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Dresdner Nachrichten : 15.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192210158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19221015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19221015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-10
- Tag 1922-10-15
-
Monat
1922-10
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 15.10.1922
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sQ-snr Alltag 5onmag,l5.0ktoder!922 Der Sinn -er Sache. Skizze von Magdalena Eisen bexg. Rudolf Deutschmanu legte den Löffel langsam tn den leeren Teller und schüttelte den Kops: ..(sch weiß nicht, liebe Frau, wie ich mtr da» eigentlich »»rechtlegen soll, um einen Sinn tn die Sache hinein, »«dringen. Nun essen wir schon so lange nicht» al» Wasser- suppen. Die Kartoffeln sind alle. Brot ist nicht »u de- zahlen. — Und dabei sitzt man und lauert vvn Tag zu Tag. das, man endlich Arbeit bekommen möchte, weil man nichts geschenkt habe» und nicht betteln gehen will. Die» Krebsen, dte» sich durchhungern mit den mühselig dem Tag abgrrungcnrn paar Pfennigen, Bettelpfennigen - denn an der» kan» man doch diese vetmarbettentlohnung nicht nennen — oder dem Erlös für den langsamen Berkaus des Hau-rat». Wo bleibt da Gott? Wo bleibt dte ewige Liebe? Oder auch nur die Gerechtigkeit? Hat man bas denn ver dient? lind wofür? Ich kriege da keinen Sinn hinein/' Tie Frau stellte schweigend die drei Teller zusammen und legte dte Lössel obenauf. Eine dicke schwere Träne tropft« dte Wange hinunter, als sie daS Geschirr zur Küche trug. Der zehnjährige Knabe Paul hatte still am Tisch ge sessen. und cd legte sich ihm beklemmend auf sein Kinder. Herz, dah dte Eltern so rat. und hilflos waren. Ader er wollte doch wenigstens etwas sagen, um den Druck von dem schon so früh mit Sorgen belasteten Herzen hinweg zu schaffen. Und mit altkluger Stimme, wie einer, der auf daS an- geschlagene Thema zurti,klommen will, begann er: „Du — Papa . . Mitleidsvoll blickte der Mann zu ihm hinüber: »Ja. Junge?" »Im Kriege gab es auch wenig zu essen, was?" „Na ob. mein Sohn. Eigentlich nicht viel besser wie heute. Fett fast gar keinS. Brot schlecht: Kartoffeln psund- weise zugeteilt: Junge, Junge, babet konnte mau auch »ich, hochkommcn. Ich im Felde Hab' nachts oft an Dich und dte arme Mutter denken müssen, die sich mit Nähen abauältc und sich auch heute noch nicht erholen kann: denn de> Jammer ist ja wieder so." Und ganz vergessend, bah er zu einem Kinde sprach, fuhr er in seinem Gebankengange fort: „Damals halte dte Sache noch einen Sinn. Man sagte sich, dah man als anständiger Kerl dte Pflicht habe, soweit die Kräfte reichten, mit beizutragrn an der Durchführung der grossen Parole: Durchhalten. Aber heute . . ." Da stich die Frau die nur angclehnte Türe, hinter der sie das ganze Gespräch mit angehört halte, aus und fuhr mit der Sand über daS zuckende Gesicht, um dte Tränen fort zuwtschen. „Denselben Sinn." sagte sic. dem Manne die Sand aus die Schulter legend und sich zu ihm neigend, „wollen wir auch tn unsere Not von heute legen. Lieber. Gott liegt mit dem Teufel lm Kriege um un», und wir sind setne Sol« baten. Und alles, was wir tun können und müssen, ist: Durchhalten." Da ergriff den Mann ein sonderbare» Gefühl. ES war ihm. als genüge schon dieser Wille, um aller Not ein Ende zu machen. Als könne der Kampf nur noch kurze Zeit dauern, bis sie reichlich belohnt werben würden mit allem, wa» zur Leibes Notdurft und Nahrung gehört. Und er ergriff die Hand seiner Frau, zog sie von seiner Schulter an die Lippen und sagte, sich straffer aufrtchtend. mit freiem Blick: „Ja. so hat die ganze Sache allerdings einen Sinn be kommen und keinen dummen. Vielleicht geht e» vielen tm Kande so. Gott kämpft um uu» mit dem Teufel." Begegnung auf der Aelse. Novelle«« von Anna HauShofer-Merk. Durch die Münchner Strassen rollte, dicht besetzt, daS Krembcnauto. und der »wischen den Bankreihen stehende Führer wie» auf die wichtigsten Gebäude, die Sehen». Würdigkeiten hin. an denen man vorüberkam. Hofrat Hrrblna. der sich auch einen Platz genommen hatte, um einen Neberbltck über die Stadt »u gewinnen, folgte aber kaum den Erklärungen und schaute nur flüch tig auf dte Tore, die fremden Plätze uno Bäuten. Er musste, zerstreut, immer wieder zu der Dame Hinsehen, die vor tl>m lass. ES war keine innge Frau. Ach. er leibst war ja «tn alter Herr mit dem Sechziger auf dem Rücken. Aber gerade deshalb schien e» io merkwürdig, dass diese Grau haarig« ihm lang« schlummernd«, wenn auch nie ganz ver gessene Erinnerungen weckte. War sie e» wirklich? Sollte er hier in diesem Frembenstrom da» einstmals so heiss ge» liebte Marlele Wiedersehen? Nach mehr als dreißig Jahren! Sic hatte ihm einmal Schlimmes angetan und setne ganze Jugend lang war Groll und Bitterkeit gegen sie in seinem Herzen geivesen- Aber nun war längst dte Zeit glättend und »ersöbnrud über die alten Schmerze» htngegangen und eS blieb von allem. waS so weit zurück lag, nur mehr eine zärtliche Wehmut, eine verklärte Erinne rung an heisse» junges Fühlen, an das glühende Glücks- sehnen von einst. Als daö Auto hielt, blieb er neugierig sichen, bis sie ausgestlegen war. Sie erkannte ihn sogleich. Das Ge- -ächtnls der Frauen ist ja so treu i» Herzenssachen. Sie wurde unwillkürlich rot wie von einer Harken Gemüts- bewegilng. Ta sic offenbar allein war, trat er auf sie zu. „Marlele!" sagte er bewegt. »Sind Sie es wirklich?" »Sich du lieber Gott!" erwiderte sie lachend. »DaS Marlele Ist eine recht alte Marie geworden." „Ich freue mich, dass wir uns noch etnmal im Leben scheu." versicherte er ihr. „Ich darf Sie Loch ein Stück begleiten?" „Aber gewiss. Herr Herding! Verzeihen Sie. wenn ich keinen Titel weiss, mit dem ich Sie anreben soll." »Bitte, ble'bcn Sie nur bei meinem Namen. Den „Hofrat" schenke ich Ihnen gern." Die gingen durch die Brienner Strasse aus die Glgptothek zu und die Gegenwart versank ihnen. Sie kehrten zurück in baü Land der Jugend. — „Ich habe den Sonnenaufgang auf dem Niai. bei dem wir «nö kennen lernten, nie vergessen," sagte er. „Sie trugen ein blnucS Kleid nnd einen Hut mit Rosen. Frau Marie. Ich weiss eS noch genau." ,^fa. damals!" lächelte sie versonnen. — „Damals ist die ganze Welt sehr blau gewesen. Ich besinne mich auch noch aut aus die Spaziergänge am Leeus-r. wenn Sie mir erzählten von Ihrer Heimat am Meer!" „Wie hübsch, dass Sie noch daran denken!" sagte er dankbar. „Und der goldene Abendssimmel. unter dem wir dann Abschied genommen haben! Mer «nS damals gesagt hätte, dass wir unS erst Wiedersehen sollten nach wehr aiS dretssig Jahren!" Sie schwiegen eine Weite, als machte wtedercrwachendeS Leid sie stumm. »Dass Sie mich so grausam abwtesen, so gar kein Wort, nicht einmal ein einziges Lebewohl für mich hatten —, das hat mir sehr weh getan!" gestand er dann. Sie blieb einen Moment stehen, schauie chn ver wundert an. „Herr Hofrat! Ihr Gedächtnis scheint Ihnen da einen Stretch zu spielen! Von Abwetscn konnte doch gar nicht die Rede sein, da ich seit jenem bewegten Abschied in der Abendsonne nichts, aber gar nichts mehr von Ihnen ge hört habe." „Aber Frau Marie! Ich habe Ihnen doch geschrieben und Sie um Ihre Hand gebeten. Der Brief kam dann zurück. Dass er geöffnet und gelesen war, da» sah man wohl. Aber keine Zeile war dabei. Wrggcworscn wie ein Zudringlicher! Nun ja, Sie haben sich bald daraus ver heiratet, waren vielleicht schon verlobt. Aber dennoch! Nach dielen lieben Tagen tn der Schweiz, nach Ihren nassen Augen beim letzten Händedruck hätte ich doch hossen dürfen —" Sie war nun ganz bleich geworden und sagte nach einer Weile langsam, traurig: „Diesen Brief hat man wir unterschlagen. Mein Vater hat ihn wohl geöffnet und zurück- geschickt. Er wollte, dah tch seinen Teilhaber heiraten sollte. Er ahnte nicht, was er mir tat! — Ich habe gewartet — gewartet. Und es kam kein Grus, von Ihnen. Da musste ich wohl denke», dass diese Svmmerlnge vergessen seren..." Er schüttelte wehmütig den Kops. .Ein Frevel ist ge schehen an uns beiden, und heute erst, als alter Grcrnlops, weiss tch, dass auch Sie treu waren, dass auch Sie gelitten haben, Marie!" Sie lächüte ihn an mit ernsten Augen. „Ich hatre einen braven Mann, ich habe liebe Kinder. Nun bin ich lange Witwe »nd die Töchter sind verheiratet. Aber meine!, frohen Glauben an die Menschen, an daS Leben, den har man mir damals geraubt! Die Welt iss nie mehr so blau gewesen wie in jenen unvergesslichen Tagen." „Ich bin Junggeselle geblieben, weil tch daS Vertrauen auf dte Frauen verloren hatte!" sagte er. ..Und nun kommt so spät, viel zu spät, die Klärung. Unser Glück ist uns ge stohlen worben." „Man soll nicht murren über die Tote»! Die Elter» haben sich wohl daurals für berechtigt gehalten, daS Schicksal der Ktriber zu bestimmen, ohne diese zu fragen. Und selten Sic, Theodor! ES ist doch schön, dass wir uns noch einmal treffen und aussprechen durften. Dass nun die Erinnerung an jene schönste Zeit, die uns geworden, wieder so ganz ungetrübt und strahlend vor unS steht!" „Nun wollen wir auch gute Freunde sein — bis an das Ende! Nicht wahr?" In einem stillen, weihevollen Attersglück gingen sie nebeneinander unter den herbstlichen Bäumen, »wn denen die güldenen Blätter herabrieselten. Der Tiger. Skizze vvn Koperntkulus. Wohl die wenigsten der Gäste wussten es, dass der ge feierte Jubilar nicht nur ein hochgelehrter Professor, son dern auch ein Mann war. der während seines zehnjährigen SlndienausenthaUs in Indien im Lande der Dschungeln Abeiucuer erlebt hatte wie ein Sven Hedtn. Tie meisten hatten den Kops geschüttelt bei dem Anblick des prachtvollen Tigerfklles. dessen leicht mit Orange getöntes Gelb neben den schwarzen Streifen das Helle Licht der elektrischen Lampen grell von der Wand zurückwarf, und hatten sich tm stillen gefragt, welche Marotte wohl den kleinen Mann mit dem scharsgemeitzclicn seingeistigen Gesicht veranlasst haben mochte, solch einen grossen Pelz nicht als Teppich zu be nutzen, wozu er sich doch viel besser eignen musste. Und bei der Tafel gab eine der in Gcsellschaslstoiictte prangenden Damen dieser Verwunderung auch lauten Ausdruck, woraus sich aller Augen fragend aus Len Professor richteten. Der sagte ernst: „Soll man die Ucbcrreste eines lieben Freundes denn etwa mit Füssen treten?" Das Staunen wuchs. „Eines lieben Freundes...?" „Vielleicht des besten, den ich gehabt habe," cmgegnete der kleine Herr, nährend er durch die scharfen Brillengläser vor sich aus den Teller blickte. „Das Fell ersetzt mtr eine Aschenurne. — Und." fuhr er fast unhörbar fort, „es erinnert mich an das aufregendste und eins der traurigsten Ereig nisse meines Lebens, an den einzigen Mord, den ich be gangen habe." Tie Stille um den Tisch wurde unheimlich. Weit geöss ncte Augen starrten den Professor von allen Seiten an, un einige Dame» wichen scheu zurück, um dann nur um so gespannter sich vorzubeugen. Der alte gelehrte Hagestolz nickte wehmütig mit dem Kopfe. „Ich miss Ihnen die Geschichte erzählen" sagte er und überlegte nicht lange. Ohne einen der Gäste nnzublicken, entwarf er in knappen Zügen ein Sstld von seinem Leben tn Indien und fuhr dann fort: „Ja. damals singen wir einen halbwüchsigen Tiger, den einer von uns angeschosse» hatte. Ich hatte die Absicht, tssn an Hagenbeck z» verhandeln, musste ihn aber doch zu diesem Zweck erst gesund machen. Und da lernte ich es ans eigener Anschauung zu meiner Verwunderung kennen, wie hochentwickelt diese grossen Katzen sind, und welcher starken, an menschliche En>psi»dun aen grenzenden Geitthle sie fällig sind. Es dauerte gar nicht lange, biS mein Tiger begriff, dass wir ehrlich um seiw Leben besorgt luaren, und dah auch die ätzende» Mittel bei der Behandlung seiner Wunde einen wohlwollenden Zweck hatten. Da ich ihn während seiner Krankheit an eine vege tarische Lebensweise gewöhnte, schienen seine Raubticr- gelüste allmählich ganz zu schwinden, nnd wir inurdcn wirklich Freunde, die sich ansetuander verlassen konnten und es auch oft mussten. Kein Haushund hätte mir bessere Dienste erweisen können als mein Freund Tiger während mehr als drei Jahren." „Und wie verloren Sie ihn?" ries einer der Gäste, der sich vor Neugier nicht beherrsche» tonnte. „DaS ist eben daS traurige Kapitel. Ich ermordete ihn," erwiderte der berühmte Mann mit vollem Ernst. Und ohne des leichten Lächelns, das sich auf manchem Gesicht bemerkbar machte, zu achten, erzählte er weiter: „Einer meiner indischen Diener pflegte zu sagen: eS ist Ihr Bruder, Sir. Und der Mann glaubte mit fester Ueber- zeiigting daran: denn er wusste, dass ich einige Jahre vor her meinen einzigen Bruder verloren hatte. Nun, ich neigte zu keiner Mnstik, aber meinen Tiger hatte ich lieb gewonnen wie einen Freund und Bruder. Es mar die denkbar beste Gesellschaft für einen Einspänner wie mich. Und doch musste ich ihn töten. Aber ich kann Ihnen sagen, meine verehrten Herrschaften, nie wieder hat sich mein Inneres tn einer solchen Spannung befunden, wie in jenen Sekunden, als tch vor dem Entweder-Oder stand." - s 8° Wan-le -eine Sorgen tn Gebete. Wanste deine Sorgen tn Lebet«. All« -ein« Trübsal, deine« Schmerz, Und dein Helland naht dir, der Erhöhte, Nimmt sie auf sein treue» tztrtenher,. Denk« an dl« Jünger auf dem Meer«, Wie sie zagten bei de« Sturm» Gebrüll. Und sie weckten Ihn. da sprach der Hehr«, Und dte wllde Meerslut wurde füll. Und vergiß nicht deine» Herrn Gebete 2n dem Lartan von Gethsemane, Wt« er händeringend tnntg fleht« Und dem Vater sagte all sei« Weh. Und e» kam et« lichter Lotte»bot«. Aelcht« ihm den Kelch der Stärkung dar. Und der Sohn, den HImmekakrast durchloht«. Ging den Weg dev Tode» fest und klar. Wandle deine Sorgen tn Gebete, All« detne Trübsal, detnen Schmerz, Und dein Heiland naht dir, der Erhöht«, Nimmt st« auf fein treue, Hirtenher^ Kurt wa««uttz> Können wlr noch Geselligkeit -siegen? von Elisabeth Thtelemann. Unter dem Drucke der bittere» Rot. der zunehmenden Verarmung und Verelendung de» Mittelstand«», wird den weiften Familien dieser Volksschicht der gänzlich« Verzicht auf dte früher so gern und meist mit Hingabe gepflegte Ge selligkeit ganz besonder« fühlbar. Man bat ohne Murre« die durch die Verhältnisse bedingten Abstriche an der früher mehr oder weniger gewohnten höheren Lebenshaltung vor genommen. Man verztchtet ohne Etage aus Genüsse materieller und ideeller Art. dt« -och frühes »u de« SÜbk- verstänbltchketten de» Daseins gehörten. Man teilt schon seit längerem die grosse Wohnung mit mehr ober weniger sympathische« Unter- »dev Zwangsmietern. behilft sich ohne AuShtlfSkrlft« ober ran» dies« «vr »och jette» »« Ausnahmearbeiten hcranziehen. Man lernte sich, ebenso wie tn die Vereinfachung des Speisezettels, auch in die meist wett einschneidendere Vereinfachung der Garderobe und damit de» öffentlichen Auftretens schicken. Aber am fühl barsten wirb doch immer wieder der einzelne» Familie die zunehmende Vereinsamung, tn die sie durch die Not der Zeit gedrängt wird. Notgedrungen muss aber diese Ab- schltessung von Gleichgesinnten, von Freunden nnd Bekann ten auch zu einer geistigen Verarmung führen. Einer Ver armung. deren letztem bitteren Ende meist mit viel wehr Furcht und Bangen entgegengcsehcn wird, wie dem der materiellen. An jene hatten wir uns ja während der ent behrungsreiche» Krieg-sahre so allgemach gewöhnt, dass sie un» schliesslich zur Selbstverständlichkeit wurde. Viel leicht, weil damals dte andere, unzweisclhast viel schwerere geistige Verarmung gar nicht eimrctcn konnte, weil mir, von einigen Ausnahmen abgesehen, fast alle Hand in Hand daheim für das Volk-ganze arbeiteten, mährend unsere Männer wieder üraussen Schulter an Schulter für uns ein- standen. Tin völlige» Abschliessen von anderen, ein Sich- loSlösen von der Gemeinsamkeit mit ihnen war damals ausgeschlossen. Soziale» Empfinden und Nächstenliebe gaben uns täglich Anlass zum Ausgehen für unsere Nächsten und wetteten auch uns Frauen den Blick für grössere wichtige volkS- und weltwirtschaftliche Fragen und Gescheh nisse. hinter denen schliesslich das eigene Leid, die eigenen Sorgen zurücktraten oder sich scheu zu verstecken suchte». Wenn wir Frauen heute mit Bekannten Zusammen treffen, bann ist fast ausnahmslos die Not der Gegenwart, Teuerung, erschwertes Einkäufen, Furcht vor der nächsten oder wetteren Zukunft der Inhalt unseres Gespräches. Höchstens kommen dazu noch bei jenen, die auch heute noch nicht ängstlich zu rechnen brauchen, die für tiefangelegte Naturen nicht minder guätendcn Gespräche über Kleider- sorgen und -Nöte und Verschwendungssucht gewisser Schich ten» dte schliesslich zu ödestem, breitestem „Klatsch" auSarte« Ist e« da zu verwundern, wenn die rechnende Hausfrau die in solcher Gesellschaft verlebten Stunde» zu den ver lorenen zählt und statt dessen lieber dabeim bleibt, um Flick- und Stovfarbetten auszuführen? Gewiß, nicht alle „Fraueukräiizchen" stehen ans derartig niedrigem Niveau, wie auch gemischte Gesellschaften, dte nach dem Kriege mehr und mehr abends, nach eingenommener Abendmahlzeit, ver» anstattet wurden. durchaus nicht immer Teuerung nnd wich, tige lokale Fragen »um Gegenstand der Unterhaltung haben, dte bekanntlich ebenfalls für alle Beteiligte« kaum je ein mal etwas Erbebendes besitzen. Aber tm Durchschnitt de» Herrschen doch zumeist die lztrtschasttichcn Nöte dte Gedaukew ' - Iber gäng, t« überwieoendem Masse, und es ist deshalb zu ve«,» stehen, dass die rechnende Hausfrau selbst te die beschränk- esten Anforderungen sür Bewirtung noch für zu gross hält, um immer wieder nur einen verwässerten Ausguss dessen zu genießen, das ihr ja dte Tageszeitungen in konzentrier ter Form bieten. Im Familienkreise wird freilich die Gcgcnwartsnvt und Zukunilssorge immer im Vordergrund des Inlereiscs aller Familienmitglieder stehen. Hier wird immer erst nach Besprechung dieses stets notwendigen zwischen den Ehe gatten und erwachsenen Kindern auch die notwendige Russe und Sammlung für höhere geistige Genüsse vorhanden sein. Und so kommt cs dann schliesslich zu jener schon eingangs erwähnten allmählichen geistigen Verarmung, die mancher unserer Hausfrauen schon heute Herz und Sinne schwer be drückt und jeden frohen Ausblick in bessere Zeiten ver- hindert. Gerade sie aber müssten und sollten es sein, die ener gisch den Hebel ansetzen, die notwendige, für alle Familien mitglieder gleich wichtige nnd erwünschte Wandlung herbci- zuführen. Bet einigem guten Willen werden sie wohl aus ihrem Bekanntenkreise jene Menschen wählen können, die sich bezüglich Weltanschauung, Eharakteranlage, Takt und Bildung zu einem kleinen anspruchslosen Kreise vereinigen lassen, der mit dem festen Willen zum gegenseitigen geistigen Geben und Nehmen während der kommenden Winter- monate regelmäßig -usammenkommt, um einfache vertiefte Geselligkeit zu pflegen und die geistigen Interessen hoch zu halten. Die beste Zeit wird wohl immer jene nach dem Abendessen sein, so dass ausser einer Tasse Tee, ohne oder mit leichtem Gebäck gereicht, keinerlei Ansprüche an die Wirt schaftskasse der Haussrau gestellt werden. Je zwangloser diese Zusammenkünfte ftattstnden. je mehr Gelegenheit dabei geboten wird, dass sich auch einzelne zu trauter Zweisamkeit vereinigen und nun beiderseitig issre Gedanken anstcnischen können, um so willkommener wird sie den einzelnen Gästen sein. Gerade das steife, nie wechselnde „Reibe um Sitzen" wird von vielen al» lästiger Zwang betrachtet, ivornnter durchaus, nicht das gemütliche Beieinander am Familien- oder Teettsch im kleinen Kreise verstanden werden soll. Als wichtigste Pflicht aber mühte es jede Sausfrau betrachten, ihrem geselligen Kreise jedwedes Abschwcifen auf dte so niedcrdrückenden TageSsragen zu ersparen, oder wenn doch einmal gestreift, zu anderen Themen überiuleiten. Sind doch nur bann dte wenigen Stunden getsNgen Austausches mit anderen gewinnbringend für alle Telle, wenn Herz und Ge müt sich etnmal über diese erheben und auS jenen unerschöps. ltchen Quelle« von neuem gespeist werben, Re uns Kunst Literatur und Musik i» überreichem Maße rneten. , k
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