Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 15.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192210158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19221015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19221015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-10
- Tag 1922-10-15
-
Monat
1922-10
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 15.10.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Freilich, in dieser Rechnung liegt, so wertvoll der ganze Vedanke ist. ein wirklichkeitsfremder Optimismus ver- borgen, -er die praktischen Schwierigkeiten nicht tu der gebührenden Weise rinschatz«. Die genannte Abgadenmenge dürfte nur für die allerwenigsten Gegenden in Betgscht komme», wenn auch Tangen diese Meng« nicht gerade als das unumgänglich« Mindestmass der «lener- oder Ad- liefe»ungSpflichl bezeichnen will. Bei dem heutige» Stande der Produktion und bei der augenblicklichen Beschaffenheit der Bodenverhältnisse müßte ganz gewiß mlt einem weit geringeren '.'lbgabequantum oder einer viel niedrigeren Barleistung begonnen werden. Dt« Höhe der A-gabever- pflicülung zu finden, würde samt! die erst« und wesentlichste Schwierigkeit für die Verwirklichung des ganzen Projekts bedeuten. Wer lost die Krage der oben bezeichneten ge rechten Klassifizierung des Bode»-, die eine Grundvoraus setzung jeder Natural- ober Meldletftung durch die Land wirtschaft ist? Es ist bekannt, -aß die Retchsstellrn mit derlei auf allerhand Zisfernmaterial sich stützenden Klasse» einteilungcn bisweilen rechte» Pech gehabt haben. Man denke an die NeichSoitSklasseilcinteiluug. die einen unge heuren Ansturm der sich benachteiligt fühlenden und sicher lich auch zu», keil sehr hark benachteiligten Orte auf da» NeichSwirlschaflSuiintsteriuiu zur ersten Folge hatte. Immer hin. das NeicbSortSklassenverzeichniS ist in Kraft, der erste Ansturm vorüber, und allmählich scheint aus diesem Gebiete die Bewegung in Ruhe ilberzugehcn. Dementsprechend sollte man meinen, daß eS unter Beizielnlng anerkannter land- wirlschasllicher Führer sich ermöglichen ließe, eine gerechte Bodeneinschatzung und Klasseneinteilung zu finden. Und wenn diese Einteilung gefunden wäre, dann käme e» dar aus an, für die einzelnen Klassen dle Höhe der Abgabe z» bezeichnen, die nach TantzciiS Borschlag nicht über ein Maß htnauSgehen darf. ..welmeS eS Iin Durchschnitt der Jahre einem normalen Wtrlschafier ermöglicht, außer der Abgabe, für seinen Unterhalt und die Erhaltung der Wirtschaft ge nügend Mittel anS dem Ertrage seiner Produktion zu ge- Winnen*. An der Hand dies«, Richtlinien müßte eS sich ermögliche» lasse», für de» «t««,l»«n Fall eine geeignete Grundlage für die Zahlungsverpflichtung zu finden. Aus diese Weise lteßeu sich bei allseitig gule« Willen die beiden Haupibedenken, die gegen die Valuralwertrentr erhoben werben müssen, au» der Welt schaffen. Natürlich ist damit das Heer brr Gtnwünde. dt» In den bevorstehende« Beratungen der wirtschaftlichen Körper- schäfte« auftauchen werden, noch längst nicht erledigt. Man wird stch dt« Frage vvrlege» müssen, ob der neu« Apparat, der ohne Zweifel zur Durchführung dteser grundlegende» Besteuernngsänderung für dle Land- — «nd. wie Tantze» vorschlägt, auch für dir Forstwirtschaft — notwendig fei» wird, nicht die Slealabitttat de» ganzen Plane» von vorn herein totschlägtr man wirb «etter gleich zu Anfang gewiss» Htlssmaßnaknnen für den Fall von Mißernten ins Auge fassen müsfen, «nd endlich wird man nicht a» der Frag« vorübcrgchen dürfen, ob die Naiuralivertrente in der von Tantze» vvrgeschlagencn Form nicht zu einer übermäßigen Ausschaltung anderer wertvoller und für dle Bolksernäh- rung unerläßlicher landwtrtschastltcher Produktionszweige führt. Wenn alle diese llntersragen einer möglichen Lösung entgegengesübrt werde» können, so dürste sich auf fetten der weitblickenden Landwirtschaft tm Prinzip gegen die Ab lösung ihrer bisherigen Besteuerung durch eine Natural wertrente kaum unüberwindlicher Widerspruch erheben. Die Lanbivtrtschast kennt schon längst Naturalpachtverträge, sie enilohnt zum Teil ihre Arbeiter in Naturalien, warum sollte sie sich gegen eine ihren Kräften entsprechende Natural- bestruerung strauben, wenn sie dafür von den Fesseln «nt- blinden wird, die Ihr die Zwangswirtschaft auserlegte, und wenn sie weiterhin über ihre sonstigen Produkte frei ver fügen -ars? Es bliebe nur zu wünschen, baß die Negie rung dao Lanyrnschr Projekt sobald als möglich von sich aus würdigt und Ihm etwas wärmere Aufmerksamkeit wtd- met. als dem von ihr so stiesmiitierlich behandelten land wirtschaftlichen HilfSwrrk. Die Entscheidungsstunde im Orient! Sxz Dr. Aelssrrtch Uber Deulschlan-s höchste Nol und Rettung. Bo,: Josef M. I u r I n e k - München. nein, fort nnd fort erpressen. Auch da gibt Helsserich nur Stichwortc: „Tenischland hat luirrnationai keine diSkontfähige Unterschrift mehr. Wen» da» letzt« Gold dr» NeichSbank t« da» ßsdcn- lose Fas, der Erfüllung wandert, daun ist eS a»S. Mir sind reit» saiir»?rÜner Staat daä Z V »« « Deutschland ist in höchster Not. Man erkennt diese furchtbare Tatsache in London und Paris, in Rom und in Neunork, aber mau handell nicht danach. Die deutsche Not ist beim Weißbluten angelangt. Die Mark stürzt tm Flug zeugsturztempo. die Berelendung uinimt stündlich zu. Deutschland ist heute schon mitte» tm Sterben lener zwanzig Millionen drin, die Mtllcrand als Neberbevölke- rung in Deutschland bezeichnet hat. Reich, Parlamente, Ge meinden und Private schließen sich zusammen, um einen Weg zum Hoffnungsschimmer aus der Nacht deS Jammers zu finden nnd ihn gemeinsam gehen zu können. In solcher höchsten Not erscheint Dr. Helsserich in einem geladenen kleinen Kreise dco Arbeitsausschusses des Landesverbandes Bauern bentschnationaler Industrieller, um offen und frei über wirischasiopolitische Frage» zu sprechen. Dr. Helfserich, Im Kriege Reichosäclelwarl, hat das Heer von Wirischasts- zahlen im Kopse. Er lies, es ansmarschieren und zeigte durch die nackte Auszählung weniger Wirischafiszahlc», wo wir stehe». Wo?... Am Anfang vom Ende, vielleicht sind wir mitte» im wirtschaftliche» »nd ivirtschastSpolitischen Todesgang. Aber man hörte von Helsserich nicht die banalen Klagen, nicht Lamentativnen über Lamentationen, sondern die Rede war so aufgebant: Hier die nackten Tatsachen der Not, dort die ReitungSmöglichkeiten. Naclie Tatsachen: Valuta und Geldwert, die beiden Achsen, um die sich heute wirtschaftlich und wirtichastSvolitisch alles dreht. Unser ganzer unendlicher Jammer mußte iedeu anpacken, als mit nackten Ziffern Dr. Helfserich nachwieS. das, der Sturz der deutichen Mark iu den letzten drei Monaten die Katastrophe der österreichisch«» Krone noch überholt ha». Wem ist dies bereits zum Bewußt sein gekommen? Und Helfserich beweist wieder an nackten Zahlen, daß, wenn dieser Martsturz so weiter ungehemmt fortschreltet, überS Jahr der Dollarkurs vielleicht auf 50 000 >Mk. angelangk sein wird. CS genügt, einige Stichworte der Helsferlchschen Dgrlegungen festzuhallen, zumal ja auch der Redner mehr mit Ltichworten operierte und die Aus- und Untermalung de» Zuhörern überließ. .Rohstofs- und Lebens uittelblockabe setze» bereits in folge der Entwertung der deutschen Mark ein. eine Blockade, die jene des Krieges in den Schatten stellen wird. Bon den Importware» pflanzt sich die wahnsinnige Preissteigerung aus den Inlandsmarkt automatisch fort. Mittelstand, In dustrie, Handel und Gewerbe, Handwerk und Landwirt'cha't sind in ihrem Besitz auSgehöblt. Das Ansland ist durch den AnSvcrkanf Deutschlands bereits am Totengräb.-rwcrk." Jedes Wort, jeder Satz eine Wahrheit, die nieder- jchmettert. Ist Rettung möglich? Wir habe» die Ursachen des deutschen JammerS kennen- gelernr: Versailles und Zerrissenheit im Innern. Schluß mit ErfüllnngSpolitik und Schluß mit dem Achtstundentag! Mit denkbar schärfster Akzentuierung und erhobener Stimme ruft Dr. Helfserich dieses Nettungsprogramm in den Saal, ruft cs den Arbeiterführern zu, die nicht den Mut haben, die Wahrheit de» Mallen zu sagen, ruft es nach Berlin und überall dorthin, wo die Erfüllungspolitiker rudelweise bei- sammenhocken, ruft es dorthin gellend in die Obren, wo jene sitzen, die Erfüllungspoiittk von Deutschland verlangen, sind kein souveräner Staat mehr, das Damoklesschwert der Finanzkontrolle hängt über «ns. Niemals ist ei« Volk schmachvoller ansgcsangt worden, «te jetzt das dentsche. Da müssen die Devise« himmelhoch steigen. Erfüllnngspolitik und Achtstundentag find die erwürgen de» Stricke am Halse des deutschen Volkes!* Und wieder bilden Zahlen den unbarmherzigen Beweis. Die Besatzung kostet nno um 00 Prozent mehr alS der ganze Etat des dentschen Heeres nnd der Marine t« Frieden. Bewegung geht durch den Gaal. In dieser Berechnung hat noch niemand das Ungeheuerliche der Brsatzungölastcn vor Angen geführt. Wir haben in der Ausfuhr ein Defizit von 1,5 Milliarden Mark. Dr. Helfserich wieder holt: 1,5 Milliarden Mark und fügt die Frage an: Wo sollen da die immer neuen Devisen ssir die immer neue ErsiillungSvolitik Herkommen? Wir sind auSgczogen bis aufs Hemd! Und nun gtbt's Kculenschläge für jene, die dem Volke die Wahrheit vorcnthalten. die die Arbeiterschaft aufpritichen. Helsserich schlußfolgert: „D!e Ardeitersührrr habe» nicht den Mn«, gegen den Achtstundentag zu predigen. Sie haben ihn angebciet und wolle» ihn jetzt, diesen furcht baren Nagel znm Sarg« am deutschen Wirtschaftsleben, nicht verbrennen. Darum Kamps gegen diese Verbohrtheit der Sozialdemokratie. Wir müssen nnser Volk wieder zu einer Nation machen. Nur Entschlossenheit Hilst. Wir müssen der Entente sagen: Vs geht nicht mehr!" Beifall a»ö tiefster llcberzeugung geboren, rauscht dem Redner entgegen. Dr. Helfserich leitet zur Wcltpolittk üb-r. Da erreicht die Rede ihren Höhepunkt. Das Orlent-Prob'em beherrscht die Welt. Wie wird eS gelöst? Die Antwort lautet: Die Entscheidungsstunde schlägt sür den Orient, schlägt aber auch für England. Frankreich, und schlägt somit auch für Tenischland. Zwei Möglichkeiten liegen -in dem Dunkel dieser Völkerschickscilstnnde. Entweder wird sich England inne nnd bewußt, baß eS der Vormacht stellung Frankreichs in Europa Damm »nd Schranken zu setzen hat. im eigensten vitalsten Interesse, ober England löst das Orient-Problem auf dem Rücken Deutschlands. Für jeden im Saale, der auch nur einen Schimmer von Wtrt- schafts- und Weltpelitlk und ihren Auswirkungen statte, war diese Feststellung Helsserich» zwar nicht- Neues, aber in der Nacktheit deS Entweder-Oder störte man förmlich da» Ticken der SchicksalSul,r. Gibt eS hier überbaust für Deutschland eine Rettung, ein Entrinnen aus brr englisch- französischen TodeSzange? Ja! Aber dieses Ja hängt davon ab. ob jetzt in der Ent scheidungsstunde deS Orient-, die mithin auch zur Schick sals- und EntscheidnngSstnnde Oceidents «erden wird nnd werden mirk. ein deutscher Staatsmann ersteht, der die weit« nnd »vlkergeschschtliche Bedeutung dieser Stunde er kennt »nd sie »u Dentlchlands Rettung «nd Errettung zu nutzen weiß- Wo ist dieser deutsche Staatsmann? .... Verschiebung der Leipziger Urteilsverkündigung Sonnabend nachmittag 3 Uhr. Leipzig, 1t. Okt. Aus dem Platze vor dem Reichsgericht herrscht heuie wieder mehr Bewegung als sonst. Ueberall sieht man erregt diskutierende Menschengruvvcn. Bereits seit dem frühen Vormittag haben sich die Besitzer von Zu trittskarten vor dem Portal des Reichsgerichts angestellt. Da jedoch die Urteilsverkündung von 1k aus 3 Uhr verschoben wird, wird niemand eingelassen. Geduldig harren aber die Wartenden aus. um Zeuge des Schlußgktes der Tragödie zu sein, die sich fast 14 Tage lang tm großen Sitzungssaals des Reichsgerichts abgespielt hat. Die Schlange der An stehenden vergrößert sich immer mehr. Im Reichsgericht selbst bielet sich das gewöhnliche Bild, nur daß vielleicht die Verteidiger geschäftiger hin und her eilen und daß die Be amtenschaft in nervöser Spannung zu sein scheint. Kurz nach 13 Uhr scheint in den Beratungen des Gerichtshofes eine Pause eingetreten zu sein. Man siebt den Vorsitzenden Senatspräsident Tr. Hagen und den Oberreichsanwalt Dr. Ebermater, sowie andere Mitglieder des Gerichtshofes in den Korridoren, und zwar ohne ihre AmtStracht. Eine Episode aus dem Ralhenau-Prozetz. Ter letzte Tag des Prozesses hatte noch ein« ergreifende Episode gebracht. Der Verteidiger Iusttzrat Hahn verlas nämlich einen Brief der Frau Nathena«, de» diese kurz nach dem Morde an die Mutter deS Mörders, Frau Techow, gerichtet hatte. Ter Brief lautet: .Lsn namenlosem Schmerze reiche ich Ihnen, ärmst« aller Frauen, bis Hand. Gagen Dt« Ihrem Dohne, büß ich im Namen und Geiste de» Ermordeten ihm verzeihe, wie Gott ihm verzeihen möge, wenn er vor der irdischen Gerechtigkeit ein volles Geständnis ablegt und vor der göttlichen bereut. Hütte er meinen Sohn gekannt, den edelsten Menschen, den di« Erde trug, er hätte eher die Mordwaffe auf sich selbst gerichtet, als aus ihn. Möge» dies« Worte Ihrer Seele Friede geben. ge». MathllbeRathenau.* ES ist ein versöhnender Abschluß dieses erschiitternbcn Dramas, daß über alle pvliiischen Leidenschaften hinweg die gramgebrngtr Mutier des hinterrücks Gemordeten der nicht minder in tiefstes Leid gestürzten Mutter des BerüberS der ruchlosen Tat die Hand reicht. So wirkt Fraucntrauer ver edelnd und erhebend. Steckbrief gegen Günther Brandt wegen Beihilfe zum Rathenau-Mord. Berlin, 14. Oktober. Der Steckbrief gegen den al» Helfer und Helfershelfer der Mörder de- ReichSmtnlsters Dr. Nathenau gesuchten, am 1. Oktober 1808 in Kiel ge borene» Günther Brandt ist nunmehr an den An schlagsäulen verschiedener Städte erschienen. Brandt hat tn Ausführung des MortplancS den Fahrer de- MordautoS Ernst Werner Techow in Dresden von der Bahn abgeholt und wegen der Beschaffung des MordautoS tn Fretderg verhandelt. Er ist mit dem Morbauto mit Techow nach Berlin gefahren, wo das Auto bekanntlich unter Techow- Führung zu der Ausführung deS Mordes benutzt worben ist. Gegen Brandt ist vom UntersnchnngSrichter deS Staats gerichtshofes die Voruntersuchung wegen Bet Hilfe zu der Ermordung de« Rctchsmtnistcrs Dr.Rathenan eröffnet worden. Das ans den Plakaten angebrachte Bild Brandts zeigt ein glattrasiertes Gesicht mit Intelligenten Zügen von festem, entschlossenem Ausdruck. Wer zur Er mittlung nnd Ergreifung des Brandt beiträgt, hat Anrecht auf Beteiligung an der für Ermittlung der Täter ans- geschriebene» Belohnung von 1 Million Mark. Anzeigen nimmt jede polizeiliche Dienststelle entgegen. «in Ring Seulscher LeamlenvrrdSnd». Die dem Gewerkschastsring deutscher Arbeiter», An- gestellten- und Beamtenverbände angeschlossenen verbände, in denen Reichs-, Staats- und Konimuvalverbänbe organi siert sind, haben sich ,um ..Ring deutscher Beamten- verbände" mit dem Ditz tn Berlin NO. 55. GrcifS- ivaldcr Ltrah« L'.'i/SSS, zusammeugeschlvffen. Sine Lharakkerislik Wilhelms ll. Bo» Generalselbmarschall Gras Walde»!««. Im Oktober - Heft der „Deutschen Revue" «Stuttgart. Deutsch« Veriags-Anstalts wird der Abdruck von Bruch stücke« aus den Erinnerungen dr»G«»r ra l sei d- mar schall» Grafen Waldersee tberen BeröfFnt- licknng t» Buchform demnächst ersolgen sollt, sortaesrtzt. Diesmal sin- es Auszeichnungen auS der Zeit, da Wälder- sre Ehef des Gcneralftabe» war. besonders aus den Kaiser- Manövern des Jahres 18M, wo der Kaiser selbst au -wel Tagen dt« Führung eines Armeekorps überuahm und gründlich geschlagen wurde — rin« Tatsache, dir Gras Waldersee tn selnep Kritik nicht ignorieren konnte. S» zeigt« sich rasch, wie iventg der Kaiser eine noch so sachlich begründet« und taktvoll iormulterte Kritik ertragen konnte. Schon an einem der nächsten Tage erhielt er. allerdings in ehrenvollster Form, den Vorschlag, die Stellung des Generalstabschef» mit der eines Kommandierenden GenrralS tn Stuttgart zu vertauschen, woraus aber Waldersee nicht etngtng. Die» persönliche Erlebnis und bi« allgemeine Stimmung fanden ihren Niederschlag tn einer AuszeiLuuna. die Gras Waldersee einige Tage später niederschriet und die eine mindestens sür die dainaltge Zeit äußerst wichtige Charakteristik des Kaisers enthält. Waldersee schrieb u. a.: „Biele glaubten» der Monarch wäre mit selten und großen Plänen auf den Thron gestiegen. Ich bin mir vülltg klar. daß dieö nicht der Fall gewesen ist. Er übernahm da- Reich tn einer hochgeachteten Stellung, wenn auch dt« politische Lage durch das Verhältnis Frankreichs ,« Ruß- land ein« unbequeme war. Die Welt glaubt« an dt« feste Einigkeit Deutschlands, an die Ueberlegcnhett sein«, Armee Über lebe andere, an da» Genie Bismarck» nnd betrachtet« die Gesamtlage Europa» ohne Sorge. Der Kaiser meinte» nun diese Erbschaft einfach annehmen und damit Wirt- schasten zu können. Er übersah dabei zweierlei: Einmal, daß die deutschen Fürsten gar nicht ander» konnten, als sich dem neunzlgsährlgcn Gründer de» Reiches, dem dt« ganze Welt mit Ehrfurcht begegnete, zu fügen, daß dieses Gefühl dem nrnnnndzwanztgjährtgen Enkel gegenüber nicht ohne weiteres gegeben mar, daß dieser sich also hier noch viel verdienen mußte. Dann aber übersah der neue Herrscher, daß bas Verhältnis der Armer zum Kaiser müh sam erworben worden war, durch drei Kriege mit beispiel losen Erfolgen, bnrch ansehnliche Vermehrungen, durch »tn väterliches, gerechtes Versaliren. durch ein nie müde werdendes Interesse und durch den Zauber der Persönlich keit selbst. Kaiser Wilhelm H. glaubte, da» Osftzierkorp» verjünge» zu müssen. Sr hatte hierin unbedingt recht, versah sich aber tn der Art der Ausführung: cs ging viel zu hastig und keineswegs immer gerecht zu. Die älteren Offnere glaubten, von dem jungen, militärisch unerfahrenen Mon archen gewisse Rücksichten erwarten zu können: sie sahen sich aber getäuscht. Während der Großvater bi» tn seine letzten Jahre hinein jeden Offizier zur Meldung zulietz. der nach öerltn kam, wurden beim Enkel sogleich die Meldungen ehr reduziert, und fehlten, wenn sie stattfanden, das so .renndliche Wesen deS hochseltgen Herrn, sowie die rücksichts volle Behandlung deS einzelnen. Wo der Kaiser auch aus trat. zeigte er wenig Achtung vor den Alten und der Er- sahrnng. dagegen enlwickelte sich bald eine Sicherheit be urteil- und eine Leichtigkeit, über alte Leute Kritik zu üben, die bedenklich machte. Natürlich blieben solche Eindrücke der Außenwelt verborgen: ganz allmählich verbreiteten sie ich aber tn der Armee. Dazu kam sein Verhältnis zum KriegSmtulster Bronsart: hat dteser auch mehrfach falsch operiert, immer war er doch einer unserer tüchtigsten Ge nerale und reich an Erfahrungen, der die schltehliche recht schleckte Behandlung nicht verdiente. ES gab eigentlich nur drei hochgestellte Generale, denen der Kaiser stet- mit Rücksicht begegnete, Moltke. Pape und mich. Ost bat er eS auch anSgesprcchen, sich auf die Jugend stützen zu wollen: ist eS da wohl ein Wunder, wenn alle älteren Offiziere ihm schließlich kühl gegcnübcrstehen? Die Sacke würde ja auch sür dle Armee nach nicht so schlimm sein, wenn wenigstens die Jugend in Liebe und Achtung vor dem Kaiser heran- wüchse. Hier liegt aber der grobe Rechenfehler. Sr er zieht fick eine Jugend, der jede Achtung vor der Autorität verloren gehr, die ihm persönlich durchaus noch nicht an hängt. da sie eine besondere Zuneigung für die Armee nicht erkennt. Er sägt also aus dem Aste, auf dem er sitzt... ES wäre ruchlos, wenn ich nur die schlechten Setten b«S Kaiser» berühren wollte. Zu seinen guten gehört ein scharfer Verstand ibtS zu einer gewissen Grenze, die meist tn der Eitelkeit lieati und ungewöhnlich schnelle Auffassung, die ihm in Verbindung mit einem ausgezeichneten Gedächt nis eine gewisse Sicherheit tm Sprechen und Urteilen er möglicht. Sodann besitzt er, bet aller äußerlichen Härle und Rücksichtslosigkeit, eine gewisse Gutmütigkeit und auch Herz für solche, die ihm gute Dienste geleistet haben. Ferner — die» ist seine stärkste Seite — bat er ein ungewöhnliches Geschick, mit Menschen umzugrhen. Mit bezaubernder Liebenswürdigkeit weiß er jedermann für sich zu gewinnen und bnrch geschickte und angenehme, ost sehr amüsante Kon versation zu imponieren. Jeder, der ihn nicht gründlich kennen lernte, unterliegt dem Zauber der Persönlichkeit, der ja natürlich durch die Stellung alS Kaiser gewaltige Vorteile zusallcn." >» Dle Svchzett Kaiser Wilhelms II. Berlin, 18. Oktober. Ter Londoner ..Dali« Mail" zufolge ist di« Hochzeit deS Kaiser» Wilhelm aus den 5. November festgesetzt worden. Die Feier wird nicht auf Schloß Doorn, daS für die Zahl der zu er wartenden Gäste zu klein sei. sondern aus Schloß Amerongen stattstnden Die Umbildung der Reichsreolerung. Berlin, 14, Okt. Wie die „Denn" berichtet, wird im Zusammenhang mit den schwebenden Fragen seit geraumer Zeit innerhalb der NeichSregiernnq auch voran gearbeitet, daS Kabinett auf eine neue VasiS z» st-'llcn, Reichspräsident Ebcrt und Reichskanzler Dr. Wtrth seien sich arundsätzlich durchaus darüber einig, daß der seit der Ermordung NgthcnauS vakante Posten des Netchsaußen- ministerS tn Kür,« neu uese'vt werden müsse. Ta die Besetzung diese- Posten aber nicht möglich ist. ohne daß bas gesamt- Problem der großen Koalition angeschnitten wird, so bürsten sich hier noch mancherlei Schmierigkeiten ergeben. Im Augenblick sei iebenfalls eine bestimmte Persönlichkeit als Nachfolger. RathenauS »och nicht in Aussicht genommen. Die Mehreinnahmen der Einkommensteuer. Berlin. 14. Okt. Im Nelchssinanzminlsterin« schützt «an den Betrag der diesjährigen ReichSeinkommenftener aus rund 6S Milliarde« Mark, während man bei Aufstellung deS Etats nur aus etwa IS Milliarden Mark gerechnet hat. Diese außerordentliche Mehreinnahme ist tn erster Llnie durch den Markstnrz bedingt, der die höheren Löhne und Gehälter herbei führte und daurch automatisch den lOprozen- tigen Abzug steigerte- , Bayrischer Protest gegen -ie saschisttsche Vergewattigung Sildlirols. München, 11. Oktober. Eine Massenkundgebung, wtq sie wohl der Festsaal de» HosbränhanseS noch nicht ge sehen hat, sank gestern gegen die Bergewalttgung Südttrols durch bi« Faschisten statt. Da» Ergeb nis war Li« Annahme einer Entschließung, dt« fiter- ltchrn Protest I. gegen die vollkommene national« Entrech tung der wehrlos gemachten deutschen Bevölkerung Lüv- ttrolS, S. gegen dle Bedrohung von Eigentum und Freiheit, S. gegen ot« Vernichtung der Gemeindeautonomte etnlrgt. Die Entschließung ruft das ganze deutsche Volk aus, gegen diese Vergewaltigung der deutschen Sübmark Protest zu erheben.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)