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Nr. 362 Seite 4 — .Dresdner Nachrichten'' — Mittwoch. 4. «ugvfi isr« Das ewige Wunder. Bon Guido Kreutzer. <>2 NorsseftuNli» Die Kranke aber wurde unter Assistenz deS Theaterarztes schleuuigst heimgeschasst. Zwanzig Mi»uteu später lag sie schon in ihrem riesenhaften, prunkvolle» Lpitzenbett, das von seinem Erbauer vssenbar für ganz andere körperliche Ausmaße vor» gesehen war und in dem ilire pagenhaft grazile Zierlichkeit fast verschwand. Man mußte sich in diesem pompösen, bak. dachin-überbauschte» Himmelbett wirklich schon sehr gut aus kennen, um sie sozusagen überhaupt zu entdecken. DaS Hausmädchen wurde zur Apotheke gejagt, die Köchin am Herd mobil gemacht: der gute alte Lasainnick wirtschaftete wichtig herum und war heilsroü, das! er endlich mal waS zu tun bekommen hatte. Schließlich konnte er der um ihr Zugstück schlotternden Direktion, die bereits zweimal hatte anfragen lassen, telephonisch die beruhigende Auskunft geben, daß keinerlei Gefahr vorliege. Nur. wie gesagt: ein paar Tage unbedingter Ruhe und Schonung! und wenn der ganze Par naß dadurch ins Nutschen geriet! Das Krankheitsvtld ergab eine unleugbare akute Gemntsdepression, deren Ursprung um so rätselhafter war, als die Patientin jede Auskunft ver weigerte. Bis gegen Mitternacht blieb er noch, um gestreng die Durchführung seiner ärztlichen Verordnungen zu überwachen. Dann setzte er sich in die Untergrundbahn und suhr nach Hause. Dabei konstatierte er unterwegs neidlos aber scharssinnig, daß seine ewig iinanlaeränmte Znnaaesellenbude in der Wriezener Straße keinen Pergleich mit dem verschwenderischen LuxuS dieser kosigen kleinen Villa an der Heerstraße aushalte. Und geistig tat er sich daraus etwas zugute, daß ihm die sardonische Sentenz einsiel: „Wie klug müßten die Frauen sein, wenn sie all den Verstand hätten, den die Männer ihretwegen ver lieren!" Womit er in diesem Sondcrsalle vermutlich den alten Fürsten Edward Egon Scbark zu Taureggen meinte, den jedermann im „Tuskulnm-Theatcr" als „Habitus" dieser negativen „moralischen Anstalt" und als offiziellen J-rcund der ersten Salondamc kannte . . . Tie entzückende junge Hcdda ?1ellin aber verbrachte eine exzentrische Nacht. Kaum war der Arzt verschwunden, als sie dem Haus mädchen befahl, sämtliche Medikamente auS dem Schlafzimmer zu schassen und eine ganze Flasche Kölnisch Wasser durch den Zerstäuber zu jagen, damit diese gräßliche „medizinische Atmosphäre" sich wieder verflüchtige. — Nachher ließ sie sich so unerhört starken Mokka brauen, daß er unweigerlich jeden türkischen Padischah aus den Pantinen gekippt hätte. — Rauchte ein paar Zigaretten, die sic sonst verabscheute. — Saß halb aufrecht, den Kopf in die Hand gestützt, und grübelte vor sich hin, wobei sich einmal Tränen in ihre Augen stahlen. — Griff nach Carlo Gozzis „Venezianischen Liebesabenteuern", die ans dem Nachttisch lagen: starrte verständnislos ein paar Druckseiten an und warf das Buch quer durchs Zimmer aus einen Sessel. — Dann wollte sie Vilma Kalcrghi anrusen, als ihr noch rechtzeitig einfiel, daß die Freundin bei einer Gymkhana aus der Grunewald-Rennbahn das Sektbllsett übernommen hatte und natürlich unmöglich schon zu Hause sein konnte, da der anschließende Ball sicher bis zum Morgen grauen dauerte. — Wenn doch wenigstens der Fürst in Berlin gewesen wäre! Was bisher nie vvrgekommen war: sie sehnte sich nach dessen Gesellschaft! Denn bei seiner Klugheit und Weltersahrung würde sie mit ihm unauffällig über Malte von Reeg haben sprechen und sich Rat und Trost holen können. Bestimmt hätte sich das Gespräch irgendwie zweckentsprechend dirigieren lassen. Wo Sc. Durchlaucht doch ein so konzilianter Frauenkeuner waren!! Nun aber blieb sie allein und damit wehrlos ihren Gedan- ken überlassen. Ol, — wie die quälten und marterte»! Seit vorgestern abend, seit dem elend mißglücklcn Ausflug in den Lunapark, waren sie t-r immer aus de» Kerfe« «nd ließe« ft« keine Sekunde lo». Seitdem vegetiert« ft« innerlich nur noch von lauter Widersprüchen. Zitterte vor orängendem Herzen», jubel und erstarrte im Frosthauch eisiger Trostlosigkeit: fieberte vor bacchantischer Lebenslust und sehnte sich bock nach tiefster Einsamkeit: träumte erregt Uder neuen unerhörte« Totlettenkvmposittonen und ekelte sich unsagbar vor dem gan- »en Plunder: hätte ihre Rolle in der »Visrgv «t oocotts" noch tausendmal leichtfertiger spielen mögen und trug sich gleich- zeitig mit der ernsthaste» Erwägung: völlig umzusatteln, fortan nur noch in klassischen Dramen aut hohem Konthurn über die Bretter zu wallen und da» tragische R zu rollen. Alle Begrtsse zcrslatterten ihr. Hundert Dinge griff st« an und ließ sie wieder fallen. Nichts interessierte sie über Mt- nuten hinaus. Alles schien ihr schal und öde und beziehungs los, waS nicht zu der eigentlichen Welt Malte von ReegS eine Brücke schlug. Noch immer faszinierten st« seine slackrig glühenden Angen: noch immer hörte sie sein« heiser raunende Stimme: noch immer spürte sie erschauernd den verkrampften Druck seiner Faust um ihr Handgelenk. Fahnenslüchttg war sie geworden, hatte ihn in all seiner Not und Oual feige allein gelassen, um zu slüchtc»! WaS aber war nachher geschehen? Sie wußte eS nicht. Sie wagte darüber gar nicht nachzu- denken: wagte auch keine Zeitung zur Hand zu nehmen: wagte keiner all der tausend Möglichkeiten nachzugehen, die ihr aufgestörtcS Gehirn gebar . . . Plötzlich ertrug sie cS nicht länger im Bett. Unter dem leichten Plumeau vermeinte sie zu ersticken. Sie wars die Decke zurück, zog ein Hauskleid über, ging in den Salon und schaltete da- Lickt in der geäderten Onyxschale ein. Alle Fen- ster ans, damit der Frühling hereinkonnte! Dann setzte sie sich zum Flügel, präludierte. Uud nun erwachte aus ztelloS wehen Phantasien unter ihren Händen unversehens eine Melodie, perlte ihre sehnsüchtig süße Stimme aus: Fm Rausch einer Nacht will ich selig versinken, in Kühen ertrinken mit dir. Fm Rausch einer Nacht brennt die Sehnsucht im Herzen nach Nonnen und Schmerzen tn mir. Fm Rausch einer Nacht hat der Duft von Holunder auf ewig da» Wunder vollbracht. Nie sollst du vergessen, daß wir un« besessen im Rausch einer göttlichen Nacht! — Liebling, Liebling, sprich: Liebling, liebst du mich? Sag e« mir Hunderte, tausende Mal, dab ich die Frau deiner Wahl! Liebling, bist du mein? Liebling, ich bin dein! Denk nicht an morgen, an nüchterne Sorgen: da« Heute soll wundervoll sein!! . . . Fm Rausch einer Nacht will ich selig versinken, in Küssen entrinden mit dir . . . Da zerriß da» brünstige LtebeSwerben tn jähem Auf- schluchzen. Da neigte sie ttes den Kops «nd legte daS Gesicht tn die Hände. Wie tm Krampf zuckten die Schultern. Denn da war wieder flackernde Lohe tn überwetten trren Augen: war wieder eine Stimme — zerbrochen und zersplissen und flüsternd, als verrate sie Totgeheimnisse: „Ah — Sie wußten nicht, daß ich verlobt war? Doch, doch! Eine ganz große Liebe aus den ersten Blick. Schon eine Vorahnung irdischer Seligkeit. Und -um Herbst wollten wir heiraten." Hedda ?1ellin taumelte vom Klavtersessel hoch, tat «tn paar Schritte, lachte so schrill und höhnisch aus, daß HauSmädchen und Köchin — die aus der Diele gestanden und beklommen diesem sehnsüchtigen nächtlichen Singen und haltlosen Weinen gelauscht hatten — sich erschrocken anstarrten. Am nächsten Moment mußten fl« htlsreich betsprtngeu. Denn mit einmal stand ihr« sunge Hrrrtn aus der Schwelle — sahl, taumelig, mit flebrtgglän,enden «ugen. Man brachte sie wieder zu Bett. Der Rest der Nacht ver. ltes tn Sorg«. Angst und Ratlosigkeit. Minutenlang war e», daß sich die Kranke ruhelos in den Kissen umherwars. Dann wieder lag sie reglo» wir gestorben und starrte mit verängstigten Augen irgendwohin ins Halb- dunkel deS nur von einer kleinen Nachttischlampe saust erhell- ten wetßgoldenen Emptre-SchlasztmmerS, dessen Watteausche Schäferinnen und J-ragonar-sche Kavaliere sie aus ihren ovalen Bronzerahmen tröstend und verständnisvoll anlachelten. Unversehens kauerte sie wieder ausrecht und verlangte nach Puder. Handspiegel, einem Glas Sekt, einer Zigarette; oder befahl, daß man sofort, aber sofort, Vilma Kalerght aiiruse und Herbitte. Gleich daraus schüttelte sie verneinend den Kops, hatte ein wunderlich trauriges, förmlich um Verzeihung bitte». deS Lächeln auf den Lippen, sank kraftlos tn die Kissen zurück, murmelte unverständliche Worte, schluchzte ein paarmal aus, lag wieder reglos und verlor sich in irgendwelchen wachen Traumphantasten . . . Erst als draußen tm Vorgarten zaghaftes Bogelgezwtt- scher anhub und der strahlend heraufziehrnoe junge Morgen daS Blattgewtrr der Fliedcrbüsche und die hellgrünen Spitzen der blühenden beiden Tannen, die wie finstere Wächter die Freitreppe flankierten, mit goldenen Zauberhänden über- schmeichelte — erst da siel sic tn tiefen erlösenden Schlas. Zwei Stunden später erschien Dr. Lasamntck, um noch seiner Patientin zu sehen. Auch Vilma Kalcrghi, die in- zwischen von dem gestrigen Unfall im „TuSkulum-Thcatcr" erfahren hatte, ries telephonisch an, verhandelte lange und bc- sorgt mit der Köchin, stellte tausend Fragen und htnterltcß. daß sie am Nachmittag zwischen fünf und sechs persönlich kommen würde. Man störte die Schläferin nicht eher, als btS man ihr gegen elf Uhr daS Frühstück brachte. Sie war sehr bleich, aber völlig ruhig und schien sich der verwichencn Nacht kaum zu entsinnen. Gefügig trank sie ihre Schokolade, aß ein paar Toasts, nahm später noch ein Kla» Portwein und sprach so klar und vernünftig mit dem Arzt, daß er sie beruhigt verließ. Doch er hatte noch nicht die Dür des Vorgartens hinter sich tnS Schloß gezogen, da ließ sie sich das Fernsprechbuch bringen, blätterte tn ihm herum und fand endlich, was sie suchte. Vom Bett aus — daS Telephon stand auf dem Nachtisch — rief sie nach langem Zögern und Schwanken die Nummer „Lützow S196" an. Mehrere Male vergebens. Niemand mel- dete sich. Auch die Aussicht, die sie sich kommen ließ, vermochte nickt zu Helsen. Die Leitung war durchaus in Ordnung, der Teilnehmer aber offenbar nicht anwesend. „Der Teilnehmer ist der LcgattonSrat von Reeg, Frän- letn," motivierte sie flehentlich. „Auch wenn er selbst nicht zugegen sein sollte, so muß sich zumindest sein Diener oder sonstwer im Haushalt melden. Ich bitte Sie, es handelt sich um eine Angelegenheit von größter persönlicher Bedeutung^ Doch auch daS half nichts. Jeder Anruf — so oft sie Ihn tm Verlause der nächsten halben Stunde wiederholte — blieb erfolglos. DaS brachte sie außer sich. Nun duldete eS sie nicht länger im Bett. Sie klingelte dem HauSmädchen. „Ich muß sofort tn die Stadt fahren. Lassen Sie ein Auto kommen und Helsen Sie mir inzwischen beim Anziehen." Den entsetzten Protest der jungen Zofe schnitt sie mit herrischer Schroffheit ab. Erhob sich unter Anspannung aller Willenskraft. Hielt sich aufrecht, obwohl sie ein Gefühl grüß- lichcr Schwäche tn den Knien hatte. Nahm ihr Bad. Ließ sich frisieren. Uebcrpuderte die kreisrunden Flecke hektischer Röte auf ihren Wangen. Wählte ein schlicht-unauffälliges Trotteur- kleid aus apart gestreiftem Seidenbast. Lehnte bei der strahlen- den Sonnenwärme einen Mantel ab. Und befahl draußen dem längst wartenden Chauffeur: „Lützow-User vierundscchztg. Aber schnell! Ich habe große Elle!" «Fortsetzung folgt.» He, «Ae- IVtt'se/re/ue/re yu-r/it-lten Wa sc/re - /? ös / e ^ «>d 5L, 7-!,Sd. Jan. Mil. iw, Veoanlin-Seid» Md i«b WaUdecke», Mi>. 20. üs, zo. derri, Muster. ItaldwoN- »»<»«>, Mil. tl.iv, i«, I«, 2«. llmardeNangen von Daunen. und Steppdecken sedr preiswert. Stoffe in graft Auswahl. Slrppdecliensadrld O. Swereet», Slatuhardltraft» 2, «che Wallt,,» Sir. Irl. »947« Mmdssrnskl mit Mucker teik»- Lrossx.) AirrcN-Strup Tironen-Sirup r«tron»n-Säo»1 in bisschen, teils susAemessen IX Ol 8«« IS. Mn-7 LMH/LL ? z retdai rckvarsi«, »Icker« »Nie. Rk»irt»r Nun«», 0r„0«n. I>irn,i,»I,» Itr. <t. Ntann» niamanet rnaoNt Ü8«sllj kselils KaulbaWr.31,1. Lite Plllniftrr Str. Möbel billigt Sa. «0 neue mod. Küchen eon 120 Wß. ,n ,reger Pester ftekkenrimmvk 8peiserimmer oen 480 Ä?ß. an 8eklskimmvk »on 480 Mß. an vsirirolongli«» von 38 an flurgsrüoroden oon 38 WIl. an Sllfsll» Sich». -ü»ft-> u. -m» »on 180 Äsll. an Ltn,«lman» Soliden Ueulen »venl r»l»tu»g»«et»t»t>t. I Man Kat kein keckt aut I^rkolg Ls sei «leim, äak man üer Allgemeinheit wirkkcke Dienste leistet! La »ollen ad deute »ilmNiclie Herren-, Speke-, Sitilakimmer unä Kücken ru leiten, »nnedmdare» prel» »pottbillig rerdautt veritea Nlbll-IllUtllllll II. ll» Mi «IklM A«Mk krod«>7l ^ödelinüustrie plllnltrer 5tr»Ü« 26, l nn«l lacken Drs /Äkxenck« Altonaer Z,hi,,N» üe! M ,uAks» /»»»«ckr'on-oxLa« cksr- Famdu?-A-4ttona«- t?xo-k- /nssk'onts»» !s" < ^ ssiisckiek Ssppiseli IA»rI«n»1r»S« 11 (g«g«nüd»r öan vr«I Kndsn) WssOiiliseks in Marmor ^susrtor» uncl Stsingul ttnnokndrllr iVolüramm «mplletilt ikre er»Ni>. Pianos ua<l PIÜLei deaonü.pralrverl »uck bei lelirsliiung dItotterlaU« l? INH 8 Ir. 18, ißiiikii »Mil c». H> dtotte»« »ul I.iiger it»ua»n<I billig I 1i/IüdSlll»UL Helling Or. glNckere. SS. Hrraniw.i.d.redodlivnelien Teil: Dr. >. J»tntf«tz»r, Dresden: für die Anzeigen- gri» «»eh, Dresden. — Fall» da» Ertcheinen der Jeiluna iniolg» dkherer Nrwall Dririedsliörung. SIreid. Aussperrung oder au» »inemlvnsllgen Grund« unmöglich wiro^ dal der Dezieder deinen An^ »ui 'NachNesrrung ad. Aüch. »adiun» de» Bezugspreises, «in» Gewähr Mr da» Sr- schesne» der Anzeigen an Ken aorgelchriel,»r>»n lagen sowie aus besiirnmien Senen wird nicht geseift»-. D« »euti-e Adenddla« »mtaht 0 Setter ÜepfrktAeirkaräl NarieaftraAe 88 -ernrn/i ttLSl LsltgsvnSDe DVL8VtrL«80§»«RT -a» Pr«»,-«««»«»»««, Sp,z,a>ge,chüsi liir Killer M Letemarei Ho > » Lo Svorerg.«. Sig. Merdft. IM»«» dilllg, grafte ^urvaki. p. föhnig Nrlt» - N«u«»r»tr. tt. diinftnnd tt. Reu, »»» g»dra»chl« pianinos Lüfters! vr»>»w«ri. »o. Tellz. PianvsorleladridN-VNrlch, NIrolalftrad» 7. I V2. —