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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 25.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030225027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903022502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903022502
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-02
- Tag 1903-02-25
-
Monat
1903-02
-
Jahr
1903
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rr geehrt. 2» bewegten Worte» dankte hierauf der Gefeierte der Versammlung und knüpfte an diesen Dank noch Worte der Er innerung aus seinem 50jährigen Bereinsleben und Worte der Mahnung zu fernerem treuen Festhalten an den idealen Aufgaben des Gewerbevereins. Mit besonderer Freude und Genugtuung wurde von den Versammelten die Rückerinnerung an die den meisten unbekannte Tatsache entgeaengenommen, daß im Jahre 185V auch der damalige Monarch des Sachsenlandes, König Johann, sich persönlich und ohne sremde Initiative beim Borslande als Mitglied des Gewerbevereins angemeldet habe, und zwar nach dem Besuche der ersten vom Vereine lim Iobanneum am Neu- niarkts veranstalteten Dresdner Gewerbeausstelluna. Mit einem .hoch auf daS fernere Blühen deS Verein- schloß Herr Pros. Krone seine mit lebhaftem Beifall aufgenommene Ansprache, ulach Verlesung eines Glückwunschtelegramms aus Genua fand die Jnbiläumsversammlung noch eine weitere Fortsetzung mit einem durch viele Lichtbilder illustrierten Vortrage, den Herr Oberpost- assistent Humpisck über dos Thema: .^Frühlingstage in Italien" hielt. In lebendiger, formgewandter Rede schilderte der Vortragende eine von ihm u» April v. I. unternommene Reise durch die Hauptplätze des Landess, „wo die Zitronen blühen", und liest in Wort und Bild die Schonbeiten und Sehenswürdig, keilen der Gotthardbahn. von Mailand, Genua. Spezia. Pisa. Rom. Neapel und Umgebung lBesuv. Pompeji, Salerno. Sorenl. Amalii. Capris am Auge der Versammelten vorüberziehen, um bei der Schilderung der Heimreise insbesondere noch der, landschaft liche» Reize des Gardaiees zu gedenken. Der Vortrag fand lauten Beifall. — Morgen, Mittwoch, findet ein Familicnabend des Ge werbevereins statt. —* Im Exner-Prozesse in Leipzigs verlas der Vor sitzende beute einen Briet deS Dr. Gentzsch an Schmidt vom Sep tember 1899, wonach die Leipziger Bank den Prospekt zwecks Einführung der jungen Treberamen an der Berliner Börse neben v. d. Heydt nicht unterschreiben werde, um bei der dortigen Zu- lassungsstelle kein Befremden zu erregen. Gentzsch ersuchte jedoch Schmidt, nicht jeden in die Bücher sehen zu lassen, damit das Leipziger Obligo nicht bekannt werde. Schmidt antwortete zu- ttimmend: er habe bereits ein Geheimbuch angelegt, da die Kon kurrenz versuchte, einen Angestellten zu bestechen. Aus Befragen deS Verteidigers Drucker bemerkte Sachverständiger Plaut, er habe das Geheimbuch gesehen. Exner bemerkte auf Befragen des Vorsitzenden, die Korrespondenz zwischen Gentzsch und Schmidt sei ihm bekannt gewesen. Es sei bereits hervorgehoben, daß er schon im September 1898 Bedenken hegte, ob es möglich sein werde, die Beziehungen zur Trebergetellscbaft zu einem gedeih- licheu Ende zu führen. Er teilte Liese Befürchtungen Gentzsch und Sachsenröder mit und schlug vor, ein Berliner Bankhaus, am besten Bleichröder, einzubeziehen. Sachsenröder habe ihm jedoch gesagt, seine Anticht sei zu pessimistisch, und ihm geraten, aus einer Urlaubsreife seinen Nerven Erholung zu gönnen. Von dieser zurückgekehrt, sagte Exner, habe er von Gentzsch erfahren, »atz ein Sekretariat eingerichtet worden sei, damit nicht jeder mann die Beziehungen zur Trebergesellschaft einschen könne Bankier Plaut erklärte auf Befragen, Exner möge bei der An knüpfung der Beziehungen zur Trebergesellschaft mit der nötigen Sorgfalt gebandelt haben; die Berbindnirg habe anfangs vielleicht gut ausgeieyen. Allerdings habe sich jetzt ergeben, daß bereits die Treverbilanz vom 31. März 1895 gefälscht war. Im No- vember 1897 hätte die Leipziger Bank die wahre Sachlage durch schauen müssen, dieser scheine aber der Mut gefehlt zu haben. Sietzkind stellte fest, das Obligo habe im November 1897 W Mill. Mark beiragen, das Aktienkapital 18 Millionen Mark, die Reserven 13 Millionen Mark. Er glaubt, damals wäre wenigstens die Hälfte des Obligo zu retten gewesen; aber selbst bei Verlust der ganzen Summe hätten die Gläubiger der Bank keinen Pfennig ein- gebühl. Die Aktionäre hätten sich zu Nachzahlungen bereit ge funden und die Bank wäre saniert worden, wodurch auch der Ver lust der Aktionäre em geringer gewesen wäre. Exner sagte, der Au'iichtsrat und die Direktion der Leipziger Bank nahmen 13 Be sichtigungen der Treberwerke vor und holten die Gutachten einer Reihe Sachverständiger em. Sachverständiger Plaut bemerkt, die Errichtung einesPrivarsekretariats sei an sich zulässig; im vorliegen, den Falle sei eS jedoch offenbar dazu errichtet worden, die Engagements der Trebergesellschaft zu verheimlichen. Sicßkind schließr sich dieser Ansicht an. Exner bestreitet, daß durch das Privatsekretariat etwas verheimlicht werden sollte. Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden bemerkt Exner, er wollte den Pro- kurisien Wuthe zwecks Revision der Bücher nach Kassel schicken. Schmidt habe sich jedoch entschieden gesträubt und beinerki, wenn man ihm gegenüber Mißtrauen hege, wolle er zurücktreten Es wäre aber damals einer neuen Direktion unmöglich gewesen, die Geschäfte weiter zu führen; man gab daher den Plan, Wuthe nach Kassel zu schicken, auf. Plaut erklärt, Schmidt batte guten Grund, eine Revision durch Wuthe abzulehnen, denn die Bücher der Treber- und der Tochterwerke waren sämtlich gefälscht. Ob Wuthe die Fälschungen herausgefundcn hätte, sei schwer zu beurteilen. Es sei etwas wesentlich anderes, wenn man Fälschungen bei der Revision vermute. So haben sich auch die Sachverständigen täuschen lassen, die Tochterwerke besichtigten. An Ncbeim beispielsweise warf man Graphit oben in den Ofen, die Sachverständigen sahen Graphit herausiallen und glaubten, es werde wirklich Graphit gewonnen. iHeiterkest.j Tie Generalversammlungen der Trebergesellschaft waren ausnehmend geschickt arrangiert. Schmidt gab alles, was notwendig war, zu, wußte aber die Situation jo günstig zu ichlldern, daß alle Bedenken zerstreut wurden. Dasselbe geschah bei den Tochterwerken. In der Generalversammlung vom März 1899 wollte dis Opposition eine Revisions-Kommission be- curtragen; der Antrag wurde aber nicht gestellt, weil man die Erfolglosigkeit erkannte. Darauf wird Prokurist Wuthe sehr ein gehend vernommen. Er bestreitet, daß durch das Privatsekretariat eine Verheimlichung bewirkt worden sei. Tort seien allerdings hauptsächlich Treberkonten geführt worden. Bei der Bilanzauf- stcllung fand eine Vergleichung mit der Hauvtbuchhaltung statt. Die Sachverständigen meinen, daß wohl das gesamte Obligo, aber nicht die einzelnen Trebertonten in der Hauptbuchhaltung bekannt waren. Nachmittag wird die Vernehmung des Prokuristen Wuthe fortgesetzt. Zeuge bekundet, er habe stets es zu bewirken gestlcht, daß Schmidt seinen Verpflichtungen, die Sicherheit zu er höhen, Nachkomme und ganz besonders, daß Schmidt nicht Wechsel ohne dengc Anzeige auf die Leipziger Bank gezogen. Letztere konnte dies gar nicht verhindern, da. sobald ne einen Wechsel hätte protestieren lassen, der Zusammenbruch der Leipziger Bank und der Trebergesellschaft erfolgt wäre. Der folgende Zeuge, Direktor Scholinu». bekundet, Exner habe ihm bei seinem Antritt gesagt, er könne wohl das Privatsekretariat betreten und alle Schriftstücke lesen, er dürfe nur nicht irgend etwas in eine andere Abteilung mitnehmen und nnt niemand darüber sprechen. Er Hab« eS daher vorgezogrn, von der ihm erteilten Erlaubnis keinen Gebrauch zu machen. Bei dieser Gelegenheit erwähnt Plaut, die Leipttger Bank habe Wechsel zum Prlvatsatze der ReichSbank^also mit Per- lust, begeben. Daraus hätte jedermann sehen müssen, daß die Lage der Leipziger Bank gefährdet sei. Scholinus erklärt, daß ihm eine Begebung zum Prlvatsatze der Reichsbank nicht be kannt sei, —* Der Sächsische Dampfkessel-Revision»» Verein bat am 23. Februar seine Generalversammlung ab- aebalten Aus dem Beucht des Vorsitzenden, Herrn Stadtrats Höftl. über das 28. GeichältSiabr deS Verein» ist zu entnehmen, daß dem Sächsiichen Dampskeisel-Revisions-Berrin 1812 Fiimen als Mitglieder angehören, welche 1162 Dcinwskessel. 1l Aufzüge. '<21 Dampsgeflltze, tili Dampfmaschine» und 391 elektrische Anlage» dem Verein zur regelmäßige» Untersuchung unterstellt haben. Von den Jnaenirnren des Vereins wurden N018 Revisionen und Prüfungen an Dampfkesseln n»d Dampsarsäßen. sowie 769 Indi en tor-Veriuche, 71 VeidcinwfluigS-Verfliche und >5.37 Untersuchungen und Prüflinge» elektrischer Anlagen rc. ausgeführt. Am 3. Mai findet eine besondeie Festlichkeit zur Feier des 25säbrigen Be liebens des Vereins statt. Der Verein, welcher seine Hauptstrllr in Chemnitz, Schilleistraße ll. hat. besitzt Zweigniederlassungen i» Dresden, Lelvzig, Reichenbach i. V. Zittau und Gera. —* Wie bekannt, bestehen in Dresden zahlreiche Vereinigun gen. die sich die Ausgabe stellen, arme und würdige Ko nf ir manden cinszustatten. Um idnen die Auswahl zu erreich tern. werden sie darauf ausmerkicim gemacht. daß auch dieses Iah, wieder in der Zentralstelle des Ärmenamtes, Landhaus- strciße 9. 1., Zimmer 6, eine Gesamtlrite der von den hiesige» Vereinen und Private» hierzu Ausgewählten auslirgt. ES em pfiehlt sich die allseitige Benutzung dreier Stelle, damit nicht ein zelne Konfirmanden zum Nachteile anderer mehrfach bedacht werden. —* Auch dieses Jadr dat bei der roten Straßenbahn eine große Anzahl von Schafl'nern und Fabiern, 159 Man» lca. ein Drittel des Bestandes, wie er zu Anfang 1902 Vorbande» wart, ohne Ansehen der Person für gute. zum Teil sogar tadellose Leistungen im vergangenen Jahre Prämien im Betrage von IM, 75. 50 und 25 Mk. erhallen. —* Am Sonntag früh in der 3. Stunde leisteten sich in der Wilsdruffer Vorstadt zwei von einem Vergnügen heimkehrende »inge Leute einen recht üblen Scherz. Sie waren bei dem Vergnügen als Stromer vagabundenmätzig in abgerissener Kleidung ausgetreten und von ihrer Rolle so enthusiasmiert, daß sie beim Fortgänge unterwegs mehrere Leute anhielten, ihnen ihre Baar- schaft unter Bedrohung mit Totschlägen abverlangten rc. Die beiden irrngen Lenke sind ermittelt worden. —* Polizeibericht. 21. Februar. Infolge körperlichen Leidens ist am Montag vormittag ein junger Mann oberhalb der König Albert-Brücke in selbstmörderischer Absicht in die Elbe gegangen, jedoch gerettet worden. -* Ber der Einfahrt des abends 6 Uhr 21 Minuten von Dresden fälligen Stückgürerzugcs in den Rangierbahnhos Hilbersdorf ist gestern eine von Chemnitz nach Flöya fahrende Lokomotive mit dem Güterzuge zusammrngestoßen. Hier durch entgleisten berdeLvkvmotiven. auch wurden zwei Güterwagen vollständig zertrümmert. Leider haben beide Lokomotivführer, beide Feuerlkute. sowie ein Bremser vom Gntcuuge Verletzungen erlitten, doch sollen diese glücklicherweise nur leichterer Natur lern. Die beide» Hauptgleise der Dresden—Chemnitzer Hanptltnie waren längere Zeit gesperrt, erst beute vormittag konnte wieder der regel mäßige Verkehr aut beiden Gleisen ausgenommen werden. Unter Benutzung der Anlagen des Hrlbersdorser Rangicrbahnhofks blieb aber der Personenverkehr nach und von der Richtung Niederwiesa— Ftöha crrisrecht erhalten. Die Ursache des Unfalles ist, soviel bekannt, darin zu suchen, daß der Führer der Leerlokomotive das aus .Halt" stehende AuSsahrtSlignal übersakre» bat. —* Amtsgericht. Ter frühere Markthelfer und jetzige Konzertagcnt Wilhelm Richard Hofmonn ans Ebersbach ver trieb im Oktober und November v. I. zu einem im „Musen hause" angeblich zum Besten des blinden Deklamators Portmann in Leipzig stattsrndenden Wohltätigkeitskonzert Eintrittskarten zum Preise von 50 Pfg., 1 Mk. und 2 Mk. H. vereinnahmte im ganzen 651 Mk. Das Konzert fand jedoch nicht statt, weil gegen über den nicht unveträchllichen Spesen die Einnahme zu gering gewesen wäre. Da aber die Subskribenten ihre gezahlten Be träge nicht zurückerhielten, wurde H. unter Anklage gestellt. Er bemüht sich, in der Hauptverhandlrrng geltend zu machen, daß das Konzert nicht aufgehoben, sondern nur verlegt sei, und zwar solle es am 30. Mär» stattfinden. Diesen Einwand betrachtet das Ge richt nur als Ausrede, kenntest November hat H. es gänzlich unterlassen, für das spätere Stattfinden des Konzerts etwas zu tun. Er wird zu 1 Wochen Gefängnis verurteilt. — An geheimer Sitzung verhandelt das Gericht gegen den 1868 geborenen Gärtner Johann Traugott Walter Helbig wegen Vergehens gegen § 183 des Reichsstrawesetzbuchs. Das Urteil lautet auf 180 Mk. Geld- träfe oder 2 Monate Gefängnis. — Ter mehrfach vorbestrafte Kutscher Carl August Richter in Vorstadt Cotta verwendete von 17 Mk. für fernen Dienstherr» einkassierten Geldern mindestens 25 Mk. in seinem Nutzen. Hinsichtlich des Differenzbetraaes tand ihm ein Anrecht als Gegenforderung für Lohn und Spesen zu. Nachdem er jedoch schon entlassen worden war, erschien er noch bei einem Kunden und wollte von ihm einen Rechnungsbetrag einziehen, erhielt aber nichts. Das Gericht legt ihm 4 Wochen Gefängnis auf. — In Radebeul wurde der dort wohnhafte 31 Jahre alte Former Antcn August Urban in der Nacht zum 21. Oftober o. I. gelegentlich einer von dem Polizeiwachtmerster nebst zwei Schutzleuten gehaltenen Revision, die auf vorherige Anzeige eines Nachbars slattfcind, in der Wohnung seiner da maligen Braut, mit der er jetzt verheiratet ist, wegen Konkubinats verhältnisses festgenommen und zur Wache sistiert. Auf dem Wege dahin tat er eine ungehörige Aeußerung zu dem Polizei wachtmeister. der sich da» Behquptuna auf. der Dach oin in seiner Erregung dre hauptuna entgegentretend« " die Aussage der ihn bei bei stützt: demnach erachtet da-, . - geklagte einer Behörde eine uuwahre Anzeige gegen ewe» i« Dienste best »blichen Beamten erstattet hat. erklärt sich für un- zuständig und verweist di« Sache a» das Landgericht. —' «Ertzert»« tze» v»« m. Sedruar. <»tn Maximum von üb« 77» M«. bat ftch na» Südw«»Ktztto»a Minima unter 7» «m. befinden si» über dem sinißben westlich von Schottland Deutschland bat bet ledbaften »ecanderliche« kälteres Wetter, mech ist vielfach Regen »r Ichoinlich «« «tldes. unruhige« Wetter un» Smlntt TagrSgeschichte. y? Deutsches Reich. Wie bestimmt versichert wird, soll der 4. oder der S. Juni als Tag der Reichs»aä»wable» in Aussicht genommen sein. Da» wäre unseres Erachtens, bemerken die „B. N. N". ein sehr ungeeigneter Termin. Der t. Juni ist der Donnerstag, der 6. der Sonnabend nach Pfingsten. Die Tage, an welchen die Erregung des Wahlkampfes erfahrungsgemäß den Gipfel erreicht, wurden also zusammenfallen mit dem weihevollen Frieden eineS der höchsten christlichen Feste. Außerdem pflegt die ganze Woche nach Pfingsten von zahlreichen Kongressen aller Art in Anspruch genommen zu werden. Und noch «in anderes Be- denken kommt hinzu. Die Mandatsdauer des alten Reichstags läuft bis zum 16. Juni. Würde der neue Reichstag am 1. oder 6. Juni gewählt, fo würden zwölf oder zehn Tag« lang zwei Reichs- tage neben einander bestehen. Da das nicht angeht, so würde der alte Reichstag vor dem 4. Juni aufgelöst werden müssen. Alsdann würde aber der neue Reichstag gemäß Art. 25 der Reichsver fassung innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen nach der Auf- lösung, also spätestens für Anfang September, zu einer Session einzuverufen ein. Das würde sicherlich weder den Regierungen noch den Parlamentariern zur Annehmlichkeit gereichen. Deshalb halten wir nicht nur den 4. oder 6. Juni, sondern jeden vor dem 16. Juni liegenden Wahltermin für höchst unwahrscheinlich. X Die „Kreuzzta." bemerkt zu der Programmrede des Eisen- bahnministers Budde in der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses: „Wer in der Eisenbahnverwaltung Um- sturzbestrebungen fördert, muß, wenn er Arbeiter ist, soforttge Kündigung, wenn er Beamter ist, die Einleitung der DiS- ziplinarunterfuchuna mit dem Ziele derAmtsentsetzuna gewärtigen." Die Ofsenheit und Entschiedenheit, mit welcher der Minister diesen Satz aussprach, verdient alle Anerkennung, und wir können nur wünschen, daß die in ihm liegende Auffassung über das Wefen der sozialdemokratischen Bewegung von allen Instanzen der Staats- regierung wie des Reiches geteilt werde und daß nach ihr die leitenden Kreise im Reiche und in Preußen zu allen Zeiten handeln. Die Worte deS Ministers haben im Hause eine sehr freundliche Aufnahme gefunden. Nur bei der Stelle, in welcher er aus die Umsturzbestrebungen zu sprechen kam. erd elt er aus den Reihen der Linken einen Zwilchenruf, der auf Mißbilligung schließen ließ. Das kann nicht wunder nehmen. Denn in den Kreisen unseres Freisinns, vor allen Dingen bei der freisinnigen Vereinigung hält man aus wahltaktischen Gründen an der Auffassung fest, daß die Sozialdemokratie als den anderen politischen Parteien gleichberech tigt zu behandeln sei. Im Abgeordnetenhause findet allerdings diese Auffassung nur wenig Gegenliebe. X In der Stadtverordneten-Versammlung in Posen wurde Beigeordneter Wilms aus Düsselsdorf mit 42 gegen 18 Stimmen, die auf den Posener Bürgermeister Kunz» fielen, zum ersten Bürgermeister gewählt. X England. Bei der fortgesetzten Adreßdebatte im Unter- Hause beantragte der Konservative Beckett ein Amendement, in welchem das Bedauern darüber ausgedrückt wird, daß die Organisation der Armee zu wenig den Bedürfnissen deS Reiches entspreche und kein entsprechender Fortschritt in der Stärke und Schlagsertigkeit des Heeres sich aus der Vermehrung der Kosten für militärische Zwecke ergebe. Der Antragsteller führte aus, er greife nicht die Politik der Regierung an. aber er greise die Politik des Kriegsministeriums an. Kriegsminister Brodrick erwiderte, sein Plan laufe nicht auf eine Vermehrung der Armee, sondern auf eine Reorganisation der bestehenden Streitkräfte hinaus. Der Bestand des Heeres übertreffe, wenn man von der Linien-Jnfanterie absehe, den budgetmäßigen Effektiv bestand aller Heere. Er betrage gegenwärtig 271800 Mann, die Zahl der Reserven hätten sich Ende April auf 60000 belaufen. Man könne daher unmöglich behaupten, daß kein Fortschritt in der Zahl und der Schlagfertigkeit der Armee im Verhältnis zu der Zunahme der Ausgaben erzielt worden sei. Während der letzten zwei Jahre seien große Veränderungen dnrchgeführt worden, namentlich beim Nachrichtenburcau und in bezug auf die Mobili- siernng. Die Errichtung eines Gencralstabes wie in Deutschland ioürde eine Ausgabe von 500 OM Pfund Sterling jährlich ver ursachen und eine überstürzte Aenderung sein: sie bedürfe einer besseren Rechtfertigung, als ihr bisher von ihren Befürwortern zu teil wurde. Er hoffe, daß man das Vorurteil gegen da» Kriegsministerium bei fette lassen werde, er überlaste seine Politik dem Urteil der Kammer. Kemp lkons.s unterstützte den Antrag Beckett. Elaude Lowther und Aerdurgh skons.s erklärten, daß sie sich der Abstimmung enthalten werden. Grey llib.s bemerkte, es liege kein Beweis dafür vor, daß die Regierung die Pläne zur Verteidigung des Reiches geprüft habe. T«r Plan BrodrickS sei zu stände gekommen, bevor er durch den Ausschuß für die natio nale Landesverteidigung geprüft worden sei. Man müsse «inen bestimmten Unterschied machen zwischen den Truppen, die im Aus- lande zu operieren hätten, und denienigen, die zur Verteidigung Englands bestimmt seien. Er stimme mst Beckett in der Anschon, ung überein, daß die Frage des Schutzes des Nordwesten Indiens ein Phantom sei. ES wäre für Rußland schwerer, 200 OM Mann an die Grenze zu werfen, als eS für England gewesen sei, 300000 Mann nach Südafrika zu schaffen, und wenn Rußland diese 200000 Mann an die Grenze geworfen hätte, dann stände es noch vor der Ausgabe, die Grenz« zu übeifchreiten. In dem Falle von Verwicklungen in Europa sei es aber allein die Marine, aus die England zu zählen habe. die 'Aristokratie und Hofgesellschaft nur spärlich vertreten. Man sah n. a. die Herren Erzellenz Gras Seebnch, den Grafen Wedel von der vleußsschen Gesandtschaft, die Flügeladjutanten Oberst leutnant v. Kosvoth und Maivr v. Schönberg, den Kammcrherrn v. Burgk: ferner die Gräfin Einsiedel, die beiden Gräfinnen Pontiatine. die Hofdamen der Prinzessin Luise von Kvbnrg v. Gcbauer-Fülnegg rc. Selbst die Künste und Wissenschaften hatten nur wenige nennenswcite Vertreter entsandt. Hier sind zu erwähnen Geheimrcst Professor Tr. Schilling, die Geh. Hoftäte Professoren Wocrnian» und Treu. Geh. Regicrungsrnt v. Seydlitz, Professor Prell. Sanitätsrat Pierson. Bildhauer Osicrmann. der erste Vorsitzende der ..Dresdner Kniistgenosienschaft". Kapellmeister Hagen, die Damen Therese Malten und Serda. Von der baute linsnco sah man Herrn Bankdirektvr Herrmann. Kommerzienrat Palmiü und Sohn. Nahezu vollzählig waren die Mitglieder der ..Dresdner Kunstgenoisenschait" erichlenen; sie machten tm Verein mit den übrigen Malern und Bildhauern unserer Residenz, zahl reichen Akademikern rc. die „kompakte Majorität" der Fest- besiichcr aus. Den eigentlichen Beginn des Festes markierte eine große Polonäse, die von Herrn Banrat Gräbner unter Vorantritt von vier Stabträaern (die Herren Graf Hardenberg, v. Lchlippenbach. Architekt Kühne und Maler Scholz» angeführt wurde und sich durch sämtliche Festränme bewegte. Trompetenfansaren riefen hieraus zum Festspiel, das ans der Bühne des großen Saales stattfand und sich schlicht und anwruchslos einfach ..Weihe des Festes" nannte, des Die Dichtung des Spiels rührte von dem Grafen Kuno Harden- bcrg. die Musik von Theodor Gerlach her. In sinnigen und reizvollen Wendungen klang die Dichtung, begleitet und umrahmt von der stimmungsvollen Musik, in einen Hymnus an die Schönheit und die Freude ans. für die das Fest eine einzige große Huldigung bedeuten sollte. Dre Svrechrolle des übrigens ziemlich knappen Festspiels wurde von Frl. Pölitz vortrefflich gesprochen und eindrucksvoll verkörpert, wahrend die übrigen Partien Mit- aliedern des Königlichen Eorps de Ballet und des Singechors vom Königlichen Opernhauie üoertragen worden waren. Selbstver ständlich fand die Dichtung, vornehmlich das dekorativ sehr wir- krrnasvoll gestellte Schlußbud, reichen und ungeteilten Beifall. Hier- aus sprach Herr Otto Gerlach aus Breslau drei gesprochen« Lieder v«, Theodor Gerlach, di« man erst unlängst im Musenhause von Herrn Hugo Waldeck gehört hatte, und die sich in dem viel zu großen Raume des Vcreinshausiaalcs, selbst als Uebergcmg zu den scenisch dargcstellten „Lebenden Liedern", nur wenig glück lich ausnehmen konnten, obgleich sie mit schwungvoller Verve vor getragen wurden. Quantitativ den dedeutendsten Raum nahmen ans dem Programm die „Lebenden Lieder" ein, von denen freilich drei oder vier der Schaulust des Publikums völlig Genüge getan hätten. Als besonders gelunacn dürften gelten: „Der Sviel- mann" von Eugen Hildach lFrl. Tullinger und Herr Wunderliche ,,Nach der Tanzstunde" von Meyer-Hcllmund lFrl. Gersa und yerr Lederers, „Assai-y-dih" von Erdmannsdörfer-Ficktner lHerr iLchrausf und Frl. Valleries und „Rheinisches Volkslied" von Brahms sFrl. Tullinger und Irl. Mehrtensj. Tie Klavierbegleitung zu sämtlichen Liedern wurde von Herrn Alfred Eismann mit dev wünichenswerlcn SchlagscrtiZkeit ausgeführt. Eine erheblick>e Förderung und Belebung der -stimmunginachte sich mit demAustreten F. Schweighofers bemerkbar, der in der Maske eines Wiener Ballett meisters aus der guten alten Zeit eine musikalische Soloszene mit Tanz und Gesang von Taube — Musik von Roth — unter Mit wirkung von Frau Ballettmeister Thieme und 22 Damen des Corps de Ballet zur Vorführung brachte. Im Rahmen einer exzellent gespielten „Ballstudie" brachte der Künstler, schon beim Betreten des Podiums mst jubelndem Beifall begrüßt, allerhand Tänze und Tanzweisen, übersichtlich vereint, zur Darstellung. Die lustige und durch Schweighofers bravouröses Temperament zündend einschlagende Humoreske klang in den Donauwalzer aus, der vom Podium herab unter Vorantritt all der kostümierten Paare in den Laal hinein getanzt tvurde. Hiermit war der Anfang des Balles gegeben, m dessen Verlaus nicht nur die üblichen, sondern vor allem auch die neuen Tänze, allerdings diese zumeist nur von 15 Paaren der Gesellschaft, getanzt wurden. Von den neuen Tänzen, die von Frau Ballettmeister Thieme mit Glück und Geschick eingeübt worden waren, aesielen am besten der .Mignon-Walzer" und „LeS pantincur» , während der groteske Negertanz „Cake walk" doch zu verwegen und bizar sein dürste, um sich als Gesellschaftstanz einbürgern zu können. Sehr nett nahmen sich dagegen di« von dem Akademischen Gesangverein ausaesührten „Gesungenen Walzer" aus, di« auch unter der zu verlässigen Direktion von Clemens Braun musikalisch exakt aus geführt wurden. Rach wenigen Tänzen begann — «» war bei all' den Vorträgen schon nach Mitternacht geworden — hieraus das „Künstler-Cabaret , das Frl. Poldi Gersa mit einigen famosen, nur leider viel zu langen Couplets, vielversprechend emleitcte. Namentlich von dem „Drahrer-Oed" des alten Guschelbauer, das heute zu den unübertrefflichen Paradestücken der Hansi Niese ge- hört, kann man außerhalb Wiens beim besten Willen nur zwei oder drei Verse vertragen. Ein ivenig unter de* Länge bei so vorgerückter Stunde litten auch die Vorträge eine» Mandolinen- und Harfen-Ensembles unter Führung der Herren Gebrüder Wunderlich, was um so mehr zu bedauern war, als gerade sie künstlerisch Ausgezeichnetes boten. Den Schluß und zugleich den humoristischen Höhepunkt der Vorführungen des Cabaret» bildete eine Parodie aus Maeterlincks „Monna Vanna", die unter dem Titel „Eine Einquartierung in Pisa" — nacktes Seelenaemälde in einem Mantel ohne Aufzug — gegeben wurde. Der Ulk, an dem die Musik von Brenner ungleich spaßiger als der Text von Karl Lindau ist, schlug in seiner humoristischen Schlagkraft wenig- ftcns in der Hauptsache zündend ein, zumal sich die Darstellung mit großer Liebe der Sache annahm. Die Herren Schweig hofer, Witt, Göritz. Bauer. Paulig, Bayer und Weise, die jeder in seiner besonderen Weise dazu beitrugen, dem übermütigen Stück einen vollen Erfolg zu erspielen, durften mit Recht den reichen Beifall beanspruchen, der ihnen für ihre darstellerisch« Mühe zu teil wurde. Unterdessen war eS langsam Ubr geworden. Die Jugend brannte aufs Tanzen, daS Alter sehnte sich nach ruhigen Tischen, an denen nun auch bald «in lustiges Schmausen und Zechen begann, während im Saale sich Paar auf Paar unermüd lich im Kreise drehte. Wütend« ÄnsichtSkartensammler machten beträchtliche Ankäufe in Festpostkarten, harmlosere Ballbesucher Nutz« sich zu mehr oder weniger kulanten Preisen Blumen in» Knopf- loch stecken, alt« Bekanntschaften wurden erneuert, neue angeknüpft, und es fing wirtlich an — freilich etwa» spät! — gemütlich zu werden, so dah die anfangs etwa» feierliche Weih«, dt« über dem ganzen Feste m seinem ersten Teile lag. noch and nach t» di« echte und rechte Ballstimmuna eine» Künstlerseste» üb Wie lange man im Verein-Hause dabei vergnügt beisam« vermaa nur der Chroniqueur der »Dresdner Kunstaenoss zu melden, der erst weit nach Tagesanbruch den Schauplatz ti«s Feste» verließ; und er wird e» sicher nicht verrate«.
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