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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 15.06.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270615019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927061501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927061501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-15
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 15.06.1927
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aufstieg viel zu weitgehend gefördert habe, — daß eS dies aber nicht aus Interesse a» Deutschland tat. sondern ans Interesse a» einem Gegengewicht gegen die Hegemonie Frank reichs ans dem Festlande. .Hente also bedürfte eS bloß der englische» Sl b k e l> r non solch unzeitgemäßen Bemühun gen. Dann will sich das im Völkerbund vereinigte europäisch« Festland unter Führung Frankreichs sofort daran machen, den Völkerbund so anSzubauen, das, er als Träger allerBe ziehungen zwischen der Welt und Sowjet» »h- lanü austreten kann. Ein solcher Völkerbund wäre nicht uur der Mittler, sondern im entsprechenden stall auch der Bun desgenosse Englands, meint Iouvenel. Nämlich dann, wenn England die logischen Folgerungen ziehen will, wenn rS ei» geeinigtes Westeuropa unter Führung Frankreichs znlüßt . . . Dah unter solcher Betrachtungs weise Deutschland nicht allzu gut wcgkommt — denn eS ist die einzig, Großmacht. von der. im französischen Ginn, alle- ander» ,u erwart«» «ft. — versteht sich von selbst. Die» aber ist da» eigentliche Signum der augenblickliche» Stimmungen in Genf: der RentraNtätSwile« Deutschlands ist im Wege. und zwar augenblicklich mehr den französischen Pläne» als de» englischen Bestrebungen, die sich auch nach Genfer Beurtei. lungcn gänzlich ander» auöwtrken. Iouvenel ist seht noch nicht französischer Außenminister, aber sein Stempel ist einem grobe» Teil der französischen offizielle» Gedanken ausgcdriiekt, und tatsächlich verniiinnt man auch in Genfer Gesprächen, daß di« wichtigeren Punkte der Tagesordnung wie di« weitere« Mintsterbesvrechungen nur unter diesem Gesichtswinkel der ..gröberen Ereignisse und Spekulationen* betrachtet werben könnten. Die» werden wahrscheinlich schon die nächste» Tage, sa Stunden erweisen. . Wie-erzusammenlrM -es Reichstages. Das Lebensmiüelgeseh. <Dr.iht»ieId»na »n irrer Berliner Schrtftleitung.I Berlin, II. Juni. Der Reichstag »ahm hente nach den Pfingsrferien seine Sitzungen wieder ans. Präsident Löbe teilte zunächst mit, dag der ini stalle Grüttc-Lehdcr der An stiftung zum Mord angeschnldigte völkische Abg. Kube man gels tatsächlicher Beweise anher Verfolgung gesetzt worden iü. Gegen einen kvininnnistischen Antrag, zunächst die Anträge gegen die P v st g e b n h r e n c r h ö h n n g zu be handeln, wurde Widerspruch erhoben. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung stand zunächst die zweite Beratung dcS Lcbensmittelgeset.es. Das Lebensuültelgesetz soll von nun an mir seinen Nebengeietze», nämlich dem stleischbeschangesetz, dem Margarinegesetz und dem Weingesetz, das gesamte, bisher irr zahllose Eiiizelbcsiinniiimgen zersplitterte RechtSgebiet der Uebermachnng des Verkehrs mit Lebensmitteln zusammen- fassen. Den L e b e n s m i t t e l n glci ch stehen Tabak- erzeng nissc, die zum Rauchen, Kauen oder Schnupfen bestimmt sind. In Erweiterung der bisherigen Bestimmungen ermächtigt die Vorlage die Beamten und Sachverständigen der Polizei, auch diejenigen Räume zu besichtigen, in denen die Lebensmittel hergestellt werde». Die Vorlage wurde daraus in zweiter und dritter Lesung angenommen. DaS Gesetz soll am 1. Oktober in Kraft treten. Annahme fand auch eine Entschließung, die die NeichSregiernng ersucht, eine Verordnung zu erlassen, durch die im öffentlichen Verkehr der reine Bienenhonig unter Schutz gestellt und insbesondere angeordnet werden soll, dab der Rame Honig für Kunsterzengnine keine Verwendung finden darf. — DaS HauS vertagte sich dann ans Mittwoch nachmittag. Ans der Tagesordnung stehen nur kleine Vorlagen. Entsprechend einem kommunistischen Anträge wurden mit I M gegen IM Stimmen der Regierungsparteien auch die Anträge zur Portocrhöhung noch ans die Tagesordnung gesetzt. Besprechungen über -en Arbeitsplan des Reichstages. Berlin. II. Juni Im Laufe des Nachmittags hielt der Reichskanzler eine Besprechung mit den Parteiführern der Regiernnae-parteien über den Arbeitsplan des Reichstags ab. An die>er Besprechung nahmen die Minister Brauns, C » rt > nS . H crgt, v v n K e n d e l l, Schiele und Köhler teil und von den Abgeordneten n. a. ^die Herren Gras W e st a r p >D» >. Scholz iD. Vp.i. v. Gnerard . Esser und S t e g e r iv a l d lZentr.t sowie Leicht sBanr. Vp.i Tie Besprechung trug vertraulichen Charakter, lieber die Vorlagen, die der Reichstag noch zu erledigen gedenkt, wird der Aeltestenr.it in seiner Sitzung am Freitag be schließen. Bei dem umfangreichen VeratnngSstosf muß da mit gerechnet werden, daß die gegenwärtige Tagung sich bis Mitte Juli, wenn nicht gar gegen Ende Juli, hinzieht. Es wird kaum nngciiomnic». daß der Reichstag bis zn diesem letzten Termin wird zniamineiigehaiten werden können. — Die Reichsregiernng hat dem Aeitestcnrat eine vollständige Liste des Geseßgebnngsstosses vorgelegt, deren Erledigung sie noch vor dem Reichstags- plennin wünscht. Dari» bezeichnet die Regierung gls drin gende 'Vorlagen die Gesetzentwürfe über Kricgsgerät, den deutsch-italienische» Vergleich, den Schiedsgerichtsvertrag. das Abkommen mit Frankreich über die Einrichtung der Grenzbahnliöfc. die Neichsdienstsirasordnnng und eine Reibe anderer kleinerer Vorlage», ferner de» Entwurf des Straf gesetzbuches und den Entwurf über Arbeitslosenversicherung. Alle diese Vorlagen liegen dem Reichstag bereits vor und sind zum Teil in den Ausschüssen beraten. Als -ringend be- zeichnete Vorlagen solle» dem Reichstag u. a. noch zugchen die Entwürfe Wer den Vertrag mit Frankreich über Festsetzung -er Grenze, über Zolländerungen, über Entschädigung der LiauidationSgeschädigten, über Acnderung des Reichsmieten» geseyes sowie über Aendernng des Mteterschutzgesetzes, end lich das ReichSschulgesetz. Für den Gesetzentwurf über die Vereinheitlichung des SteucrrechteS, der »och voraelegt wer. den soll, wünscht die Regierung die erste Lesung. Endlich soll noch ein Gesetzentwurf über die Erleichterung -er Darlehens» beschafsung für landwirtschaftliche Vodenverbesserungen cin- gebracht werden. Nach -er heutigen Vollsitzung -eS Reichstags traten - i e Fraktionen zu Besprechungen zusammen. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei beschäftigte sich vorzugS- weise mit der Frage der Erhöhung der Beamtengchälter. Be- schlüge wurden jedoch nicht gefaßt. Die Z e n t r » in S f r a k- tton beschäftigte sich mit der Geschäftslage des Reichstags und dem Arbeitsplan. Auch hier wurde die Frage der Ve- amteirbeioldung besprochen, ohne daß Beschlüsse gefotzt wur- den. Die sozialdemokratische Rcichstagsfraktion be faßte sich besonders mit -er außenpolitischen Lage. Wie sie bereits im Aeltestenrat ankündigen ließ, wird sie dazu eine Interpellation cinbringe», die aber erst vorgelegt wird, wenn die Verhandlungen in Genf zum Abschluß gelangt sind. Dix demokratische Fraktion beschloß, sofort einen Antrag auf Verlängerung des Sperr gcietzes über die st iirsleiiabsindnng einzubringen. Sie behält sich ferner vor, einen Antrag auf gesetzliche Regelung der Fürstenabfindung in den Ländern zn stellen, in denen diese Regelung noch nicht erfolgt ist. Deamlenkunögebung in Berlin. Berlin. 1k. Juni. Der Ortsausschuß Berlin des All- aemeinen Deutschen BeamtenbunbeS ver anstaltete heute abend ans dem Gendarmenmarkt eine Knnd- gebung unter freiem Himmel, die dem Zweck diente, den Reichstag daran zu erinnern, daß er die Verpflichtung habe, die drinaend notwendige Gehaltserhöhung für die Beamten vvrznnchme». Von verschiedenen Stellen aus sprachen drei zehn Redner zu den Versammelten, die daraus hinwieseii, daß die Beamtenschaft bisher nur wohlwollende Worte und Ver tröstungen gehört hätte. Inzwischen sei die Not innerhalb der Beamtenschaft ins Riesige gewachsen. Die letzte Regelung, die im Sommer IÜ24 stattsand, sei im höchsten Grade unsozial gewesen. Vom Reichstag müsse jetzt verlangt werde», daß er nicht warte, bis die vom Reichösiiiaiizminister Köhler ange- liindigte Besoldungöresorin komme, sondern durch eine Zwischenlösung müsse den Beamten rückwirkend ab I. April 1927 in ausreichendem Maße erhöhtes Gehalt zuge billigt werden. DieFeierdesDerfassungslagesbleibiunbeschrönk» Eine Klarstellung. Berlin. 14. Juni. Der demokratische ZeitnngSdienst hat dieser Tage eine Nachricht über die angebliche Stellung des Ministerialdirektors v. K a m e k e zu den vorbereitenden Maßnahmen im NcichSministerium des Inner» für die Feier des diesjährigen V c r f a s s u n g s t a g e S verbreitet. Die Nachricht ist in jeder Beziehung u n r i ch t i g. Der Gedanke einer künstiaen Einschränkung der Feier des VcrsassnngStages ist im RcichSministerium des Innern von keiner Seite er wogen worden. lW. T. B i Neuyorker Freude über Gilberls Bericht. Die erste richtige Dawes-Probe erst im sünflen Jahr. Nconork. 14. Juni. Die gesamte Neunorker Prcsie be grüßt den Bericht Parker Gilberts Tie „New Äork Times" meint, der Bericht verschiebe den Zusammenbruch »es DawcS-SultemS ans unbestimmte Zeit. Schmierigkeiten in der Ausführung des Planes würden, falls sic eintreten sollten, nicht ans nnzureichenden deutsche» NeichSeinnahmen. sondern ans zu große» N e i ch S a » s g a b c >, kommen. Die ganze Frage sei e!» v > n ch o I v g i s ch e s Problem. Man müsse sich frage», ob eS das beste für die Gläubiger und Schuldner, sowie für den Frieden Europas sei. wenn Deutsch land uns unbestimmte Zeit zahle nnd die Alliierten diese Zahlungen annehmen. ,.N ew ?) v r k Worl d" sagt, die erste richtige Dawes- Probe komme nicht vor dem fünsten Annuitätsiahr. Tic weitere Gestaltung hänge davon ab. oh die Reichsregiernng bereit sei. sich -aS zn eigen zn machen, ivaS Gilbert >m Reichsintcresic als notwendige Vorsichtsmaßnahmen be- zeichnete. „New Bork Herold" erklärt. Gilberts Bericht widerlege die Rede des RcichSfinanzministerS und die Proteste weiter deutscher Kreise. Die Reichsregiernng ver suche. eine Ermäßigung der Dawes-Zahlnngen zu erreichen, anstatt mit ihren Hilfsaucllen haushälterisch nm- ziigelicn. Alles hänge davon ab. ob Deutschland den Wille» habe, richtig zn wirtschaften und icinc gegenwärtigen Bndgct- methoden zu korrigieren. DaS der Negierung wie der Hoch finanz nahesteliende Blatt betont weiter, Gilbert habe eine zeitgemäße Pflicht erfüllt, indem er die Welt aufmerksam aus diese Situation nnd die Hinfälligkeit des Vor wan des aclcnkt habe, daß die Iahrcszahlunacn von 1928 Dentschlands Leistnngsfähiakeit überschreilcn. Fast die gleiche Ansicht kommt auch in den iibrigen Blättern zum Ausdruck, was als Beweis dafür anznschen ist, daß in Amerika niemand daran denkt. Deutschlands Rcvarations- fesseln zu erleichtern, solange kein zwingender Grund für die amerikanische Wirtschaft selbst vorliegt. Diese Stellungnahme der amerikanischen Presse sollte unfern bedingungslosen Amcrikaichwärmern zu denken geben und sie zn größter Ziirttckhaltimg veranlassen. » Berlin. 14. Inn!. DaS „B. T." gibt eine Acnßcriing des Mitschöpscrs des Dawcs-PlaneS O w e n ?) v » » g wieder, der erklärt haben soll, daß das RevarationSproölem sich aus dem Wege zur endgültigen Lösung befinde. DaS Blatt hält cS im Anschluß an diese Meldung für möglich, daß ein Gedankenaustausch über die endgültige deutsche Reparations schuld jetzt »nn zustande kommt. Die Danziger Einbruchsafjäre. Beteiligung amtlicher polnischer Stellen. Danzig. 14. Juni. Der BersucheineSAktcndleb- st a h 1 s t in d e u t s ch e n G e n e r a 1 k o n s u 1 a t in D a n z i g stellt sich nach den bisherigen Erhebungen alö ein Versuch von amtlicher polnischer Seite heraus. In einer über diese An gelegenheit heransgcgcbenen amtlichen Meldung heißt eS, daß die beiden unter dem Verdacht des Diebstahls fcst- gcnvmmenen aber wieder entlassenen Täter bei ihrer Ver nehmung erklärt haben, daß sie nicht eine» Diebstahl beabsich tigte». sondern dittch Schmiergelder einen Angestellten dcS deutschen Generalkonsulats in Danzig dazu bestimmen sollten, ihnen amtliche Aktenstücke z« übergeben oder zur Anfertigung photographischer Ausnahmen zn überlassen. ES handelt sich um einen polnische» Staatsangehörigen und ehemaligen Offizier im polnische» Heere Jean Lnskicwicz nnd um den Danziger Staatsangehörigen Wilhelm Hohl. LnS- kiewicz hat als seine» Auftraggeber den polnischen Kapitän Birkcnmayer von der Militäradteilnng der polnischen diplo matischen Vertretung in Danzig nnd einen polnischen Ober leutnant Podolski bezeichnet. Lnskiewicz hat inzwischen seine Ausweisung ans dem Gebiete der Freien Stadt Danzig er halten. Der polnische Spionagevcrsuch wurde am letzten Frei tag unternommen. Er mißlang aber und führte zur Ver haftung der beiden genannten Personen. Im Zusammenhang damit ist von Interesse, daß schon früher einmal der frühere Leiter der Militärabteilnng der amtlichen polnischen Vertretung in Danzig, der Major D u b i c z, in eine S p i o n a g c a u g e l c g e n h c i t ver wickelt war, die sich gegen die Freie Stadt Danzig richtete. Damals wurde der Versuch unternommen, einen gefälschten Dienstbeiehl des Kommandeurs der Danziger Echnvo für un- lautere Zwecke gegen die Freie Stadt Danzig auszuwerten. Seit dieser Zeit wurde die polnische Spionagetätigkcit in Danzig fortgesetzt »ud behielt nach wie vor ihren Sitz Lei der Militärabteilnng der diplomatischen Vertretung Polens. Moskau enlziehl Schaljapin die Slaals- angeftSrigkeil Riga. lt. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist der berühmte Säuger Schal jap in wegen sinanzieller Unter stützung russischer Emigranten der sowjetriissischen Staats angehörigkeit für verlustig erklärt worden. fT.-U.) Bralianu-Dynastie und llnterrocks- poMIK in AumSnien. Um die rumänischen Verhältnisse einigermaßen zutreffent beurteilen zu können — ein gewisser unklarer Ntederschl«, wird bet ihrem verworrenen Charakter für westeuropäisch, ««griff« immer zurttekbleiben —. muß man sich zwei wcsent. liche Faktoren, welch« die dortige Politik maßgebend befin- fluffen, vor Augen halten: einmal die überragend« Stellung, welche dt« Familie Vrattanu tm Lande elnnimmt, und zu« andern die aktive Rolle, welche die ehrgeizige und intrigante Königin Maria bet der Gestaltung der rumänischen Geschick« spielt. Die Familie Vrattanu ist in Rumänien im Lause t« Zeit ,« einer solchen Machtfülle gelangt, das, sie förmlich eine Art Dynastie bildet, eine private Nebenregterung ly Kon. kurrenz mit dem Königshaus«. Ihr gegenwärtiges Ob«,. Haupt, genannt »der kleine König von Rumänien", hat schon wiederholt die Würde eines Ministerpräsidenten bekleidet unt zählt sich parteipolitisch zu den Liberalen. Darunter l>a,s man sich aber beileibe nicht etwas AehnltcheS vorstellen. wie unseren westeuropäischen gemäßigten Liberalismus mit seinen verfeinerten Begriffen von Kultur, Recht, Gesetz und Ver- fassung. In Ninnänten erschöpft sich der Begriff des Libera. lismnü in der Brattannfchen Famlllcnpolitik, die durch ausgesprvchcne Dcntschfeindlichkeit und »»beschränkte Bor. liebe für Frankreich gekennzeichnet wird. Im übrigen sind die politischen Methoden, nach denen Bratianu arbeitet, durch, ans balkanmäßig uud unterscheiden sich insbesondere bei Wah- len tu nichts von den in jenen Gegenden üblichen Ge- pflogcnhetten. dt« in scharfem Terror gegenüber der Opposj. tion gipfeln. Die Königin Maria, die bei ihrer jüngsten Amertkareise durch reklamehasteö Gebaren so unliebsame- Aussehen erregte, daß der König sie telegraphisch zurückberies, hütet sich wohl, cö mit den mächtigen BrattaniiS zu verderben, nnd führt in solchem Ginne das Regiment, bas der todkranke König nur noch nominell anöübt. Ans diesem Milien, das sich aus weiblich-höfischen und Vratiannschen Zettelungen zu- sammensctzt. ist die jüngste Kabinettskrise und di« Bildung der neuen Regierung durch den Prinzen Sttrbey hervor, gegangen. Der Vorgänger dcS Prinzen Stirbey, General Avere-cu, hatte vor einem Jahre Bratian» in der Regierung abgelöst und versucht, die auswärtige Politik Rumäniens von der ein- fettigen Orientierung nach Frankreich und der Kleinen Entente hin abzulenken und ihr Aiischlußmögltchkeiten noch der Richtung Deutschland-Italien zu eröffnen, weil er er- kannte, daß nur so die Gefahr einer Ausschaltung Rumänien- von Mitteleuropa bet gleichzeitiger Behinderung seiner Be> iveguiigöfreiheit auf dem Balkan durch Frankreich nnd Süd- slawien verhindert werden konnte. Tie erste bedeutsame prüf, tische Auswirkung dieses neuen Kurses trat tn dem von AvcreScu abgeschlossenen FreundschastSvertrage mit Italien in Erscheinung, in dessen Verfolg der von Averescu pcrsön- ltch vergötterte Mussolini sich zu der offiziellen Anerkennung der Vereinigung BcssarabienS mit Rumänien verstand. DaS mar ein wichtiges Zugeständnis, wodurch die Stellung Rumäniens gegenüber Rußland eine erhebliche Festigung erfuhr. Auch die Bemühungen Avcrescus, mit Deutschland wieder in freundschaftliche Beziehungen zn treten, schienen ein günstiges Ergebnis zu versprechen. Auf die Initiative des Ministerpräsidenten wurden Besprechungen zwischen deut schen und rumänischen Bankiers und Industriellen em- geleitet, bei denen cs sich um deutsche Jndustrielicserungen an Rumänien in Höhe von 290 Millionen Goldmark handelte. Mit Italien fanden ebenfalls Beratungen statt, die auf de» Abschluß eines ZollvcrtrageS abzielten. Diese Bemühungen AverescuS gingen aus der richtigen Erkenntnis hervor, dak die wirtschaftlichen Beziehungen Rumäniens zu Deutschland und Italien für das Land von höherem Werte sind als die zu Frankreich. Am besten kann man ja den kulturellen Geist, der eine Regierung beseelt, an dem Schicksal messen, da- sic ihren nationalen Minderheiten zuteil werden läßt. Die sogenannten rumäntscheu Liberalen können in dieser Hinsicht nichts Rühmliches auf ihrem Konto buchen, obwohl Ihr Name sie eigentlich zu besonderem Entgegenkommen gegenüber den berechtigten Forderungen der Minderheiten verpflichten müßte. Noch unter Vrattanu ist der Minbcrheitenstrcit mit Ungarn entbrannt, der bereits die vvrsährtge Völkerbund-- tagnng beschäftigen sollte, aber auf die fetzige Junltagung verschoben wurde. Vertagt wird sa in Genf immer alle-, was „zurzeit" a»S irgendeinem politischen Grunde als un- bequem empfunden wird. AvercScu hätte also bei der Stellungnahme tn Genf Gelegenheit gehabt, auch in diesem Punkte zu zeigen, wes Geistes Kind er ist. Doch schon vor- her brachte ihn die höfische UnterrockSpolitik und die Vratiannsche Familienpolitik zn Fall. Bratianu und die Königin Maria befürchteten nämlich gemeinsam, AvcreScu könnte sich eine so feste Stellung erobern, daß er im Falle des Ablebens des Königs, bas nur noch eine Frage kurzer Zeit sein kann, das Heft ganz in der Hand halten und sowohl das Königshaus wie die Bratianu - Tnnastie zur Ohnmacht verurteilen würde. Um diese Gefahr zn beschwören, wurden alle Register des höfischen »nd politische» Jntrigantcntum- gcgen Averescu gezogen. Zunächst sollte er dadurch unmög- ltch gemacht werden, baß man ihn beschuldigte, er habe tn sinanzieller Hinsicht keine tadellose weiße Weste an. Seinen Feinden gelang cs aber nicht, ihm etwas Ernstliches aus finanziellem Gebiete nachznivetsc», so daß hier der Angriff verpuffte. Um so erfolgreicher erwies sich eine andere Ausstreuung, mit der man den durch seine Krankheit äußerst mißtrauisch gewordenen König gegen AvcreScu cinznnehmen verstand. Durch die höfischen .Hintertüren, welche die Königin Mari» willig öffnete, wurde das Gerücht verbreitet und bis zu den Ohren des Königs geleitet, daß AvercScu nach der Diktatur strebe und den König zur Abdankung zwingen wolle. Et hieß sogar, er habe bereits alle Vorbereitungen zur Aus führung seines Planes getroffen und Bukarest von Truppen umzingeln lassen. Das war glatt aus den Finger» gesogen, da nicht die geringste Tatsache bekannt geworden ist. durch welche den falschen Behauptungen auch nur eine Spur van Wahrscheinlichkeit hätte gegeben werden können: wäre irgend etwas Greifbares vorhanden gewesen, so hätten die Gebärden späher und Gcschichtentrager selbstverständlich nicht gezögert, cs in alte Welt hinausznpvsaunen. Der kranke König aber ließ sich auch ohne beweiskrästtge Unterlagen durch die tendenziöse» Einflüsterungen betören und ging zuerst gegen Averescu tn der Meise vor, daß er ihn plötzlich anssordcrtL ein „Kabinett der nationalen Konzentration" zu bilden unt zu dem Zwecke Unterhandlungen mit der Opposition ein» znleitcn. Dieses Vorgehen dcS Königs fand sofort den un» beschrankte» Beifall -er Bratiann-Prcsse, die für eine Um» bildnng der Regierung insbesondere „die vielen außen- politischen Fehler AverescuS, namentlich sei» Einschivenken in das italienische Fahrwasser", ins Gefecht führte. AvereScn weigerte sich aber, Kvnzentrationövcrhanblungen einzulctten. Er wies in einer Eingabe an den König darauf hin, wie sehr seine Vergangenheit eine Bürgschaft dafür biete, daß er niemals abenteuerlichen Diktaturbestrcbungen nachgejagt habe, nnd er schloß mit einer Wendung, die seine tiefe Ver stimmung ungeschminkt zum Ausdruck brachte: Er habe bis her immer seine Pflicht gegenüber dem Lande erfüllt, aber in Zukunft, was auch immer kommen möge, dürfe der König nicht mehr ans ihn rechnen. Nunmehr machte der König kurzen Prozeß und lieb Averescu ohne weiteres, als er nichtsahnend einem Minister- rate präsidierte, die bereits mit der Unterschrift beS Mon- archeu versehene Ernennungsurkunde des neuen Kabinetts
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