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Sie Malmgreen-Gruppe gerettet. Mussolini über Südtirol. Offenherzige Erklärungen. Berlin, 12. Juli. Ein Berichterstatter des „Berliner Lokalanzetger" hatte mit Mussolini eine Unterredung über die dentsch-ttalientschcn Beziehungen und Südttrol, in der Mussolini u. a. die Tatsache dcS polnischen Korridors zwischen Ostpreußen und dem übrigen Reich als «ine sehr ernste An- gelegenhei« sür Deutschland bezcichuete. Man könne das selbstverständlich verstehen. Hierauf sprach Mussolini vom Geist der Jugend, die einmal das Schicksal Europas tragen müsse, und als der Berichterstatter das Problem Südtirol anschnitt, erklärte Mussolini: „Es gibt politische Fragen aller, erster Ordnung und solche minderen Grades. Ein Staats mann wie Ihr Biömarck Hütte daS, was ihr hartnäckig und vergeblich als Sttdtiroler Krage bezeichnet, wahrscheinlich als eine solche minderen Grades betrachtet." Als der Berichterstatter dann auf die Namen« ändern ngen und andere Vorfälle in Südtirol hinwieS erklärte Mussolini: „Wieviel Namensänderungen sind eS dlnn nun, nicht mehr als ein Duhend. Die Kriegs verstümmelten und Invaliden des früheren österreichisch ungarischen Heeres sind vorgestern bei mir gewesen. Ein alter Bauer konnte nicht Italienisch, er hat deutsch mit mir gesprochen. Ich will keine Märtyrer schaffe«, Lie sind Im Irrtum. ES sind nur die Gesetze burchgeführt morde», die sür ganz Italien gelten. Ich habe einen Spezial kommtssar nach Bolzano sBozenl geschickt, um die Bcdürf nissc der Landwirtschaft zu prüfen. Ich will Helsen, aber ich will nicht Fragen erörtert sehen, die ich nicht erörtern kann. Ich will offen mit Ihnen sprechen. Man hat die Frage von Südtirol anfgcgrtffcn von allen Feinden des Faschismus: Leute, die sonst gar nicht national oenken bei Ihnen, greife» mich deswegen an, obwohl sie znlasseu, daß an allen ihren anderen Grenzen Unrecht geschieht. Es ist nicht wahr, daß das />Iio aeligo leidet, und ich will nicht, daß es leidet. Aber ich laste mir nicht von den Feinden meiner Weltanschauung Schritte anfdrängen und laste mir von ihnen keine Forde ruugen stellen. Es gibt das Wort von Sokrate«: Sei freund lich zu deinen Freunden und feindlich zu deinen Feinden! Li» gutes Wort. Ich will nicht klüger alS der griechische Philosoph sein/' Ter Berichterstatter brachte bann noch einige besondere Klagen aus Südtirol vor. Mussolini unterbrach ihn darauf und erklärte: „Nein! Der Präfekt non Bolzano ist nicht ein Mann, der seine Befugnisse überschreitet, oder aus seiner in -er Hauptsache administrativen Tätigkeit heranstritt. Ich wiederhole, ich bi» dagegen, Märtyrer zu schaffen. Sie er halten falsche Nachrichten. Diese Geschichte mit den Veihuachtsbänmcn . . . mein Gott, welch ein Unsinn! Die Sie r b a n n u n g c n . . . es sind im ganzen zwei Männer verbannt worden, nicht weil sie Tiroler, sondern weil sie antifaschistisch waren. Einer wurde kurz darauf wieder ircigclassen. lleberhanpt ziehe ich cS vor» die Lehrer und die Bibliotheken in Ruhe zu lasten." Noch einmal versuchte der Berichterstatter Einwen düngen, worauf Mussolini erwiderte: „Ich gestehe Ihnen das Recht zu, Ihr Deutschtum zusammcnzufasten, wie cs Ihre nalionale Aufgabe erfordert. Ich würde nie hören auf Klagen von Wenden oder Polen oder anderen Volkssplittern in Ihrem Lande. Es gibt die Notwendigkeit im Leben großer Völker, und cS gibt die Pflicht, ihr zu dienen... übrigens, wie geht cS den Dentfchböhmen?" Ter Berichterstatter erklärte: „Man spricht selbstverständlich deutsch in Marirnbad, und immerhin gibt es deutsche Minister dort." Mussolini erwiderte: „Weil die Deutschen dvrt wirtschastlich stark sind, weil sic 2,5 Millionen sind. Im übrigen sicht cs in anderen Gegenden anders aus. Man muß wisse», was man will in der Politik. Es gibt Fragen, die einen historischen Ablauf finden und die man historisch als erledigt betrachten muß." Nach einer kurzen Pause fügte Mussolini hinzu: „Ich will nicht, daß dieses Land lSüdtirols. daS eine deutsch- sprachige Minderheit besitzt, wirtschastlich leide. Ich will frei willig meinen Freunden Gutes tun, aber vor Gewalt schrecke ich zurück." Ter Berichterstatter hat im übrigen den Eindruck gehabt, daß Mussolini an den Aufstieg Deutschlands glaubt und ihn begrüßt. Er hatte sa auch die Offenheit, in einer großen Rede von der Unhaltbarkcit der Verträge zu sprechen. Malmgreen selbst scheu gestorben. Massenverhaftungen in Spanien. Paris, IS. Juli. Dem „Journal" wird gemeldet, daß seit einigen Tagen beständig Gerüchte im Umlauf gemescn seien über die Vorbereitung einer über ganz Spanien ver breiteten Bewegung, die de« Sturz der Monarchie zur !>olg>- habe. Die Polizei habe bereits zahlreiche Berhastnn-en va,genommen. Die Nachricht von der Entdeckung des Kvmvlotts habe in allen Kreisen große Sensation hervor» gerufen. Die Zahl der Berhasteten belaufe sich ans et»a 10«. Im Hinblick ans die Reise beS Königs «nb Primo di RiveraS nach Eansranc seien umfassende polizetliche und militärische Maßnahmen vorbereitet worden. Rack» einer Meldung des „Ncnyork Herold" ans Madrid beläuft sich die Zahl der ver» hasteten schon auf IW. Kreuzer „Danntleß" im Dock. Der bei Halifax ge. strandete britische Kreuzer „Danntleß" ist durch kanadische Schlepper und zwei britische Kreuzer inS Trockendock ge. bracht worden. kowno, 12. Juli. Die aus Moskau gemeldet wird, ist es dem russischen Eisbrecher „krassin* gelungen, die Malmgreen-Gruppe zu erreichen. Malmgreen selbst soll schon seit einem Monal lol sein. Seine Leiche wurde geborgen. Die beiden Italiener Mariano und Zappt wurden gerettet. Tschuchnowski no!ge!an-el. Rom. 12. Juli. In dem Bericht der „Cttta dt Milano" heißt es, nachdem die Auffindung der Dretmännergruppe ge schildert ist, weiterhin: Eine plötzlich sich ausbreitende Nebel bank verhinderte den Flugzeugführer, den Eisbrecher „Krasttn" wieder anszufinden. Er flog darauf in der Rich tung der Küste und cs gelang ihm, in der Nähe von Kap Platen zu landen, wobei allerdings der Apparat beschädigt wurde. Die fünf Personen, die an Bord waren, konnten die Küste erreichen. Sie haben eine Langwellenfunkstation und Lebensmittel für 15 Tage. * Der Beschluß des „Krassin", seine ganze Kraft für die Rettung der Malmgreen-Gruppe anfzuwenden, macht die Lage der Biglieri-Grnppe noch hossnunqsloler. Der „Krasstn" verfügt nicht über g-nitgend Kohlen, um Heide Gruppen zu retten. Er müßte alsr ehe e: zur Vtgllert- Gruppe vorstoßen könnte, einen Hafen anlaufen, um Kohlen einzunchmen. Die deutsche Klemm-Datmler-Maschinc ist fetzt in Spitzbergen eingetrosfen. Sie soll sofort startbereit ge macht werden, um znr Biglieri-Grnppe zn fliegen. Man fürchtet allerdings, daß cs auch für dieses leichte Flugzeug fast unmöglich sein wirb, auf dem brüchigen, mit losem Schne« bedeckten EiS zu landen. Wie-er Funkverbindung mik -er Diglieri- Gruppe. Rom, 1i. Juli. Nach einem hier eiugegangene« Tele, gramm ist die Funkverbindung der „Citta di Milano" «lt der Biglieri-Grnppe wieder ausgenommen worden. Süßer dem Standort wird in dem amtliche» Bericht nichts über die Lage der Grupp« mitgeteilt. Die „Bremen" unker Polizeischutz. Ouebeck, 12. Juli. Da bekannt geworden ist, daß eS dem Mechaniker der „Bremen" fast unmöglich geworden ist, de« Apparat gegen die langsame Zerstörung durch Andenkenjäger zu schützen, haben die leitenden Polizeibehörden der Provinz Ouebeck beschlossen, eine Poltzetabteilung zur Bewachung des Apparates nach Grccnly Island zu entsenden. Ankunft -er Junkersmaschinen in Kabul. Kabul. 11. Juli. Die drei Junkersflugzeuge, die vor einiger Zeit von Berlin nach Kabul über Moskau—Teheran abgeslogen waren, sind am 10. Juli wohlbehalten in Kabul eingetrofsen. Eins dieser Fugzeuge war ein Geschenk der Reichsregierung an den König von Afghanistan und die beiden anderen hatte der König gekauft. Die letzte Etappe des FlugcS von Herat bis Kabul ist ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Aus der Flugetappe Herat—Kabul befand sich an Bord des einen Flugzeuges der stellvertretende afghanische Außenminister Gnulam Siddign Khan. Krach im Skeuerausschutz. Schwierigkeiten um -ie Lohnsteuersenkung. — Das Krisengespenft gehl um. tDrabtmeldong unserer Berliner Schrtftlettnvg.) Berlin, 12. Juli. Wie bereits angekündigt, haben sich heute im Steuerausschuß des Reichstages bei der allgemeinen Aussprache über die Lohnstcuersenkung recht beachtliche Schwierigkeiten ergeben. Der Antrag auf Lohnsteuer senkung ist bekanntlich von den Weimarer Parteien ein gebracht. Nun haben es Parteien, die vorwiegend Arbeit, nehmer umfassen, nicht besonders schwer, diesem Antrag zuzu, stimmen, während diesenigcn Parteien, die auch vorwiegend Unternehmer und Industrielle zu den ihren zählen, in eine große Zwickmühle geraten sind. Die Deutsche Volks pari et hat daher begreiflicherweise der Lohnstcuersenkung ihre Zustimmung versagt. Die deutschnattonale Stellungnahme ist demgegenüber durch große Schwierigkeiten gekennzeichnet. Man weiß aus den letzten Beratungen der Parteivertretung, welche Gegensätze sozialpolitischer Natur in der Partei vorhanden sind. Der Lohnstcuersenkung hatte Abg. Hertwtg, der bekanntlich dem Gewerkschaftsflügel der Deutschnationalcn angchört. zugestimmt. Gleich nach Schluß des Steuerausschusses traten die Deutschnationalen zu einer Fraktionssthnng zusammen, und man befürchtet, daß erneut die beide» schon des öfteren gekennzeichneten Gruppen gerade wegen dieser Lohnstcuersenkung hart aneinander ge, raten sind. Nicht uninteressant war auch die Bemerkung dcS voll« parteilichen Abg. Becker- Hessen, der die Negierung deutlich vor die Frage stellt, ob sie denn bet diesem Anlaß schon eine Krise der der Regierung nahestehenden Parteien in ihrer Stellung zur Regierung herbctführcn wollte. Der Abg. Becker-Hessen hat allerdings diese Bemerkung später wieder zurückgezogen, so daß nicht mit einer unmittelbar bevorstehenden Negicrnngskrtse gerechnet zu werden braucht, zumal die Deutschnationalcn sa ihre Zustimmung zur Lohn teuersenkung gegeben haben und damit den Weimarer Parteien zu Hilfe gekommen sind. Die Aussprache im Ausschuß wurde von dem Kom munisten Torgler eröffnet, der mit dem Ausmaße der Lohnsteuerscnkung nicht zufrieden ist. Der sächsische Ministerialdirektor von Sichart von der sächsischen Gesandtschaft in Berlin erinnerte sodan« an die finanzielle« Schwierigkeiten der Länder, die diese rechtzeitig bei den früheren Statverhandlnngen und Steuer» Verhandlungen geltend gemacht hätten. Damals seien sie ans daS Steigen der Einkommensteuererlrägniffe vertröstet worden «nd jetzt nehme man ihnen diele MSalichkeit der Infdeffernng. Damals habe man versprochen, keine Lohn« teuerfenknng so bald vorznnehmen «nd schon nach einem die» vergesse». Halde« Jahre habe «an Es müsse doch so etwas von Treu «nd Glaube« anch in den politischen Verhältnisse« zwischen Reich und ' . Ländern gebe«. Endlich schalte man durch die Form deS Jnitiativgesetzell die Mitwirkung der Länder ans. Er bitte bringend, sie t» dieser wichtigen Frage wieder einzuschalten. Abg. Dr. Horlacher sBayr. Vp.) erklärte, daß seine Partei alle Anträge auf Lohnstcuersenkung zurzeit ablehnen würde, da sie weiter nichts als eine Erhöhung der Real st euer« bringen würden. — Abg. Brüning lZentr.f wie» diese Befürchtungen znrück. — Abg. Dr. knlcnkampff tD. Vp.f erklärte, daß seine Partei nicht gegen eine Senkung der Steuern set, aber sie fordere eine Senkung im Zusammenhang mit der G e s a m t Wirtschaft. Seine Freunde könnten sich da- her nicht auf die vorliegenden Anträge einstellen. — Abg. Hartwig iD.-N.i führte aus, seine Freunde hätten zwar weiter- gehende Wünsche, aber mit Rücksicht auf die große Zahl von Arbeitnehmern, die es auch unter den Realsteuerpflichtigen gäbe, werbe er dem Antrag zustimmen. Abg. Dr. Becker lD. Vp.f weist auf die geringe Aus wirkung der Steuersenkung hin. Um dieses geringe« Betrage« willen wolle man riskieren, daß die neue Negicrungskoaltno« bei der ersten Gelegenheit anSeinandcrfällt. — Abg. Dremitz iWirtsch.-P.) erklärt sich gegen den Entwurf, weil seine Wir» kung eine Erhöhung der Rcalsteuern sein werde. Abg. Dr. Fischer (Dem.) wendet sich gegen die Aus führungen Dr. Beckers. Gerade, wenn es sich um so kleine Beträge handle, sei der Widerstand der Deutschen Volk«- Partei unverständlich. — Abg. Becker betont nochmal«, es handle sich nicht um ein KoalitionSkabinett; dt« Fraktionen hätte« also freie Hand. — Mit dieser für die Regierung Müller-Franken nicht sonder lich beruhigenden Bemerkung schloß die Anssprache. — Unter Ablehnung der übrigen Anträge wird der Entwurf der Demokraten, Sozialdemokraten «nd deS Zentrums mit 16 Stimmen angenommen. Dafür stimmen anch einige Ver treter der Deutfchnationalen. Die dazu gestellte Ent schließung wurde gleichfalls angenommen. Sie hat fol genden Wortlaut: „In der Regierungserklärung kündigt die ReichSregte- rung für den Herbst die Prüfung der Frage einer Senkung der Steuern in den unteren und mittleren Stufen an. Der Reichstag hält angesichts de« hohen Steuerdruck«, der vor allem auf den kleineren und mittleren Landwirten und Ge werbetreibenden lastet, und angesichts der Notwendigkeit, die Spartätigkeit anznregen, eine solche Prüfung sür bringend geboten, und ersucht dabei die von den Parteien zur Ab änderung des Einkommensteuergesetzes gestellten Anträge, so wie die Notwendigkeit einer Senkung der Realsteuern zu berücksichtigen."