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71.Jahrgang. ALIS» Menö-Ausgabe Mittwoch, 2S. MSrz 1927 Gegründet 1SSK Drabtanschrtit: Nachrichten Dresden Fcrntprecher-Sammelnummer! 2S241 Nur für Nachigclvräckc: 20Oll vom >6. bis 31. März >N27 dri iügltch «weinialiger Zuslclluna srci .vaus I.« Mb. <)6AUA5^iDLl1Ul1t Poftbcuilovrcis für Monat Mär, 3 Mark olme Post,uslcllu»gsacbübr. <ki»t«lnu«mer 10 «Pfennig Lchrisllcilung und LauvIgrschästsftcNc: Martenftrabe 3S -»2 Druck u. Verlag von Liepfch ch Reichardt in Dresden Postscheck-,gonlo 1OSS Dresden Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe «.Dresdner Nachr.'t zulässig. Unverlangte Schriitstücke iverdcn nickt nusbeu'ab'I Die Kämpfe in Schanghai. Das Gefechl zwischen Engliin-ern un- Chinesen innerhalb des englischen Konzessionsgebieles. Die Kankonregierung nach Schanghai unterwegs. London. 28. März. „Times" meldet aus Schanghai vom 22. d. M.: Die Schieberei im chinesischen Stadtviertel hat ausgchört, aber es sind noch zahlreiche Brände zu beob achten. DaS Hauptguartier der Sndtriippen erklärt, eine Meldung aus Hankau erhalten zu haben, wonach Ans,en- minister Tschcn sowie die Mitglieder der Negierung und des politischen BurcauS nach Schanghai unterwegs sind. Eine offizielle britische Meldung über den chinesischen Einbruch in das KonzcssionSgebict sagt unter anderem: Ungefähr 18 888 Mann Nordtruppcn wurde» nachmittags von 888» Kantonescn überrumpelt. Die Nordsoldatcn flüchteten ans die Grenze der internationalen Niederlassung zu, die an dieser Stelle von einem Dutzend britischen Infanteristen besetzt war. Die Nordtruppcn drangen in die Niederlassung ein und feuerten von hinten ans die britischen Soldaten und ans die anrÜckendcn Kantonescn. Daraufhin antworteten die brilischcn Soldaten mit Gewehr- und Maschincn- gewehrfcucr. bis die Eindringlinge die Waffen streckten. Der Rest der Nordtruppcn. ungefähr 128» Mann, flüchtete in dcu,vyn de» Japanern gehaltenen Stadtteil. Sie wurdcn interniert. Ich Ehincsenviertel herrscht »ach wie vor grösste Anarchie. Auch in -er Umgebung von Schanghai macht sich das Fehlen jeder Autorität bemerkbar. Der Kleinkrieg zwischen den Anhängern der verschiedenen Richtungen und den Streikenden dauert an. Der britische Generalkonsul und zwei Gcncral- ftabSofsizicrc, die von dem britischen Oberbefehlshaber General Duncau beaustragt waren, sich mit den neuen militärische» Behörde« in Schanghai in Verbindung zu setzen, wnrdcn gestern im Eingcborcncnvicrtcl in ernste Kämpfe mit den Kantonescn verwickelt. Eü gelang ihnen nur mit Mühe, in Sie europäische Niederlassung zurückzukehren. Der Streik in Schanghai dauert »ach wie vor an. Der Korrespondent der „Wcstminstcr - Gazette" in Schanghai meldet: Die 3 5 russischen Wctsigardisten, die die Besatzung des Panzcrzuges „Gros, c Mauer" bildeten, haben sich nach erbittertem Widerstand ergeben, lieber ihr Schicksal wird von dem provisorischen Zentral komitee entschieden werde». lWTB.s Nanking noch nichi gefallen London. 28. März. Wie die „TimcS" a»S Schanghai be richten, ist Nanking, entgegen den gestern verbreiteten Meldungen, noch nicht von den Kantvnescrn besetzt worden. Tschangkaifchek gegen den Kommunismus. Bor dem Bruch mit den Kommunisten? London. 22 März. Aus Schanghai wird gemeldet, daß der Generalstreik an Ausdehnung zugcnommen hat. In der Ehincsenstadt sicht man rote Fahnen und kommunistische Maucranschlägc. Die Technische Nvthilse siinktioniert in den lebenswichtigen Betrieben. Der Kommandierende der Kanton- iruppen, General Tschangkaischck, hat erklärt. das, der Bruch mit den Kommunisten in der Regierung bcvorstehc. Die Südpariet wünsche die Ausstoßung der russische» Propa- gandatrnppen. die Arbeiter, Bauern und Studenten sinnlos verhetzen. Trotzdem sei eine Spaltung der Südpartci aus geschlossen. Tschangkaifchek wird heute in Schanghai erwartet Er wird eine Proklamation erlasse», in der die Zusammen arbeit mit den Fremden zur unbedingten Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Unterdrückung des Kommunisiniiö an- gekünüigt wird. Zuversichtliche Stimmung in Belgrad. Belgrad, 28. März. Von zuständiger Seite wird in de» Abendstunden erklärt, mail. betrachte die durch die italienische Zirknlarnote geschaffene Lage mit Optimismus. Man glaube, daß weder eine Bölkerbnndsintervention, noch die in der Erklärung des Ministers dcS Aeustcrcn vorgcschlggcnc internationale Untersuchung znr Beilegung des Konflikts not wendig sein werde. In der gestrigen Nachmittagssitzung der Skupschtina erklärte ein Abgeordneter, sowohl der albanische Minister präsident, wie der albanische Gesandte in Belgrad hätten Jugoslawien betrogen. Der Abgeordnete wurde von drei Sitzungen anögcschlossc». — Nach längerer außenpoliti scher Debatte wurde der Etat d«S Ministeriums des Aeußeren angenommen. Bemerkenswert ist, daß kein einziger oppo sitioneller Redner sich für ein Ausgeber, der korrekten Be ziehungen zu Italien ansgcsprochcn hat. Alle Redner unterstriche» den Grundsatz „der Balkan den Balkanvülkcrn" und betonten die Notwendigkeit eines Bündnisses mit Bulgarien als der sicherste» Garantie dcS Friedens auf dem Balkan. Die Redner aller Parteien traten ferner für Anlehnung Südslawiens an Eng land ein. Diese Auffassung deckt sich mit den Bestrebungen der südslawischen Regierung, den Weg nach London zu gehen, wozu der erste Schritt das Ersuchen um Vermittlung Englands zwischen Jugoslawien und Italien war. Der rvle Terror in Berlin. Neue Schiebereien. Berlin, 28. März. In den späten Abendstunde» des DieiiStag s>atte eine größere Truppe Roter Frontkämpfer versucht, in die Vvhenzollernsestsäle in der Berliner Straße einzi,dringen, wo die Nationalsozialistische Ar beiterpartei eine Versammlung abhielt. Tie Kommu nisten suchten die Eingänge zu stürmen, so daß die dort postier ten Beamten Verstärkungen herbciruse» mußten. Als 'icie einlrasen. kam cs zu einer lebhaften Schießerei, wobei wieder mehrere Personen verletzt wurden. Vor Beginn der kommu nistischen Versammlung war eS auch im Berliner Südosten zu einem Zusammenstoß gekommen, wobei gleichfalls mehrere Schüsse siele». Ein Demonstrant wurde hier durch einen Re- »olvcrschuß verletzt. Bon den bei de» Vorgänge» am Sonntag in Lichterseldc Verletzten sind noch immer fünf Rote Front kämpfer nicht vernehmungsfähig. Berlin, 2.8. März. Z» den gestrigen Zusammenstöße» werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Nach einer Ver sammlung der Kommunisten aus der Webcrwicsc, an der sich ungefähr 488 Personen beteiligten, wurde» Polizci- bcamtc von kominiinistischcn Demonstranten tätlich an- gegrtssen-uiid so schwer bedrängt, das, sie von ihrer Schuß- masse Gebrauch machen mußte». Alle», Anschein nach sind vier Kommunisten verletzt worden. Ihre Feststellung konnte nickst erfolgen. I» der Wilmcrsdorscr Straße versuchten Kommunisten, einen Autobus zu stürmen. Ein Polizcibcamter wurde »icdcrgeschlaae» und erlitt schwere Kopfverletzungen. Pistole und Gummiknüppel wurdcn ihm entrisse«. Auch tn der Suarczstraßc wurde ein PolizciwaHtmcistcr zu Boden geschlagen «nd seiner Pistole n»d des Gummiknüppels be raubt. Ferner wurdcn in der Snarczstraße zwei Passanten Überfällen. Sie erlitten schwere Verletzungen. Z» einer besonders tnmnltnarikchcn Szene kam cs in der Bismarck ft raste. Mehrere Polizisten, die einen De- «oustratlonSzng begleiteten, wnrdcn bedrängt, mit Eisen stücken geschlagen nnd mit Steinen, Flaschen ns«, beworfen. Ein besonders hart bedrängter Polizeiwachtmcister gab vier Schüsse ab. Um Mitternacht kam es ln Spanda« z« einer Schlägerei zwischen Nattoualsozlalisten nnb Kommunisten, in deren Verlauf acht Nationalsozialisten seftacnommcn wnrdcn. Bei den Ziisammenstößcn, die am Dienstagabend zwischen de» demonstrierende» Kommunisten und der Polizei statt- iandcn, sollen nach de» Feststellungen der „Roten Fahne" ans d» Weberwies«, wo sich etwa 280V Mann zu einem Dcmvn- strationSumznge versammelt hatten, ein Kommunist getötet, fünf schwer verletzt «nd über 88 Personen leicht verletzt worden sctn. Ein Tscheche mitzhan-ell un- beraub!. Tschechische Beschwerde beim Auswärtigen Amt. Berlin, 23. März. Die tschecho-slomaktsche Ge sandtschaft hat beim Auswärtigen Amte Beschwerde dar über eingelegt, daß am Sonntag zwei tschccho-slowakische Staatsangehörige bei Ausschreitungen in der Saiscr-Wil- hclm-GcdächtniSkirchc mißhandelt «nd beraubt wnrdcn. Ein in Paris Icbnder Tscheche, der sich nur einen Tag auf der Durchreise in Berlin befand, traf hier zufällig auf der Straße einen Freund und Landsdann, den Sohn deö früheren tschechi schen Kriegsinintsters Klovak, einen Ingenieur Klvoac, der in Berlin wohnt. Da die Freunde gemeinsam in Oxford studiert haben, sprachen sie gewöhnlich Englisch miteinander. Sie ge rieten nun zufällig in einen Demonstrationszug und sahen sich plötzlich von einem großen Trupp von ungen Leuten umringt, die sie auseinandervissen. Beide wnrdcn z« Roden geschlagen und mußte« R-ttungSftclleu anfsuchen. Dem Herrn aus Paris wurden dabei Mantel, Brieftasche. Scheckbuch »nd sämtliche AnSweispapiere entwendet. Er fuhr sofort, nachdem er auf der Rettungsstelle verbunden ivar, zu seiner Gesandtschaft »nd meldete de» Vorfall, den die Gesandtschaft an daö Ausivärtige Amt weiterleitete. Der bayrische Minister v. Meine! gestorben. München, 23. März. Der frühere bayrische Handels- Minister, Exzellenz Ritter v. Meine!, der erst vor einigen Wochen von seinem Amt zurttckgetreten war, ist in der ver gangenen Nacht im Alter von 62 Jahren gestorben. sW.T.B.j Urteil im Prvzetz Gürtner-OIfchewski. München, 22. März. Im Verfahren ' gegen den Ge schäftsführer der kommunistischen „Neuen Zeitung" Ol- schcwskt wegen eines beleidigenden Artikels Über den bayrischen Justtzmtntster Gürtner wurde heute der An geklagte wegen Beleidigung tn Verbindung mit übler Nach rede zu einer Gefängnisstrase von sechs Monaten verurteilt. Propaganda für ei» Ost-Locarno. Das Rheinland als französisches Pfand für — Polen sVon unserem ständigen Vertreter in Gens.) Genf, den 28. März. Eines der hauptsächlichsten Ziele französischer Politik ist ein dem Westpakt entsprechender Ostsichcrheitsvcrtrag; diese Idee, seit Locarno stets irgendwie im Vordergrund stehend, wird heute von Frankreich aus lebhaft propagiert. — besonders wird auch in neutrale» Ländern Anhang gesucht, und zwar auch zu dem Zwecke, über neutrale Länder die deutsche össentlichc Meinung zu beeinflussen. Hin und wieder nimmt dieser Zweig der politischen Propa- Schweres Autounglück bei Ku-owa. Ein schweres Unglück ereignete sich Mittwoch früh in der siebenten Stunde in der Nähe von Kudowa (Schlesien). Die in Gcllcnau beheimateten Arbeiter der Mechanischen Weberei Dierrig wurde» seit etwa drei Tagen durch ein Lastauto von und nach ihrer Arbeitsstelle befördert. Diesmal bcnvtzte« etwa 78 von der Frühschicht kommende Arbeiter diese Fahr gelegenheit. An einer Stelle steigt die Fahrstraße steil an, auch ist dort eine ziemlich scharfe Kurve zu überwinden. Ans bisher ungeklärten Gründe» riß plötzlich die Kuppelung. Die Bremse versagte und das Lastauto sanfte mit ftändig wachsender Geschwindigkeit rückwärts bergab, riß au der Brücke das Geländer ein und stürzte in die Schlucht des Dorsbacheo hinab, sämtliche Fahrgäste unter sich begrabend. Mehrere Aerzte, die Sanitätskolonne und Feuerwehr- mannschastcn ans der Umgebung trafen sofort ein. Di« Kund« von dem furchtbaren ttngkück verbreitete sich sehr schnell. Bon diesseits und jenseits der Landesgrcnze strömen große Menschenmengen zu der Unglücksstätte. Bisher konnten sieben Tote, darunter ei« Batcr nebst Tochter, sowie achtzehn Schwerverletzte geborgen werden. Nach Lage der Dinge ist jedoch mit einer noch größeren Zahl von Verunglückten zu rechnen. Der Lenker des Autos, Jansa, ist verschwunden, und soll über die Grenze geflüchtet sein. ganda Frankreichs größere Formen an,' auch heute werden — im Zusammenhang mit den Genfer Besprechungen Stresemann —Zaleski — die geschickteste» französischen Köpfe vorgeschtckt, und vor allem auch diejenigen, die im Ausland als am wenigsten politisch belastet erscheinen. Henry de Jouvenel hat sich seit langem ein deutsch-schwcizer Blatt von bedeutendem inter nationalen Ansehen als Tribüne auöeriehen: heute verbreitet er sich in diesem Blatt über das Ostprodkem in hervorragender Weise, genauer gesagt über die neue Situation, die sich für ihn aus den deutsch-polnischen Besprechungen ergibt, von welch letz teren er so gut wie überzeugt ist, daß sie die Vorteile, die durch Locarno un Westen geschossen worden seien, in irgendeiner Form auch ans Osteuropa übertragen werden. Jouvenel hofft, „die offensichtliche Ungeschicktheit Deutschlands, die es durch Unterbrechung der HandelSnnterhandlungen mit Polen be gangen", sei nicht allein der Grund gewesen, daß Deutschland gewünscht hätte, mit Polen in Gens eine neue Bertragsära cinzuleiten, sondern daß ein weit tieferer Sinn dahinter läge. Das ganze Werk von Locarno, sagt er. befindet sich in der Schwebe infolge der Ungewißheit, die binsichtlich der Ostgrenzcn Deutschlands herrscht. Stresemann legte, glaubt de Jouvenel. eine außergewöhnlich politische Geschicklichkeit an den Tag, indem er die Lösung der polnische» Frage vor derjenigen der Rheinlandräumung in Angriff nahm. Stresemann wicö den Problemen ihren richtigen Platz zu. Wenn er diese Politik konsequent verfolge, wenn er die Grundlagen des Vertrauens zwischen Deutsch land und Polen schasse, wenn er imstande sei, Vertrauen ein zuflößen hinsichtlich seiner Ostpolitik — dann komme c un- ziveifclhast in die Lage, von Frankreich Opfer zu verlangen, die cs bisher nicht bringen konnte. Rassinierter als diesmal ist die französische politische Propaganda ohne Zweifel noch nicht oft vorgegangen, aber sicherlich auch nicht oft so bewußt brutal: Jouvenel weiß zwar gut, daß die Rheinlandräumung mit de» Ostsrage» nichts zu tun hat. — er weift, daß sie eine ans Locarno beruhende Sache ist. Sofern also Deutschland im kommende» Juni die Rheinlandräumung ans Grund der nun»'gänzlich erfüllte» Abmachungen von Locarno verlangt, so lautet demgegenüber der seht genau wörtlich von de Jouvenel redigierte f r a n z ö s i s ch c S t a n d p u n k t so: Der Locarnovertrag bezüglich des Westens gewähr leistet den territorialen »tatu» quo an der srauzöslsch- belgisch-dcntschen Grenze. Die militärische Besetzung bcS Rhcinlandes in ihrer jetzigen Situation aber bildet die Garantie für die vertraglich nicht anerkannte Auf- rechtcrhaltung des »laiu» quo im Oste«. Es sei völlig klar, so will JonvenelS Propaganda de» Neu- traten wcismachen. daß Deutschland gegen Polen, die Tscheche! oder sogar in der österreichischen Aiischlnßsrage nichts unter nehmen könne, solange die Alliierten deutsches Gebiet als Pfand in den Händen behalten. Frankreich sehe deshalb in