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-8. Jahrgang. 348 Abeno-Ausgabe Monkag» 1. September 1924 Gegründet 18S8 Dradtan)chr>ti: vachrichl«» Dreebe». F«rnlpr»ck»r-S-mm«Inummrr: 2V 2»1. Mur stir (Nachtg«Ipräch«: 20 011. v. >. dt» II. S«»(»n>d»« >V24 d,t Iiia>.»w«imolt<>er3ul>»lluna Ir»> kau» l.SvcSoldmark. vegUgS'WellUyr Pvstd»tug»pr«t» I-Hponal S»pt«md»r Z S»Idm»n>. Si»i»l»>i««er It>D«l»»I«unt,. Di» Anzoven w»rd«a nach Soidmard derechnet: dl« »inivatlm» ZV mm drille " " IS Ptg. NamiUenan-eigtn und Elellenaeiuche ohne . , i M>., dl« !« mm dr«il» Relilamezeue ISV Pia., auherhald 20V P(g. vff«rl«na»dudr lv P>g. Au»w. Aullrdg» a«a«n Dorausdrzadl. Anzeigen-Preise: Ld'-«°M^-»Wd^ Echriilleiluna und kauplgeichällsNelle! Warirnltrab« 3S/4O. Druck u. Verlag von Ulepich » «elchardl in Dresden. Poillcheck - Konto 1OSS Dresden. Aachdruck nur mit deutlich»« Qu»I»nanaad» <.Dr«»dn»r Dachr.'» «ililMg. — ttnverlnnolr Eckr'ckvlie werden nichl ouldenrakrt. M deutsche Kriegsschuldoffensive. Die französische Presse protestiert.—Weitere deutsche Schritte sind zu erwarten Die sranzösischen Kerbstmanöver unter -em Gesichtspunkt eines Kampfes gegen Deutschland. Das Pariser Auhenministerium zur deutschen Kriegsschulderklärung. Paris, 1. September. Das Ministerium des Aeußcrn veröffentlicht folgende Mitteilung: Die französische Regierung hat noch keine offizielle Mitteilung von der öffentlichen Erklärung erhalten, die der deutsche Reichskanzler über die Verautwortlich- keit am Kriege abgegeben hat. Die französische Regic- gicrnng werde, wenn diese Mitteilung an sie gelangt, unver züglich die notwendige amtliche Antwort an Berlin gelangen lassen. Schon seht protestiert die Presse gegen eine These, die nicht nnr den offensichtlich bestehenden Tat sachen, sondern auch den formellen Aussprüchen des Versailler Vertrages widerspricht, das heisit einer causa juclicala, in Ausdrücken, wie sic Lloyd George im Rainen der Alliierten am I. März 19L1 gebraucht habe. Die öffentliche Meinung der Welt sei, das, genau vor zehn fahren Deutschland plösilich ein heldenmütiges Land angegriffen habe, das seine Rcutralität schütten musste, nnd Frankreich, das, um seinen Friedenswillen zu beweisen, in spontaner Weise seine Truppe» zehn Kilometer von seiner Grenze zurückgezogen hatte. Diese Tatsachen leugnen, hiessc der Dache des Friedens einen schlechten Dienst erweisen. Den Protesten der französischen Presse gegenüber muh daraus hingewiescn werden, dass sich die Situation seit der Unterzeichnung des Versailler Vertrages wesentlich geändert hat. Damals standen wir vor einem D i k t a t. Die deutsche Regierung hatte zwar beabsichtigt, gegen den Passus des Ver trages über die Kriegsschnldfragc zu protestieren. Es wurde ihr indessen entgegnet, dass eine Unterschrift unter Protest nicht angängig sei. Augenblicklich aber handelt es sich um die freiwillige lieber nähme von Ver pflichtungen, die eine schwere Belastung für uns mit sich bringen, und dieses Moment ist geeignet, die Belmuptung, dass Deutschland de» Krieg verschuldet habe, zurückzuweisen. Erleichtert wird der französischen Presse ihre -Haltung gegen über der Erklärung des Reichskanzlers durch das Verhalten gewisser pazifistischer Elemente in Deutschland, die nicht müde nicrden. Deutschland die Schuld oder wenig stens einen Teil der Schuld am Kriege bcizumcsscn. Die moralische Belastung Deulschlanbs mutz gemildert werden. (Eigner Drahtbericht der „Dresdner Nachrichten".) Rotterdam. 1. September. Llond Georges „Daily Ehro- ntcle" schreibt zu der deutschen Schuldverwahrung: „Fünf Jahre nach dem Versailler Frieden erscheint es Pflicht der Alli ierten zu sein, die moralische Belastung Deutschlands zu mildern. Was man damals allgemein als wahr annahm und worin man dnrch die Eisncrschen Informationen bestärkt wurde, kann die historische Wahrheit hcntc nicht mehr als be wiesen anschcn. Heute weih auch England, dass 1914 noch andere Kräfte für den Kriegsausbruch verantwortlich waren, als nnr die deutsche Kriegsvollmacht an Oesterreich-Ungarn." Kauislry als französischer Kronzeuge gegen Deutschland. Paris, 1. Sept. Der „Temps" bernst sich der Erklärung des deutschen Reichskanzlers gegenüber auf Kantsky als Kronzeugen dafür, dass Deutschland den Krieg ge wollt und ihn in der Stunde entfesselt habe, die ihm am günstigsten erschienen sei. Die Kriegsschuldsrage und das englische Kabinett (Eigner Drahtbericht der „Dresdner Nachrichten".) Rotterdam, 1. Sept. Die Rcntcragcntnr meldet gestern abend, das englische Kabinett beabsichtigt nicht, die deutsche Regierungserklärung über die Kricgsschnldfragc znm Gegenstand einer Besprechung im Kabinett zu machen. Deutschland warlel die Ausnahme -er Anli-Kriegsschul-erklärung ab. lEigner Drahtbertcht der „Dresdner Nachrichten") Berlin, 1. September. Nachdem durch die Annahme der Dawes-Gesctze im Reichstag die innerpotitische und aus,en- politische Klärung eingetreten ist, beginnen im Reichskabinett die Besprechungen über die ferneren Regierungs- Handlungen, die sich zwangsläufig aus der Abstimmung ergeben. Zunächst will das Kabinett die Aufnahme der Re gierungserklärung gegen die K r t e g s s ch u l d l ü g c bei den alliierten Negierungen abwarten- Bcachtsam ist, daß die fran zösische HavaSagcntur am Sonnabend in dem Auszug aus der deutschen Erklärung die Worte „unter dem Truck über mächtiger Gewalt" fortgelassen, und der „TempS" die Ver öffentlichung der deutschen Kundgebung mit den Worten ver sehen hat: „Deutschlands neue Abweichung vom Ver sailler Vertrag." Wie der Außenminister zu volksparteilichcn Abgeordneten erklärte, ist in Aussicht genommen, daß bas Ncichskabinctt der ersten Bcrlantbarung gegen die deutsche Kriegsschuld weitere Schritte folge» lassen wird, um über diese Frage zu klärende« Verhandlungen mit der Entente zn kommen. Dr. Schacht in Rom. Der Neichsbankpräfident über die wirtschaftliche Bedeutung Italiens für Deutschland. Nom, 1. Sept. Ter Neiclisbankpräsident Dr. Schacht er klärte einem Vertreter der Agentur Stesani folgendes: Ich kam nach Italien, um das Land und die Regierung zn be grüßen. Seit langer Zeit wollte ich das machen und meldete bereits vergangenen April meinen Besuch an. Ich wurde leider durch die Arbeiten des Sachverständigen- komitees und durch die Organisation des Bantgcsctzes verhindert. Gleich nach Schluß der Londoner Konferenz nahm ich Gelegenheit, hierher zu kommen. Ich lege Gewicht darauf, zu erklären, daß daö Einvernehmen mit Italien und seine Mitarbeit bei den wirtschaftlichen Pro blemen. welche gelöst werden müssen, für Deutschland sehr großen Wert haben. Italien befindet sich in einer sehr weit entwickelten wirtschaftlichen Lage- Ich bin wirklich überrascht, daß das heutige Italien nicht nur eine politische Macht ersten Ranges, sondern aucheinegroßcwirtschaftlichc Macht ist. Wir Deutschen hoffen, dass das seit Jahrhunderten bestehende gute Verhältnis zwischen Deutschland und Italien fortdauern wird und wünschen nichts Besseres, als zwischen beiden Ländern günstige wirtschaftliche Beziehungen hergestellt zu sehen. Ich bedauere, dass die Londoner Ergebnisse in manchen Kreisen den Eindruck erweckt haben, dass die in Zu kunft z» beschließenden Handelsabkommen unter politischem oder gar militärischem Drucke erfolgen sollen. Ich glaube hin gegen, cs sei absolut notwendig, daß diese -Handelsabkommen als wirtschaftliche friedliche Beziehungen beschlossen werden. Ich habe auch bei dem Direktor der Bank von Italien Vorgesprächen, da ich in die Mitarbeit der große» Emissions- Zentralbankhäuser großes Vertrauen habe. Die Wechsclkurs- angclegcnheiten besitzen eine derartige Wichtigkeit für das wirt schaftliche Leben, die Völker sind derart mit dem internationalen -Handel verbunden, dass zum gemeinschaftlichen Erfolg die Mit arbeit aller europäischen Emissionsbankhäuser unentbehrlich ist. Es freut mich, zu erklären, daß der Empfang in N o m mich sehr zufricdcnstcNtc. Ich hatte die Ehre, auch vom Ministerpräsidenten, vom Finanzministcr und vom Wirt schaftsminister empfangen zu werden, und empfing bei diesen Unterredungen den Eindruck des riesigen Fort schritts Italiens aus wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet, dank der Ordnung nnd der Arbeit, welche so schnell nach Kriegsende wiedcrhergestellt wurden, während mein armes Vaterland noch immer unter Zwietracht und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, also unter den Folgen des Krieges leidet. Ich wünsche aufrichtig, an der Entwicklung wirtschaftlicher Be ziehungen zwischen Deutschland und Italien Mitarbeiten zu können und wünsche Italien die beste Zukunft. kW. T. B-> Der Evangelische Dun- über Skaal un-Kirche München, !)1. August. Auf der Tagung dcS Gcsamt- vorstandcs des Evangelischen Bundes, über die bereits kurz berichtet wurde, sind die Hauptaufgaben des Bundes behandelt worden. Zu erwähnen sind die Aufstellung fester Richtlinien für die Arbeitsgemeinschaft der Zweigvcrcine, die Stellung des Bundes zu aiisserkirchlichcn Vereinigungen, die Misch- chcnfrage, das Konkordat, die Schwesternschaft des Bundes, der Internationale Verband zur Verteidigung des Pro testantismus. Von den Entschließungen der Versammlung sei diejenige, die sich mit den Beziehungen zwischen Staat und Kirche und dem Konkordat beschäftigt, wieder- gcgcben: 1. Wir erstreben, daß souveräner Staat und Kirche »m ihrer selbst willen vertrauensvolle Beziehungen zueinander pflegen. Wir fordern, dass die in der Reichsversassung fest- gclcgtc Anerkennung der christlichen Kirchen als selbständiger, sich selbst verwaltender Körperschaften öffentlichen Rechts im Reich und in den Ländern zur vollen Geltung gebracht wer den. Wir verlangen, dass entsprechend dieser Verfassung die S o n n t a g s h e i l i g u n g, der Schutz der allgemein-christ lichen und der evangelischen Feiertage, die Bewegungs freiheit der Kirche im Rahmen des Reichs- und Staatdrechts, die evangelisch-theologischen Fakultäten an den Univer sitäten gesichert bleiben. Wir bekämpfen ans Gründen kon fessionellen Friedens und der Gerechtigkeit jede parteiische Be nachteiligung der evangelischen Kirche und dcS evangelischen Volkstcils durch den Staat oder seine Behörden. 2. Die Geschichte und die Natur der Konkordate be zeugen, daß durch diese kirchenpolitischen Vertrüge eine Reihe von Dingen getroffen wird, die über den Nahmen innerer Angelegenheiten der katholischen Kirche hinaus allgemein staatliche und nationale Be deutung haben und die Rechte und Interessen der evangelischen Kirche auss engste berühren. Ans diesen Gründen stellt der Evangelische Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen die Forderung nach rechtzeitiger Bekanntgabe der Vertragspunkte. Außerdem weist der Evangelische Bund darauf hin, daß die heule in der römischen Kirche geltende M i s ch e h e n o r d n u n g dem konfessionellen Frieden nicht zuträglich ist. Eine Acnderung dieses bedauerliche« Zustandes erscheint um so eher möglich, als die römische Kurie noch im Jahre t»M in der Xonstiivtiop Provicka aus drücklich auf die Forderung der „icanguillitos rci putzlicae", der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Rücksicht zu nehmen be wogen wurde. Die Völkerbun-sversammlung in Gens. Ein amerikanischer Vertreler im Dölkerbun- (Eigner D r a h t b c r i ch t der „Dresdner 3! a ch r ! ch t c n".> Basel, 1. September. Die „Basler Nationalzcitung" meldet aus Bern: Der amerikanische Gesandte in der Schweiz, Gibson, erhielt de» Auftrag, als inoffizieller Delegierter der Vereinigten Staaten an den Verhandlungen des Völker bundes Uber die Abrirstnngssrage tcilzunehmcu. Damit bat die amerikanische Regierung die Einladung des Völker bundes angenommen. Als amerikanische Beobachter sind ferner in Genf eingetrosfcn: Thomas Lamvnt, amerika nischer Bankier, und Morgentau, ehemaliger amerikanischer Botschafter. Mussolini gehl nicht nach Genf. Paris, 3t. August. Der „Temps" meldet aus Rom: Es ist nunmehr gewiß, dass Mussolini nicht nach Genf gehen wird, um an der Völkcrbnndbcratung teilzunehmcn. Sein Blatt, der „Populo d'Italia", schreibt deswegen, die Gründe, weshalb jetzt Mussolini nicht nach Genf gehen kann, sind aller 'Welt bekannt. Mussolini hat nicht nötig, dasselbe zu tun wie Herriot und Macdonald. Die italienische Delegation besteht aus Leuten von hohem Wert, die sehr wohl Italien zu vertreten wissen. Die Beziehungen zwischen Musso lini und den ausländischen Regierungen sind sehr herzlich. Theunis fährt doch. (Durch F u n k s p r n ch.) Paris, 1. September. „Oeuvre" wird ans Brüssel ge meldet, daß Ministerpräsident Theunis sich nach langem Schwanken entschlossen habe, nach Genf zn reisen. Er werde Mittwoch in der Schweiz eintresfen. (WTB.) Genf, 1. September. Die Hotels für die englische und französische Delegation sind bis 13. September fest ge mietet worden. Man rechnet deshalb mit einer Anwesenheit Macdonalds und Herriots in Genf bis Mitte September. Hinsichtlich der deutschen Fragen liegen weder Kontrollanträge für die deutsche Entwaffnung noch andere für die Aufnahme Deutschlands vor. Die französische Sicherheit. Das Hauptthcma der Konferenz nach französischer Ansicht. Paris, 1. September. Wie der Sonderberichterstatter des „Petit Parisicn" aus Genf meldet, wird die Sicher heit s frage das Hauptthcma der Völkcrbunds- beratungen sein. In dieser Frage könnte man wohl zwei voneinander getrennte Gruppen unterscheiden, und zwar die zahlreichere, die die Entwaffnung ohne bestimmte Garantieverpflichtungen empfehle, nnd die andere, an deren Spitze Frankreich stehe, daß mau die Entwasfnnng erst nach einer Einigung über die Garantien ins Auge fassen könne, die in gegenseitigen Untcrstütznngspaktcn und obligatorischen Schiedsgerichten bestehen könnten, wobei die Möglichkeit osfcn- bleibcn soll, diese Sicherheit durch Verträge, die im Rahmen des allgemeinen Vertrages abgeschlossen sind, zu vervollständigen, Verträge, wie diejenigen, die Frankreich an Belgien, Polen und die Dschrcho-Slowakci binden. Auch der „Gauloi s" be tont die Wichtigkeit des gegenseitigen UntcrstUtzungspakteö für Frankreich und meint, der amerikanische Vorschlag werde eine Diskussionsgrundlage bilden, falls nicht der Ent wirr f d e r K l e i n e n E n t c n t c, dessen Verfasser B e n e s ch sein soll, nnd der bisher noch nicht bekannt geworden ist, ihm vorgezogcn werde. In der „Ere Nouvelle" heißt es, die neue Völkerbundstagung werde endlich entscheiden, ob cs mög lich sei, den Kontinent, der durch einen langen Krieg erschöpft und einen schlechten Frieden ermüdet ist, das Gleichgewicht wicderzugcbcn. Der Erfolg der Genfer Konferenz sei nicht eine Frage der Gewalt oder des Prestiges, sondern dcö guten Willens. (W.T.B.) Terrlloriale Frie-ensrevision -ie wichtigste Ausgabe -es Dötkerbun-es. Ei« bemerkenswertes Urteil des „Observcr". London, 1. September. Garvin führt im „Observcr" aus: Wenn der Völkerbund die bekannte Frage einer territorialen Revision nicht in Angriff zn nehmen wagt, in der offenbar der Keim künftiger Kriege liegt, wird Gens in Zu kunft ebenso vollständig versagen, wie Haag vor 1914. Nur ein größerer Völkerbund, der Deutschland und Rußland cin- schließt, und in irgendwelcher praktischen Verbindung mit den Vereinigten Staaten steht, könne hoffen, einen dauernden Frieden zu organisieren. Ter Grundsatz des Schiedsspruches vor Eröffnung jeden Kampfes sei notwendig. Er könne aber nur allgemein obligatorisch gemacht werden, wenn der Welt gerichtshof die juristische Vollmacht erhält, gewisse Bestim mungen der Pariser Verträge auf friedlichem Wege zu revidieren. sWTB.s ' Italiens De-enken zum Garanliepakl. Gens, 81. August. Das Völkcrbunbssckretariat veröffent licht den Wortlaut der italienischen Antwortnote auf den Völkerbundsentwurf für einen Vertrag zur gegensei tigen Hilfeleistung. Die italienische Regierung be grüßt die Initiative zum Abschluss eines derartigen Paktes, erhebt aber Bedenken gegen die Sonderabkvmmcn und die kurze Frist, die dem Völkerbundsrat zur Feststellung eines angreifendcu Staates bewilligt wurde.