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Dresdner Nachrichten : 19.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192706198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19270619
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19270619
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-19
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 19.06.1927
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Oleräner Nachrichten ^>«rrn Alltag Sonntag. 19. Zum 1927 r XÄ. 7L„ PS u/1 PS i?,i PS PS m. 5/,» PS 8/U PS 4/1« PS »/so pz i/ir ps/ i/ir PS 5/14 PS 4/14 PS 4/14 PS s/oo PS !8/20 PS S/15 PS 4/1« PS «/SS PS 4/ir PS «14 PS Ii/I« PS «/IS PS «/so PS I/N PS i/rr PS r/24 PS 4/1« ps »/ro PS >4/10 PS >8/18 PS 7/r» ps 8/1» PS s/ro PS n s« ps ,,»4 PS i«/rv ps 14/40 PS -4 PS IM: PS 4S PS 4S PS Ri PS SN PS Ri PS 8« PS 4« PS trieb idd. em Laaer iserlcichl. « sr tchubart v. üekt postp! I. Ein DE Von Hein» Rego. Da» schwarz« Tänzerpaar, da» unter stürmischem vetsall ftlnen Black Bottom wiederholen muhte, kam schivethglänzend »nd zusrteden durch den staubigen roten Vorhang zurück. »Nummer 6 in drei Minuten auftretenl" ries der Manager tn da» ilrttstenztmmer herein. Han» Herrmann suhr zusammen: Ja. richttgl Nummer 8 »or ja erl Da stand e» groß und breit auf allen Programm zetteln: »HanS Hcrrmann, der weltbekannte deutsche Excentric- und Stepptänzer, singt zu seinen Tänzen." Weltbekannt? Sestern war er es noch nicht, als der gutmütige Barkeeper einer kleinen Hascnschenke ihn, einen von den vielen, für die Neuyork niemals zur Heimat wird, hierher gewiesen hatte,- «nd der geschäftstüchtige Manager lieh sich auch kein X für «tn U machen. Aber der fragte auch nicht nach Vergangenem — ihn und sein« Concert-Halt kümmerte blutwenig die Geschichte die ihm der Deutsche hätte erzählen können: ein Jahr Heikel derger Gtudentenseltgkeit — Kriegsausbruch — vier grauen volle Jahre unter feindlichen Geschossen — Verwundung — Rückkehr des seelisch Zermürbten — dann Jahre der Inflation — Armut — und schliehlich Ucbcrsahrt als Kohlentrimmer — um auch jenseits kein Glück zu finden? Was wuhte der ameri kanische Manager von Krieg, Inflation, Elend, Hunger — der fragte nur: »WaS können Sie?" Und als HanS Herrmann schwieg, fragte er weiter: »Gibt eS in Germani, nicht irgend welche national sones?" Oh ja, die gab eS — schöne, herrliche Volkslieder! Und gab eS in Gcrmany nicht auch National tänze? Da hatte Hans Hcrrmann mit knurrendem Magen ge fiept und geschuhplattelt, und der Manager hatte zufrieden genickt und gesagt: „Well, Sie können morgen auftrcten. drei Dollar pro Abend und Esten,- beschaffen Sie sich ein passendes skvslüm, morgen'abcnd 8 Uhr — Loocl bve!" Schliehlich war eS besser für drei Dollar den Abend zu fingen und zu stepcn, als AutoS zu putzen und Kosser zu tragen! Und singen konnte er: wenigsten« hatte er es gekonnt. Er hatte eine schöne Stimme, und hatte sich von guten Lehrern ausbildcn lasten, nun sollten die Vankeeö jene Lieder hören, die er einst bet Lautenklang auf frohen Ncckarfahrten gesungen! Er bejchasfte sich ein Kostüm, das man bei einigem guten Willen als bayrische Tracht ansehen konnte, nebst einer Laute, und dann hatte ihm der gutmütige Varkccper das Mittagessen aus Kredit gegeben und hatte andächtig gelauscht, als der »Deutsche Exccntrtc-Tänzer" einige Lieder probierte, die ihm so fremd waren und ihn doch ergriffen. »Nummer 8 auftrcten!" rief der Manager und zog den Vorhang zurück. Und dann stand Hans Herrmann auf dem Podium, hörte den Conferencier etwas schnarren, sah ihn mit einer Ver beugung verschwinden, fühlte Hunderte, Tausende von Menschenaugen. die Augen sremder, gleichgültiger Menschen, aus sich gerichtet,- hörte den Manager hinter sich flüstern: »An- sangen!" — und fühlte mit wahnsinniger Angst, dah alles, was er sich sür diesen Abend znrcchtgelegt hatte, wie aus dem Ge dächtnis weggeweht war, dah ihm die Kehle wie zugcschnürt war und er keinen Ton hcrausbringen konnte ... Da sah er irgendwo im grohcn Saale eine Hand grühcnd winken und hörte jemand rusen: „Mach's gut, Landsmann!" Da war also jemand, der so sprach und dachte wie er — ein unbekannter Freund, der vielleicht ebenso sremd und einsam war in diefer Riesenstadt, wie er, und sich genau so zurücksehnte nach der Heimat! Ja. für den wollte und konnte er singen — sür diesen Freund, den er nicht kannte! Er wuhte nicht mehr, was er eigentlich hatte singen wollen — säst ohne zu denken, griss er präludierend in die Saiten — fühlte eö hcih in seinen Augen brennen — sah wie durch einen Nebelschleier die grünen Täler feiner Heimat vor sich — hörte das Rauschen des Neckars, das Raunen der Wälder — sah in der Ferne das alte Heidelberger Schloh in einen sternenklaren Himmel ragen — rih sich zusammen und setzte ein: »Nun ade. du mein lieb Heimatland..." Er fühlte selbst, dah er noch nie tn seinem Leben so ge sungen hatte, wie heute: fühlte, wie diese Stimme, die ihm ge hörte und doch aus einer fremden Brust zu dringen schien, ge bieterisch, machtvoll den weiten Raum füllte; fühlte, wie er in dieser Stunde, an diesem einfachen Volkslied, zum Künstler wuchs — wie er alle diese Menschen unwiderstehlich in seinen vann zog und ihnen seine ganze Sehnsucht tu die Seele brannte... Nichts rührte sich, als er geendet hatte. Nur -er Manager hinter dem Vorhang flüsterte heiser: »Wcitersingen! Sie be kommen zehn Dollar sür den Abend!" Und Hans Hcrrmann sang weiter Tr wuhte kaum. waS er sang, wie lange er sang — er wußte nur, daß er sich alle Bitterkeit und alles Leid und alles Sehnen dieser langen letzten Jahre von der Seele sang. Und als er zum Schluß das ewig- junge Lied intonierte: »Ich war zu Heidelberg Student" — da war eS nicht mehr Klage und Verzweiflung, sondern dasselbe Helle Jubeln, wie einst in glücklicheren Tagen der junge Studio zum deutschen Himmel herausgejubelt hatte: „Ein Wort gibt meiner Seele Schwingen: Ich war zu Heidelberg, zu Heidelberg Student!" Dann wankte er erschöpft in das kleine Artistcnzimmer zurück. Und während hinter ihm die Wogen eines orkanartigen Beifalls zulammcnschlugcn, dah die weite Conccrt-Hall tn ihren Grundfesten zu erbeben schien, empfand Hans Herrmann, zugleich mit neuer Zukunstshvssnung, zum erstenmal seit vielen Jahren ein köstliches Gefühl: er war glücklich ... Fräulein Avbespierre. Von Carry Brachvogel. Ende September 1792 besteigt tn Arras ein dunkeläugiges, leidlich hübsches Mädchen, das anfangs der Dreißig stehen mag. die Postkutsche, die nach Parts fährt. Ans ihrem Gesicht liegt fröhliche Neugier und in ihrem Herzen pocht köstliches Reisefieber. Sie führt ja z» ihren Brüdern, di« beide im Kon- vcnt sitzen und von denen der ältere. Maximtlien, die Stütze des Jakobinerklnbs und eine Hoffnung des in furchtbaren Wehen kreidenden Landes ist. Wer in ganz Frankreich kennt heute nicht den Namen Maximtlien NobeSpierrc?! Doch nicht nur ein Anivalt der Armen und Enterbten und eine politische Persönlichkeit war und ist Marimilien, sondern auch ein sorgender, liebevoller Bruder, Da seine Mutier früh gestorben, der Vater, ein Rechtsanwalt in Arras, aus Gram über Len Tod seiner Frau ArraS verlassen h«ttte und irgendwo in Deutschland verschollen nmr. hatte Maximilicn von frühester Jugend an die Geschwister, Charlotte und Augustin, betreut, uuz ries nun die Schioester zu sich. Nach vielen Fehlschlägcn schien ja sein Lvbensschiff endlich in eine sichere Bahn ge- kommen zu sein... Während dt« Postkutsche schwerfällig dahtnrollt, hat Fräu- lein Charlotte Zeit über Vergangenes und Künftiges nach- zudcnken. Di« Vergangenheit sieht nicht rosig aus, die früh- verwaisten Kinder des verschollenen RechtSanivaltS waren nicht weich gebettet. Die Jungen lernten auf Freiplätzcn im Jesu'tcnstift LoutS-le-Grand zu Paris, Charlotte blieb bei mähia begüterten Verwandten in ArraS. Martmilten, der Jura studiert hatte, wollte die Kanzlet des Vaters über nehmen. fand aber keine Praxis und als Arraö ihn als seinen Vertreter in die Nationalversammlung schickte, erregt« sein« trste Rede dort Heiterkeit, die er wicht beabistchdtst Nun aber sind die Tage der Armseltgkett vorbei. Nuu wird Fräulein Charlotte ein eigenes, behagliches Heim haben, in dem sie mit den Brüdern »usammenwohnt, aber allein be- fiehlt, denu Fräulein Charlotte befiehlt sehr gerne. Sie wird rin HanS auSmachcn. tvle e» sich für Vtaxlmilten ziemt, und wer weih — vielleicht wird dann bald ein Freund de» be. rühmten Bruders um die Hand der Schwester wcrbenl Gleich bet -er Ankunft in Paris gibt es aber eine schmerz liche Enttäuschung. Maximtlien Hai kein eigenes Heim, denkt auch nicht daran, sich durch Charlotte eines gründen zu lasten, denn er fühlt sich als simpler Zimmerherr der Schreiners- familie Duplay außerordentlich wohl. Dies« Familie, di« auS dem Ehepaar Duplay, einem Sohn und drei heiratsfähigen Töchtern besteht, bewohnt tn der Rue St. Honore ein be scheidenes Haus, und erblickt den Sinn ihres Lebens darin, je nach Geschlecht und Veranlagung, den Zimmerherrn zu ver- wöhnen, anzubeten — oder zu verheiraten. Danton behauptete »war »Nobespierre lebt umgeben von Idioten und Klatsch basen". aber NobeSpierrc fühlt« sich in diesem Milieu so wohl, dah er auf die absonderliche Idee kam, auch seine beiden Ge- schwister bei der Familie Duplay unterzubringen. Es dauerte natürlich nicht lauge, da begann der Guerilla krieg »wischen Charlotte und den weiblichen Duplayö. Char lotte erzählt zwar in ihren Memoire», sie habe über die Töchter nie zu klagen gehabt, .-aber die Mutter . . . Ich könnt« Rande füllen, wollte ich alles auslchreiben, was mir die Mutter angetan hat." Glllckliche/rweise hat sic diesen Band ungeschrieben gelasten, und das Schlimmste, was ihr die Mutter Duplay angetan hat. war wohl, daß diese twie Char lotte behauptet) die Absicht Halle, thr« Tochter Eleonore mit RobeSpierr« zu verheiraten. Charlotte sagt zwar, -ah ihr Bruder nie an das herbe, unschöne Mädchen gedacht habe, vielleicht aber spielte st« doch eine Nolle tu seinen Zukuustöplänen, ivcnn er von dem Leben L 1» Rostcau träumte, das er später, wen» sein« grvhe Mission beendet wäre» fern von Paris urrd Politik auf einem bescheidenen Landgütchcu führen wollte. Während der phantastische VolkStribun dem Glück feines Landes aus seine Weise uachsann und jeden köpfen lieh, der dies Glück aus einem anderen Weg« suchen wollte, stritten sich Fräulein Charlotte und Frau Duplay um ihn bis aufs Messer. Zunächst blieb die rechthaberische Charlotte Siegerin, führte den Bruder, der ihr vermutlich kaum znhörte, in eine eigens von ihr gemietete Wohnung der Nur St. Flvrentin und er klärte, bah sich solch ein Heim für ihn zieme, und dah er sich hier sehr glücklich fühlen werde. Doch als er wenige Wochen nach der gewaltsamen Ueberführung krank wurde, kam Frau Duplay und brachte ihn, der in allen praktischen Dingen wie ein Kind war. triumphierend nach der Nuc St. Honore zurück. So schien der Bruch zwischen der Schwester und dein Bruder, der bald Präsident des WohlsahrtSausschusteS wurde, uuver- ineidltch, und Charlotte rechnete wohl schon mit einer be. schämenden Rückkehr nach Arras. Da erschetnt Augustin aiS Retter in der Not. Die Ne gierung schickt thn und stticvrd als Kommissär« zur Arme« nach Italien. Ricord ntnrmi seine hübsche Frau mit, auf Maximt- lienS Wunsch wird Charlotte Slugnstin begleiten. Nun endlich erlebt sie die Tage, von denen sie in der Postkutsche geträumt lullte. Mit dem Bruder und den NicordS reist sie. gleich einer Fürstin: überall Extrakutschen, Ehrengeleit, Empfänge. Feste. Frau Nicor- und Fräulein RobeSpierre gewöhnen sich so schnell au daS veränderte Leben, dah sie schon Gebärden der Herablassung finden, so -ah di« Bevölkerung, die hungert, zu murren beginnt und die beiden Damen tm Theater mit faulen Aepfein bewirft . . . Dann entdcckt Charlotte, daß Frau Ricord Augustins Geliebt« ist. und nun tribuliert sie die RicordS, wie sie ehedem die DuplayS tribuliert«. wird von allen Seiten angeschrten, daß sie zänkisch und unverträglich sei, ist eS vielleicht auch in der Tat, ist aber vor allem ein Weib in seines Lebens Sommer, das immerfort hört und sieht, wie andere geliebt werden, indes sie mit leeren Händen und leerem Herzen dasteht . . . Sie behauptete allerdings später, daß Fouchä, den die Negierung damals zu seinem Schlächteramt nach Lyon schickte, sich um ihre Hand beworben hätte, doch dt« Sache kann nicht stimmen, denn Fouchö war zu jener Zeit ein neugebackener und sehr verliebter Ehemann. Und auch auS eiuer Heirat mit dem jungen General Bonaparte. die von den Brüdern CHarlottemS geplant worden sein soll, ist nichts geworden. Schon ist die Situation zwischen den RicordS und Char lotte unlxrltbar geworden. Charlotte kehrt allein nach Part» zurück und schreibt einen larmoyanten Brief an Augustin, in dem sie sich als Lämrnlein hinstellt, das von den bösen Brüdern grundlos geschmäht und verfolgt wird. Augustin, in seiner gewöhnlichen Draufgänger«! und seinem ungewöhnlichen Acrger, schreibt ebenfalls einen Brief an Maximtlien, einen Brief, -essen Thema -i« Schwester bildet. In normalen Zeiten hätte ein normaler Bruder dem andern wohl geschrieben: „Unsere Schwester ist ein Drachen; sehen wir zu. dah wir sie sobald als möglich loS werden," aber weder die .'seiten noch die NobcSpterrcö ivaren normal, und der Superlativ beherrschte auch die tägliche Umgangssprache. Augustin taucht also sein« Feder nicht tn Tinte, sondern in flüssige Lava und schreibt an seinen Bruder folgenden Lapidar- stil: »In unserer Schivestcr flieht kein Tropfen unseres BluteS. Nach Dingen, dt« ich rwn ihr gehört habe, betracht« ich sie alS unsere größte Feindin. Weil wir einen makellosen Nus haben, droht sie beständig mit Skandalen, di« thn beflecken sollen, und st« möchte unS darum immer Hofmeister», Sie muß wieder nach ArraS zurück, damit wir endlich von diesem Wesen be- freit werden, das an» bekd« zur Verzweiflung treibt." Charlotte kehrte auch wirklich vorübergehend nach Arraö zurück, fand sich aber bald wieder 1» Parts ein. wohnt« zuerst bet einer Familie Laporte. daun, als die Schreckensherrschaft gestürzt war, unter dem Namen Carrot bei einer Familie Veguin tm Hallenviertel. In ihren Memoiren behauptet sie zwar, daß st«, als sie von der Verhaftung der Brüder hörte, und kniefällig die schleunigst nach der Conciergert« gestürzt sei Wachen gebeten habe, sie einzulaffe«. aber Memoiren, di« dreißig Jahr« nach den Ereignissen geschrieben werden, sind nicht immer znverläffia. In Charlotte floß auch wirklich kein Tropfen Blut vom Blute -er RobeSpierreS. Sie war ein zänkisches, armseliges Jüngfcrchen. )as weder eine große Idee, noch einen teuren Menschen besaß, für die eS freudig gestorben wäre. Sie besaß nichts als ihr Leben und sie hing vielleicht gerade so sehr am Leben, weil es thr so wenig geboten hatte. Als sie »ach der Hinrichtung der Brüder verhaftet wird, ver teidigt sic sich mit allen Mitteln und Worten, die ihr zu Ge bote stehen, sagt auS, daß st« lieber die Brüder verraten und ans Messer geliefert hätte al» die Republik. DaS Sicherhettö. komtdee erkennt schnell, daß kesue Heroin« vor ihm steht, die Talent n Blutzeugengeschäft hätte, und als auS den be- schlagna! > ; Papieren Maximtlien« gar noch -er Lämnrlein- Brief CI» ttcnü und der Lapidarst« AuMrsttnS hervor- gezogen werden, ist Charlotte gerettet. Sie wird enthaftet, und eln Dekret bestätigt ihr, daß ^ste des Vertrauens und des Schutzes aller guten Bürger cmd Behörden würdig sei, und daß sie jede Unterstützung grn'.ehcn möge, di« der reinen Vater- landSllebe ziemt." Und weil sie el>cn in iedcr Hinsicht ein armseliges Wetblctn ist, unterstützen die Thermidoristcn sie sogar mit Geld und brandmarken sie so als Verräterin an den lebende« wie an de« toten Brüder» .,. ES hätte sicher von edlem Stolz gezeugt, wenn Charlotte dt« Unterstützung der Niänncr, die ihre Brüder gemordet batten, zurllckgewiesen und den verfemten Namen Rvbespterve mit Würde weiter getragen hätte. Doch sie war nicht stolz, wohl aber arm und lungenkrank, und wie ihr Bruder Maxi- mitten hatte sie sehr schlechte Augen. So kroch sie denn, immer unter falschem ildamen, bei Freunden unter, brachte sich kümmerlich durch Näharbeit fort, bäumte sich aber verzweifelt und — vergebltch auf. wenn man st« des Verrats an ihre» toten Brüdern bezichtigte —. Als Bonaparte Konsul geworden, nahte sich ihm Charlotte» St« ihn einst mit l-vchzeitltchen Gedanken umsponnen hatte. Als alter Freund ihrer Brüder setzt er ihr eine Jahresrenle von Mlv Franken auS, lädt sie auch ein, seine Frau zu be suchen. Frau Joseftn« Iaht sich zwar jedeSmal verleugnen» wenn Charlotte kommt, aber trotzdem lausen hartnäckige Ge rüchte um. dah die beiden Frauen den kleinen etngekcrkcrte» Dauphin aus dem Tempel befreit und sortgebracht hätten, und dah die JahreSrente für Charlotte ein Schwetggeld bedeut«. Und da dteS Schiociggeld von allen künftigen Negierung«« weitergezahlt wird, bleibt es ein rätselhaftes Ding, um daS sich unablässig Vermutungen und Verleumdungen ranken werden. Jahrzehnte schlichen in Näharbeit und peinlicher Sparsam keit dahin. Da, an der Schwelle des Gretsenalters. will über daS grau« Leben des allen Fräuleins noch Heller, warmer Sonnenschein fallen. Sie lernt den 19jährigen Laponneraye kennen, den nachgeborencn Sohn der Revolution, der davon träuint ijetzt, in der Restaurattonszett!) ihr unbcendctcS Werk zu vollenden, der kein« anderen Götter kennt, als die Opfer deS Thermidor. Ungeheure Erschütterung bemächtigt sich seiner, als er vor der alten Frau steht, in deren Adern da» Blut -er RobeSpierre flieht. Voll Ehrfurcht küßt er die Hand, in -er Maximiliens Hand gelegen, und sein ganzes Lebe» wird, soweit eS nicht seiner Idee gehört, thr gehören, der letzten Robespterre . . . Gleich einem zärtlichen Sohn hängt er an thr, bringt thr Opfer aller Art, will nur. dah sie immer von den toten Brüdern erzähle. Und sie, die nie geboren, sie liebt diesen jungen Brausekopf wie eine beglückte Mutter, wie sie ihre Brüder nie geliebt hat, vbivvhl sie ihm Wunderding« erzählt von der Harmonie, die stets zwischen ihr und ihnen ge herrscht habe. Ihm zu lieb« schreibt sie auch ihre Memoire», und wenn er, was oft der Fall ist. wegen politischer Ding« tm Gefängnis sitzt, dann humpelt sie an den B/stuchstagen am Arm seiner Schwester nach St. Pölagie, um ihr geliebtes Kind z« umarmen . . . Ende Juli 1834 beginnt daun das alte Fräulein z« kränkeln und am dritten August wird Charlotte Robespterre idie sich bis zu ihrem Tode Madame Carrot nannte) auf dem Friedhof Montparnaffe beeidigt. Eine große Mcnschenmeng« nahm daran teil, denn der Name „RobeSpierre" hatte seinen dämonischen Klang nicht verloren. Lapponneraye, der just wieder im Gefängnis saß. hatte für die Mutter seiner Wahl eine prunkende Grabrede verfaßt, di« einer seiner Freunde sprach. So war dieser August tag mit seiner Menschenmenge und seiner Ehrung fast wie ein Abglanz jener fernen Zeit, da Charlotte und Augustin mit den RicordS gereist war, und sich gleich einer Fürstin hatte feiern lassen. Aber noch war diese» Gebeinen keine Ruhe beschieden, und das bi sichen Glanz, da» über das Grab hinleuchtcte, sollte schnell tn der alten Nerm» lichkeit erlöschen. Denn da Charlotte ns Freunde zu arm waren, das Grab länger als fünf Jahre zu kaufen, wurde» ihr« sterblichen Ueberreste nach dieser Frist wieder a«S» geschaufelt und ins Massengrab geworfen, wo unter Taus«»» den von Unbekannten auch Maximtlien und Augustin mit anderen Opfern des Thermidor moderten. Das Bild -er Tänzerin. Von Gustav Halm. Erik Ras-musten stand in seinem Atelier, besten größt Glasscheibe den Blick über die bergabgebaute Stadt von Per« bis Galata frcigab. dies ocrquälte Gewirr bunter Bauten auS Holz und Stein, auS lastenden Dächern und befreit aufschieben» den Türmen, das erst mit der tiefblauen Flut des Bosporus ein Ende fand und jenseits in den machtvoll gewölbten Kuppeln» triumphierenden Minarets und tausendfach übereinander ge- schachtelteo Häusern Stambuls wie in einem Echo wieder» auflcbte. Sinnend genoß -er Maler das schön«, in die satte» Farben einer südlichen Welt getauchte Bild, sein nordisches Ge» müt an der Gegensätzlichkeit entzündend. Das Geräusch sich nähernder Schritte rih ihn aus seine« Nachdenken. Fast gewaltsam wurde die Tür aufgetan, und ein Mann trat ein. unschwer zu erkennen als einer der Macht» Haber aus der vergangenen Zeit, im Gchrock des europäischen Türken, mit noch ttefschwarzem Bart und lcidcnschaftgerötetc« Gesicht, dessen herrischen Blick er dem Maler voll zukehrtc. »Sie haben Irene StratontkoS gemalt?" stich er in fran-v- stscher Sprache hervor, ohne ein Wort des Grußes oder det Vorstellung für nötig zu befinden. Der Maler sah thn an und lächelte. Er verbeugt« sich und tagte: »Sie gestatten: RaS- müssen! — Ich habe die Ehre. Sie in meiner Wohnung will- kommen zu heißen." — »Lassen Sie das," sprach der andere mit scharfer Betonung. »Es ist zeitraubend und iiberflüssig. Das Bild ist das wesentliche. Zeigen Sie cs mirl" — Nasmusseu neigt« sich leicht gegen ihn und sagte: »Sie meinen di« griechische Tänzerin aus dem Katakhioum-Theater?" — »Die selbe. Ich bitte Sie ..." — »Hier ist cö," sagte der Maler ein fach und zog einen Vorhang von -er Staffelet zurück, den Blick aus das fast lcbcnögrohe Bild der Griechin sreigcbend, daS» noch auf den Keilrahmeu aufgezogen, im vollen Lichte stand. »Di« ist eS!" rief der Türk«, und man sah wohl, wie fick seine Leidenschaft bei dem Anblick zur Glut entzündete. »Irene! Ganz so sah ich sie. Abend für Abend! Allah, wie du den Schimmer -de» silbernen Panzerhemdes gemalt hast! Steht man sie nicht darunter atmen? Wer lehrt« dich das Licht und die Luft tu Farben einfangen? Wie der blaue Rock so zart un duftig flattert! Wie sie die Arme über den Kopf beugt unL diesen Degen über sich biegt! Du hast sie lachen gesehen? Ich nicht: aber ihre Zähne sind eS, ihre Augen, ich sah sie oft, aber immer so ernst. WaS gäbe ich für ein solches Lachen! — SIS schlanker. alS die Antilope, und schöner gebaut, als ein Reh. Muhammed. o Allah. waS muhtet ihr den Gläubigen ver bieten. des Menschen Bildnis zu niaten?!" Er hielt einen Augenblick in ne; aber ehe sich RaSmnffen von seinem Staunen erholen und eine Frage tun konnte, rief er wieder: »Fremder, was willst du für dieses Bild? — Fordere, ich bin nicht gewohnt, zu knausern, und zahle, was du willst. Aber ich muh eS besitzen!" — »Ich habe das Bild für eine Ausstellung gemalt und auch schon angcmcldet," sagte der Maler. »Wenn du einig« Tage warten willst, bis ich eS ein zweites Mal gematt habe . . . — »Wie? Was? Ein zweites Mal?!" rief der Türke. »Tellen soll ich wtt dir, mit anderen? Ich zahl« dir mehr. alS jeder. Aber ich will allein, allein den Besitz, den ganzen Besitz!" — »Ich bin vermögend und un abhängig," antwortete Nasmusseu »Was habe ich davon, wenn mein Bild ln einem finsteren, fensterlosen Hanse -cs Morgen landes verschwindet und sür alle Zeit verschollen ist? — Laß mir Zeit, es noch einmal anzufertigcn, gut: wenn nicht. — er ledigt!" Mit einer flach hinschneidenden -vaiidbewegniig deutete er an, daß er sich ans weitere Verhandlungen nicht ctnzulassen gedenke. Der Türk« trat zornig mit dem Fuße auf, riß an seinem vaefe und schrie: »Ich bitte dich, ich bitte dich, erbarme -ich!
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