Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.04.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270408011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927040801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927040801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-04
- Tag 1927-04-08
-
Monat
1927-04
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.04.1927
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Zr-llag. ». Upr« 1S27 — »Dresdner Nachrichten" — Nr. ISS Seite S Der erste massive Verkehrslärm in Dres-eu. illULiiu o o »u a > Der Dvnnerschlag im Morgengrauen... Jur »vitihrtgen Srtnnerung an die grohe Putvererploston tu -er Fireuzstratze -^7 Nachdem die von der Dresdner Verkehrspolizei mehrere Monate hindurch mit der automatischen Verkehrsregelung durch Zeichengeber aiigestellten Versuche zu einem befriedigen» den Abschluß gelangt sind, hat man kürzlich die provisorische hölzerne Verkehrskanzel mit der Semaphoreinrtchtung vom Wiener Platz entfernt und nach dem Albertplatz versetzt, iln ihrer Stelle ist setzt ein massiver VerkchrSturm in Eisen» konstruktion errichtet worden, eine etwas verkleinerte Nach» bildnng des bekannte» ersten deutschen Vcrkchrßturme» auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Der diensttuende Verkehrs- rosten steht, gegen Wind und Wetter völlig geschützt, im ersten Stockwerk in einem verglasten Kommandoraum und bedient von dort aus die VcrkehrSsignale. die als grüne (Freie Fahrt!), rote iHaltli und gelbe (Achtung!) elektrische Scheinwerfer an allen vier Seiten des Turmes auslcnchte». Die Jnbctrteb- nähme dieses neuen BerkehrSreglers durste sich noch einige Zeit hinausziehen, da erst die StraßcnvflasterungSarbeite» aus dem Wiener Platz beendet sein müssen. - Sanft WohlsahrtSbriefmarken. Der rege Briefwechsel, verkehr zur Konfirmation und zu Ostern gibt jedem noch ein» mal reichlich Gelegenheit, WohlsahrtSbriefmarken zu ver. wenden. Solche sind znm Preise von 50, 25, 10 und 5 Pf. zu haben in der .K a n z l e i d c r S t a d t m i s s i o n, Zinzendorf» strahe 17. Der Ertrag soll zur Linderung der großen Not unserer Zeit beitragen. — grnister-iehung im Realgymnasium BtasewIH. Die beiden letzte» Unterrichtsstunden brachten den Schillern einen auserlesenen Sinistgeniisi. Siortragßmelster Ludwig st l e h n e r, der sich der Schule schon mehrsach zur Verfügung gestellt hat, sprach Balladen ron Goethe, Schiller, Heine, Lenau, Fontane u. a. Die Auswahl lieh auch die jüngeren Schüler zu ihrem Rechte kommen. Der Er- iolg im Sinne der Kunsterziehung war um so größer, al» Herr ftlehner zulammen mit den Deutschlehrern schon Wochen vorder die Auswahl au» lcinem reichhaltigen, stets srei auS dem Gedächtnis gesprochenen VortragSlchay getroffen hatte, so daß die Gedichte vor her >m Unterrichte behandelt werden konnten. — trlSanSschnß Dresden der deutschen stngendverbLnd«. Die »antoretgesclllchast der VersöhnungS-KIrche führt in einer Passion», seier am 13. April, abends !-Z8 Uhr. in der evangelischen Domkirche iTophien-Klrchet di« Mattblluspalsion von Leonhard Lerchner aus, Karlen können zum Vorzugspreise von 50 Psg. von den Mitgliedern der uns angeichlogenen Bünde gegen Vorzeigung dcS LichtbUdauS- welles beim Evangelischen Fungmännerbund, Saulbachsiraße 7, ewt» nourmen werden. — Zirkus Larrasaui. Wie wir erfahren, trisst heut« die berühmte Aaubcrschau Ramtro-Vandredi hier ein und wird tm Airku» Darra- sani einige ihrer geheimnisvollen Vorstellungen veranstalten. Der Montagmorgen des v. April 1877... Kurz vor 4 Uhr früh schickt sich eben der zweite Nachtwächter der Pirnaische» Vorstadt, Friedrich Slaumünzer, an. dir vierte Morgen- stunde abzublafen, als ein furchtbarer Donnerschlag er- dröhnt.... Dt« Erde scheint zu beben, und der Lustdruck schleudert den Wächter an eine Hauswand am Ptrnatschen Platz »urück. Vluttgrot zuckt nach dem Kreuzturm Feuer schein am fahlen Frühlingomorgenhimmel aus... Fensterglas klirrt. Dachztegeltetle prasseln durch die Lust.... Ein kurzer, zweiter Schlag erfolgt. Jetzt wird es tn den Häusern lebendig. Licht flammt auf. Aus Haustüren heraus kommt es ge laufen und wird gerufen.... Pechsackeln lodern aus. Das bekannte Feuersignal der von ihrer Wache in der Johannes- straße mit der Abprotzsprttze heranrasselnden Dresdner Ve- rufsseuerwehr ertönt, und kurz daraus schlägt die FcuerschcUe aus dem Kreuzturm an. Bald darauf schmettern die Horn- stgnale der Dresdner Turnerfeucrwehr durch die morgen- stillen Straßen, um die Wehrleute zu alarmieren. Vom Alt- markt und von der Morttzstraße her kommen dte Menschen gelaufen. Alles drängt «ach der Kreuzstraße, in deren Haufe Nr. 19 eine furchtbare Explosion stattgesunden hat. Blinkende Genüarmenhelme schieben sich durch dte sich stauen den Menschenmassen. Feucrivehr und Wohssahrtspolizei rettet aus Steckleitern eine Anzahl notdürftig bekleideter Menschen aus dem Hintergebäude des tm Dachgeschoß lichter- loh brennenden Hauses. Wilde Gerüchte schwirren umher.... In dem brennenden Hause sollen Dutzende von Menschen erstickt und verbrannt sein. Der tn Windeseile durch die Wilsdrufser Vorstadt heransagende Stechkorbwagen des Friedrtchstädter Kranken. Hauses mit seiner Nvten-Kreuz-Fahne bestätigt der tn laut- losem Schweigen harrenden, von Minute zu Minute immer stärker anwachsenden Menschenmenge, daß die P«lverexplosion in der Kreuzstraße auch Menschenleben gefordert haben muß... Aerzte und Krankenträger sind durch die Stadt- gendarmerte alarmiert worden, und während dte Wasser, strahlen der emsig arbeitenden Drucksprthen In bas wabbernde Flammenmeer des bis zum zweiten Stockwerk herunter, brennenden Hauses gischen, rüsten sich vor der Brandstätte dte Ploniermannschaftcn der Feuerwehr mit denen der Wohl- fahrtSpoltzei und ble bereitgestcllten Samariter, um über glimmende Balken und schwelende Trümmer hinweg In das Innere des durch dte Explosion fast völlig zerstörten Hauses einzudrtngen. Zwei Stunden nach der Explosion, gegen 0 Uhr morgens, wird die erste Leiche aus den Brandtrüm- mern geborgen. Es ist die des tüjährigen Bierausgebers Paul AndräaS, der im Dachgeschoß schlief und auf der ver qualmten Treppe keine» Ausweg finden konnte. Zwei Stunden später, gegen 8 Uhr, entdeckt die Feuerwehr den ver- stümmelten Körper des früheren Chorsängers Stetn- müller, den die Explosion an die Wand gedrückt und ins erste Geschoß herabgeschleudert hatte, so daß ein Arm des ver schütteten Opfer» zu einem Erkerfenster des brennenden Hauses heraushing, und man bei dessen Anblick mit Recht an- nehmen mußte, daß auch noch andere Bewohner des zer» störten HauseS bet der Explosion ums Leben gekommen waren. Den fortgesetzten Anstrengungen der Feuerwehrleute gelang es denn auch schließlich, das dritte und vierte Opfer der großen Pulverexplosion der Kreuzstraße zu finden, zu denen noch dte Dienstmädchen Paultnc Kluge und Anna Römisch zählten, die beide mit von der Gewalt der Explosion zer schmetterten Körpern verkohlt aus dem Brandschutt heraus gezogen wurden. ES war eigentlich ein Wunder, daß sich immerhin neun Personen nach der Explosion hatten aus das Dach eines Hintergebäudes retten können, die dort, tn Todesangst und frierend, warten mußten, bis sie auf Leitern heruntergeholt wurden. Es befanden sich darunter verschiedene tm Hause wvhnende Gewerbetreibende, namentlich der Restaurateur rantner, der die kleine, tm Erdgeschoß gelegene Schank- Wirtschaft »Zum Fuchsbau" hatte und bei dem entsetzlichen Krach der Explosion säst unbekleidet in Windeseile aus seinem Bette aus bas Dach eines Schuppens tm Hofe geflüchtet war, um später von dort aus gleich anderen Hausbewohnern in Sicherheit gebracht zu werden. Ueber L7 Personen waren von der Explosion um ihr Hab und Gut gebracht worden. Die meisten von ihnen hatten so gut wie nicht versichert, und eS war daher kein Wunder, wenn bereits am Brandplatze in erregter Weise die Frage nach der Ursache der Explosion ge» stellt und von den Vertretern der Behörde nach deren Urheber geforscht wurde. Das war freilich nicht so einfach. Denn der jenige, der diese beklagenswerte Katastrophe verursacht hatte, war dieser selbst zum Opfer gefallen. Es war jener Unglück» liche, frühere Hostheaterchorsänger Steinmllller gewesen, der sich schon seit längerer Zeit mit der Herstellung ovn Feuerwerkskvrpern beschäftigt und In unverzeihlichem Leichtsinn größere Mengen vv„ Schwarzpulver tn seiner tm zweiten Geschoß des Hauses Kreuzstraße IS gelegenen Woh» nung mit anderen leicht explvdterbaren Materialien auf- brwahrt hatte, die er zur Ansertigung seiner Feuerwerk»- körper brauchte, mit deren Handel er sich etnen nicht un wesentlichen Nebenverdienst verschaffte Stetnmüller halte schon tn früheren Wohnungen in Dresden, in der Rähnitz» gasse tn der Neustadt und tn der Deevorstadt. ein kleines Laboratorium tn seiner Wohnung unterhalten und dieierhalb mit seinen Hauswirten und der Feuerpolizei Difserenzen be kommen. In seiner damaligen Wohnung in der Kreuzstraße war erst kurze Zeit vor der Explosion eine behördliche Re vision erfolgt, und man hatte dabei nichts BeanstanbenSwerteS vorslnden können. Freilich hatte Stetnmüller es tn schlauer Welse verstanden, eine Anzahl Pakete mit Schwarzvulver, daS er sich von auswärts unter einer Deckadresse hatte zuichicken lassen, tn seiner Wohnung zu verstecken. Mit diesem gefähr» ltchen Material muß dann wohl der Sänger sich gegen Morgen irgendwie bei offenem Lichte z» schassen gemacht haben, denn er wollte am Tage der verhängnisvollen Explosion nach Leipzig hinübersahren, um dort mit seinen Feuerwerks» körpern ein gutes Geschäft abzuschlteßen. Man batte wohl ursprünglich angenommen, daß sich Stetnmüllers Pulvervor räte durch Selbstentzündung entladen hatten, aber dte spätere genaue Untersuchung der Brandstätte durch Sachverständige »nd der Umstand, daß man den Urheber der Explosion, nur mit dem Hemde bekleidet, als verstümmelten Leichnam auf fand, läßt es als bestimmt annehmen, daß jener in morgend, licher Eile bei offenem Lichte mit seinen FeuerwerkskSrper« hantiert haben muß. wodurch dann dte gewaltige Pulverexplosivn her» betgesührt wurde, die vier unglücklichen Menschen das Leben kostete und außerdem noch anderen Personen, darunter auch einigen Feuerwehrleuten, bei den Löscharbeiten leichtere Ver letzungen zusügte, ganz abgesehen von vielfachen schweren Schäden, die durch den gewaltigen Explostonsdruck an Fenstern tn Wohnungen und Geschäften tn der Nachbarschaft herbeigesührt worden waren. Trotzdem in der Nähe beS Explosionshauses bei den meisten Läden die Schaufenster durch die herabgelassenen Rolläden verschlossen gewesen waren, waren deren Scheiben hinter den Läden vollständig zertrümmert worden. Riesige Menschenmassen umlagerten noch tagelang dte Explosionsstätte. dte am Unglückstage selber tn der vierte» Nachmtttagsstunde auch von dem damaligen König Albert be sichtigt wurde, dem Branddirektor Nitz von der Dresdner Be» rufSfeuerwehr und Feuerlöschdirektor Scholle, der Komman» dant der Dresdner freiwilligen Turnerseuerwehr, einen ein» gehenden Bericht der Katastrophe erstatten mußten, die mit ihren einzelnen erschütternden Vorgängen aus Wochen hin» aus einen beliebten Gesprächsstoff in der Dresdner Bevölke. rung bildete. Ihr Anlaß hatte wenigstens dte praktische Folge, baß nunmehr dte gewerbe» und feuerpolizeilichen Be» stimmungen über die Anfertigung und Aufbewahrung von Feuerwerkskörpern erheblich verschärft und aufs strengste durchgeführt wurden, so daß jener Donnerschlag im Morgen, grauen des 5. April 1877 in Dresden wenigstens e I n Gute» für die damalige Mit» und spätere Nachwelt gehabt hat. L. S. unrl „I< lalirea devSkri, «Iute»In1«uii»»- uixi XdNMrmlttel. Lu ii»d«n In »»»n zpoideiieo. D»c fSldl, lslnlgl, wüseM sllss vis äugen 0sins8 kinäss »ins „in kllswsislsf ösrilr. Vst 8cß»Lotning isedl- »i ig rum üugsnsiri uns äsnn ru SEMsn lUosIRlL» ve»«,»« Sie«»« rs i des musikalischen Direktors der britischen Rundsunkkorpora- tw». Percv Pitt, ein Frühstück für die Begrüßung Siegfried Wagners und seiner Ggttin tm Savoy-Hotel statt, an dem die Vertreter der Britischen Rundsunkgeselischaft und Bot» ichaslSrat Dteckhoss und Gras Bernstorsf von der deutschen Botschaft teilnahmcn. Mit Fer-inan- Kol-er in -en At-en. Bon W. Men, t. Wer ron den Alpen spricht, muß Große zitieren, und wer tn die Alpen reist, darf nicht allein gehen. Ich habe Ferdtnand bvdlcr mitgenommen. Er sagte: wir gehen tn die innerst« Herzkammer der Bergwelt. Dort gibt cS den schönsten Berg dcS ganzen Schweizer AlpenaebicteS. dir schönste Dreirinhett von Berg: er ist zwar btzrtthmt und vlclgcmalt, aber noch keiner bat die Blümltsglv ganz erkannt und sie. In ihrsr unfaßbaren Gliederung, tn die Leinwand etnznsiellen vermocht. Das liegt am Berg und an der Leinwand . . . Und dort gibt cS den einzigen See. der keinem andern vergleichbar ist: den blauesten, schwärzesten weißcsten. rötesten. Er ist ein Auge der Erde. In ihm liegt der seidene Südlandkitmmel. der dinier der Blümiisalv aufgcspannt ist. oder daS unbegreiflich malt intensire Schimmern der Weißen Frau, oder der Schlag schatten der Wände. Felsen »nd Zacken, oder daS Alven» glichen. daS viele bemitleidenswerte Menschen vergesse« dollen anznbeten als das entzückendste Wunder und »eicr- lichste Geschehen In den Bergen. Die Konzentrierung von BlttmliSasp und Oeschtnensee. von Nordland und Südlanb von Werden und Vergehen, von gewaltiger Harmonie eines elementaren Orchesters und bksvnntester Stille beißt Kandcrsteg: Steg über den schäu menden Wildbach Kandcr. Steg an viele» uralten Straßen, Illoweaen. Saumpfade». Freilich fitbrt setzt dte Vvttchberg- badn da hinaus, tn Kehren und Schluchten, über Abgründ« bin am Rand schauerlicher Tiefen vorbei: nach Italien. Der Höllcounkt — nicht zu verwechseln mit höchstem Punkte geo graphisch — dieser ganzen Balm itbertrifft dte Höhepunkte des Ztmplon um rin Vielfaches, selbst die landschaftlichen beS Goitbard. — unter dem Schimmern der Gletscher, der Fata» morgana aus Himmel. Nebelbrauen. Wäldern und Süd winden rnbt Kanderstrg. Im Brause» der Bäche, der Lawinen» gange tn schwindelnder Höbe, tm Zauber unbekchreidbar Iraumäbnltcher Tage »nd kristallener Alpennächte Freilich: da» kann niemand als Ferdinand Hobler auf dte Lein vand bringen, weil er nicht bloß Maler, sorr-ern Dichter »nd M"stker war tn seiner Kunst. Darf man einen, der diesen mnsttschen Boden betrat, noch Maler. Dichter oder Musiker nennen — oder ist er nicht vor allem etneS: ..Erkennender". Die Alpen sind ein gewaltiger Ausdruck des Lebens, des Willens zum Leben. — sie können in ihrer Grüße zur Reit» gton werden. Wenn Ferdinand Hobler ron sich und seiner Kunst sagte, daß der am weitesten komme, der am tiefsten naibdenke. während dte andern Herde bleiben, so gilt diese» Wort am meisten vom Nachdenken in den Alven und darüber hinaus nicht nur für die großen Erkennenden, sondern kür alle Menschen überhaupt. In Tälern der Alven. wie dem» sentgen KanderstegS. tm Angesichte von Bergen wie der BlümliSalp hört daS Wort „B'crgsport". daS an Hunderten von Orten seine Geltung hat auf und wird so schal wie wenn man den Begriff Hobler mit dem Worte Maler bezeichnet«: denn das fortwährende, endlose, beglückende Erkennen, das hier die Seele staunend erfährt, schasst eine Ergriffenheit, dte den Menschen unmerkbar umfängt, von ihm starke und trotz dem gänzlich unbewußte innere Anspannungen verlangt, selbst aus dem kleinen Spaziergang durch Matten und Wälder. Durch diese Anspannungen, durch dte heitere, sonnige, keier- ltche Ergriffenheit wird dte immerwährende neue Erkenntn'ö. die da» Herz überfällt, zur maßlosen Quelle der Leben», kraft. Wie die Erkenntnis den Menschen und Maler Hobler darüber hinaus zum lebendigsten Gestalter der Alven- lan-schaft — durch Wiedergabe de» Gesehenen wie durch von allem Weltlichen gelöste symbolische Jünglinge und Mädchen — führt«, so vollzieht sich am „kunstlosen" Menschen dasselbe Wunder nur mit dem einzigen Unterschied, daß ihm tm Herzen bleibt, wofür der Künstler um den Ausdruck ran» Nirgend» anders und nur daher kommt dte geistige Er neuerung. kommt dte seelische Festigung, die jedem von dem Alpenwunder gegeben wird. SS wäre ein Problem, von Philosophen und Dichtern tn erster Linie zu untersuchen, welche Faktoren «S sind, die den Menschen in den Alven er» greifen, ihn dem Ewigen nahe fühlen, ihn die unergrüud» ltchen Zusammenhänge von Mensch und Welt. Welt und Seel«, Seele und Gott in klarer Deutlichkeit erfaßen lallen. Nietzsche bat zu diesen Gedanken da» Engadin gesucht, zu einer Zeit, al» das Kandertal und Kandcrsteg nur wenige BerSbtrte» bewohnten und aller Berkchr auf den Gemmt» wagen, diesen tn der Welt einzigartigen, einsitzigen Ge» sährtrn, abgeivtckelt wurde, nachdem Kardinal Gchtnner in» direkt da» Kandertal entdeckt batte. Nietzsche würde heute da» Engadin meiden und über den Gemmtvaß rettend unter dem vetßsrauglanz ber BlümliSalp, am Weltauae de» Oeschtnensee«. oder am sammetrubigen Blausee sein« Kraft suchen: Hunderte haben es seitdem getan. Nirgends tn den Alven ist die Vorstellung gegebener al» hier, daß Berge. Gletscher. Zacken. Nebel. Lawtnenzüae. Wildbäche persönlich wirkende und bewußte Wesen »eie«, weil wohl an wenig manchen andern Orten alles Gewaltige der Alpen näher zusammengerückt erscheint und tn roll» kommcnerem Ausdruck Ein leerer Rahmen vor daS Gesicht gehalten, zeigt immer und tn jeder Verschiebung ei» Ge mälde. unbedingt hinctnkomponiert tn den Rahmen, zeigt immer vollkommene Naumvertctlung, und zeigt etwa», was nach Hodler gar nie richtig — in ber Kraft des unmittel baren RcizcS aus daS innere Sehen des Menschen — zur Wi-dergabe durch die Kunst erfaßt werden kann: die Farbe. Ich habe — bescheiden neben dem „mitgenommenen" geistigen Ferdinand Hobler stehend — im Stockenwald ob Kanderstea die unvergeßlichste Stunde erlebt. ES ,var ein Schwelgen tn Farben, vorhanden in der Tausendzahl, und keine einzige bestimmbar mit „Not" oder „Blau" ober einem ähnlichen Wortbegrtss. Hundert Male Rot und kein einziges Mol dte Möglichkeit, wirklich rot zu sagen. Aber diese Farben Köllen unsagbar daher: eS konnte eine Snmphonie von Beethoven sein, es konnte zu Handn ummodulieren. es konnte auch Richard Wagner werden. Oder überhaupt: waren eS nur Töne, nicht auch zugleich Worte. Ausströmung großer Tr- kenntnille. Wirkung aus hundert Sinnesorgane, von denen der Mensch vorgeblich nur den kleinsten Teil kennt? Jetzt donnerte tm Tal ein Zug nach dem Dorfe, bespannt mit der stärksten Lokomotive, die tn Europa fäbrt: da» war wie die Verbrüderung zwischen Mensch und Natur.' Denn er klang nicht apder» denn eine fern niedergehende Lawine, oder auch wie ein Gewitter hinter den Doldenhörnern, oder wie ein Bergbach. Der Zug gab einen Ton der allgemeinen Harmonie wieder, die durch nichts, auch nicht durch de» Menschen, gestört werben kann, sondern umgekehrt Ver gängliche» und Ewiges ineinander fließen läßt. Hodler »nd Beethoven. Handn und Seaanttni gebe» ineinander über, alles was Menschen geschaffen aedachl. ae- süblt. strebt zusammen in eine Erkenntnis: die» ist diejenige, den dieser Herzwinkel de» Alpenlandes zu vermitteln rer» mag. Der deutsche Mensch ist für sie unverhältnismäßig empfänglicher al» der Romane, der ihr vielfach geradezu ver schlossen gegenüberstebt Dies ist auch der Unterschied in der Erfassung Ferdinand Hobler» durch die verschiedenen Rationen. So deutschgetttig wie dieses Land eS ist. mit -er auellfrischen alemannischen Mundart mit seinen alte« Bräuchen. so deutschgeistig ist t» seinem Kern Ferdinand Hobler, und über ihn ht«au» tragt die ttefe Art de» er kennende» Meirichen dirseltzen Züge.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)