vorgehen Rechtsansprüche Preußens nicht verletzt hat, und datz st ewciter ihr formelles Erncnnnngsrcchtt erst ausgcübl hat, nachdem Preus,c„ endgültig abgelehnt hatte, eine Persönlichkeit vor- znschlagcn, deren Stellung im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft die erforderliche Gewähr für die Vertretung der unabweisbaren staaispolitschcn und wirtschaftlichen Be lange bot. Mit dem Andruck vorzüglichster Hochachtung gez. Marx. Jenlrumskrttik an Braun. Köln, 8. Juli. Die „Kölnische Volks,zeitnng", das führende Organ des rheinischen Zentrums, nimmt heute zu dem Kon- flikt zwischen Preußen und dem Reiche Stellung. Sie schreibt: Ob der prensiische Ministerpräsident gut daran tat, der Neichs- rcgierung einen Brief zu schreiben, den jeder objektive Be urteiler nicht gerade als höflich bezeichnet, ist eine Frage, die, wenn sic ihm gestellt würde, Herr Braun kaum be- antwvrtcn könnte. Eine sachliche Angelegenheit lässt sich eben am besten in sachlicher Weise durchsetzen. Ob die prensiische Negierung nötig gehabt hat, daö schwere Geschütz des StaatSgcrichtshofcs aufzusahrcn, ist nicht zu erkennen. Es liegt im Interesse der ruhigen staatlichen Fortentwicklung, die wir unbedingt nötig haben, daß solche Konflikte vermieden werden. Jas knde der MilitSrkontrolle Sefterreichs. Kindliche Sorgen -er Bolschaslerkonserenz. Wien, 0. Juli. Die Wiener Blätter berichten über die gestern in Paris begonnenen Verhandlungen der österreichi sche» Delegation mit der Votschafterkonferenz über die österreichische Abrüstung und Militärkon- k o n t r o l l c. ES wurden verschiedene Sachverständigen auSschiissc gebildet, die mit der Einzclbcratniig der vorlicgen den Themen beauftragt wurden. Die Kontrollkommission der Botschastcrkonsercnz beschlicht demnächst ihre Tätigkeit. Das Kontrollrecht soll alsdann ans den Völkerbund über gehen. Die gegenwärtigen Verhandlungen sollen daher dazu dienen, die noch unerledigten Fragen der österreichischen Ab rüstung z» regeln. Wie verlautet, soll bei der gestrigen Beratung Oester reich der Vorwurf gemacht worden sein, das, es die Bildung non Gcheimvrganiationen nach deutschem Muster gestatte. Diese Gcheimorganisationen sollen zum Teil von Reichsdeutschen geleitet werden. Ausicvdcm behaupte die Votschafterkonfcrnz, es sei ihr aufgelallen, das, in Oesterreich bedeutende Vorräte gewisser Waren vorhanden seien die im Kriegsfälle sofort Verwendung finden könnten, wie B. Eisen, Kupfer, Petroleum, Kautschuk und Getreide Diese Vorräte sollen den normalen Handelsbcdars des Landes bei weitem überschreiten Aber Deutsche seien die Inter- ssentcn für die Vorräte. Die Botschasterkonkcrenz wolle ver hindern. das, Deutschland ans diesem Wege Kriegsmaterial erwerbe. Die militärische Kommission wolle ausierdem eine Kontrolle über gewisse strategische Eisenbahnlinien ausüben. Die Blätter erklären dazu, der Vorwurf hinsichtlich der Duldung von Gcheimorganisationen und der Anhäufung be deutender Warenvorräte für Kriegszwecke sei so ktndl ich und lächerlich, das, sich jede Zurückweisung erübrige. Japans Mililarislerung. Tokio, 0. Juli. Millionen von Rekruten haben sich zum Dienst gemeldet, und zwar infolge der Bestimmungen des Ge- 'ctzcs, das den jungen Männern zwischen 10 »nd 20 Jahren erlaubt, nach Schulabgang eine M i l i t ä r d i c n st v o r - eriode freiwillig zu absolvieren, »m in dieser Weise eine Herabsetzung der eigentlichen Dienstzeit zu erlangen. Dieser Plan hatte schon in den vorigen Jahren eine grosie Vermehrung der Gymnasien, Hochschulen und Universitäten Japans zur Folge. Japan bildet in dieser Weise große Reserven, die einen Teil der militärischen Anöbildnng ge nossen lraben, und neben der ordentlichen ganz ansgcbildctcn Reserve bestehen. Der Zweck dieser Mas,»ah ne soll aber eher p Der englisch-russische Gegensah in Jn-ien. Kalkutta, 9. Juli. Oberst S a u n d e r s. der Direktor der militärischen Operationen, erklärte in einem Vortrag über die Verteidigung Indiens unter besonderer Berück sichtigung der russischen Bedrohung, bas, die jüngste Gc'chichic gezeigt habe, das, durch Afghanistan die beste Vor- marschlinic gegen Indien führe. Der Hanptdrtick Sowsctrnsi- lands in Indien sei von dieser Richtung gekommen, weswegen er der Ansicht sei, datz cs zu einem Kriege noch in der gegen wärtigen Generation kommen müsse, wenn Sowjctrußlaiid seine derzeitige Politik fortsctze. lWDB.) Unruhen in Indien. London, 0. Juli. Reuter berichtet aus Kalkutta: In Pabna, 200 Meile» von Kalkutta, ist es zu ernsten Un ruhen gekommen. In einem Dorse suchten Mohammedaner einen gefangenen Glaubensgenossen zu befreien. Die Polizei seuerte und verletzte mehrere Angreifer. Den Ausgangspunkt der Ruhestörung in Pabna bildete ein Angriff der Mohammedaner mit Stockschlägcn und Stcin- würfen auf eine Hinduprozcssion. Es kam auch zu Plün derungen. so das, die Läden geschlossen werden mutzten. Die Unruhen und Plünderungen breiteten sich anch auf die benach barten Dörfer ans. Militär und berittene Polizei ist cin- gctrosfen. Da die Mohammedaner ihre verhafteten Glaubens genossen zu befreien vcrsuchlcn, machte die Polizei von der Schußwaffe Gebrauch und verletzte mehrere Demonstranten. Zersplitterung -er Liga jür Menschenrechte. Berlin, 0. Juli. Nach einer bewegten Sitzung der Liga für Menschenrechte hat eine Reihe der promiiicntestcn Vertreter deö Pazifismus ihren Austritt ans der Liga er klärt. Unter den Ausgetretenen befinden sich der Scnatö- präsidcnt Freymuth, Hclmuth von Ger lach, Kapitän Pcrsiuö und andere. AlS Grund wird angcfiihrt, daß die Liga in Zukunft noch aktiver als in letzter Zeit auftrcten will. In der neuen Leitung der Organisation sind »eben dem bisherigen Geschäftsführer Lclimnnn-Rußbnldt der Redakteur von Ossietzky und Dr. Kuczynski tätig. Bereits am Anfang dieses Jahres kam cs zu einem Riß in der Liga, als bekannt wurde, daß diese im Vorjahre erhebliche Geldsummen auS dem tschechischen NatlonaUondS angenommen und dankend anitticrt halte. Diesmal handelt cs sich in der Hauptsache wohl um die weitere Haltung der Pazifisten »ach ihrer Niederlage in dem Kampf »m den Volksentscheid. AuS dem K u c z y n s k i - A n S s ch u ß haben sich der Ncichdbnnd deutscher demokratischer Ingend und die internationale Frauenliaa für Frieden nnd Freiheit zurückgezogen. De« Rnsschnß trägt nnmehr einen ausschließlich kommnnistischc« > .'iN die physische Ertüchtigung des Volkes und die Pflege der »v>»iiinnis-iicgkiT Disziplin als die Vorbereitung eines militärischen Angriffes vharaktcr. Achnlich sicht cs anch mit der Liga sür Menschen, sein. tMTB.i 1 rechte.