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Kompromiß in der Crtverbslosensrage. Zusammenstoß zwischen Slresemann und Koehsch im Außenausschuß wegen -er WehrverbSnde. Löbe sür den Aegierungseintritk der Sozialtsten. - Französisch-italienischer gwischensall. - gwei Todesurteile in Landsberg beantrag!. Die Stellungnahme -er Aeichsregierung. Berit«, 2. Nov. Wie man aus Kreisen deS Reichstages hört. soll in der Frage der Neuregelung der Ermerbsloseu- sttrsorge eine Verständigung zustande kommen. Dte Grund lage dafür ist in den Erklärungen gegeben, die im Unter ausschuß des sozialpolitischen Ausschusses ein Vertreter deS Reichsarbeitsministers wie folgt bekannt gab: Dte RetchSregierung tst danach bereit, in der ErwerbS- losenfürsorge bis -um 81. März 1937 die Bezüge sämtlicher Hauptunterstützungscmpfünger iLedtge und Familienväter) «m 19 Prozent z« erhöhe«. Der Unterschied zwischen alleinstehenden «nd nichtalletn- stehenden Erwerbslosen soll beseitigt werden. Dt« obere Grenze für die ErwerbSlosenfürsorge soll so gestaltet werden, daß auch das vierte Kind den vollen Zuschlag erhält. Dte Prüfung der Bedürftigkeit soll gleichmäßig und entgegen, kommend gehandhabt werden. Im Wege einer Krtsenfürsorge sollen die Ausgesteuerten, soweit sie noch arbeitsfähig und arbeitswillig sind, für die Dauer des Winters in der Er- werbSlosenfttrsvrge verbleiben. Die Lasten der Krisenfürsvrge sollen zu sieben Zehnteln vom Reiche, zu drei Zehnteln von der Gemeinde getragen werden. Für die anderen Erhöhungen wird das Reich zur Abgeltung der höheren Kosten den Ländern einen angemessenen Pauschbetrag zur Verfügung stellen. Ferner tst die RetchSregierung bereit, Vorlagen sür ge setzliche Regelung zu machen, nach denen das Wochengeld und der Entbtndungskostenzuschlag der Ehefrau nicht auf die Er werbslosenunterstützung des Ehemanns angerechnet werden. In der Arbeitsbeschaffung und produktiven ErwerbSlosenfürsorge solle» die eingeletteten Maßnahmen nachdrücklich sortgeführt werben. Bei der Vergebung öffent licher Arbeiten und Lieferungen innerhalb und außerhalb deS ArbeitSbeschasfungsprogrammS soll erneut darauf htngewirkt werben, baß kein« Ueverftnnhe» geleistet und neue Arbeitskräfte nur vom öffentlichen Arbeits nachweis entnommen werden. Dte Regierung erklärt sich weiter bereit, die berufliche Ausbildung, Fortbildung und An- Passung der Erwerbslosen, insbesondere der jugendlichen Erwerbslosen, mit verstärkten Mitteln zu fördern, ganz all gemein aber bei den Landesregierungen dahin zu wirken, daß die Gewerbeaufsichtsbeamten bet der Bewilligung von Ueber- stunden grüßte Zurückhaltung üben und daß dte Staatsanwaltschaften bet der strafrechtlichen Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Arbeitszeitvorschrtften mit aller Strenge Vorgehen. Die RetchSregierung wird weiterhin um eine ab schließende Regelung durch möglichst baldige Verab schiedung der Arbeitslosenversicherung bemüht sein. Dte Denkschrift über dte Maßnahme» z u g u n st e n der älteren Angestellten soll dem Reichstage noch im November zugehcn. An dte Erklärung der Negierung schloß sich eine längere Aussprache, in der sedoch die Redner der einzelnen Parteien noch keine bindenden Erklärungen abgabcn. Umschichtung der Arbeitsverhüttnisse. Ei« Vorschlag Schleies zur Sr«erbSlose«srage. Haie, 2. November. Aus der heutigen Tagung des Landbundes von Anhalt in Köthen hielt Minister a. D. Schiele eine bemerkenswerte Rede über die Struk- turwandlunaen der deutschen Wirtschaft. Er führte u. a. aus: Im Brennpunkt der kommenden Regierungs- und Reichstagsverhandlungen steht innenpolitisch das Arbeits losenprogramm. Die Einstellung der Negierung zur Arbeitslosenfrage sei salsch «nd schwächlich. Nicht eine Er höhung der Unterstützungen oder eine Verlängerung der Unterstützungsdauer bringe uns dem Ende der Arbeitslosig keit näher, sondern eine vollkomme«« Umgestaltung der ArbeitSverhältnisse. Dte Industrie biete zurzeit keine Möglichkeit zur Aufsaugung eines wesentlichen Bruchteils der Millionen von Arbeitslosen. Hingegen müsse eine Intensivierung der Landwirtschast bei planmäßiger Steigerung des Hacksruchtbanes einsetzen. Außerdem müßten die landwirtschaftlichen Neben- industrien auSgebaut und sichergestellt werden. Die Land wirtschaft sei bereit, sür dieses Ziel sich einzusetzen. Sie könne e» aber nicht ohne eine kräftige Unterstützung einer starken Regierung. Eine geradezu landwirtschaftlichfeind liche Kreditpolitik und eine übersteigerte und unnötige aus ländische Nahrungseinfuhr hinderten das Vorwärtskommen der Landwirtschaft. Wenn der Feldzug der Arbeit Erfolg haben soll, müßten vor allem derartige Hindernisse aus geschaltet werden. lT.-U.) Gegensätze im Zusammenstoh zwischen Stresemana und Koehsch. (Eigner Drahtbericht der »Dresdner Nachrichten".) Berlin, 2. Nov. Wie wir «t der heutige« Sitzung des Auswärtige» Ausschnsses noch ersahrcn, kam es im Berlanf der Verhandlungen zu eine« recht lebhafte« Zusammenstoß zwischen de« ReichSa«ße«mi«ifter und de« deutsch- nationalen Abgeordneten Prof. Dr. H » e tzsch. Der Abgeord nete Dr. Hoctzsch wies eindringlich ans die Gesahre« hi«, die sich ans der Thoiry-Politik ergeben «nd ganz besonders ans die Bedrohung der vaterländischen Verbände. Der Reichs- anßenminister Strcscmann, anscheinend vo« seiner Erkran kung noch etwas nervös, antwortete dem dentschnattonal«« Ab geordnete« in erregter Weise. Der Außenminister zeigte über haupt das Bestrebe«, ans die Frag« einer eventnelle« Aus lösung der Wehrvcrbände nicht ctnzngchen. Er tat diese ganze Frage mehr nebenbei ab «nd überließ dem Jnnen- mtnistcr Dr. Külz diese Angelegenheit. Dieser erklärte auf die Frage, wie sich die Negierung znr Znrückziehnng des Ber- bots gegen die Verbände Olympia «nd Wiking stelle, daß die RetchSregierung ihren Bcrbotsbcschlnß überprüfen »erde. Komme sie dabei zu dem Ergebnis, daß daS Verbot ans,«hebe« sei, so werde sie bei der prentzische« Regierung entsprechend vorstellig «erden. Im übrigen hat es im Ausschuß ziemliche» Erstaunen her. vorgcrusen, daß sich das Zentrum wieder durch den Abg. Dr. Wirth vertreten ließ. Man glaubt dies als Anzeichen dafür deuten zu können, daß nun die Feindschaft zwischen Dr. Wirth und dem Zentrum bis auf weiteres eingestellt ist. Der Plan einer kleinen Donauföderation. Paris, 2. Nov. »Journal deS DsbatS" beschäftigt sich in seinem heutigen Leitartikel mit Ungarn. Man schreibt danach dem Qual d'Orsay die Absicht z«. die Vereinigung Ungarns mit Oesterreich unter dem Zepter deS Erzherzog» Albert z« begünstigen, «m Oesterreich vor «ine« Anschluß a« Deutschland zu bewahre». Es tst nicht unmöglich, daß Ge- Autzenausschutz. danken dieser Art in einigen Köpfen entstanden sind und baß di« Personen, die früher den Kurs der Wiederherstellung der Monarchie unter Kaiser Karl begünstigt haben, jetzt ihre Be- strebungen auf Erzherzog Albert vereinigt haben. Alle Politiker, dte die europäischen Angelegenheiten wirklich kennen, wissen aber, baß dieser von Liebhaberdiplomaten ge hegte Wunsch eine Unmöglichkeit tst und daß seine Durchführung für Frankreich schlimmer wäre, als der An- schluß Oesterreichs an Deutschland. (W. T. B.) Pariser Prefseagilalion gegen die Räumung des Saargebieles. Paris, 2. Nov. DaS Organ der republikanischen Föderation, die ..Nation", fordert in langen Ausführungen. daS Saargebict ans keine« Fall ,« räume«: »Räumen wir das Saargebiet, so haben wir keine Hoffnung auf Erfüllung unseres Wunsches, unsere Fabriken und Bänken dort zu ver mehren und zu erhalten." Aehnliche Gedankengänge werden auch in der ..Revue de Paris" ausgesprochen. Hier wird gesagt, daß das Saargebiet dazu bettragen könne, die Schuldentilgung und dte finanzielle Wiederanfrichtung zu erlangen. Ein intensiver Betrieb habe den Reingewinn von 130 Millionen im Jahre 1924 ans 1!i« Millionen gesteigert Das stelle eine Jahreszahl»«« dar. die ganz von selbst neun Jahre lang noch in die staatliche Schnldcnttlgungskasse fallen werbe. Es wäre absurd, ja vcr- brechertsch, eine solche Einnahme aufzugebcn. Die Neuregelung -er Ahelnlandordonnanzen. Berlin, 2. November. Wie eine hiesige Korrespondenz berichtet, sind die Verhandlungen zwischen dem deutschen Rhetnlandkommtssar und der Rhcinlandkommtssion über die Neuregelung des OrdonnanzwescnS im besetzten Gebiete so gut wie abgeschlossen. Das Ergebnis dieser Ver handlungen sei eine Vereinfachung und Zusammen- ztehung der bisherigen 899 auf 7 Ordonnan zen, dt« zurzeit der deutschen Regierung zur Prüfung und Genehmigung vorltegen. Don Duck zu Nlekisch? DI« Entwicklung derjenigen sächsischen Partei, auf di« während des Wahlkampfes am stärksten die Augen des poli tischen Deutschlands gerichtet ivaren, der Alten Sozial» demokratischen Partei Sachsens, hat ihre erste wichtige Etappe erreicht. Die Partei hat vier Abgeordnxten- mandate errungen. Das tst gewiß keine Zahl, di« durch ihr eigenes Gewicht irgendwie umwälzend zu wirken vermag. Immerhin muß man den Altsozialistcn zugebcn, daß das ein sehr beachtlicher Anfangserfolg ist, weil er errungen wurde nach knapp viermonattger schwierigster Organisationsarbeit gegen einen gewaltigen Parteiapparat, erkämpft nicht durch eine agitatorisch wirksame negative Parole, sondern durch einen Appell an di« staatspolitische Vernunft jahrelang ver- hetzter Kreis«. Und diesen vier Mann kommt im Landtage eine entscheidende Bedeutung zu, di« für sie und ganz Sachsen bedeutsame Entschlüsse von ihnen fordert. Wie sie sich taktisch dabei einstellen werden, wird bedeutsam genug sein, um noch mehrfach zu Erörterungen Anlaß zu geben. Wichtiger aber für dte groben Entwicklungstendenzen der deutschen Linken und damit auch für die Einstellung anderer politischer Richtungen zu dieser Partei wird die grundsätzliche Ziel- und Willensbildung sein, die sich jetzt aus gewissen heute noch etwas verborgenen Meinungsunterschieden als einheitliche Linie herauskristallisieren wird. Was die Partei ans ihrem Dresdner Gründungspartei tag« am 6. Juni d. I. als ihr Ziel verkündet«, batte kaum etwas aufzuweisen, was auch nur im entferntesten auf eine neue fortreißende Idee hindeuten konnte. Es war ein Pro gramm. daS wortwörtlich Las sozialistische Heidelberger Parteiprogramm übernahm und das einen kleinen Unterschied nur in der taktischen Frage der Regierungsbeteiligung auß- wieS. Der Parteivorsitzenb« Buck hatte es eindeutig genug erklärt, daß er und seine Männer nichts anderes sein wollten als Sozialdemokraten, deren Ziel die Wiedervereinigung mit der Mutterpartei sei. und in der einstimmig angenommenen Entschließung ist ausdrücklich festgelegt, daß die Trennung nur der Gesundung der sächsischen Sozialdemokratie dienen und »zur Politik der Gcsamtpartei zurückführen solle". Wenn Buck dann weiter als Nächstliegendes Ziel die Landtagswahl hinstcllte, die über einen beachtenswerten Erfolg der A, S. P. zu einer neuen Situation für die Gcsamtpartei führen und es einer neugeeinigten Partei gestatten würde, auf die Spal tung als auf eine Episode zu blicken, dann wird mau vergeb lich uach den neuen ideellen Gesichtspunkten suchen, ohne dt« eine Partei nicht leben und vor allen Dingen nicht wachsen kann. Daß die Partei heilt« noch restlos ans diesem rein taktischen Standpunkt steht, wird niemand behaupten wollen. Eine ander« Frag« jedoch ist es. ob sich alle Kreise der Partei heut« bereits hinter die Richtung stellen, die mit der Berufung Ernst Nicki schs in die Leitung des Partei- blatteS der Altsozialisten, des „Volksstaates", mehr und mehr tu den Vordergrund gerückt ist. Wenn das nicht der Fall sein sollt«, dann wird sich nunmehr aber di« Partei Rechenschaft darüber ablegen müssen, daß sie mit engbegrenzten takti schen Zielen nicht wciterkommcn und schwerlich einer allmäh lichen Liquidation entgehen kann, wenn sic es nicht vermag, die Partei auf ein festes ideelles Fundament zu stellen, auf dem sie im Feuer schwerster Parteikämpf« bestehen und sich auSbreitcn kann. Ob die Berufung Ernst NteklschS bereits ein« bewußte Abkehr von der rein taktischen Einstellung des Gründerpartei tages bedeutete, läßt sich heute noch nicht einwandfrei beurteilen. Jedenfalls stellte sie einen Schritt von entscheidender Wichtig keit dar. Die „Sächsische Gewcrkschaftszcitung" hat seiner zeit bereits auf die Tatsache hingewtescn, bah Ernst Niektsch a»S der Berliner S.-P.-D.-Organisation ausgetreten ist und sich den Altsozialistcn in Sachsen angeschlofscn hat. Sie hat daran die Bemerkung geknüpft, daß von ihr bisher die A. S. P. als der Zusammenschluß von Gcnossen betrachtet worden sei« die auf dem Boden der Gcsamtpartei stehen, die partetorgant» satortsch obdachlos seien und zurzeit keine andere Möglichkeit zu politischer Betätigung hätten. Hier aber, so hieß eS weiter, verläßt ein Genosse ohne diese zwingenden Gründe eine außer- sächsische Partei-Organisation, »nd die Erklärung, die er dazu gibt, stellt einen Unterschieb zur Gcsamtpartei fest. Die Be deutung der Berufung Ernst Niektsch' ist dabei zweifellos richtig gesehen. Sie wird dadurch gewaltig gesteigert, daß Niekisch aus der jnngsozialtstischen Bewegung stammt und seit Jahren den schärfsten Kamps um die Uebervrdnnng deS Staate»