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71. Jahrgang, Ad SS« Donnerstag, 11. November 1926 Gegründet 18S8 Dradtanlchrift- Attchrtch«»» J«knti»r«ch»r-Samm»lnumm»r! SS 2^1 Nur >ttr Nachlv^prüch«: 20 011. >.»0Wt>. vom l. dt» l». Nov«md»r >>«« d«t läaUch .iwxlmaNair JuNeUung tr«> Kuu» l.S ütz8UK9*WLvUt)l p,ftd»zug»pr»l» «Ur Mono! November 3 Mart, o»n« PoiijuNeUungegedbdr. Si,z»I,»««»r I» VIeoot». Dl, Anzeigen werben nach «Soldmar» derrchnel; d,e »inwolltg» 3V mm »rette Anzeigen-Preise: »ukerftald 2v0Pta. vllerlengebübr lO PIg. Ausw. Augriig« aeg. Vorausbezahlung SchrlfNettung und Aauplgelchittlsll-lle: warlenllratz» SS ^2. Druch u. Verlag von »iteplch Netcharbl in Dresden. PoMchech.Äonlo lass Dresden. Nachdru» nur mtt deullicher Vuellenongad« .Dresdner Nachr."> zuliilbg Unnerlangle Schrlttsluche werden Nichl auldewahrl. UlttM1A-.-..l?llltli 1UUU.UUU.lU.....M!N?^.'? keslaufsnl Ztacü 6ottia vs68lj6N8 sllderükmte öL8l8lSi1e ffsinsls Küciis — Vollwsrtigs Sisrs: -zaactinor Iszathssse-SeSu. vortmunüor Union : Lrnsi >un. illNIK.'tUi rs» Sie Regierungsumbildung im Fluß. Die Deutschnationalen zwingen zur Klärung der politischen Lage im Reich. Deulschnalionale Bereitschaft zu einer sächsischen Koalition mit den AltsoziaUsten. — Verhandlungen über die Ablösung -er Militärkonlrotte. Neuer Konflikt in -er Erwerbslosenfrage. Annahme deS kommunistischen Antrages im Ausschnß. «Durch FunkIvru ch.I Berlin, 10. Nov. In der heutigen Sihnng dcS sozial politischen Ausschusses des Reichstages stand der NcgicruiigS- cntwiirs über die K r i s c » s ü r s v r g e zur Debatte, wonach de» »»saestencrten Erwerbslose» llnterstütziiiigc» bis znm S1. März 1»27 gezahlt werden sollen. Ei» deutschiiationalcr ?lnirag, die anSgcstcnertcn Erwerbslosen wie bisher durch dir WoliliahrtSpslenc nnterstützcn zu lassen, wurde abaclehnt. Angeiiommen wnrde jedoch mit den Stimmen der Kommu- niitcn. der Sozialdemokraten, der Dcutschnationalc» nnd der Aölküchc» ein kommunistischer Antrag, der sämtliche Beschrän kungen in der Erwerboloscnsürsorge aushcdcn und die Zahlung der Unterstützungen unbegrenzt fortftihrcn will. Hieraus erklärte der Ab». Esser lZcntr.i, das, der N cg i c r u » g S c n t w n r s damit gefallen sei und die Beratungen anögcsetzt werde» mühten. Er schlug vor, morgen die Beratung des Arbeitsgcrichtsentwnrses vorzu- nebmcn. Hiergegen erhob Abg. Andrö sZentr.) Einspruch, in dem er erklärte, dast die Bcrtrctcr der Regierungsparteien sich nicht an den weiteren Beratungen des Ansschnsses beteiligen könnten, bis eine Klärung der Mchrheltsverhältnisse erfolgt sei. Ter Bcrtrctcr der Deutschen Volkspartei schloß sich aus drücklich diesen Erklärungen an. Hierauf vertagte sich der Aneschnß. Zenlrumsiniiiative zur Mehrheilsbildung. «Eigner Bericht der Berliner Schrlftleltung.l Berlin, l». Nov. Der Vorsitzende des sozialpolitische» Aiir schttsses, Zcntrumsabgeordneter Esser, hat sich unver züglich »ach Schluß der Sitzung des Ausschusses znm Neichs- iage-vräsideiiten Löbe begeben, um ihn vom Scheitern der Negier»,igsvorlagc über die Krisenfürsorge für die aus gesteuerten Erwerbslosen im Ausschus, Mitteilung zu machen »ad ilnn zu erklären, das, er keinen Weg z« einer positiven Zusammenarbeit im Ausschuß mehr sehe. Wie die „Boss. Ztg." mittcilt, ist bereits gestern im Reichs tage bekannt geworden, das, der Borstand deS Zentrums beim Ncichokanzlcr in dem Sinne vorstellig geworden lei, er möge »vn iich ans die Initiative zur Mchrheitsbil- tung ergreifen. 8», Reichstag fand heute nachmittag eine Besprechung des Reich kainlcrS Dr. Marx mit Vertretern der Regierungs parteien statt. Offiziell wird allerdings bestritten, daß in die se» Unterredungen schon die Frage der Negicrungserweiterung dchaiidelt morden sei. Es wäre lediglich über die Fragen verhandelt worden, die heute im sozialpolitischen Ansschub in der Eiwerbslvseiifragc und im Hanshaltausschiitz in der Frage der neuen planinästigcn Stellen im Berkehrsministerinin zu K e»slikIen geführt haben. Das Zentrum habe i» die ser Unterredung verlangt, daß die planmäßigen Stellen nicht >» den Nacknragsetat eingestellt, sondern erst im Haupt- ciat sür 1027 zur Entscheidung gebracht werden. Das Rcichs- kadiuett selbst gedenkt morgen darüber zu verhandeln, ob diese Personalien aus dem Nachtragsetat ansgestrichcn wer den können. In der ErwerbSloscnfttrsorgc hofft man. daß die Lozialdemokratic schließlich Entgegenkommen zeigen werde. Man stützt diese Annahme besonders darauf, daß in der heu tigen Plenarsitzung dtc Sozialdemokratische Partei nicht sür de» lt'inmniiistischen Antrag gestimmt hat, die Vorlage über die ürisensürsorgc sofort ans die Tagesordnung zu setzen. Der Adg. Esser vom Zentrum, der Vorsitzender des sozialpoli- iischeu Ausschusses ist. wurde von den Vertretern der Regie- t»i,wvartcicn beauftragt, am Donnsrstag mit den Sozial demokraten i» dieser Angelegenheit Fühlung zu ii e h m e ». . ,sn den parlamentarischen Kreisen weiß man aber ent- gegen de» offiziösen Darstellungen mehr über die Verhand lungen anzngeben, die der Reichskanzler heute mit de» Vcr- treten, der RegicrnngSpartcicn hatte. Danach legte der Reichs kanzler dar, daß cü ursprünglich nicht seine Absicht gewesen sei. die Frage der Erweiterung der Regierung anznschneidcn, da d!» »roste Bartel ans der linken Seite der Regierungs parteien gerade jetzt sich in einer Lage befinde, die cs ihr .. .. dem Rni der auch von hervorragenden Wirt- iiliasissiihrcrn lPrvf. Silverberg in Dresdens an sie ergangen ici, sicki allmählich an der Regierung zn beteiligen, zu folgen. ?ic andere groß« Fliigelparlei habe zwar durch den Mund ilnvr düstrer „wt" erklärt. dast sie zur Mitarbeit an da, Negierungsgeschäften bereit sei. Sic habe aber bis jetzt noch nicht die unbedingt nötigen Garantien dafür gegeben, das, sic nicht den Kurs der Austenvolitik stören wolle. Der Reichskanzler erinnerte I» diesem Zusammenhänge auch an den Zusammenstoß zwischen dem Deutschnationalcn Pros Dr. Hoctzjch unp dem NeichSaiißenministcr im Aus- wärtigen Ausschuß. Der Reichskanzler erklärt weiter, daß nn» zunächst in einer KabineltSsitznng die Frage der Rcgic- rungscrweiteruiig erörtert werden solle. Diese Kabinetts- sitzuiig fand dann am Nachmittag statt. Es wurden in ihr die Frage der RegierungSeriveiteriiiig eingehend erörtert und der Staatssekretär der Reichskanzlei Dr. PUn-er beauslragl, mtl -er Sozialdemokratie Fiihiung zu nehmen, ob sic Ncignng verspüre, sich an einer Negierung zu beteiligen oder nicht. Dr. Pünder hatte dann eine längere Unterredung mit den Abgeordneten Müller-Franken und Hilfcr- ding von der Sozialdemokratie. Die sozialdemokratischen Vertreter erklärten, dast sie etwas Bindendes nicht sagen könn ten, da erst ihre Fraktion Stellung nehmen müsse. Für die Stimmung innerhalb der Sozialdemokratie sind aber die Ans- sührungen kennzeichnend, die der Abgeordnete Schei de in a n n in einer Renolukionöseicr in Eassel inachte. Er er klärte dort nämlich, daß cS sür die Sozialdemokratie daraus an komme. nntcr allen Umständen eine Ncgierungstcilnahme der Dentschnationalcn zu verhindern, selbst auf die ltzcfahr hin. das, die Sozialdemokraten ln die Regierung hinein müßten. Eine Fühlungnahme mit den Dcutschnationalc« hat entgegen im Reichstage anfgctanchicn Gerüchten nicht stattgcfnndcn. Im übrigen hat der Reichskanzler Dr. Marx verlauten lassen, daß er mit den Deutschnationalcn nicht verhandeln wolle, wenn auch die Stimmung i» seiner Fraktion zwischen Sozialdemo kraten nnd Dcntschnationalen geteilt sei. Besondere Schwierig ketten für eine Beteiligung der Deutt'chnativnalcn ergeben sich daraus, daß auch in der Deutschen VvlkSpartei eine un verhohlene Abneigung gegen eine Regicrungsbeteiligung der Dcittschiialioiialen besteht. Man hat sich in Ncgierungskreisen offenbar daran ge wöhnt, mit zweierlei Mas, zu messen, indem die agitatorisch partcttakti'chc Einstellung der Sozial demokratie als deren gutes Recht angesehen wird, an dem man auch vom Standpunkte des Staatsinterest'cs aus gesehen keinen Anstoß zu nehmen braucht, während man den Deutsch- nationalen eine begreifliche und letzten Endes ihrer staats- bcjahcndcn Einstellung entsprechende Sinnfällt-pmachung ihrer Bedeutung als illoyal auölcgt. Die Verstimmung, die in gewissen Kreisen Uber die den Koalitionssricden störende Taktik der Dcntschnationalen herrscht, wird bei der erstrebten Klärung der MrhrheitSvcrhältnissc den Blick nicht trüben dürfen sür eine sachliche Beurteilung der Frage, nach welcher Seite hin im Interesse des Staates die Lichernna der Regierungsmehrheit zn suchen ist. Die Kabttiettssitziiiig hat sich auch eingehend mit de» Vor gängen im H a u S h a l t a u s s ch n st des Reichstages beschäf tigt. Es wurde dabei besonders bedauert, daß sich die Gegen sätzlichkeiten zwischen den Abgeordneten der Regierungs parteien bei den Berhandlungcn im Ausschüsse so zn- gespitzt hätten, daß man sich direkt grobe Beleidigungen an de» Kops warf. Die Sitzung des Auhenausschusses. Berlin, IN. Nov. Der Auswärtige Ausschuß des Reichs tages genehmigte das Luftverkehrs-Abkommen zwilchen dem Deutschen Reiche und Frankreich sowie zwischen dem Dcutschen Reiche und Belgien. Die Abkom me» sollen den zivilen Luftverkehr zwischen den Vertrags staatcn im Sinne möglichster Förderung des Luftverkehrs regeln. Bei der eingehenden Besprechung über die Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich vom ö. August 1»2ü Uber den Warenaustausch zwischen Deutschland und dem Saar- decke» »nd Uber das vorläufige Handelsabkommen zwilchen Dcutschlgnd »nd Frankreich wurden vom Anö- ivärtigcn Ausschüsse folgende Anträge angenommen: In einem Anträge der Abgeordneten Dr. Reichert sD.-N.j »nd Dauch <D. Bp.) wird die Neichsregterung ersucht, auf baldige Be seitigung der Erhcbnng der SV prozcntigen Reparationaexport- abgabe in Frankreich z» dringen und keinen endgültigen Handelsvertrag abznschließen, vhnc daß das Ziel vorher er reicht ist. — In dem zweiten angenommenen Anträge, der vom Abgeordneten Schnee sD. Vp.j cingebracht wurde, wird die Reichöreglcrnng ersucht, durch Verhandlungen mit der sran- zösiichcn Negierung die gleiche Bclpandlnnq der deutschen Reichsangchörigc» mit den Angehörige» der andere» Völker, biindsniitglieder in bezug auf Einreise. Niederlassung, Land- erwcrb und sonstige wirlirhgsllichc Betätigung in den sran. Zöllschen Mandatsgebieten stcherzustellen. welche in den vom Völkerbünde genehmigten Mandaten festgclegt ist. »nd ebenso den Wegfall aller noch gegen deutsche RcichSangchörige in sonstigen Gebieten bestehende Ausnahmebestimmungen herbci- zusühren. Weltpolitische Perspeklioen. Zu einer Zeit, da selbst nach amtlichem deutschen Ein geständnis die Ausglcichsvcrhandlnngcn zwischen Deutschland und Frankreich vorläufig sestgesahrc» sind, ist der iik der beiderseitigen Intercssenvcrmittliing seit jeher eifrig tätige deutsche Kali-Industrielle Arnold Rcchberg in der Pariser Zeitung „Avcnir" mtt einem neuen Vorschlag hcr- vorgctrctcn, der ans beiden Seiten des Rheines mtt Recht Aufsehen erregt hat. Rcchberg geht davon auö, daß die Thviry-Verhandlnngen deshalb nicht vorwärts kommen, weil cs sich hier immerhin um eine Teillösung des deutsch-fran zösischen Problems handle, das selbst nach einem AbichluH immer noch einen unbefriedigenden Nest in Frankreich znrücklasse. Er selbst geht anfs Ganze. Was er zur Er örterung stellt, ist nicht mehr und nicht weniger als ein regel rechtes Militärbündnis zwischen Deutschland und Frankreich als daS einzig gegebene Mittel, die Gegensätze zwischen den beiden Ländern wirksam und für alle Zeiten auszualcichc». Tiefes Bündnis soll vervollständigt werden durch einen Garanticpakt, der sich gegen jede -ritte angreifciidc Macht richtet, durch die Einsetzung eines gemein samen, paritätisch besetzten Obersten General stab cs mit gegen seitigem Infpektionsrecht und durch eine vertraglich fcstgclegte Abstimmung der deutschen und sranzösi'chen Effektivstärken im Verhältnis 5:3 zugunsten Frankreichs. Rcchberg glaubt, daß durch eine solche Allianz alle Eittwaffnungs- und Sicher- heitssragen mtt einem Schlage gelöst wären, »nd daß einem solch übermächtigen militärischen Block gegenüber jede noch etwa vorhandene Kriegsgefahr ins Nichts zerfließen würde. Er versichert auch, daß seine Gcdankengänge in eingeweihten Pariser Kreisen bekannt und zum Teil mit ihrem Einver ständnis veröffentlicht worden seien. Wenn man anderweitigen Pariser Informationen glauben darf, so scheint cs allerdings, -aß die Nechbcrg'chcn Vorschläge in Pariser politischen Kreisen nicht ungern vernommen werden, -aß man dort aber an die Verwirk lichung einer derartigen Allianz 'Bedingungen knüpfen würde, die auf die Stabilisieruna einer vierfachen französischen Hceresübcrmacht. den Vorbehalt der ausschlaggebende» modernen Kampfmittel sür Frankreich allein, ferner auf die Einbeziehung Polens in den Pakt unter Garantie der deutschen Ostgrenzen und auf einen deutschen Anschlußvcr- zicht gegenüber Oesterreich hinanslanfen. Damit sollte die ganze Anregung eigentlich schon erledigt sein. In der deutschen Rechtspresse wird sic denn auch als „utopisch und verstiegen" abgclehnt,' lediglich Arthur Mahraun, der iung- dcittsche Hochmeister, setzt sich, da ja der Plan in der Richtung seines Patrouillenrittes nach -cm Westen liegt, grundsätzlich dafür ein, und auch die pazifistische Presse Deutschlands findet warme Töne für NcchbcrgS Ideen. Ilm ihre Bcdcntnng für die praktische Politik zn prüfen, wäre cs notwendig, zn er fahren, welche französischen Staatsmänner und Militärs dem Vorschlag bereits zugcstimmt haben. Rcchberg lehnt die Antwort auf diese Frage als „den Gebräuchen der internatio nalen Politik widersprechend" ab nnd weist im übrigen ans französische Pressestimmen hin, die für seinen Vorschlaa laut geworden seien, besonders aus die Stellungnahme Maurice Schwöbs, dein er als Leitartikler des „Avcnir" und Direktvr einer wichtigen Jndnstriezeitiing eine besondere Autorität zuspricht. Nach der Wiedergabe der „Boss. Ztg." versichert Schwöb, daß Frankreich den Krieg hasse, und -aß es bereit sei, die offene Hand auszustreckcii, vorausgesetzt, daß cs nicht der geballten Faust begegne. Ganz Europa sei ver loren. wenn nicht alle Angen die doppelte Gefahr er kennen: die Versklavung an das amerikanische Gold und das E r w a ch e n A si c nö. In Angora habe der chinesische Ge sandte unter moSkowitischcr Leitung die chinesisch-russisch- ottvinamschc Tripel-Allianz geschlossen, in der als kleinere Mächte die Turkomanen, die Afghanen und die Perser ein- bezogen seien. „Es ist" sagt Schwöb, „die asiatische Invasion, die sich vorbereitet, »»»unsere 'Blindheit ähnelt derjenigen der Byzantiner, die sich vor 50» Jahren unlcreinander zank ten, als die Türken vor ihren Toren er schiene n." Es ist nicht uninteressant, dem Leitartikler des „Avcnir" aus das weltpolitische Gebiet z» folgen, von dem er seine Gründe für die Nolnn:ndigkeit eines deutsch - französischen Militärbündnisses auf Gedeih und Verderben hcrholt. Die deutsche Politik, seit Jahren anS dem Getriebe der Welt» Politik ausgeschlossen, dreht sich ick zwangsläufig nur um